Sich selbst mit Übergewicht annehmen

Bulimie, Anorexie, Adipositas, EDNOS (mehr zur Unterscheidung finden Sie in meinen themenbezogenen Artikeln im Archiv, darüber hinaus finden Sie auf der Website auch Selbsttests zum Thema)
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sandrin
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Sich selbst mit Übergewicht annehmen

Beitrag So., 13.08.2017, 16:06

Heute möchte ich ein für mich sehr heikles Thema hier einbringen.
Es geht darum, wie man sich selbst/ich mich selbst/ihr euch selbst mit Übergewicht annehmen kann/könnt.

Ich sehe mich nicht als essgestört, auch wenn das das Unterforum hier ist. Aber ich bin sicherlich schon auch Frustesserin. Naja, wie auch immer.
Ich merke immer mehr, dass ich mich immer weniger damit annehmen kann, dass ich mich schäme, mich irgendwie auch bei vielen Leuten nicht mehr zeigen will, auch mit mir selbst hart ins Gericht gehe.

Und dann leide ich einfach auch so unter der Oberflächlichkeit der Leute, die einen - und das ist meine Grunderfahrung - immer nur nach offensichtlichen Gesichtspunkten beurteilen. In mir ist eine Mischung aus Wut, Traurigkeit, Hilfslosigkeit, Trotz und Scham. Und ich ärgere mich, dass ich zulasse, wie andere Menschen sich ein Urteil über mich bilden könnten, und zwar nur auf Grund meines Übergewichtes.

Ich ertappe mich dabei, dass ich glaube, die anderen müssten mich automatisch als minderwertiger ansehen - weil ich das den Normen gemäß wohl auch bin.

Ufff... Gibt es Leidensgenossen hier? Wie geht ihr mit diesem schwierigen Thema um?

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Miss_Understood
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Beitrag So., 13.08.2017, 17:09

Hallo sandrin,

ja, das kenne ich auch. Wenngleich nicht unbedingt hinsichtlich Übergewicht. Wobei ich erstmal in meinem Leben wohl nun übergewichtig BIN. Aber wegen anderer körperlicher Merkmale. Und ja, dein Erleben deckt sich mit meinem. Erscheint man außerhalb der Norm WIRD man angeschaut. Und das meist bestenfalls komisch, meist nicht wohlwollend. Auch ich spüre dann Scham und Schuld. Es gelingt ja nicht immer, diesen Menschen aus dem Weg zu gehen. Kann sein, dass man sich das vielleicht in wenigen Fällen nur einbildet, aber es ist DA.

Was mir manchmal hilft: Klopfen. (EFT) - kennst du das? Ich gebe zu, ich könnte es häufiger machen, da steckt bei mir noch ganz viel anderes dahinter. Aber immer, wenn ich es tue, hilft es zumindest ein Stück weit.
Probier's mal.

LG, Miss Understood
ch-ch-ch-chaaaaaaange

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sandrin
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Beitrag So., 13.08.2017, 17:34

Davon hab ich schonmal gehört, ich weiß aber nicht recht viel darüber. Muss ich mich mal schlau machen. Danke für den Tipp. Ist gut zu wissen, dass man nicht allein ist.


Tränen-reich
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Beitrag So., 13.08.2017, 19:22

Ich leide mal ne Runde mit.
Kurzweilig hatte ich mich das auch mal gefragt.
Für mich lautet die Antwort: es funktioniert nicht, wenn ich mich nicht wohlfühle, dann ist es das nicht, dann soll es wohl anders sein. Das zusätzliche Problem dabei, daran etwas zu ändern ist echt mühselig und ich stehe wieder zwischen "ich will wieder schlanker sein" und "ach schite, dann is es halt so".

Kurz: ich kann mir nur schwer vorstellen, etwas anzunehmen, was ich gar nicht mag. Wenn jemand ein Rezept hat, dass es sehr wohl funktionieren kann, gerne her damit!
Ich könnte mir zwar mehrmals täglich sagen "ach, egal, ich nehme mich so an wie ich bin" komme ich mir vor, als würde ich mich selbst verar.schen. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich nicht daran glaube.

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sandrin
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Beitrag So., 13.08.2017, 19:26

Ja. Mag sein. Ich merke nur bei mir so einen destruktiven Mechanismus. Wenn mir etwas wehtut (Knie oder Rücken), werte ich fast schon als Strafe für meine mangelnde Disziplin. So, als dürfte ich mich nicht beschweren, es geschehe mir ja ganz recht.

Mir fällt auf, dass ich richtige Schuldgefühle deswegen habe.

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Miss_Understood
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Beitrag So., 13.08.2017, 20:47

Oh - ja - und genau dafür gibt es diese Sätze im EFT.

Ich bin da auch eher noch Anfängerin in der Praxis (und ärgere mich darüber - tz - dass ich das nicht öfter nutze!) und bei manchem lohnt es sich jemanden erfahreren dazu zu holen, also einen Therapeuten, derdie darin ausgebildet ist - und das SIND mittlerweile durchaus einige.

Aber man kann es auch erst mal ganz gut selber ausprobieren.

Denn man beginnt zb eben NICHT mit den in vielen anderen 'Übungen' so üblichen Affirmationen - die man sich dann eben selber NICHT glaubt. Und da ging es mir genau so. Sich vor den Spiegel stellen und sich einreden: Ich liebe mich. Oder Ich bin schön. Äm. ...

Bei EFT ist das dann zum Beispiel (! man sucht sich die zu einem passenden Sätze selbst bzw mit Hilfe) - derweil man eben bestimmte Punkte am Körper klopft:

"Ich liebe und achte mich, auch wenn ich dieses Problem habe, mein Übergewicht (oder was auch immer) zu akzeptieren."

Ich finde alleine das darüber nachdenken sich solche Sätze zurechtzulegen extrem hilfreich, denn es grenzt dein Problem ein - und AB von deinem ganzen SEIN. Und selbst WENN das alles nicht gelingt, weil da sofort innerlich eine Instanz widerspricht, ist das AUCH gut, denn dann liegt da noch was dahinter, was ZUERST beklopft werden sollte.

Zb dann eben:
"Auch wenn ich diese Stimme in meinem Inneren habe, die mich nicht akzeptiert wie ich bin, liebe und akzeptiere ich mich wie ich bin."
Das ist ganz schön paradox, aber es funktioniert. Zumindest kann es damit gelingen den akuten Stresslevel, wenn einem ein solches Unzulänglichkeitsgefühl überfällt erst mal zu stoppen.

Ich arbeite noch daran/damit und finde es extrem faszinierend, welche Richtungen es da inzwischen gibt.

Ich lerne ja auch gerne immer von/mit Büchern und da gibt es auch sehr verschiedene. Von den Basics zur Selbstanwendung (Rainer und Regina Franke: Sorgenfrei in Minuten. Diese haben auch ein Buch für Therapeuten veröffentlicht im renommierten Haug Verlag) der verschiedenen Formen über spezielle Klopfthemen (zb von Dr. Michael Bohne: "Klopfen gegen Lampenfieber") bis hin zu einem Buch, welches ich sehr faszinierend fand, weil darin auch versucht wird, Anwendung, Nutzen und mögliche Erklärungen wissenschaftlich/therapeutisch aufzuzeigen: "Energetische Psychotherapie - integrativ: Hintergründe, Praxis, Wirkhypothesen" von Christoph T. Eschenröder, der in dem Band auch auf EMDR eingeht, was wohl einiges gemeinsam hat.

Stichwörter sind neben "Klopfen" im allgemeinen die beiden als Marke registrierten "EFT" (Emotional Freedom Technique) und "MET" (Meridian-Energie-Techniken) auch "PEP" (Prozess- und Embodymentfocussierte Psychologie), "Energetische Psychotherapie" und "Reden reicht nicht!? Bifokal-multisensorische Interventionsstrategien für Therapie und Beratung".

Ich habe just gerade das HIER von Kornelia Becker-Oberender und Erwin Oberender: "Sabotage-Fallen: Die unbewussten Tricks der menschlichen Psyche" vorliegen - und bin zugegeben etwas überfordert von dem sehr, sehr, sehr genialen Input. Ich fürchte, ich bräuchte jemand, der sich damit auskennt als Begleitung.
ch-ch-ch-chaaaaaaange

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Kaonashi
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Beitrag So., 13.08.2017, 21:01

Bei mir ist das Übergewicht erst als Erwachsene entstanden, daher habe ich zumindest nicht schon als Kind Erfahrungen mit Ablehnung wegen dem Gewicht gemacht (nur aus anderen Gründen). Allerdings hat meine Mutter ein Problem mit ihrem Gewicht und hat es in meiner Kindheit zu einem (zu) wichtigen Thema gemacht. Ihre Abnehmversuche waren ständig Thema, auch heute noch kann ich sie nicht besuchen, ohne dass sie nicht mindestens einmal ihr Gewicht erwähnt, und sie hat ein paar ungünstige Entscheidungen getroffen in meiner Kindheit, z.B. dass das Abendessen gestrichen wurde, was dazu führte, dass fortan jeder abends unzufrieden war und selbstständig in regelmäßigen Abständen in die Küche gepilgert ist. Dieses Verhalten habe ich heute noch und bekomme es nicht weg.

Inzwischen wiege ich fast doppelt so viel wie mein Normalgewicht wäre. Das ist natürlich nicht toll. Interessanterweise fühle ich mich aber meistens gar nicht so dick, und ich habe auch bisher nicht bemerkt, dass ich deswegen von anderen schlechter behandelt würde. Wenn ich bei anderen auf Ablehnung stoße, schreibe ich es eher anderen Ursachen zu.

Ich ärgere mich aber über mich selbst, weil ich absolut keine Selbstdisziplin habe. Ich könnte nie einfach konsequent auf Süßigkeiten verzichten, und es fällt mir sehr schwer, wenn ich mal plötzlich Lust auf etwas bekomme, das dann nicht zu essen. Aber das liegt eben auch daran, dass meine Mutter zu häufig das Essen verboten hat, und dagegen rebelliere ich. Ich empfinde es so, dass ich nie wieder auf etwas verzichten will. Da kommt die Vernunft dann auch nicht dagegen an.

Was nun Selbstannahme angeht, damit hatte ich in letzter Zeit Schwierigkeiten, aber das Gewicht war dabei nur eine Nebenbaustelle. Wenn ich mich nicht annehmen kann, dann auch aus vielen anderen Gründen.

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Miss_Understood
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Beitrag So., 13.08.2017, 21:09

Hi Kaonashi - da habe ich gerade mal schnell was gefunden, ich habe es aber selber noch nicht durchgeschaut: EFT - Klopftechnik - Lust auf * Schokolade * Süßes * wegklopfen mit der Emotionalen Freiheitstechnik:
und es gab beim 'Online Klopf-Kongress 2017' auch einen Vortrag unter mehreren, der sich genau DEM Thema annahm. Den habe ich aber nicht gehört. (Inzwischen ist der vorbei, man konnte immer am Tag selber zwei Vorträge kostenfrei anhören, inzwischen kann man nur noch das ganze Paket mit allen Vorträgen und Vorlagen kaufen.)

Und man kann auch Probleme mit dem Dranbleiben beklopfen - und kommt dann dabei vielleicht auch auf das Dahinterstehende. TUN muss man natürlich selber, Pfunde wegzaubern kann auch die Klopftechnik nicht. Wäre ja zu schön ...
ch-ch-ch-chaaaaaaange

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Tränen-reich
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Beitrag So., 13.08.2017, 21:13

Also ich habe noch nie was von dieser Technik gehört, ich finde das echt interessant und werde mich damit mal intensiv beschäftigen, damit ich das auch vollends kapiere.
Vielen Dank für den Tipp!

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Miss_Understood
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Beitrag So., 13.08.2017, 21:46

Und ja - Sandrin, es geht dabei zuallerst darum dein spezifisches Unbehagen mit dem Übergewicht herauszufinden. Das beschreibst du ja schon sehr spezifisch.
ch-ch-ch-chaaaaaaange

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Widow
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Beitrag So., 13.08.2017, 23:57

Falls ich etwas dazu sagen darf (ich bin normalgewichtig, soweit mir bekannt)?
Dann würde ich das sagen wollen:

Einst, als ich noch "im Leben" stand, hatte ich beruflich mit vielen Menschen zu tun, auch mit "Dicken". (Wo fängt "Dicksein" eigentlich an?)

Meine Beobachtungen:

1. Das Thread-Thema ist meiner Wahrnehmung nach ein gesellschaftliches "Frauen"-Problem: Die meisten dicken Männer haben dieses hier im Thread geschilderte Problem wenn überhaupt, dann weitaus weniger ausgeprägt als Frauen. Anders formuliert: Auf Männern lastet das gesellschaftliche "Schönheitsideal" nach wie vor viel weniger schwer, so dass sich dicke oder gar adipöse Männer oft überhaupt nicht minderwertig fühlen, bzw. mitunter gar im Gegenteil: "potent" fühlen, so als "Lebenslustler" ... (Guckt mal hin: Wie viele adipöse Alpha-Tier-Männer laufen Euch täglich über den Weg?! Und? Habt Ihr den Eindruck, die haben ein Problem - außer, wenn überhaupt!, einem medizinischen - mit ihrem Übergewicht?)

2. Wisst Ihr, die Ihr Euch "übergewichtig" nennt, ob Ihr aus medizinischer Sicht "krankhaft" übergewichtig" seid ("adipös" - inkl. Körperfettanalyse), oder ob Ihr persönlich das so empfindet?
"Nur dick" - da kenn ich viele glückliche Menschen, Männer und Frauen. Die leben mit ihrem "dicken" Körper im Einvernehmen. Und sind, seitdem sie vom Diäten-Terror abgelassen haben, sehr gesund.

3. (und wieder nur meine Wahrnehmungen!) Wer dauerhaft nicht in seinem Körper heimisch wird ("glücklich" schreibe ich mit Bedacht nicht, denn Glücklichsein geht meiner Erfahrung nach anders), der hat kein Problem mit seinem Körper, keins mit seinem Dick- oder Adipös-Sein, sondern eins mit seiner Psyche.

Beste Grüße
Widow

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Mondin
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Beitrag Mo., 14.08.2017, 01:21

Hi sandrin!

Ich bin dick. Ich war noch dicker (Sehr weit jenseits der 100 Kilo, also echt fett. Binge Eating sei dank, mit der ich mich innerhalb kürzester Zeit fast verdoppelte.), aber von normalgewichtig bin ich nach wie vor meilenweit entfernt. Der Witz ist, ich hatte noch viel mehr Komplexe, als ich noch jung, normalgewichtig und ziemlich attraktiv war (hässlich finde ich mich heute auch bei Weitem nicht). Ich verdiente gutes Geld mit (m)einer Optik und fand mich total hässlich/fett (mit einer top Figur, damals). Aus heutiger Sicht ist mir das schier unfassbar. Seit ich mich mag, also mich, meinen Charakter, mich als Mensch und mein Leben im Allgemeinen, ist mir die Figur kaum noch wichtig. Einzig aus gesundheitlichen Gründen muss ich mein Gewicht weiter reduzieren. Rein optisch würde ich mir da mittlerweile keinen Stress mehr machen.

Was mir geholfen hat mich auch "dick" annehmen zu können:

- Mein Wesen und meine Art mögen zu lernen.
- Mein Leben mögen zu lernen.
- Eine gute Stylingkompetenz, denn mit Klamotten, Make Up und Haarteilen lässt sich verflixt viel machen. Gepflegtes Auftreten generell ist sehr gut fürs Selbstwertgefühl. Fotosessions mit mir selbst vor dem Spiegel waren da auch sehr hilfreich - hübsch gebrezelt, versteht sich.

- Und dann noch: Mir die Leute, denen mein dicker Hintern nicht gefällt, gepflegt den Buckel runterrutschen zu lassen und mich an die zu halten, denen sowas (wie mir mittlerweile) nicht wirklich wichtig ist.

....

Ich muss dazu sagen, dass ich nie Probleme hatte einen Partner zu finden, egal in welcher Gewichtsklasse. Und das liegt rückblickend daran, dass ich zu meinen Rotlichtzeiten schon eine ziemliche Granate war, was die Optik angeht. Das richten auch viele Kilos nicht komplett hin. ;-)


Grüßerle!
Mondin

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sandrin
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Beitrag Mo., 14.08.2017, 07:44

Ihr glaubt gar nicht, wie gut mir das tut, was ihr ihr hier schreibt. Einfach, weil man immer das Gefühl hat, man ist alleine damit und es ist ein Tabu, über das keiner sprechen will.

@miss_understood: Das klingt echt interessant. Ich glaube auch, dass man über körperliche Anker sich gut unterstützen kann. Es gibt doch z. B. auch diese EMDR Methode. Ein interessanter Ansatz und vor allen Dingen kann man das Unbewusste ein bisschen austricksen :-). Muss mal in Amazon schmöckern und in Youtube scheint es auch viel zu geben.

@kaonashi: Sehr einleuchtend, was du beschreibst, dass du diesen Mangel einfach nicht mehr erleben willst. Ich glaube ebenfalls, dass es einen Grund gibt, weshalb man ist, dass das oft weniger mit Disziplin zu tun hat, sondern mehr mit einer Art inneren Macht, gegen die man nicht ankommt. Etwas, das stärker ist als der Wille. Aber wenn man das "Normalen" erzählt, dann wird es so hingestellt, als suche man nur nach Ausflüchten.

@widow: Du hast eine sehr realistische Sicht, man merkt deine Lebenserfahrung und Menschenkenntnis aus deinem Beruf. Leider bin ich defintiv wirklich übergewichtig (nach einer Phase, in der ich wirklich schlank war). Der Arzt hat mich schon darauf angesprochen, auch Teile meiner Familie. Es sind zwar noch unter 100 kg, aber es ist definitv zu viel und sollte nicht mehr werden.
Reduziert zu werden auf das Aussehen, das empfinde ich als sehr demütigend. Ich habe oft das Gefühl, dass ich dadurch mein Anrecht darauf, mit meinen Fähigkeiten und sonstigen Eigenschaften anerkannt zu werden, verwirke. So, als würde das Übergewicht alles zunichte machen. Oder anders: Ich hätte damit alles kaputt gemacht.

@mondin: Du beschreibst eine Seite, die ich schon auch ab und zu habe. Da bin ich dann selbstbewusst und frage: Entschuldigen sich eigentlich Raucher, die alle zehn Minuten sich einen Zigarette anstecken für ihr Laster? Nein, das ist einfach gesellscchaftlich anerkannt. Nichts gegen Raucher, nicht falsch verstehen. Aber der Mechanismus ist doch derselbe.
Mein Problem ist, dass ich mich leider oft selbst frage: Darf ich mich überhaupt mit mir und in mir wohlfühlen? Oder MUSS ich mich schlecht fühlen, weil es in meinem Zustand gar nicht anders sein kann?
Darf ich z. B. in meditativen Bewegungformen wie Yoga usw. so etwas wie ein gutes Körpergefühl haben oder lüge ich mich da nur an?

Schwierige Fragen....

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Mondin
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Beitrag Mo., 14.08.2017, 10:09

sandrin, wie gesagt, ich hatte viel größere Probleme mich selbst anzunehmen, als ich noch mit prima Figur an irgendwelchen Schotten stand und die Männer einen Haufen Geld dafür zahlten, dass ich mich mit ihnen abgab. Das sagt mir zweierlei Dinge:

1. Es liegt nicht an meiner Figur ob ich mich annehmen kann.
2. Selbst Bestätigung von außen ändert nichts daran, wenn es nicht so ist.

Als ich das realisiert hatte, habe ich mir viele Gedanken dazu gemacht, woran es wohl liegt, dass man sich annehmen kann oder eben auch nicht.

Ich kam für mich zu dem Ergebnis, dass ich, wenn ich mit meinem Leben und dem was ich tue und wie ich mich gebe, zufrieden bin, ich mir selbst ebenfalls versöhnlicher gegenüberstehe. Auch haben mir die Erfahrungen mit Magersüchtigen, mit denen ich in einer Essgruppe (bei einem meiner zwei Klinikaufenthalte) war, sehr geholfen. Eine davon umarmte mich damals zum Abschied, schmiegte sich an mich und raunte: "Hmmmmm, du bist so schön warm und weich, da fühlt man sich richtig geborgen."

Die Magersüchtigen, meist klapperdürre Mädels, haben immer schrecklich gefroren, während ich im T-Shirt noch immer schwitzte. Damals wog ich an die 100 Kilo. Dieses Erlebnis und die Aufforderung meiner Körpertherapeutin, mal die Augen zu schließen und mich selbst zu berühren, ließen mir erstmalig auffallen, dass ein dicker Mensch vielleicht optisch nicht den gängigen Standards entsprechen mag, sich aber verflixt gut anfühlt. Meinen weltbesten Liebsten, der auch ordentlich was auf die Waage bringt, knuddele ich für mein Leben gern, weil das wirklich schön ist von der Haptik.

Und dann kam irgendwann noch etwas hinzu. Als ich aufhörte mich in der Öffentlichkeit furchtbar zu schämen, für meine vermeintlich offensichtliche Schwäche, hatte ich auf einmal Kapazitäten frei um die Leute um mich her zu beobachten. Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen, dass schlank ganz gewiss nicht gleich schön bedeutet. Mir wurde gewahr, dass ca. 95% der Leute nicht dem Schönheitsideal entsprechen und dass das nicht an der Figur liegt. Schiefe Zähne, Pickel, Narben, Riesennase, dünnes Haar, unmöglicher Klamottenstil, ungepflegt .... um nur einiges zu nennen. Und keine Sau hat das interessiert. Die machen sich gar keinen Kopp, die Leute. Der einzige Seppel, der sich dauernd gegeißelt hat und folglich überempfindlich auf alles reagierte, das war ich selbst!

Ja mei, die Leute schauen halt manchmal finster, aber die müssen mich gar nicht meinen und wenn, ja mie leckts! Oder dumme Sprüche, bekomme ich gar nicht mehr und das letzte Mal habe ich gnadenlos zurückgepöbelt, da konnte die Flitzpiepe auf einmal echt schnell laufen. Ist Jahre her, aber ich muss heute noch grinsen. Will meinen, Menschen schauen. Sie schauen wegen ungepflegten Füßen, schlecht gefärbter Haare, Speckrollen die irgendwo rum- und raushängen (das wird immer mehr, die Leute kleiden sich wie Hempel) undsoweiterundsofort....

Wenn man sich selbst soweit okay findet, dann ist einem das wurscht. Kein Scherz.

Und natürlich darfst Du Dich wohlfühlen und was für Dich tun, sandrin! Oder meinst Du, der hässliche, klapperdürre Typ mit Käsefüßen dürfte das nicht? Doch, darf er. Genauso wie der sexy, allen Schönheitsidealen entsprechende Mensch. Ich habe mit Callboys gearbeitet, da waren echte Granaten drunter. Die meisten fanden sich selbst hässlich und hatten Komplexe, genau wie ich damals.

Nein, Wohlfühlen ist definitiv keine Frage der Figur, wenn Du mich fragst.

LG
Mondin

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flowing
Helferlein
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Beitrag Mo., 14.08.2017, 12:24

Bei mir wechselt das, es gibt Tage, da ist sehr viel Scham (letzte Woche bin ich in Bezug auf Gewicht und anstehende Arzttermine regelrecht kollabiert) - heute, da war ich draußen, habe mich kleidungsmäßig wohl gefühlt, da war es okay. Da habe ich mich mit mir "im Reinen" gefühlt und angenommen, dass das mit dem Gewicht gerade so ist, wie es ist.

Kleidungsmäßig wohl fühlen heißt bei mir nicht perfekt gestyled, ich fühle mich mit Schminke extrem unwohl -
ich möchte da mehr drauf achten, dass ich mich nicht kleide, wie ich denke, dass es "angemessen" wäre, sondern wie ich mich wohlfühle - relativ losgelöst davon, was andere denken oder schön finden (und da wo es Kleidernormen gibt, halt abwägen).

Ich habe jahrelang versucht mit Willen und Kontrolle, usw. abzunehmen - ich habe das losgelassen. Das ging immer mehr nach hinten los.
Als ich eher Richtung Magersucht tendierte, habe ich "Dick-Sein" phasenweise sehr abgewehrt - heute bin ich diesbezüglich echt demütig geworden. Es geht mir nicht mehr so sehr ums Abnehmen - als mit mir und meinem Körper wie Psyche "im Reinen zu sein" - ich merke, wenn ich in Balance bin, dann stabilisiert sich automatisch mein Essverhalten. Leider bin ich nicht so oft in Balance - aber ich arbeite dran - und versuche eben loszulassen, wo ich noch nicht da bin, wo ich vielleicht mal hin möchte und das so anzunehmen.

Es gibt ein Buch von Maja Storch "das Ich-Gewicht" - dieses Bild von einem "Ich-Gewicht" finde ich schön. Da bin ich momentan nicht, deswegen denke ich, dass ich momentan mein Gewicht eher nicht annehme, aber eben die Situation, dass ich auf dem Weg bin und mich nicht selbst überholen kann.

edit:

Ich fühle mich gerade unvollständig mit meinen Gedanken - ich sag jetzt einfach mal Danke - weil der Thread hilft, gerade mal mehr auch hinzufühlen - und es sind viele Ideen, auch nochmal mehr Richtung Körperannahme, auch jetzt, mit dem Gewicht, es als etwas achten, was gerade vielleicht notwendig ist (weil es ist bei mir auch wie bei Mondin - dünn, damals - habe ich mich extrem unwohl gefühlt, da war viel weniger Körperannahme als heute) - ich brauche einen Schutzpanzer, das Weiche fühlt sich auch manchmal gut an - als Kind hatte ich eine sehr "runde" Kita-Leitung, bei ihr auf dem Schoß ist so ziemlich die einzige Kind-Erinnerung von "geborgen" mich fühlen.
In der Psychiatrie waren zwei Krankenschwestern, die noch um Einiges übergewichtiger als ich heute waren - und ich fand beide schön - sehr gemütlich, rund - ja, es fühlt sich gut an.

In meiner Familie sind väterlicherseits auch fast nur kräftige Frauen - Landfrauen - mit großen Brüsten - die Kriegs/ Nachkriegsgeneration hatte da ja auch noch nicht so magersüchtige Ideale, sondern kräftig sein, war eher was Positives teils.

naja, ich muss mich wohl erst noch finden - mit dem, wie ich mich mit mir und meinem Körper wohl fühle.

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