Wie ein Trauma: Schwere Krankheit und Tod meines Vaters

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.
Antworten

Thread-EröffnerIn
Yhona
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
weiblich/female, 40
Beiträge: 1

Wie ein Trauma: Schwere Krankheit und Tod meines Vaters

Beitrag Mo., 25.04.2016, 09:48

Hallo zusammen!

Ich muss mir einfach mal von Seele schreiben, was mich grad aus der Bahn wirft.
Mein Vater ist letztes Jahr im Juni verstorben. Er ist 74 Jahre alt geworden. Er war 4 Monate sehr krank im Krankenhaus und die Umstände waren schrecklich. Damit ihr euch ein Bild machen könnt: Es sollte nur eine Routine-OP im Ohr sein, da mein Vater dort seit 2 Monaten eine chronische Entzündung mit schlimmen Kopfschmerzen hatte. Letztendlich war es eine schwere bakterielle Infektion, die den Schädelbasisknochen und mehrere Stammhirnnerven befiel. Mein Papa konnte nicht mehr sprechen, nicht richtig schlucken und kaum noch etwas hören. Er musste noch mehrmals operiert werden und erlitt in dieser Zeit zudem noch eine Lungenentzündung und einen Herzinfarkt.

Es grenzt irgendwie an ein Wunder, dass er das überlebte. Nach 2 1/2 Monaten im Krankenhaus wurde er in eine Kurzzeitpflege entlassen. Er war noch sehr krank und hatte immer noch starke Kopfschmerzen, aber er konnte sich zumindest auf ganz kurzer Strecke eigenständig bewegen. Meine Mutter und ich wollten einen Kurs machen, damit wir ihn zu Hause versorgen können. Der Arzt sagte, es dauere sicher 6-12 Monate, bis mein Papa sich einigermaßen erholt hat, aber wir waren optimistisch und mein Papa wollte auch unbedingt nach Hause.

Dann passierte das unfassbare Unglück: Mein Vater stürzte im Pflegeheim - wahrscheinlich als er ins Bad wollte - und fiel auf den Kopf. Er zog sich ein schweres Schädel-Hirn-Trauma zu und war mehrere Tage halb wach, halb im Koma. Der Neurochirurg hatte ihn gleich aufgegeben, er würde nie wieder richtig aufwachen. Zudem kehrte die Lungenentzündung zurück und er bekam einen Krankenhauskeim.
Anscheinend wollte mein Papa aber leben und wachte wieder auf. Allerdings wussten wir erst nicht, was er wahrnehmen konnte. Er konnte nicht sprechen oder kaum etwas hören. Ich kam auf die Idee, auf einem Tablett zu schreiben, damit er das lesen konnte - und tatsächlich klappte das! So konnten wir ihm zumindest ein wenig "erzählen", selber schreiben konnte er nicht.
Nach etwa 4 Wochen wurde dann klar, dass er sich aufgrund der Vorerkrankung wohl nicht mehr erholen würde. Man riet uns, ihn in ein Pflegeheim zu geben. Das hatten wir 2 Wochen später alles organisiert, als es meinem Papa plötzlich sehr viel schlechter ging. Ich war am Abend vor seinem Tod noch bei ihm und war so schockiert von seinem Zustand. Es war schlimm. Meine Schwester und ihre Familie kam gleich am nächsten Vormittag. Sie wohnen im europäischen Ausland. Meine Mutter hatte frühmorgens noch im Krankenhaus angerufen, der Zustand meines Vaters hatte sich stabilisiert, es ging ihm tatsächlich besser. Wir wollten dann meine Mutter abholen und waren quasi auf dem Weg ins Krankenhaus. Da hatte sie bereits den Anruf bekommen, mein Vater sei vor 10 Minuten an Herzversagen gestorben.

Erst dachte ich, ich könnte das Erlebte allein verarbeiten, die Gedanken an die schlimmen Monate wurden auch weniger. Ihr müsst wissen, ich war in den 4 Monaten jeden 2. Tag bei meinem Vater. Mal eine, mal drei Stunden. Meine Mutter an den anderen Tagen. Wir konnten ihn so krank nicht allein lassen.
Aber Anfang des Jahres wurde bei meinem Mann Nierenkrebs festgestellt und eine Niere musste entfernt werden. Mit einem Mal waren die Trauergefühle um meinen Papa weg, ich fühlte nichts mehr, wenn ich an ihn dachte. Stattdessen kreisen meine Sorgen und Ängste verständlicherweise um meinen Mann. Hinzu kommen finanzielle Sorgen aufgrund der langen Arbeitsunfähigkeit. Mein Mann hat die OP zum Glück gut überstanden und beginnt in 4 Wochen mit der Wiedereingliederung. Leider schwebt ein unklarer Metastasenbefund im Raum, im Juni wird ein neues CT gemacht, um das zu überprüfen. Ich habe solche Angst vor dem Ergebnis.

Vor 10 Tagen hatte ich dann einen plötzlichen Schwindelanfall und bin mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gekommen - ironischerweise auf die gleiche Station wie mein Vater. Es war ein Ausfall des Gleichgewichtssinns, wahrscheinlich durch eine Durchblutungsstörung. Jetzt bin ich zu Hause, mir ist noch schwumrig und ich habe eine unklare Angst. Manchmal kommt so ein Kältegefühl und mir wird ganz komisch. Ich denke, das ist alles zuviel, mein Körper erzwingt sich eine Pause.
Mein Mann kommt in ein paar Tagen aus der Reha, also eigentlich müsste ich jetzt die Starke sein, aber es geht i-wie nichts mehr. Jetzt ist auch die Trauer um meinen Papa und die schrecklichen Bilder seiner Krankheit zurück. Ich glaube, ich muss mir Hilfe holen.

LG
Yhona

Werbung

Benutzeravatar

Nico
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
männlich/male, 62
Beiträge: 11961

Beitrag Mo., 25.04.2016, 09:57

Ja hole dir unbedingt Hilfe, auf dich ist extrem viel eingebrochen in letzter Zeit, das muss sich ja irgendwie auswirken.
Mein Vater ist vor einem Jahr nach 12 monatiger schwerer Krankheit ( Bauchspeicheldrüsenkrebs) gestorben, von weiteren Schlägen blieb ich bisher verschont, aber daran knabbert man schon.
Wie gesagt, hol dir Hilfe.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

Benutzeravatar

MixMax
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 46
Beiträge: 41

Beitrag Di., 26.04.2016, 15:42

Hallo Yhona,
ich denke, dass dein Gefühl dich nicht trügt, dass dein Körper eine Pause braucht. Er ist stellvertretend für die Seele/Psyche, durch den Körper spricht sie quasi. Relativ schnelle Hilfe bekommst du über Akutkliniken für Psychosomatik. Die kann dein Hausarzt ausstellen. Du brauchst keine Kostenzusagen der Krankenkasse, da es eine Überweisung ist. Keine Ahnung wo in Deutschland du wohnst. Falls du im Umkreis von Quakenbrück wohnen solltest, gibt es da eine super Psychosomatikstation (Station 24), die dem christlichen Krankenhaus Quakenbrück angeschlossen ist. Diese Station hat um die 20 Plätze, nette Zimmer und eher als WG zu sehen. Kein Klinikcharakter. Solltest du weiter weg wohnen, dann frage deinen Hausarzt nach Akutkliniken für Psychosomatik. Wartezeiten sind natürlich dabei. Lass dich nicht auf eine Kur ein. Dort werden nur 1 x wöchentlich Gespräche angeboten und sonst reine Erholung. Es ist aber wichtig in die Verarbeitung zu gehen. Da sind Psychosomatikkliniken genau das richtige, um mit vergangenem Schmerz, Leid, Trauer, Hilflosigkeit, Hoffnung usw. umzugehen. Es gibt dort verschiedenste Methoden um die Dinge zu verarbeiten und dass man wieder besser zurecht kommt.
Nun zu deinem Mann: Warum musst nur du stark sein? Ihr könnt euch gegenseitig stützen. Ihr habt doch beide Angst um euch und seit unsicher im Umgang miteinander. Nur weil du keine rein körperliche Erkrankung hast, heißt das nicht, dass du gesund bist und alles meistern kannst. Gerade die psychischen Belastungen sind weniger greifbar und sichtbar und gerade deswegen genauso, wenn nicht mehr, ernst zu nehmen. Irgendwann kann man nicht mehr funktionieren, nicht mehr für andere da sein. Da muss man in erster Linie sich selbst erstmal wieder festigen, bevor man stark sein kann für andere.

Lieben Gruß

Benutzeravatar

roobb
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
männlich/male, 30
Beiträge: 3

Beitrag Mo., 30.05.2016, 15:14

Unbedingt helfen lassen. Mein Vater ist zu früh verstorben und ich habe eine komplizierte Trauer über Jahre entwickelt. Weiß nicht was daraus noch wird.
LG

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag