Interkontinentale Beziehungsprobleme/ Verfolgungswahn

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w1988
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Interkontinentale Beziehungsprobleme/ Verfolgungswahn

Beitrag Fr., 14.02.2014, 10:13

Hallo,
ich hoffe, dass ich in diesem Forum richtig bin. Gestern hat die (etwas kompliziertere) Beziehung mir meiner Freundin einen Tiefpunkt erlebt und ich weiß nicht wie ich damit umgehen, bzw. verhalten soll.

Zum Hintergrund: Meine Freundin ist Inderin und lebt/arbeitet auch noch dort. Ich bin 25, Sie ist 27. Wir haben uns kennengelernt, während ich einen Freiwilligendienst dort gemacht habe. Vor einiger Zeit hatten wir in Indien eine große Verlobungsfeier, wo sich auch unsere Familien getroffen und kennengelernt haben. Nun arbeiten wir seit geraumer Zeit mit den deutschen Behörden und versuchen ein Visum zu bekommen. Ein Touristenvisum wurde zweimal abgelehnt, was Sie extrem belastet hat. Sie ist eher der typische ehemalige 1a-Schüler, bei dem alles immer perfekt ist und etwas wie Ablehnung oder nicht geschafft existierte bisher nicht (Dementsprechend sind auch die Erwartungshaltungen). Da sie ein sehr emotionaler Mensch ist, hat das Ganze sie auch schwer mitgenommen.

Was gerade passiert: Jetzt sind wir dabei ein Visum zur Familienzusammenführung zu beantragen. Dabei gibt es natürlich allerlei Fristen und bei uns hier geht nicht schnell genug. Jeder Tag der (sinnlos) verstreicht macht sie fertig, weil Sie extreme Angst davor hat, irgendwas mit den Behörden könnte nicht funktionieren. Weiterhin gibt es ein paar Probleme mit den Dokumenten Ihrer Eltern, da deren Name mal so mal so geschrieben wird (Das indische Urkundenwesen ist mit den europäischen nicht vergleichbar.). Weiterhin musste ich Ihr sagen, dass ich einige Dokumente erst am Dienstag und nicht morgen bekommen kann. Das zerstörte sie dann völlig. Dann hat Sie nur noch irgendwas erzählt/geschrieben, dass ich und Ihre Eltern sie verrückt machen wollen. Seitdem ist das Handy aus, ich bin auf facebook geblockt und Mails werden ignoriert. Am Abend habe ich dann ihre Mitbewohnerin angerufen und konnte so noch mal kurz mit ihr sprechen. Da hat Sie mit sehr ruhiger und eiserner Stimme alles noch einmal wiederholt: Sie geht davon aus, das Ihre Eltern und ich sie in den Wahnsinn treiben wollen und sie will keinen Kontakt mehr mit niemanden.

Ich bin nun mit der Situation denkbar überfordert. Könnt Ihr mir irgendwelche Ratschläge geben? Was passiert in ihrem Kopf? Was kann ich tun, damit es ihr wieder besser geht?


Vielen Dank für eure Hilfe
W.

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Madja
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Beitrag Fr., 14.02.2014, 11:09

Hallo w1988,


leider in Deinen Worten kann ich keine Erklärung sehen, warum Deine Freundin sich so benimmt. Ich könnte spekulieren, dass sie mit der ganzen Sache überfordert ist und die Angst hat nach Europa zu ziehen (war sie überhaupt schon hier? Du schreibst, zwei Mal wurde das Touristenvisum abgelehnt - mit welcher Begründung?) Aber die Gründe können ganz verschieden sein.
Sag mal, wie hat Dich ihre Familie empfangen? (Aus welchem Kasten kommt sie?) Es könnte sein, dass die Eltern gegen Dich arbeiten und sie weißt nicht mehr, an wen sie sich halten soll.
Und noch eine Frage. Wie wollt ihr ein Visum zur Familienzusammenführung begründen? Die steht doch nur Ehepartner und den Kindern zu. Wollt ihr in Deutschland heiraten?
Freiheit heißt Verantwortung. Deshalb wird sie von den meisten Menschen gefürchtet. - George Bernard Shaw

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w1988
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Beitrag Fr., 14.02.2014, 11:37

Die Visaanträge wurden wegen "mangelnder Rückkehrbereitschaft" zurückgewiesen. Ein Fachanwalt hat mir bestätigt, dass einer jungen unverheirateten Frau aus gewissen Ländern einfach keine Visas ausgestellt werden. Die Angst ist zu groß, dass man gleich da bleibt.

Meine Freundin kommt aus sehr guten Verhältnissen. Sehr fürsorgliche Eltern, sie war ein bisschen das "Prinzesschen" des Vaters, es wurde viel für die gute Schul- und später Universitätsbildung getan. Die Familie ist in ihrem Viertel auch bekannt und angesehen. Ich habe die Eltern mehrmals getroffen und weiss, dass es liebenswerte ehrliche Menschen sind und sie befürworten unsere Beziehung/Heirat auch.

Mit dem ganzen Formularen und Prozessen, die man für so eine Familienzusammenführung braucht, waren sie aber etwas überfordert (Ich natürlich auch). Das ist jetzt aber (rational gesehen) alles soweit abgearbeitet und in den nächsten Tagen sollten wir alle Unterlagen zusammen haben. Zum Beantragen des Visums braucht man in unserem Fall einen Termin vom Standesamt und noch einiges mehr (das zieht sich halt schon sein Mai/Juni).

Verunsichert und überfordert ist meine Freundin auf jeden Fall. Auch die Angst vor einer erneuten Ablehnung ist groß, auch wenn es sich diesmal um einen komplett anderen Sachverhalt dreht (Familienzusammenführung und kein Touristenvisum). Dem begegnet sie vor allem mit prinzipieller Ablehnung des "komplett bescheuerten" Systems. Ich merke, dass sie aus dieser Angst/Überforderung möchte, dass ich alles mache und sie einfach irgendwann in den Flieger steigen kann. Sie hat auch große Angst, wieder zum deutschen Konsulat zu gehen, wo man als Einheimischer ja auch nicht grade gut behandelt wird. So einen prinzipiell ablehnenden Umgang , bzw. als Mensch 2. Klasse behandelt zu werden, ist sie nicht gewohnt. Es führt aber kein Weg an den Behördengängen vorbei...

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w1988
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Beitrag Mi., 18.06.2014, 14:41

Hallo,

nach drei Jahren Fernbeziehung haben meine indische Freundin und ich nun geheiratet. Vor ca. 2 Monaten ist sie eingereist und wir haben geheiratet. Mir ist aufgefallen, dass einige Dinge Ihr nicht so leicht fallen wie zunächst erwartet. Ich würde mich freuen, wenn der ein oder andere mir Hinweise geben kann, wie ich sie bei der Integration unterstützen kann und wie wir in ein harmonischeres Miteinander übergehen können.

1.) Viele Dinge die hier anders sind, frustrieren sie: Es beginnt damit, dass das Essen anders ist, dass viele Geräte oder Dinge anders funktionieren. Daraus resultiert eine recht große Unsicherheit, Unselbstständigkeit und auch Frustration. Wenn ich oder auch andere etwas versuchen zu erklären, kommt meist eher Unverständnis und ein Vermerk, wie es Ihrer Vorstellung nach sein sollte.

2.) Wir sind derzeit in einer Übergangssituation: Wir wohnen bei meinen Eltern und in einen Monat ziehen wir in eine andere Stadt um, wo ich eine Stelle antreten werde. Für sie war Ihre Karriere immer sehr wichtig: 1er- Schülerin, dann an die indische Eliteuni und dann einen Job mit fast westlichem Gehalt. Den hat sie nun gekündigt, damit wir zusammenleben können. Für sie ein sehr schwerer Schritt. Nun steht sie ihrer Meinung nach vor dem beruflichen Aus: Viele Dinge sind ungewohnt, Sprachbarriere, der hiesige Arbeitsmarkt hat andere Anforderungen, … Das belastet sie stark. Hinzu kommt, dass sie in Indien aufgrund ihrer guten Leistungen bzw. später des hohen Einkommens etwas „Besonderes“ in der Familie war und sie nun auch hier den Anspruch hat, etwas „Besonderes“ zu sein oder etwas zu leisten, so dass alle zu ihr aufsehen.

Das sind in unserem Fall die beiden größten Probleme, die seit der Einreise meiner Frau auftreten. Kann mir jemand Hinweise geben, wie ich sie unterstützen kann?

Vielen Dank für die Hilfe!

(Hinweis Admin: Zusatzfragen zum eigentlich gleichen Thema bitte im Originalthread stellen, damit andere UserInnen die Geschichte bzw. den Verlauf besser nachvollziehen können. Ihre aktuelle Frage zum Thema wurde an den anderen Thread angehängt.
Des weiteren möchte ich der guten Ordnung halber darauf hinweisen, dass Beiträge in einem Forum keine etwaig nötige Paartherapie/-beratung ersetzen können. Wenn Sie an Ihrer Situation nachhaltig etwas ändern möchten, sollten Sie daher eine solche in Angriff nehmen. In allen größeren Städten gibt es Beratungsangebote spezifisch für bikulturelle Paare bzw. Integrationsberatung)

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Fundevogel
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Beitrag Mi., 18.06.2014, 21:42

Hallo w1988,

ich glaube, dass es für deine Frau - und euch beide - wichtig wäre, Arbeit zu haben.
Dass in Deutschland für bestimme Stellen andere Qualifikationen als Indien erforderlich sind,
mag schon sein, aber an Weiter- oder Umqualifizierungen kann man arbeiten; die Sprache lernen wäre ein wichtiger Anfang und dann weitersehen.

Der Umzug in eine andere Stadt wird für euch beide eine Umstellung, deine Frau ist ja auch mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht vertraut, angefangen von Telekom bis Gewichtseinheiten beim Einkauf und was mache ich bei einem Stromausfall.
Da könntest du unterstützen bzw. abklären wer macht was, wie geht das genau etc., damit sie sich nicht allein gelassen fühlt aber dennoch Autonomie und Selbständigkeit in eurer Partnerschaft leben kann.

Alles Gute euch beiden
Fundevogel

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ENA
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Beitrag Mi., 18.06.2014, 21:53

Gibt es bei Euch so etwas wie ne Migrationsberatung? Vielleicht bekommt sie da Kontakt zu anderen indischstämmigen Frauen und Unterstützung dabei, sich hier einzuleben. Zudem hätte sie eine Anlaufstelle, worüber sie etwas machen kann, wenn Du arbeiten bist.
Es ist sicher schwierig, sich in einem Land neu einzufinden, was von der ganzen Kultur und den Bedingungen so anders ist. Was den Beruf angeht kommt es z.B. sicher auch darauf an, was sie in Indien gelernt hat, um zu gucken, ob sie auch hier eine "besondere" Stellung haben kann. Ich denke, für ihre Familien in Indien hat sie die sicher weiterhin, eben weil sie ins Ausland gegangen ist. Das ist auch etwas Besonderes, den Schritt gewagt zu haben. Nur ob ihr Abschluss hier als gleichwertig anerkannt wird und sie hier Jobchancen hat, das weiß ich natürlich nicht. Auch da denke ich, könnte vielleicht eine Migrationsberatungsstelle bzw. im Jobfall die Arbeitsberatung bei der Arbeitsagentur helfen. ....wenigstens, um so ein bisschen den Wegweiser zu bekommen, wo es hingehen kann und was möglich ist.

Sag mal, was meinst Du denn damit, dass Geräte hier anders funktionieren? Magst Du mal ein Beispiel nennen?


chaosfee
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Beitrag Do., 19.06.2014, 09:20

Mir wäre in einer solchen Situation sehr wichtig, Raum für mein altes Ich zu haben, psychisch und physisch. Insofern wäre eure Wohnsituation gerade sehr ungünstig, für beides wahrscheinlich. Ist deine Familie irgendwie Indien-affin? Haben sie Interesse an der Welt deiner Frau?

Aber, wenn ihr dann endlich umzieht: Wie viel Platz habt ihr? ich finde es schon jetzt sehr wichtig, mein eigenes Zimmer zu haben, wäre ich aber in einem so fremden Land, wäre das für mich unverzichtbar. Ich war sehr oft unterwegs und habe mehrere Monate mal hier, mal da gelebt. Ich habe während dieser Zeit immer so 10-20 Fotos und Bilder dabei gehabt, die ich dann in jedem Zimmer an die Wand gepinnt habe. Wenn man nicht dauernd unterwegs ist, gibt es da ja noch ganz andere Möglichkeiten. Hat sie irgendetwas hier, das sie sich von zu Hause mitgenommen hat? Möbel, Gebrauchsgegenstände, Nippes? Wenn hier z.B. geräte anders funktionieren - was spricht dagegen, das eine oder andere indische Gerät auch hier zu benutzen?

Da ich so viel unterwegs war, packt mich immer auch wieder die Sehnsucht nach diesen Orten. Mir ist es dann wichtig, mir Zeit dafür einzuräumen, also z.B. in ein typisches Restaurant zu gehen, einen Film aus diesem Land zu sehen, zu einer Lesung, einfach zu Veranstaltungen, wo ich dann auch Leute treffen kann, die von dort kommen oder die das gleiche Heim-/Fernweh gepackt hat. In solchen Momenten hat es mich auch immer sehr gefreut, wenn mein Partner mitkommt und versucht, meine Sehnsucht nachzuvollziehen bzw. da mit einsteigt. Er hat mich ja nun auch oft im Ausland besucht, sodass er auch eine Verbindung zu vielen dieser Orte hat. Das dürfte bei euch ähnlich sein, oder? Gemeinsam in der Sehnsucht zu schwelgen hat mir immer unglaublich gut getan.

Bei uns läuft viel über Essen, d.h. wir bringen aus Urlauben dann Zutaten - Gwürze, Öle etc. mit und kochen auch zu Hause landestypisch, z.B. Dinge, die ich oft bei Freunden im Ausland gegessen habe.

Aber bei alleem war für mich wirklich am Wichtigsten immer das Verständnis meines Partners, wann immer mich das "Heimweh" nach der Ferne überkam.
"Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen." Adorno

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Ayurveda07
sporadischer Gast
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Beitrag Mo., 25.12.2017, 12:37

Interessantes Thema :) Ich kenne auch das Heimweh und all die Probleme.

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