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Janisada
neu an Bord!
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Wohnort Mainz
W, 41


Post Sat, 20.Mar.04, 23:21      Seit 17 Jahren Bulimie Reply with quoteBack to top

Hallo,
ich lese schon länger hier mit und wollte nun gerne selber was über mich schreiben. Ich bin schon 41 und habe seit 17 Jahren Bulimie. Vorher war ich adipös und auch essgestört, hatte das Gefühl keine Kontrolle übers Essen zu haben. Meine Mutter ist noch heute so und wir Kinder erlernten auch nie ein gesundes normales Essverhalten, wurden schon als Babys überfüttert (Babys mußten früher ruhig sein, durften nicht durch Geschrei stören und sollten friedlich schlafen). Schon mit 13 machte ich erste Diäten, probierte schädliche Appetitzügler aus die es damals noch ohne Rezept gab. Mit 24 Jahren wollte ich noch immer unbedingt abnehmen, ein Psychiater überwies mich schließlich in eine Psychosomatische Klinik. Dort wurde ich 10 kg leichter und als ich 8 Wochen später zu Hause war merkte ich das ich mit dem Essen nach wie vor Probleme hatte. Alle in meinem Umfeld lobten mich und ich war so stolz auf mein neues Gewicht und ich wollte auf keinen Fall zunehmen. Als ich ein paarmal essensmäßig über die Stränge geschlagen hatte, war ich völlig verzweifelt und probierte es aus, mit dem Erbrechen. Ich wollte auf keinen Fall zunehmen, alles zunichte machen was ich geschafft hatte. Wie es eben so geht, man probiert es wieder und wieder aus, schließlich beherrscht man es perfekt. Es wird zum perfekten Geheimnis, nach außen funktioniert man, wird noch ein paar kg schlanker, hat eine gute Figur, sieht gut aus, ist gut gekleidet. Aber für mich selber war das alles kein Vergnügen mehr, längst war der Zwang da "es" immer tun zu müssen, mehrmals täglich. Manchmal lag ich "danach" nur noch heulend im Bett, ab und an dachte ich an Selbstmord. Und das alles nicht als einsamer Mensch, so wie es ich anhört. Ich stand immer mitten im Leben, hatte viele Bekannte, ging gerne aus. Nur die Zeiten für meine Freßorgien, die nahm ich mir und da war ich der einsamste Mensch der Welt. Ich wohnte auch damals immer alleine, ließ nie jemanden zu nah an mich ran. Hatte zwar auch hin und wieder einen Freund aber nie wäre ich mit jemandem zusammengezogen. Das war also damals. Zwischendurch mit 31 heiratete ich einen sehr lieben Mann und wir bekamen zwei Kinder. Die Sucht ging trotzdem weiter, irgendwann auch heimlich, eben seltener aber noch oft genug. Inzwischen ist mein Mann seit vier Jahren tot weil er schwerkrank wurde und ich lebe mit meinen Kindern alleine. Uns gehts trotz allem gut, ich kann trotz diesem Schicksalsschlag dem Leben positives abgewinnen, mich wieder freuen. Aber die Bulimie, die werde ich nie wieder los. Seit August 2001 nehme ich ein Medikament (das ich hier nicht nennen werde), welches mich weitgehend symptomfrei hält. Ca. zwei - drei Rückfälle pro Monat habe ich noch aber damit kann ich ein normales Leben führen. Dieser schreckliche Zwang ist weg, darüber bin ich sehr froh. Aber eben diese einzelnen Rückfälle , die zeigen mir das die Bulimie nicht besiegt ist. Und auch nie bei mir besiegt werden wird. Ich hänge da 17 Jahre drin, bin ein chronifizierter Fall. Der Zug ist für mich abgefahren. Mit zwei langen Psychotherapien hatte ich damals wohl schon zu spät angefangen, die hatten an meiner Situation nichts verbessert. Deshalb möchte ich jedem der das hier liest und selber betroffen ist, raten so früh wie möglich aktiv zu werden. Tut was, nehmt Hilfe in Anspruch bevor es zu spät ist. Seht es an mir, irgendwann ist man da zu tief drin und kommt nicht wieder raus.
Danke fürs Zuhören.
Liebe Grüße
Janisada
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kleenemaus
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Wohnort Baden-Württemberg
W, 19


Post Sun, 21.Mar.04, 0:35      Re: Seit 17 Jahren Bulimie Reply with quoteBack to top

Liebe Janisada,

ich bewundere sie sehr dafür,wie sie ihr Leben bis jetzt gemeistert haben;denn immerhin sind sie ja "fast"symptomfrei.Mein Optimismus(der angeblich doch irgendwo in mir steckt?!)sagt mir aber,dass sie sich damit doch nicht abfinden sollten,sondern weiterkämpfen um "ganz"symptomfrei durchs Leben zu gehen.
Auch wenn sie bereits ein chronifizierter Fall sind,sollten sie die Hoffnung doch niemals aufgeben(ist das meine kindliche Naivität?),denn das Leben bietet einem immer wieder neue Möglichkeiten zur Veränderung.Neuanfänge.
Es freut mich aber zu hören,dass es ihnen sehr gut geht,trotz der Rückfälle,aber ohne diese Rückfälle würde es ihnen doch noch besser gehen,oder?
Manchmal,da schnappe ich auch Hoffnung,Mut und Optimismus,denn ich denke,dass wir doch das beste aus unserem Leben machen sollten;auch wenn es immer wieder sehr sehr schwer ist aus diesem Fluss zu kommen,der einen hinab zieht.
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