Leben mit einer Angststörung/Zwangsstörung (Zwangsgedanken)

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DanielDenii
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Leben mit einer Angststörung/Zwangsstörung (Zwangsgedanken)

Beitrag Do., 14.02.2019, 20:20

Liebe Leute,

nach langer Zeit wollte ich mich mal in diesem Forum zu Wort melden. Es gab eine Zeit, wo ich hier und in anderen Foren Stunden verbracht habe. Aber alles Schritt per Schritt.

Es fing damals mit 15 Jahren an (Ich bin jetzt 21). Ich lag mit meiner Mutter vor dem TV, um uns den neuen "Tatort" von Till Schweiger anzusehen. Irgendwie ging es darum, dass Mädchen gefangen und sich anschließend das Leben genommen oder probiert haben? (Bin mir da allerdings nicht mehr sicher, was die Story war und ob dies stimmt; sind immerhin schon 6 Jahre). Da kam mir plötzlich der erste Zwangsgedanke (damals wusste ich noch nicht was es war) über Selbstmord. Ab da begann dann der ganze Unfug. Ich konnte zwei Wochen fast nichts essen, weder entspannen usw. Irgendwann ging es halt soweit, dass ich in einer Klinik landete (auf meinen Wunsch hinaus). Ich hatte einfach Angst, dass ich mir was antun könnte (Zwangsgedanke eben). Nach drei qualvollen Tagen in der Klinik, holten mich meine Eltern raus. Als ich draußen war, war die Angststörung wie von alleine verschwunden. (Als hätte ich sie in der Klinik gelassen).
Dann hatte ich sechs Jahre ein normales Leben als junger Mensch, bis es vor einem halben bis dreiviertel Jahr von erneut anfing.

Meine Angststörung kam wieder mit dem Gedanken über Selbstmord (War in einem ziemlichen Burnout). Natürlich erschrak ich vor lauter Furcht. "Warum denke ich sowas, ich liebe doch mein Leben". Ab da kam ich zum ersten Mal in Kontakt mit Antidepressiva. (Escitalopram in der ersten Woche 5mg, anschließend auf 10mg rauf. Trittico 50mg? (bin mir mit Trittico aber nicht so sicher)). Die erste Woche ging es mir prima. Ich fühlte mich nicht mehr so ausgelaugt und die störenden Gedanken verschwanden, bis ich die Dosis auf 10mg erhöht habe. Ab da begann dann der ganze Spaß von vorne. Meine Zwangsgedanken, wie auch meine Angst, wurden stärker. Ich ging so für ca. eine Woche durch die Hölle und wieder zurück. Dann kam der Punkt, wo ich wieder entspannen konnte (so halbwegs). Das mit den Gedanken ging dann einen Monat so weiter.
Da ich vor über einem Jahr mich für eine neue (wurde erst gebaut) DG-Wohnung angemeldet habe und diese im Sommer fertig wurde, zog ich schließlich von daheim aus. Es ging ziemlich gut über die Bühne. Meine private Neurologin und Therapeutin habe ich wöchentlich besucht (Hatte ich seit dem zweiten Ausbruch; vergessen zu sagen). Irgendwann verschwand dann der Gedanke über Selbstmord, als anschließend der nächste Gedanke kam (Wer hätte das gedacht?).
Meine nächste Zwangsgedanken waren (ich führe sie nur kurz auf):

:: Die Angst, meiner Familie oder Menschen generell etwas anzutun.
:: Die Angst, pädophil zu sein.
:: Die Angst vor Schizophrenie.
:: Die Angst, mein Leben nicht zu meistern.
:: Die Angst, meine Wohnung zu verlieren.
:: Die Angst, dass meinen Eltern etwas zustößt.
:: Die Angst, dass ich nie wieder arbeiten kann.
:: DIe Angst, jemanden mit dem Auto niedergeführt und nicht bemerkt zu haben (Hab das Auto abgemeldet, da ich mit meiner jetzigen Medikation nicht fahren sollte)
:: Die Angst, jemanden vor die Gleise (U-Bahn, Zug) geworfen zu haben oder jemanden generell etwas angetan zu haben, ohne es gemerkt zu haben. (Die ist jetzt sehr neu und beschäftigt mich schon seit zwei Wochen; über Tipps wäre ich sowas von dankbar, da es mich doch teilweise sehr einschränkt)

Ich befinde mich seit zwei Wochen in einem ziemlichen Tief. Allerdings stürze ich nicht mehr so ab. Ich gehe brav arbeiten (Bin in der Wiedereingliederungsteilzeit; danke an die Firma), ins Fitnessstudio, zur Therapie, zur Uni usw....

Einerseits habe ich es meiner jetzigen Medikation zu verdanken (Sertralin 150mg, Mirtabene 45mg, Seroquel XR 250mg), andererseits mir selbst. Ich habe gelernt, mit diesen Zwangsgedanken halbwegs umzugehen. Wenn mir so ein Zwangsgedanke aufkommt bin ich A: einfach zu müde, weil ich meinen ganzen Tag verplant habe B: es mir an manchen Tagen einfach egal ist (Müdigkeit) und C: Die Gedanken schon langsam fad werden (Kennen viele Personen mit Zwangsgedanken). Zudem hilft mir die wöchentliche Therapie, dies zu überstehen.

An alle mit Zwangsgedanken!
Wenn ihr vor etwas Angst habt (trotz der grausigen Gedanken), werdet ihr sowas NIE tun. Es kommt einfach auf eure Reaktion an. (Schlimmer Gedanke kommt und endet mit einer anhaltenden Angst davor). Wenn das der Fall ist, leidet ihr einfach unter einer starken Angststörung. Habt ihr allerdings grausame Gedanken und euch interessiert dies ein Dreck (Leute verspüren da keine Angst; als würdet ihr denken "Der Himmel ist blau"; ihr reagiert einfach nicht drauf), solltet ihr euch besser an einen Therapeuten und Neurologen wenden. (von meiner Therapeutin und Neurologin gelernt!)



Das war mal meine Geschichte in Kurzfassung.
Ich bin über Reaktionen und Tipps gespannt und antworte gerne!
Sometimes darkness can show you the light.

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Blume1973
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Beitrag Fr., 15.02.2019, 18:31

Hallo Daniel!

Da hast du ja schon ganz schön was erlebt, mit deinem jungen Alter.

Es ist gut, dass du gelernt hast, recht gut damit umzugehen.
Ich lese zwar, dass du wieder ein Tief hast, aber ganz gut damit zurecht kommst mittlerweile.

Ich wünsche dir, dass du diese doofe Krankheit bald ganz überwinden kannst und wieder ganz normal leben kannst! Denn das ist sehr gut möglich. :)

Ich habe gar keine Tipps für dich, denn du machst das schon recht gut. Und du scheinst gut begleitet zu werden von deiner Therapeutin.

Mich hatte eine ähnliche Vergangenheit geplagt. Nur hatte es erst mit ca. 30 begonnen. Ich konnte mich, genau wie du, mit therapeutischer und medikamentöser Unterstützung da durchschlagen.

Jetzt ist wieder einmal Ruhe eingekehrt und das schon seit 2 Jahren. Und es geht mir sehr gut.

Also, nicht aufgeben :)

Alles Gute
Blume
Die einzigen wirklichen Feinde des Menschen, sind seine negativen Gedanken.

Albert Einstein

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DanielDenii
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Beitrag Sa., 16.02.2019, 16:51

Hallo Blume,

vielen Dank für deinen aufmunternden Worte!

Du gibst mir auch Hoffnung, da du anscheinend gelernt hast mit dieser Krankheit umzugehen.

Ich wünsche dir noch ein sorgenfreies Leben!

LG
Daniel
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theweirdeffekt
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Beitrag Mo., 18.02.2019, 14:58

Hallo Daniel,

Klingt als wärst du schon auf einem super weg. Ich hab bei mir auch den Eindruck, als hätte ich die immer so etappenweise... was machst du denn so, um dich zu entspannen? Ich bin schon draufgekommen, dass es bei mir eher schlimmer ist, wenn ich versuche "all zu perfekt zu sein". Bin grundsätzlich ein sehr gerechter und empathischer Mensch.

Oft, wenn ich schlecht über jemanden denke (gewicht, outfit, aussehen etc) ertappe ich mich dabei, wie ich mir denke "sowas denkt man nicht, ich bin nicht so gemein, oberflächlich etc." Als müsste ich meine Gedanken im Griff haben und mutter Theresa sein... ich glaub, das genau soetwas, also die verleugnung meiner unfreundlichen Eigenschaften, sich anstaut und in ZG entläd.

Hoff, das ist ein bisschen nachvollziehbar... was mir da gut hilft ist der Gedanke "heut denk ich aber wieder schräge sachen..." und das wissen, dass ich nicht meine Gedanken bin.

LG
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DanielDenii
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Beitrag Sa., 23.02.2019, 13:05

Hallo,

ich habe verschiedene Strategien zur Bewältigung der Angst.

Einerseits halte ich die anhaltende Angst und den jeweiligen Gedanken einfach aus (bis sie einfach verschwinden, da sie einfach fad werden), andererseits beruhige ich mich mit den Tipps von meiner Neurologin und Therapeutin. (Diese Sichtweise hat meine Krankheit stark verbessert; siehe oben).

Ich rede (nur mit Familie, Therapeutin und Neurologin) offen über meine Gedanken, was mir sehr stark hilft. (Dieses in sich hineinfressen ist auf Dauer nicht gut).

Zudem lenke ich mich gerne ab, indem ich meinen Alltag komplett mit Beschäftigungen fülle. (Sport, Arbeit, lernen, Freunde treffen etc..)

Wir "Zwängler" neigen einfach zur Perfektion. (Auch wenn wir nicht perfekt sind und sein werden). Wir wollen 100% Sicherheit, die es aber (leider) nicht gibt.

Der Tipp mit dem "heute denke ich aber wieder schräge Sachen", hilft mir auch bei der Bewältigung.

Ich wünsche dir noch alles Gute!

LG
Daniel
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blade
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Beitrag Sa., 23.02.2019, 13:28

Hallo DanielDenii

Das mit den 100% Sicherheit. Also was meinst Du? Ist dieses Sicherheitsbedürfnis schon vor den Zwangsgedanken da gewesen oder haben diese es erst ausgelöst?

Ich bin mir da bei mir nicht mehr so sicher. Ich halte es für nicht unwahrscheinlich, daß in der Entwicklung der Dinge erst
finstere Gedanken - Zwangsgedanken bei mir zu einer erhöhten Selbstunsicherheit geführt haben und in weiterer Folge zu einem verstärkten Sicherheitsbedürfnis.
Damit ich den Gedanken zu 100% widersprechen kann oder zumindest die Zustimmung verweigern kann.
So in etwa.

Sicher bin ich mir aber da nicht :anonym:

mfg
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theweirdeffekt
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Beitrag Sa., 23.02.2019, 17:32

DanielDenii hat geschrieben: Sa., 23.02.2019, 13:05 Ich rede (nur mit Familie, Therapeutin und Neurologin) offen über meine Gedanken, was mir sehr stark hilft. (Dieses in sich hineinfressen ist auf Dauer nicht gut).

...

Wir "Zwängler" neigen einfach zur Perfektion. (Auch wenn wir nicht perfekt sind und sein werden). Wir wollen 100% Sicherheit, die es aber (leider) nicht gibt.
Oh man, du sprichts mir aus der Seele. Mir hilfts auch es nicht hinein zu fressen... manchmal schreib ich auch alles auf und verbrenne es danach, tut auch irgendwie gut.
blade hat geschrieben: Sa., 23.02.2019, 13:28 Das mit den 100% Sicherheit. Also was meinst Du? Ist dieses Sicherheitsbedürfnis schon vor den Zwangsgedanken da gewesen oder haben diese es erst ausgelöst?
Finde ich auch einen spannenden zugang. Bei mir wars so, dass ich vorher schon schwierigkeiten hatte mich auf neues einzustellen etc. Also der spontane typ war ich nie so wirklich. Aber danke für den input blade (auch wenn er nicht für mich war ;) ), da werd ich noch drüber nachdenken.

Alles gute euch,
LG
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