aggresiver Vater - Selbstvertrauen gestört?

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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neuling11
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aggresiver Vater - Selbstvertrauen gestört?

Beitrag Fr., 24.10.2014, 20:52

Hallo.
Ich halte mich so kurz wie möglich, obwohl ich glaube, dass meine Geschichte sehr komplex und lang ist.

Mein Vater trinkt ab und zu gerne etwas mehr. Dann wird er aggresiv. Wenn er nichts trinkt ist er der liebste Mensch.
Früher war es nur gegen meine Mutter. Er hat sie beleitigt und auch ein wenig geschlagen (geschubst). Ich habe das alles mitbekommen in meiner Kindheit. Mein Vater hat meine Mutter auch betrogen, was ich auch mitbekommen habe.
Er trinkt etwa alle 10 Tage etwas mehr, dabei wird er nicht immer aggresiv. Aber wenn dann halt meine Mutter auch mal ihren Senf dazu gibt, kann es schon mal laut werden.

Früher hat mich gekränkt. Dann hat es vor einem Jahr einen lautstarken Streit zwischen meinen Eltern gegeben und ich bin dazwischen. Leider war mein Vater so betrunken dass er mich auch verbal attakiert hat und auch gestoßen hat. Seitdem empfinde ich nur noch Hass und teilweise auch Aggresionen wenn er wieder lauter wird. Aber das ist nur wenn er betrunken ist... wenn nicht, ist alles normal.

ich sehe wie meine Mutter darunter leidet - nur zeigt sie es ihren Kindern, also uns, nicht so sehr. Sie macht seeehr viel für uns und sie liebt uns. Leider hat mein Vater sie nie geschätzt...und das haben wir Kinder natürlich auch mitbekommen.

Ich muss sagen, dass ich für das was ich erlebt habe - und das lässt sich hier gar nicht so beschrieben - relativ wenig "Schäden"/Probleme habe.
Mich nimmt das aus irgendeinen Grund nicht so mit... es ist nicht so, dass ich nächtelang darüber nachdenke!
Ein Grund ist sicher, dass ich seit 6 Jahren eine wundervolle Freundin habe.

Meine Angst ist nur, dass ich vielleicht später mal Probleme bekomme oder auch mal so werde.
Aber ich bin eigentlich alles andere als aggresiv - total liebevoll - wollte/will nie so werden wie mein Vater!!

Ein "Problem" habe ich doch:
Ich fühle mich zwischen vielen Menschen sehr unwohl. zB bei Seminaren oder Besprechungen.
Ich kann auch nicht vor Leuten reden, oder manchmal fällt es mir auch schon schwer mit einer Person zu reden die "stärker" ist als ich. Da fehlt mir extrem das Selbstvertrauen.
Ich gehe gerne Problemen aus den Weg und möchte dass alles harmonisch abläuft.
Ich werde dann immer extrem rot im Gesicht....aber keine Ahnung ob das von meinen Erlebnissen kommt.

Ich möchte irgendwie eine Therapie machen. Es ist jetzt nichts schlimmes, aber es stört mich bzw. will ich nicht dass da vielleicht irgendmal etwas "ausbricht".

Bitte um Eure Meinung
Mir geht es sicher leichter wenn ich darüber schreiben kann...

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Chancen
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Beitrag Sa., 25.10.2014, 10:00

Hallo Neuling!

Es ist eher unwahrscheinlich, dass bei dir etwas aus heiterem Himmel "ausbricht", da du dich kritisch mit deinem Vater auseinandersetzt. Ein solches "Ausbrechen" trifft hauptsächlich Menschen, die ihren Vater (bzw. anderen Aggressor/in) verehren (und glauben, ihn/sie sehr zu lieben) und sich nicht kritisch mit ihm/ihr auseinandersetzen.
Die verdrängen dann ihre Angst und Wut auf den Vater und wenn sie dann eigene Kinder haben geben sie's an die eigenen Kinder weiter und werden genauso.

Wenn dich das Thema interessiert, dann lies' doch mal Alice Miller (z.B. Drama des begabten Kindes) oder Arno Gruen (Der Verrat am Selbst).

Es kann nun natürlich schon sein, dass du - wenn du einmal Kinder hast - dass dann Gefühle bei dir auftauchen, die aggressiv sind oder dich wütend machen. Aber mit dem Wissen, dass du niemals wie dein Vater werden möchtest, kannst du dann ganz anders mit diesen Gefühlen umgehen und dir gegebenenfalls Hilfe suchen.

Aber ich denke, dass es vollkommen genügt, wenn du dir ein Buch von Alice Miller oder Arno Gruen zulegst.

Bezüglich deines Problems, das du beschreibst, möchte ich sagen, dass wir eben alle unterschiedlich sind. Nervös oder unsicher zu sein, wenn man sich einem Publikum aussetzt ist sehr normal. Man wird bewertet und kann theoretisch ausgegrenzt werden. Das macht den meisten Menschen Angst.
Das ist jetzt noch nicht behandlungsbedürftig. Also mach dir mal keine großen Sorgen diesbezüglich.
Auch das Rotwerden passiert so vielen von uns!

Dass du möchtest, dass alles harmonisch abläuft, erklärt sich auch aus deiner Geschichte. An dem Wunsch ist ja nichts verwerfliches. Die Frage ist: wie reagierst du, wenn's denn einmal nicht harmonisch ist. Bist du dann SEHR verzweifelt, oder kannst du damit leben?

Selbstvertrauen entwickelt sich oft erst im Laufe des Erwachsenenalters. Die wenigsten sind damit geboren (bzw. aufgewachsen). Gerade wenn in deinem Elternhaus oft Streit herrschte und dein Vater deiner Mutter und euch Kindern keinen Respekt gezeigt hat, dann leidet das Selbstvertrauen der Kinder darunter.

Selbstvertrauen zu entwickeln ist eine Lebensaufgabe. Für die allermeisten von uns.

Alles Gute!

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Beitrag Sa., 25.10.2014, 11:41

Hallo und vielen Dank für deine ausführliche Antwort.

Ich glaube auch nicht dass ich so werde wie mein Vater (bin ja jetzt schon 25). Ich trinke auch kaum und wenn dann werde ich noch harmonischer :D

Zu meiner Unsicherheit bzw. Erötung im Gesicht:
Es ist wirklich schlimm für mich . ich kann kaum normal reden mit jemanden, vor allem nicht in einer Gruppe. Das belastet mich sooo sehr.
Ich persönlich bin aber stolz auf mich was ich erreicht habe....studiert, toll im Sport, super Job, tolle Freundin...es passt einfach alles!
Ich weiß auch dass es nicht wichtig ist was andere über mich denken, trotzdem reagiere ich so....


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Chancen
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Beitrag Sa., 25.10.2014, 12:02

Belastet es dich, dass du nicht in einer Gruppe reden kannst oder belastet es dich, dass du denkst, du solltest in einer Gruppe frei und selbstbewusst reden können?

Viele unserer Probleme rühren daher, dass wir denken, dass wir etwas können SOLLTEN.

Es gibt Leute, die reden furchtbar gern in einer Gruppe und die genießen diese Aufmerksamkeit. Andere reden ruhiger mit engen Freunden und Familie und können es überhaupt nicht genießen, vor Fremden oder flüchtigen Bekannten, bzw. in einer Gruppe zu sprechen.

Wenn du dir klar machst, dass du es einfach nicht gern machst, dass das aber OK ist, weil jeder Mensch nun mal andere Sachen gern macht als der Andere, dann hast du schon viel an Ruhe und Zentriertheit gewonnen.

Fühl mal in dich hinein. Wie schätzt du dich ein? Wo stehst du? Wie sieht dein perfektes Sozialleben aus. Nicht DAS perfekte, sondern DEIN perfektes. Große Gruppen? Kleine Runden? Einzelne Menschen, gemütlich zum Essen? Party? Riesenevents? Städtereisen mit deiner Freundin? All-inclusive Cluburlaube?

Jeder Mensch ist anders.

Mach dir klar, was DIR gefällt und was DIR gut tut. Nicht das, was alle sagen, dass gut und richtig ist. Sondern das, was für dich richtig ist. So, wie DU leben willst. Dein Leben.

Wenn bei deinen Überlegungen dann rauskommt, dass du Gruppen nicht so gern magst, sondern liebe vertraute Freunde im engen Kreis, dann ist das eine Vorliebe von dir. Keine "nur Schwäche" mehr.

Du magst es eben nicht.

Manchmal müssen wir dann Dinge tun, die wir nicht mögen. Wie z.B. in der Arbeit vor Gruppen sprechen oder wannauchimmer. Aber wenn wir wissen, dass wir es nicht mögen, und uns sagen, dass es OK ist, das nicht zu mögen, dann ist es eine ganz andere Perspektive, die uns dennoch stark sein lässt.


Ich kenne viele Personen, die es mithilfe dieser Perspektive geschafft haben, gut mit ihrem Erröten zurecht zu kommen. Sie sprechen dann dennoch weiter und merken zwar, wie sie rot werden oder zu schwitzen beginnen, aber können akzeptieren, dass das passiert und einfach weiter machen. Nach und nach werden diese eingeübten Symptome dann auch schwächer, wenn man sie akzeptiert.

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neuling11
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Beitrag Sa., 25.10.2014, 18:52

beides - ich möchte es können...mir ist es peinlich...

Aber du schreibst es ganz gut... ich denke, dass man das können MUSS/SOLLTE!
Ich bin anscheinend einfach nicht der Typ. - Leider.
Das Problem ist, dass es mich aufregt dass ich rot werde....dann werde ich noch nervöser und noch roter. ich bekomme das dann oft Stunden nicht weg. Ich glaube auch dass ich dann nicht sehr kompetent rüberkomme.

Wie mein perfektes Sozialleben aussieht? - Ich brauche nicht unbedingt Kontakt zu vielen Personen. Liebe es gemeinsam mit meiner Freundin etwas zu machen. Schön Essen gehen, Urlaub zu zweit.

WIrklich großes DANKE für deine Info und Anregungen!

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Chancen
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Beitrag Sa., 25.10.2014, 20:09

Du möchtest es können, WEIL es dir peinlich ist.
Das ist immer ein Punkt, von dem man schwer weiter kommt.

Es gibt da diesen Spruch, der sagt, dass es wichtiger ist, uns auf das zu konzentrieren, was wir gut können als darauf, unsere Fehler und Schwächen zu verstecken.

Wenn Einstein seine ganze Energie darin gesteckt hätte, besser vor Leuten reden zu können, oder sich selbst hübscher zu machen oder besser Rechtschreiben zu können, weil er gedacht hätte, dass man das können sollte, dann hätte er immer bloß ein mittelmäßiger Redner/Schreiber/ bzw. mittelmäßig schöner Mann sein können.

Genauso bei jedem von uns. Wir lieben Menschen, die gewisse Eigenschaften haben, die wir bewundern. Oder gewisse Seiten, die wir schätzen. Menschen, die in irgendwas besonders gut und angenehm sind. Wenn diese Menschen aber versuchen würden, ihre Schwächen zu verstecken, weil sie ihnen peinlich sind, dann würden sie nicht den Fokus auf ihre tollen Eigenschaften legen können, weil sie so mit Schwächen verstecken beschäftigt wären.

Schau dir bestimmte Schauspieler, Schriftsteller, Musiker etc. an. Viele von denen haben Probleme, wie Sozialphobie etc. Dennoch werden sie bewundert für das, was sie gut können und nicht ausgelacht für das, was sie nicht so gut können.

Es ist Zeitverschwendung, dich für das, was du nicht so gut kannst (und vor allem nicht magst!) derart zu schämen. Kultiviere lieber das, was du magst und was dir gut tut. Es ist dein Leben und nur du hast die Chance, es dir so angenehm und schön wie möglich zu machen.

Wenn in Gruppen sprechen nicht zu deinen Vorlieben zählt, dann lass es weg, wo es möglich ist. Wenn es unausweichlich ist, dann mach dir bewusst, dass du es nicht magst und dass du es nicht so gut kannst. Du magst und kannst andere Dinge, die andere nicht können oder nicht mögen. Wir sind alle unterschiedlich. Zum Glück!

Und auch wenn du rot wirst. Die meisten Menschen finden Menschen, die Schwächen haben und zeigen durchaus sympathisch und können sich einfühlen und andere ermutigen. Anderen fällt das Ganze auch gar nicht auf, weil sie so mit sich selbst oder anderen Dingen beschäftigt sind. z.B. mit ihren eigenen Schwächen.
Andere werden sich fragen, ob du aus Schüchternheit rot wirst oder ob das dein Körper einfach so ab und zu macht (das gibt es nämlich auch).
Falls es wirklich jemanden geben sollte, der sich darüber lustig macht (insgeheim) dann ist es mit Sicherheit die Sorte Mensch, die an anderen irgendwas finden will, über das man sich lustig machen kann. Und solchen Menschen kannst du es sowieso nicht recht machen. Die finden immer irgendwas.
Alle Anderen werden sich nichts Großes dabei denken.

Wir sind alles nur Menschen. Wir sind alle nicht perfekt. Jeder ist anders. Jeder darf Vorlieben und Abneigungen haben. Jeder darf Schwächen haben.

Wir werden geliebt und geschätzt (von Freunden) für unsere Stärken. Auch für unsere Schwächen. Jedoch nicht für nicht-vorhandene oder ausgemerzte Schwächen, die uns durchschnittlich machen.

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