Essstörungen Behandlung Therapie

Psychogene Essstörungen

Rückblick auf einen Therapieverlauf.

"Essen war in meiner Kindheit kein Thema. Ich habe einfach gegessen wie jeder andere Mensch auch. Mama hat gekocht und wir haben gegessen. Mehr war da nicht. Ich war dünn und konnte essen was ich wollte ohne zuzunehmen - bis ich mit 18 mit meinem jetzigen Mann in unsere erste gemeinsame Wohnung zog.

Die erste Anschaffung nach den Möbeln war eine Fritteuse. Wir haben monatelang gegessen worauf wir Lust hatten, das meiste wurde frittiert. Da gab es kein Gemüse wie bei Mama zu Hause, schließlich war es nun unsere eigene Wohnung und da kam auf den Tisch was uns wirklich gut schmeckte. So kam es dass ich langsam zunahm. Schlussendlich waren es dann 20 kg.

Anfang 2003 nahm ich innerhalb eines halben Jahres 15 kg wieder ab und fühlte mich echt gut. Ich bekam tolle Komplimente und endlich versuchte ich nicht mehr mich schwitzend und verzweifelt in kleinere Kleidergrößen reinzuquetschen.

Ende 2003 ging es mit dem Gewicht jedoch wieder nach oben. Ich dachte mir es sei normal da ja Weihnachtszeit war und zu dieser Zeit sich viele Menschen ein paar Kilos rauffuttern. So normal war es aber bei mir nicht. Trotz aller guten Vorsätze für 2004 konnte ich mit dem Essen einfach nicht aufhören, die meiste Zeit habe ich gegessen ohne wirklich hungrig zu sein. Ich bekam mehrmals am Tag Fressattacken. Vor diesen Attacken war ich unruhig, nervös, konnte nur daran denken wie und wo ich mir Essen beschaffen konnte, hauptsächlich Süßigkeiten und Fast Food. Auf Obst, Gemüse, Vollkornprodukte war diese Gier nicht aus, es musste kalorienreich und ungesund sein. Kaum hielt ich das Essen in meinen Händen habe ich die Verpackung aufgerissen und alles in mich gestopft. Danach war ich beruhigt, dennoch fühlte ich mich schlecht. Ich habe sehr viel heimlich eingekauft und gegessen, meinen Mann diesbezüglich viel angelogen. Er sollte nicht mit ansehen müssen wie schwach ich war. Ich habe mich für meine Attacken furchtbar geschämt.

Eines Tages kam es mir in den Sinn ich könnte das ganze Essen doch wieder durch Erbrechen loswerden, dann könnte ich essen was ich wollte und würde nicht zunehmen. Ich machte mich daran mir Wege auszudenken, wie ich das Erbrechen herbeiführen konnte. Und da schoss es mir in den Kopf dass etwas mit mir nicht stimmte. Letztes Jahr hielt ich so brav durch beim Abnehmen, und heuer nicht? Wie konnte es nur zu diesen Fressattacken kommen und nun dachte ich auch noch ernsthaft darüber nach was ich tun müsste um zu Erbrechen - gerade ich wo ich bei jedem meiner gelegentlichen Migräneanfällen verzweifelt versuchte habe gegen den Würgereflex anzukämpfen?!

Anfangs wollte ich niemanden davon erzählen, ich kam mir dumm und jämmerlich vor. Ich wollte nicht dass jemand dachte ich wäre einfach nur zu faul zum Abnehmen und ich würde meine Attacken als billige Ausrede benutzen. Ich konnte einfach nicht verstehen warum es mir nicht gelang wieder normal zu essen. Es war mein größter Wunsch und der ging einfach nicht in Erfüllung so hart ich auch darum kämpfte. Mein ganzer Tag war erfüllt mit Gedanken rund ums Essen - gerade Essen, das kann man nicht so einfach vom Tagesplan streichen (wenn man überleben möchte) wie z. B. Rauchen und sagen: So, damit ist Schluss für heute, ab heute greife ich kein Essen mehr an. Eines Tages suchte ich mithilfe einer Internetsuchmaschine unter „Psychotherapie" nach Informationen - das dritte Suchergebnis war die Internetseite meines jetzigen Therapeuten. Es war beeindruckend wie viel Information hier zu lesen war, kostenlos, für jeden zugänglich und mit so viel Mühe aufbereitet. Zuvor hatte ich kein Gutes Bild von Therapeuten, dachte immer nur daran dass es für die ein schnell verdientes Geld war. Doch bei dieser Internetseite merkte ich dass ja jemand dahinter stand der damit nicht reich werden sondern helfen wollte.

Nun sitze ich hier nach 9 Monaten Therapie und denke über diese Zeit nach. Zuvor hätte ich es nie für möglich gehalten wie sehr Therapiestunden helfen können. Es tut mir leid dass ich nicht schon viel früher damit begonnen habe, mein Leben hat sich sehr zum Besseren gewendet. Noch ist nicht alles gut, das Essen habe ich noch nicht richtig unter Kontrolle, doch nun weiß ich wie ich es schaffen kann. Dafür brauche ich Zeit und Geduld, aber das nehme ich mir schon! In den letzten 9 Monaten habe ich hart an mir gearbeitet, jedoch auch viel Zeit und Geld in die Therapie investiert - doch jede Minute und jeder Cent waren es wert. Auf dem Weg zur Therapie hatte ich oft keine Lust, wollte lieber zu Hause bleiben und mir ein schönes Wochenende machen. Und jedes Mal wenn ich diese Gedanken hatte war ich nach der Stunde froh dass ich den Weg auf mich genommen hatte. Bis auf eine einzige Ausnahme fühlte ich mich nach jeder Stunde gestärkt, hatte viele Ideen in meinem Kopf was ich erneut anpacken konnte, ich war einfach glücklich. Die Ausnahme war jene Stunde in der ich die Therapie frühzeitig beenden wollte. Ich sah nur das viele Geld dahinschwinden, die viele Zeit die ich auf mich nehmen musste, sah einfach kein Weiterkommen. Eine Therapie ist kein Honiglecken, um etwas ändern zu wollen muss man hart an sich arbeiten, das kostet enorm viel Kraft. Man erkennt seine Schwächen und Fehler, sieht was man falsch macht - das ist nicht wirklich lustig und davon bekommt man rasch genug. Und an diesem Punkt wollte ich aufhören, ich hatte das Gefühl mir würde es trotz Therapie nur schlechter gehen, und dafür wollte ich nicht auch noch Geld ausgeben, die miesen Gefühle kann ich auch gratis haben.

Heute weiß ich dass zu diesem Zeitpunkt die Therapie anfing zu wirken und ich bin froh dass ich durchgehalten habe, die Zähne zusammengebissen habe und weiter zu meinen Stunden gegangen bin. Anfangs wollte ich dass mir mein Therapeut sagt was ich habe und was ich dagegen tun muss. Doch in jeder Stunde hat er mir nur Denkanstöße gegeben, hat nie konkret etwas gesagt. Wenn man vom vielen Kämpfen müde und ausgelaugt ist ist das manchmal schwer zu ertragen. Eine Therapie kostet Zeit, Kraft und Geld - das alles bin ich mir heute wert. Ohne diese Stunden säße ich heute nicht als starke Frau hier. Es war wirklich nicht einfach, es gab viele Hochs und auch einige Tiefs und es liegt noch einiges an Arbeit vor mir. Ich weiß dass ich eines Tages so normal esse wie andere Menschen auch. Ich habe keine Fressattacken mehr und Probleme mit der Familie sind bereinigt. Ich habe mich sehr positiv weiterentwickelt und ich weiß, dass ich das den oft so verabscheuten Denkanstößen meines Therapeuten zu verdanken habe. Er hat mir die Richtung gezeigt, den Weg bin ich aber alleine gegangen - und darauf bin ich sehr stolz."

Ich möchte Maria (27 J., Name geändert) auch an dieser Stelle nochmals für die ehrliche und so genaue Schilderung ihrer Gefühle danken.

Eine Erfahrung mit Adipositas.

"..Ich habe eine Eßstörung, und zwar "Latente Eßsucht" - eine Störung, die nicht einfach zu definieren ist, denn das Verhalten bei "Latenter Eßsucht" wird von den meisten Leuten (vor allem Frauen) als normal eingestuft. Jemand, der ständig von Diäten redet und sich zu dick findet, paßt durchaus in diese Welt. Der Rest wird einfach nicht zur Sprache gebracht..." (weiterlesen..)