Winzigkeiten gefährden meine Stelle

Das Leben ist wesentlich durch unsere Arbeit geprägt. Der Job kann jedoch auch Quelle von Ärger und Frustration sein, oder persönliche Probleme geradezu auf die Spitze treiben...
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Krang2
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Winzigkeiten gefährden meine Stelle

Beitrag Do., 04.02.2016, 20:43

Hallo,

ich habe seit knapp einem Jahr eine Stelle gefunden, nachdem ich vorher immer wieder an der Integration in den Arbeitsmarkt gescheitert war. Nachdem ich mit dem "rauhen Klima" mittlerweile besser zurecht komme (es nicht mehr auf mich beziehe), sind das größte Problem nun lächerliche Kleinigkeiten.
Z.B. plärrt die ganze Zeit das Radio im Hintergrund, was mich von der Arbeit ablenkt, die anderen offenbar nicht, die empfinden das als anregende Unterhaltung. Mir wurde auch schon deutlich gemacht, daß es nerven würde, wenn es nur meinetwegen abgestellt werden müsse. Außerdem ändert meine Chefin nach Lust und Laune Arbeitsanweisungen oder schreibt mir ganz unwichtige Arbeitsschritte vor und nimmt es als "widerspenstig", wenn ich erkläre, daß die bisherige Ausführung meine Leistung erhöht und mir Übersichtlichkeit und Schnelligkeit bietet. Z.B. sollen wir plötzlich Scheine nach dem Stempeln nicht mehr falten und in Körbchen stecken, sondern sie ungefaltet darunter legen, damit sie später beim Ausfüllen nicht mehr auseinander gefaltet werden müssen. Abgesehen davon, daß ich fast schon körperlich kämpfen muß, um das zu ändern (und zwar NICHT, weil ich Arbeitsanweisungen mißachten will, wie behauptet), macht es alles ganz unübersichtlich. Wenn alles zusammen in einem Körbchen steckt, dann ist es eine Einheit, aber lauter flatternde Zettel lenken den Blick ab, machen mich ganz konfus. Solche Dinge sind eigentlich völlig lächerlich, und sowohl rational wie auch emotional betrachtet kann ich mir sagen, daß die Arbeit ja trotzdem gut und sinnvoll ist. Aber immer öfter wird es mir unerträglich, am liebsten würde ich manchmal aufspringen und einfach rausrennen und nie wiederkommen. Ich habe schon vergeblich versucht zu erklären, daß ich nicht absichtlich Anweisungen unterwandere, und ich versuche immer jede neue Anweisung zu integrieren. Es wird nur langsam zuviel. Mittlerweile muß der neue Mitarbeiter immer zwei anstatt einer Büroklammer pro Zettel benutzen, und ich weiß, wenn mir das auch explizit befohlen wird, ist es vorbei. Wenn ich dann herumargumentiere, daß es ja Zeit spart, nur eine zu benutzen, ist das zwar logisch, aber das eigentlich Nervige ist, daß ich es schon fast ein Jahr so gemacht habe, es immer gut lief, und ich nun plötzlich alles umschmeißen soll, ganz grundlos. Es macht mich auch wahnsinnig, wenn ich im Keller etwas ordne und es der nächste anders macht. Nicht weil ich ihm etwas vorschreiben will, sondern weil ich mich wohlfühle und das dann zerstört wurde.

Ich weiß selbst nicht, warum mich das so wahnsinnig macht, es sind alles Dinge, die eigentlich nicht mal wert sind, in diesem Forum thematisiert zu werden. Und doch machen sie mich psychisch mehr fertig als meine echten Probleme und Konflikte, die teilweise viel gravierender sind und die ich trotzdem gut handhaben und meist auch lösen kann. In Schule, Studium und Ausbildung hatte ich kein Problem mit klaren Vorgaben und Autoritäten, im Gegenteil. Aber das Lernen und Arbeiten konnte ich mir auch selbst einteilen, und es kam nicht ständig was Neues. Ach so, auch wenn es hier so rüberkommen könnte, bei mir wurde keine Zwangsstörung oder zwanghafte Persönlichkeit diagnostiziert. Im GEgensatz zu Zwängen macht es mich nicht freier, gegen meine "Impulse" zu handeln, das Bedürfnis ständig zu unterdrücken, sondern destabilisiert mich psychisch.

Hat jemand von euch ähnliche Probleme und/oder weiß, wie ich meine Situation verbessern und besser damit umgehen kann? Ohrenstöpsel gegen das Radio gehen leider nicht, ich muß ansprechbar sein. Und meine Chefin hat auch kein Verständnis dafür, daß ich bei jeder Kleinigkeit Widerstand zeige oder es doch wieder anders mache (einmal habe ich heimlich die Umschläge anders sortiert und sie rastete aus, als sie es mitbekam, obwohl die Arbeit dadurch leichter und schneller wurde und es wirklich keine Auswirkungen auf den gesamten Ablauf oder die anderen hatte).

Noch eine letzte Sache, es gibt eine eigentlich gesetzeswidrige Arbeitsanweisung, aber wenn ich mich der verweigere oder auch nur kritisiere, dann kann ich gleich gehen. Soll ich meine Chefin damit konfrontieren, um wieder integer zu sein (das spielt in meinem Leben eine große Rolle)? Mit jedem Tag kann ich es weniger verantworten, ertragen das mitzumachen.

Danke im voraus für jede Anregung!

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hawi
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Beitrag Fr., 05.02.2016, 09:56

Krang2 hat geschrieben:ich habe seit knapp einem Jahr eine Stelle gefunden, nachdem ich vorher immer wieder an der Integration in den Arbeitsmarkt gescheitert war. Nachdem ich mit dem "rauhen Klima" mittlerweile besser zurecht komme (es nicht mehr auf mich beziehe), sind das größte Problem nun lächerliche Kleinigkeiten.
Hallo Krang,
was ganz konkretes hab ich nicht zu bieten.
Ich las nur, überlegte ein wenig und frage mich nun grad, ob du dich innerhalb des Jahres womöglich schlicht weiter entwickelt hast.
Das, was dir früher Probleme bereitete, passt nun, du kommst da halbwegs klar.
Nun? Ich denke für mich grob zwei Varianten:
Variante eins wäre, dass du an dem Modus, den du lange gewohnt bist, festhältst, aus ihm nicht rauskommst, obwohl gar kein Anlass, kein wichtiger mehr da ist. Wenn du lange immer gegen das Scheitern kämpfen musstest, bist du das womöglich so gewohnt, dass es dir schwer fällt, „auszusteigen“.
Lösungsrichtung dann wohl bewusst „Entspannung“ zu üben. Wie auch immer das dann konkret aussehen mag.

Variante zwei nicht ganz so „einfach“. Zunächst ging es dir „nur“ darum, überhaupt zurecht zu kommen. Wahrscheinlich dabei etwas weniger wichtig, wie die Arbeitsinhalte, die konkrete Tätigkeit war. Nun aber hast du den Blick frei, anderes wird wichtig, wichtiger.
Sind es wirklich die diversen Kleinigkeiten, die dich stören? Oft stören solche Sachen ja erst dann wirklich, werden erst dann wirklich wahrgenommen, wenn man im Grunde insgesamt nicht zufrieden ist.
Warum und wieso auch immer, dass Job und der, der den Job erledigt, irgendwann niicht mehr zueinanderpassen, ja nicht so selten. Schon gar nicht, wenn zu Beginn wie bei dir im Vordergrund steht, ganz generell klar zu kommen, der Job selbst zwar nicht ganz unwichtig ist, aber doch etwas anderes bedeutet, als Leuten, die kaum, wenig, weniger Integrationsprobleme kennen.
Bei der Variante wären die Kleinigkeiten „nur“ Symptome.

Kann natürlich auch ganz anders sein. Dass Kleinigkeiten nerven, mit der Zeit arg nerven können, halte ich für etwas, das auch ganz normal ist, sein kann. Im Job aber auch anderswo. Jeder hat so seine Eigenheiten, empfindet was als sehr störend, was nicht nur eher unwichtig ist, was andere auch wenig bis gar nicht stört.

LG hawi
„Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, daß die Dummen todsicher
und die Intelligenten voller Zweifel sind.“
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Beitrag Fr., 05.02.2016, 15:25

Hallo,

erst mal danke, daß du dir die Mühe gemacht hast zu antworten.

Wenn ich mich weiterentwickelt habe, dann in der Hinsicht, daß ich besser spüre, was mir guttut und was nicht, früher "vergewaltigte" ich mich teilweise selbst, zwang mich zu Dingen, die mir nicht guttaten. Aber groß verändert habe ich mich nicht, seit meiner Kindheit, ich hatte schon immer gewisse "Anpassungsschwierigkeiten".

Zu Variante 1:
In anderen Lebensbereichen hatte ich viele Erfolge, bin das also gewöhnt, nur im Beruflichen lief es nie. Es ist leider schwierig mich zu entspannen, wenn mich diese Kleinigkeiten zermürben.

Zu Variante 2:
Diese Kleinigkeiten, die schon von Anfang an nervten, tat ich zunächst als unwichtig ab, da ich mich freute, eine Stelle bekommen zu haben (noch dazu in einem interessanten Tätigkeitsfeld). Insgesamt bin ich zufrieden, auch wenn es organisatorisch und zeitlich oft an die Substanz geht. Ich versuche die Kleinigkeiten weniger wahrzunehmen, aber es fällt mir schwer. Jedesmal, wenn ich meinen Widerstand ignoriere und "tapfer" bin, geht es mir ein kleines bißchen schlechter, und bis ich mich regeneriert habe, komme die nächste Kleinigkeit. Die Kleinigkeiten sind keine Symptome, sie sind das Hauptproblem.

Das Problem, das ich sehe, ist, daß es woanders noch "nerviger" für mich wäre. Im Privatleben kann ich mich aus einem unpassenden Umfeld zurückziehen oder bis zu einem bekannten Ende durchhalten. Daß mich diese Kleinigkeiten nerven, ist keine Einstellungssache oder etwas, das ich mir ausgesucht habe wie z.B. wenn ich etwas nicht leiden kann. Ich kämpfe ja schon mein ganzes Leben dagegen an, habe schon viel verändern können, aber ich glaube, daß ich gerade an irgend welche Grenzen komme.

Ist es etwas klarer geworden?

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hawi
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Beitrag Fr., 05.02.2016, 15:45

Krang,

verständlicher meine ich, wird es mir. Nur dass es das dann leider nicht grad vereinfacht.
Da die von mir gedachten Varianten ja eher nicht passen?

Wie du einerseits authentisch bleiben, authentischer werden kannst, andererseits aber auch zu dem, was dich umgibt, passend, passender?

Wärs ne WG, lautete die Empfehlung wohl, reden wir drüber. Nur sogar/auch da? Manches sorgt dann so für mehr gegenseitiges Verständnis, auch mehr gegenseitige Rücksichtnahme. Aber es hat schon da Grenzen.
Und im Job? Hängt von den anderen ab, immer ist da sicher das ganz offene drüber reden nicht so angesagt.

Tja, viel weiter komm ich selber nun grad nicht.
Leben und leben lassen. Ziel scheint mir zwar klar, aber wie du selbst da hin kommst, dich dem nähern kannst, könntest? Allein, mit anderen?

LG hawi
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Beitrag Mo., 08.02.2016, 14:46

Danke für deine Rückmeldung. Ja, im Beruf ist es eben knallhart, es warten Dutzende anderer Bewerber, falls ich nicht mehr (angemessen) funktioniere oder mit irgend welchen Abläufen ein Problem habe, und das wurde mir auch so gesagt. Heute fand ich die sortierten Deckel wieder ein Regal weiter rechts, ich habe sie wieder nach links gestellt, mal schauen, ob das wieder Ärger geben wird. Ich kann mich oft nicht mehr richtig konzentrieren, Fassade steht aber noch.
Liebe Grüße zurück

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krawallbürste
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Beitrag Mo., 08.02.2016, 22:01

Krang2 hat geschrieben: Noch eine letzte Sache, es gibt eine eigentlich gesetzeswidrige Arbeitsanweisung, aber wenn ich mich der verweigere oder auch nur kritisiere, dann kann ich gleich gehen. Soll ich meine Chefin damit konfrontieren, um wieder integer zu sein (das spielt in meinem Leben eine große Rolle)? Mit jedem Tag kann ich es weniger verantworten, ertragen das mitzumachen.
Danke im voraus für jede Anregung!

Zu deinen ersten PunktenFragen (Büroklammern etc.):
Chefs mögen es meist nicht das Mitarbeiter es besser wissen !!! Auch wenn es nur um blöde Büroklammern geht oder selbst darum Vorgänge schneller zu bearbeiten. Es geht meist um den Grundsatz "ich bin Chef" und DU nicht!
Es ist natürlich so, das DU damit aneckst und ab da stellt sich die Frage, ob die Chefin das duldet oder dir mal eins reinwürgen möchte oder wie weit sie es erträgt. Meine Erfahrung ist aber, wenn man gut ist im Job kann man es auch mal weit treiben. Denn die Bewerber, die vor der Türe stehen, müssen nicht gut sein und sind erst auch mal einzuarbeiten.

Zum letzten Punkt/Frage der gesetzwidrigen Anweisung: Du bist Erfüllungsgehilfe! Weise deine Chefin in einer Mail einfach darauf hin, das Du es erkannt hast, mehr auch nicht, dann biste raus.
Sollte die gesetzwidrige Arbeitsanweisung allerdings nicht konform gehen mit dem Stgb würde es für mich heikel werden.

VG Krawallbürste

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Möbius
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Beitrag Mo., 08.02.2016, 22:09

Mach die Biege !

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krawallbürste
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Beitrag Mo., 08.02.2016, 22:27

Möbius hat geschrieben:Mach die Biege !
nicht auf dein Kommando!!!

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Möbius
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Beitrag Mo., 08.02.2016, 22:40

@ Krawallbürste

Sorry ! Das war mal wieder etwas flappsig von mir. "Mach die Biege!" bezog sich auf Krang2, die threadstarterin. Solche Arbeitsverhältnisse, in denen die Verwendung von 1 oder 2 Büroklammern zum Problem werden, haben keine Perspektive.

Gruß
Möbius

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Krang2
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Beitrag Do., 11.02.2016, 15:53

@krawallbürste, danke für deinen rechtlichen Hinweis, ich habe mich bisher noch nicht getraut, das offen anzusprechen, weil ich die Antwort schon kenne.

@möbius, wenn es an mir liegt, wäre es bei der nächsten Arbeitsstelle aber nicht anders, vermutlich sogar schlimmer, sofern ich überhaupt was Neues fände.

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