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Re: Und sie dreht doch alles ... - Psychoanalyse 'schlägt' alle anderen Therapien

Verfasst: So., 03.09.2017, 17:45
von sandrin
mio hat geschrieben: So., 03.09.2017, 17:31 Also ich hätte weniger das Problem dass ich nicht bereit bin mir Zeit für mich zu nehmen, sondern dass es sich eben nicht mit dem Job vereinbaren lässt und ich um die Termine dauerhaft zuverlässig halten zu können an diesen Tagen gar keine Jobs annehmen dürfte und das geht für einen Tag die Woche mal, aber nicht für zwei oder drei. Und auch "Ausnahmen" im Job gehen da "mal" aber eben nicht dauerhaft.

Das ist doch das Problem. Ich kann doch nicht einfach sagen: Lieber Arbeitgeber, ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich künftig dreimal die Woche während der Arbeitszeit fehle, weil ich nur da einen PA-Termin bekomme.
Und das Arbeitsamt ist da glaub ich auch nicht so gnädig, wenn man dann seinen Job verliert. Das ist ein handfester Grund für eine Sperrzeit, d. h. man bekommt erstmal gar nichts. Und annehmen musst du jeden Job, der dir zumutbar ist. Die fragen da nicht nach der Passung mit einer PA.

Re: Und sie dreht doch alles ... - Psychoanalyse 'schlägt' alle anderen Therapien

Verfasst: So., 03.09.2017, 18:07
von mio
ziegenkind hat geschrieben: So., 03.09.2017, 17:38 Und manchmal war es für mich ganz gut nach den Stunden an anderes denken zu müssen.
Das verhält sich bei mir zB. total umgekehrt. Wenn ich dann keine Zeit für mich habe um zu "sortieren", dann "verliere" ich das schnell wieder, was ich mir in der Stunde erarbeitet habe. Ich könnte zwar wahrscheinlich gut in den Alltagsmodus zurückwechseln, was das angeht geht es grundsätzlich besser als "andersrum" (bzw. ich würde dann halt gar nicht so tief einsteigen in den Stunden, das wäre dann wohl ein Automatismus), aber es würde mir bei weitem nicht so viel bringen.

Und ich denke auch, dass mich zwei, drei Stunden die Woche komplett überfordern würden und eher destabilisierend wirken als stabilisierend. Da käm ich dann ja gar nicht mehr raus aus dem "Therapiemodus" oder gar nicht erst "rein", je nachdem. Beides stelle ich mir auf Dauer nicht hilfreich vor für mich.

Das wusste ich aber als ich die Entscheidung treffen musste noch nicht, da war es an erster Stelle die Terminfrage bzw. halt die Empfehlung desjenigen wo ich zur Beratung war der mir halt explizit zu Traumatherapie geraten hat und damit war PA eh raus, weil ich keinem einzigen "begegnet" bin bei meiner Suche der auch ne Zusatzausbildung in Traumatherapie hatte und laut meiner Thera gibt es das auch so gut wie gar nicht.

Verhaltenstherapie wäre meins auch nicht so gewesen beim vorher drüber nachdenken, weil WIE ich mich besser verhalten könnte, das weiss ich, daran "mangelt" es nicht. Auch mangelt es mir nicht an "Überwindung" oder so weshalb ich schon was "aufdeckendes" wollte bzw. was, was mir halt hilft das alles zu verstehen.

Ich glaube das "blöde" ist, dass man zu Beginn einer Therapie ja meist noch gar nicht so viel "Ahnung" hat und wer dann nicht das Glück hat an jemanden zu geraten der da "sauber" und unabhängig von der eigenen Schule berät und sich vielleicht auch nicht so selbst informiert, dann rennt man da unter Umständen in was rein, was gar nicht zu einem passt.

Eigentlich ist es ja so, dass Psychoanalyse eher bei Persönlichkeitsstörungen empfohlen wird und als die Methode gilt, die da am Besten greift, während bei anderen Störungen erst mal andere Therapieformen als passender und ausreichend angesehen werden. Von daher sollte für meine Begriffe auch eher die vorliegende Problematik entscheiden und nicht so sehr die von demjenigen der aufgesucht wird praktizierte Schule.

Und deshalb finde ich auch so "Verallgemeinerungen" in Richtung "Das ist die wirksamste aller Theapieformen" schwierig, weil das in manchen Fällen gelten mag aber eben nicht in allen. Ich wäre da auch mehr für "Schulenübergreifendes Denken" und Therapeuten die wirklich das Wohl des Patienten im Auge haben denken glaube ich auch so und halten nicht die eigene Schule für DEN Königsweg sondern differenzieren da.

Re: Und sie dreht doch alles ... - Psychoanalyse 'schlägt' alle anderen Therapien

Verfasst: So., 03.09.2017, 18:13
von sandrin
mio hat geschrieben: So., 03.09.2017, 18:07
Eigentlich ist es ja so, dass Psychoanalyse eher bei Persönlichkeitsstörungen empfohlen wird
Das stimmt so eigentlich nicht. Die Domäne der PA waren seit jeher die neurotischen Störungen auf höherem Strukturniveau (Konfliktpathologie). Es gab Zeiten, da war eine niedrige Struktur eher eine Kontraindikation für eine PA. Das hat sich in den letzten Jahrzehnten aber gelockert bzw. es gibt Abwandlungen für Persönlichkeitsstörungen (Strukturpathologie).

Re: Und sie dreht doch alles ... - Psychoanalyse 'schlägt' alle anderen Therapien

Verfasst: So., 03.09.2017, 18:14
von stern
In Kontrast zum Eingangsposting (bzw. der Überschrift) steht z.B. folgende Sichtweise:

"München
Max-Planck-Institut startet weltgrößte Psychotherapie-Studie"

09.08.2017, 03:01
https://www.morgenpost.de/web-wissen/ar ... tudie.html
Aktuell wissen wir noch zu wenig darüber, welcher Patient von welcher Form der Therapie wie und warum profitiert. Das möchten wir ändern", sagt Johannes Kopf-Beck, wissenschaftlicher Mitarbeiter und stellvertretender Studienleiter.
Quelle: siehe oben

:lol:

bzw.:
Die Studie soll außerdem neue psychotherapeutische Verfahren wie die Schematherapie auf ihre Wirksamkeit in der Depressionsbehandlung prüfen und Informationen liefern, welche Patienten besonders gut von bestimmten psychotherapeutischen Interventionen profitieren. Die Therapeuten kombinieren bei einer Schematherapie Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie mit Elementen psychodynamischer Konzepte. Dadurch thematisieren sie stärker als bei klassischer Verhaltenstherapie Emotionen, prägende Erfahrungen aus der Vergangenheit und die Beziehung zwischen Patient und Therapeut.
http://www.presseportal.de/pm/127536/3703430
Auch hier geht es wieder (wie ja auch im ursprünglichen Artikel angeklungen ist) um die Verbindung von Vorgehensweisen.

Re: Und sie dreht doch alles ... - Psychoanalyse 'schlägt' alle anderen Therapien

Verfasst: So., 03.09.2017, 18:17
von isabe
Na ja, vereinfacht gesagt, geht es wohl primär darum, was man will. Und darum herum bastelt man sich dann den Rest. Und das, was man will, wird natürlich auch dadurch geleitet, was einen so bewegt: Wenn jemand merkt, dass er sich nicht vorstellen kann, 3x auf die Couch zu gehen, wird er das nicht wollen.

Was das Berufsleben betrifft: Ich kenne alles, vom Selbständigsein zum Schichtdienst, vom Beamtentum zur Hausfrau (;)) - und dann sind da natürlich noch Bekannte, Freunde und Verwandte. Ich kenne tatsächlich niemanden, dem es nicht zeitlich möglich wäre, 3h die Woche Analyse zu machen. Mein erster Therapeut hat gesagt, dass er sehr viele Lehrer behandelt. Die haben ja nicht immer schon um 8 Schule, und sie müssen auch nicht immer bis 17 Uhr arbeiten, und nein, sie bereiten auch nicht jeden Schultag ewig lange vor (Ausnahme: Referendare).

Im Schichtdienst kann man entweder selbst angeben, wann man nicht arbeiten kann - oder aber man kennt seinen Dienstplan über Wochen oder gar Monate im Voraus. Als ich Beamtin war, ließ ich, wenn ich das wollte, um 15.12 den Stift fallen. Alle meine Bekannten haben entweder relativ früh Feierabend oder sie teilen sich die Zeit selbst ein (und alle arbeiten vollzeit). Das heißt nicht, dass es nicht auch mal schwierig werden könnte und man viel organisieren muss (auch wenn man Kinder hat, z.B.), aber es ist in der Tat eine Frage der Prioritäten. Und Analysen sind ja langfristig angelegt, sodass man irgendwann an den Punkt kommt, an dem man 3x Termine findet, die gut passen. Muss ja nicht gleich in den ersten Monaten sein.

Re: Und sie dreht doch alles ... - Psychoanalyse 'schlägt' alle anderen Therapien

Verfasst: So., 03.09.2017, 18:18
von mio
sandrin hat geschrieben: So., 03.09.2017, 17:45 Das ist doch das Problem. Ich kann doch nicht einfach sagen: Lieber Arbeitgeber, ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich künftig dreimal die Woche während der Arbeitszeit fehle, weil ich nur da einen PA-Termin bekomme.
Ja, da bliebe dann nur jemanden zu finden, der Termine außerhalb der eigenen Arbeitszeit anbietet und die auch noch für einen frei hat...und na ja, das dürfte nicht ganz einfach sein.

Mein Problem ist zusätzlich noch, dass ich keine "festen Arbeitszeiten" habe, dh. ich weiss nicht, wann mein Tag anfängt und wann er endet. Das ist von Job zu Job total unterschiedlich. Und da kann ich auch nicht den Job an mich anpassen, sondern ich muss mich an den Job anpassen. Und das Arbeitsamt würde nur müde mit den Achseln zucken, wenn ich nicht arbeiten könnte. Da bliebe dann nur Harzt4. Keine sooo tolle Aussicht.

Re: Und sie dreht doch alles ... - Psychoanalyse 'schlägt' alle anderen Therapien

Verfasst: So., 03.09.2017, 18:20
von isabe
Sandrin:
Es hat aber nicht jeder mit einer PS ein niedriges Strukturniveau; bzw. da wird sehr differenziert. Vielleicht kann derjenige irgendwas kaum und kann das mit anderen Fähigkeiten kompensieren, sodass der Mensch gut funktioniert, trotz seiner frühen Störung.

Re: Und sie dreht doch alles ... - Psychoanalyse 'schlägt' alle anderen Therapien

Verfasst: So., 03.09.2017, 18:21
von sandrin
Was die Isabe alles über Lehrer weiß, unglaublich ...

Re: Und sie dreht doch alles ... - Psychoanalyse 'schlägt' alle anderen Therapien

Verfasst: So., 03.09.2017, 18:23
von sandrin
Du hast doch schon viel darüber gelesen, oder?

Re: Und sie dreht doch alles ... - Psychoanalyse 'schlägt' alle anderen Therapien

Verfasst: So., 03.09.2017, 18:27
von mio
sandrin hat geschrieben: So., 03.09.2017, 18:13 Das stimmt so eigentlich nicht. Die Domäne der PA waren seit jeher die neurotischen Störungen auf höherem Strukturniveau (Konfliktpathologie). Es gab Zeiten, da war eine niedrige Struktur eher eine Kontraindikation für eine PA. Das hat sich in den letzten Jahrzehnten aber gelockert bzw. es gibt Abwandlungen für Persönlichkeitsstörungen (Strukturpathologie).
Ah, ok. Ich hatte es bisher so verstanden, dass es PA halt auch als "letzte Möglichkeit" wenn alles andere nicht greift gesehen wird. Also als was, was für eher "schwere Probleme" die tief in der Persönlichkeit verankert sind - also Ich-synton sind - gut geeignet ist, weil es so "Richtungsfrei" ist und damit geeignet die Struktur der Persönlichkeit sozusagen "aus der Tiefe heraus" zu verändern ohne sie in dem Sinne zu beeinflussen und damit den (eigentlichen) Menschen als solchen zu "verändern".

Während andere Schulen ja deutlich "Problemfokusierter" arbeiten und nicht so "offen".

Re: Und sie dreht doch alles ... - Psychoanalyse 'schlägt' alle anderen Therapien

Verfasst: So., 03.09.2017, 18:28
von sandrin
Das wird auch nicht mehr so streng gehandhabt, da hat Isabe schon Recht. Aber traditionell beschäftigten sich PAler mit inneren Konflikten und die entstehen laut Theorie erst in der ödipalen Phase.

Re: Und sie dreht doch alles ... - Psychoanalyse 'schlägt' alle anderen Therapien

Verfasst: So., 03.09.2017, 18:35
von mio
isabe hat geschrieben: So., 03.09.2017, 18:17 Alle meine Bekannten haben entweder relativ früh Feierabend oder sie teilen sich die Zeit selbst ein (und alle arbeiten vollzeit).
Und viele meiner Bekannten können weder früh Feierabend machen noch wissen sie, wie ihr nächster Dienstag zeitlich so aussehen wird... Andere wiederum sind Lehrer, die bekommen am Anfang des Jahres einen Stundenplan zugeteilt der dann grundsätzlich gilt für das kommende Jahr. Andere sind selbstständig und haben ein eigenes Büro, die können auch eher des Tags mal für ein Stündchen raus. Mein Bruder ist Servicetechniker, der hat noch nicht mal nen festen Standort unter der Woche. Was es alles gibt...

Re: Und sie dreht doch alles ... - Psychoanalyse 'schlägt' alle anderen Therapien

Verfasst: So., 03.09.2017, 18:38
von isabe
...eben Mio. Und deshalb ist der Satz "ich arbeite vollzeit, also gehen keine 3h" so nicht gültig. Wenn das für ein Individuum so sein sollte, ist das so. Aber für viele Menschen, die vollzeit arbeiten, ist es anders.

Re: Und sie dreht doch alles ... - Psychoanalyse 'schlägt' alle anderen Therapien

Verfasst: So., 03.09.2017, 18:41
von stern
Schwere Persönlichkeitsstörungen galten, glaube ich, tatsächlich lange nicht in der PA behandelbar... aber galt das nicht mehr oder weniger für alle Verfahren? Z.B. Borderline wurde doch lange Zeit als nicht heilbar angesehen. Und z.B. auch die DBT (VT) ist eher ein neueres Verfahren. Und das war nicht auf die Borderline PS beschränkt, sondern galt für eine Reihe weiterer Störungen (wobei natürlich zu beachten ist, was isabe schrieb: Störung und Ausprägung ist nicht dasselbe). Je schwerer die Patholgie, desto mehr wird man evtl. auch von klassischeren Vorgehensweisen abweichen müssen. DIE PA gibt es genauso wenig wie jedes andere Verfahren.

Stand "jetzt" verspricht eigentlich jedes Verfahren so gut wie alles behandeln zu können. Ich glaube, Schizophrenie war lange Zeit kein Indikationsbereich von Psychotherapien, ist mittlerweile auch im Katalog enthalten. EIGENTLICH sollte ein Therapeut auch empfehlen, welches Verfahren passend ist. Witzig, wenn es aber gleichzeitig Studien gibt, um zu erhellen, welcher Patient von welcher Form der Therapie wie und warum profitiert. Sprich: Wenn es dafür eh keine so klaren Kriterien gibt.

Re: Und sie dreht doch alles ... - Psychoanalyse 'schlägt' alle anderen Therapien

Verfasst: So., 03.09.2017, 18:41
von sandrin
Kommt halt auch auf den Analytiker an. Wenn der auch abends um 6 - 8 noch Termine gibt, warum nicht? Wenn es nur 50 Prozent der Vollzeitbeschäftigen so geht, dann muss er nämlich genau das.