Sich selbst beschimpfen

Alle Themen, die in keines der obigen Foren zum Thema "Psychische Leiden und Beschwerden" passen.
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peponi
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Sich selbst beschimpfen

Beitrag Fr., 12.03.2021, 15:20

Hallo,
ich wende mich mit einem recht speziellen Problem an euch, zu dem ich über die Suchfunktion leider nichts gefunden habe. Bin mir auch nicht sicher, ob das in diesem Unterforum richtig aufgehoben ist – sonst gerne einfach verschieben.

Und zwar geht es um Selbstbeschimpfungen. Ich beschimpfe mich gedanklich immer wieder aufs Extremste, schon viele Jahre, und erst allmählich wird mir klar, dass das so vielleicht nicht ganz normal ist.
Das sind Beleidigungen, die ich so tatsächlich niemals anderen Menschen an den Kopf werfen würde oder geworfen habe, weil ich sie frauenverachtend und abstoßend finde. Ich weiß nicht, wie konkret ich hier werden darf.

Vor einigen Wochen habe ich das in meiner Therapie mal angesprochen. Das war ein Fehler, weil es dadurch völlig eskaliert ist. Ein nicht mehr enden wollendes inneres Stakkato aus üblen Beschimpfungen. Dass es durch das Ansprechen schlimmer geworden ist, habe ich in der Stunde darauf noch einmal thematisiert. Seitdem haben wir nicht mehr darüber gesprochen, weil es mich zu sehr destabilisiert.

Aber es ist noch immer da. Mehrfach täglich und wie aus dem Nichts.
Ich trau mich nicht mehr, es in der Therapie anzusprechen, weil ich nicht will, dass das wieder so schlimm wird. Und ich habe auch Angst, dass es jetzt gleich wieder schlimmer wird, aber ich hoffe, dass die Anonymität hier im Forum das vielleicht etwas ausgleicht.

Jedenfalls möchte ich gerne fragen, ob es hier vielleicht Menschen gibt, die das so oder so ähnlich kennen und bereit wären, ihre Erfahrungen mit mir zu teilen, welchen Umgang sie gefunden haben, ob und wie sie diese Selbstbeschimpfungen wegbekommen haben. Stellt das vielleicht eine Form von Zwangsgedanken dar?
silence like a cancer grows.

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Pianolullaby
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Beitrag Fr., 12.03.2021, 17:26

es wird allerdings auch nicht besser, wenn du nicht darüber sprichst.
Und ja vllt destabilisiert es erstmal, aber es kann nur besser werden
Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum

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Candykills
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Beitrag Fr., 12.03.2021, 18:42

Hm, also es kennt wahrscheinlich jeder, dass man über sich selbst schimpft, wenn man Bockmist gebaut hat.
Bei dir hört sich das aber wesentlich extremer an. In der Form kenne ich das nur von meinen Stimmen.
Du schreibst aber, dass du es bist, die sich beschimpft. Aber müsstest du es dann nicht auch einfach stoppen können? Einfach aufhören und nicht weiter schimpfen?
Deswegen frage ich mich, ob es nicht vielleicht ein Introjekt sein könnte, was dich da beschimpft?
Wurdest du als Kind von irgendjemandem ähnlich mal beschimpft oder sogar öfter?
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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peponi
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Beitrag Fr., 12.03.2021, 19:47

Candykills hat geschrieben: Fr., 12.03.2021, 18:42 Du schreibst aber, dass du es bist, die sich beschimpft. Aber müsstest du es dann nicht auch einfach stoppen können? Einfach aufhören und nicht weiter schimpfen?
Nein, genau das funktioniert leider nicht. Wenn ich versuche, dem einen Riegel vorzuschieben, nimmt es an Aggressivität eher zu.
Ich weiß nicht so wirklich sicher, ob ich das selbst bin, aber nehme es eigentlich nicht als etwas Fremdes wahr. Mein Therapeut hat es als eine Art inneres Tourette-Syndrom bezeichnet. Das Bild passt ganz gut, weil es auch so plötzlich kommt. Oft vorm Einschlafen, wenn ich noch wach liege, und oft nach der Kommunikation mit anderen Menschen. Oder wenn ich etwas nicht gemacht habe, was ich hätte machen sollen. Und es ist auch immer in der Du-Form – also sowas wie „du dreckige kleine Schl…“ und Ähnliches.
Deswegen frage ich mich, ob es nicht vielleicht ein Introjekt sein könnte, was dich da beschimpft?
Wurdest du als Kind von irgendjemandem ähnlich mal beschimpft oder sogar öfter?
Nein, nicht dass ich wüsste. Mein Therapeut meinte etwas Ähnliches, aber ich weiß einfach nicht, wo das herkommen sollte. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so beschimpft worden zu sein.

Darf ich dich fragen, wie das bei dir und deinen Stimmen ist? Also richten sie sich auch gegen dich selbst?
Ich hoffe, die Frage ist nicht zu persönlich. sonst ignoriere sie bitte einfach.
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chrysokoll
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Beitrag Fr., 12.03.2021, 20:19

Ja, ich kenne so etwas leider. Oder so ähnlich.
Ich habe allerdings eine dissoziative Störung, innere Stimmen, innere Teile, und darunter auch einen sehr destruktiven Teil der mich manchmal sehr übel beschimpft.
Ich erlebe das als "nicht ich", obwohl mir natürlich klar ist dass das in mir entsteht. Trotzdem fremd.

Wie ist das bei dir? Ist das ein Teil von dir? Jemand anders? Wo kommt die Stimme her?

Meine Therapeutin arbeitet mit mir daran diese Stimme zu verstehen, und hat mir auch Strategien beigebracht das zu unterbinden.
Da etwas wirksames zu finden ist für jeden anders, aber es lohnt sich sehr !

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Candykills
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Beitrag Fr., 12.03.2021, 20:35

Mh, ich nehme meine Stimmen (sowohl die dissoziativen in Form von Anteilen, als auch die, die von der Psychose kommen) sehr deutlich als etwas Fremdes wahr.
Sowohl destruktive/täterloyale Anteile/Introjekte können sehr bösartig sein und sich ähnlich dem verhalten, was du auch beschreibst.
Als auch psychotische Stimmen. Da geht das dann schon oft so "bring dich um, spring vor den Zug, mach jetzt, ohne dich sind alle besser dran....". Keine Ahnung, ob du das auch in der Form kennst?!

Vielleicht ist es bei dir ein Introjekt, mit dem du so "verschmolzen" bist, dass du es - obwohl es dich mit "Du" anspricht, für dich selbst hältst.
Aber ich will dir da auch nichts einreden, was vielleicht nicht ist.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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peponi
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Beitrag Sa., 13.03.2021, 00:59

chrysokoll hat geschrieben: Fr., 12.03.2021, 20:19 Wie ist das bei dir? Ist das ein Teil von dir? Jemand anders? Wo kommt die Stimme her?
Ich erlebe es schon eher als Teil von mir. Aber mir fällt es ziemlich schwer, darüber nachzudenken. Da ist eine Blockade in meinem Kopf.
Wo die Stimme herkommt, weiß ich nicht. Ich kann schon ein gewisses Muster beobachten, wann sie auftritt. Aber manchmal ist das auch völlig willkürlich. Und gerade beim Einschlafen schießt es mir manchmal so heftig und plötzlich in den Kopf, dass ich es sogar leise ausspreche, wobei ich es meistens noch schaffe, das in etwas Unverständliches abzuändern. Das ist so völlig gestört. :/
Meine Therapeutin arbeitet mit mir daran diese Stimme zu verstehen, und hat mir auch Strategien beigebracht das zu unterbinden.
Da etwas wirksames zu finden ist für jeden anders, aber es lohnt sich sehr !
Ich würde gern in der Therapie daran arbeiten, aber nicht, wenn es mich so sehr destabilisiert. Ich will es einfach nur weg haben.

@candykills
Sowohl destruktive/täterloyale Anteile/Introjekte können sehr bösartig sein und sich ähnlich dem verhalten, was du auch beschreibst.
Als auch psychotische Stimmen. Da geht das dann schon oft so "bring dich um, spring vor den Zug, mach jetzt, ohne dich sind alle besser dran....". Keine Ahnung, ob du das auch in der Form kennst?!
Also gerade das Zugbeispiel kenn ich tatsächlich, aber nicht in der Form. Wenn ich am Bahnhof stehe und der Zug einfährt, ist da manchmal dieser Impuls. Das ist aber eher in der Ich-Form, „ich müsste einfach nur springen und dann wäre alles vorbei“, so in etwa. Das verbinde ich auch nicht mit dieser beleidigenden Stimme, das ist gefühlt irgendwie etwas anderes.
Vielleicht ist es bei dir ein Introjekt, mit dem du so "verschmolzen" bist, dass du es - obwohl es dich mit "Du" anspricht, für dich selbst hältst.
Ich weiß es nicht. Mein Therapeut sagte auch, dass er nicht glaubt, dass ich es wäre, die da spricht. Es fühlt sich für mich aber wirklich nicht fremd an, sondern wie ein Teil von mir selbst, den ich nur nicht ganz kontrollieren kann und der dann manchmal hochschießt. Vielleicht eine Art Selbsthass, der sich einfach nur verselbstständigt hat.
Aber ich will dir da auch nichts einreden, was vielleicht nicht ist.
Danke, das weiß ich zu schätzen. Ich finde diese Perspektive interessant, daran habe ich noch nie gedacht. Aber es ist jetzt auch schon spät und darüber muss ich nachdenken.
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thundercook
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Beitrag Sa., 13.03.2021, 01:02

Ich mache das auch, aber nicht bloß innerlich im Kopf, sondern laut. Bei mir hat es auch etwas "Tourette-haftes", aber in der Öffentlichkeit passiert es mir fast nie, oder nur, wenn kein Mensch in Sichtweite ist. Besonders stark ist es bei mir nach Situationen, in denen ich mich schlecht fühle. Das sind bei mir Situationen, die aktive soziale Interaktion erfordern. Aber auch sonst kommt es regelmäßig vor. Dass ich mich nicht besonders gut leiden kann, weiß ich so oder so...Daher weiß ich auch nicht, was ich intelligentes dazu schreiben sollte. Ist halt ein Tick, stirbt man nicht dran und kann man mit leben..

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peponi
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Beitrag Sa., 13.03.2021, 09:42

thundercook hat geschrieben: Sa., 13.03.2021, 01:02 Ist halt ein Tick, stirbt man nicht dran und kann man mit leben..
das klingt ein wenig, als hättest du dich damit abgefunden. Das will ich aber nicht. Ich will mich nicht für den Rest meines Lebens so beschimpfen und verbal verprügeln, nicht von jemand anderem, und erst recht nicht von mir selbst. Und mich schränkt das ein, in zwischenmenschlichen Beziehungen, weil es verhindert, dass ich mich emotional anderen Menschen gegenüber öffne, und auch in meiner Therapie, weil es da verhindert, an bestimmte heiklere Themen heranzugehen. Letztlich führt es zu einer Vermeidungsstrategie - aber ich will das, was ich aus Furcht vor diesen Beschimpfungen vermeide, eben nicht mehr vermeiden. Selbsthass hin oder her, aber das kanns doch nicht gewesen sein, ich will nicht mehr damit leben.
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No Twist
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Beitrag Sa., 13.03.2021, 10:09

Hm, ich kenne das von früher von mir, aber trotzdem ganz anders als du beschreibst. Ich hab mich, wenn mir zum Beispiel ein Teller beim Abwaschen kaputt ging, dafür verachtet, fand mich zu blöd für die Welt und konnte mich vollkommen in meine Unfähigkeit hineinsteigern. Ich habe es vorgelebt bekommen, wie man zu sein hat und alles was bei mir schief ging - und war es nur ein Teller, der in die Brüche ging - hat mich daran erinnert, dass ich nicht so bin, wie ich zu sein habe. Und dann ging die Selbstkasteiuung los. Meine Eltern haben sich, weil sie sich gegenseitig hassten und den jeweils anderen in mir sahen, immer zu verstehen gegeben, dass ich nicht richtig bin, ganz furchtbar bin und sich dazu aufgeschwungen, die besseren Menschen zu sein. Und sobald etwas nicht so lief, wie es sollte, fand ich mich falsch, machte mich fertig. Du wurdest also vielleicht nicht explizit beschimpft, aber hast verinnerlicht, dass du nicht ok bist - das will ich damit sagen. Mir hat es wirklich geholfen, mich selbst anzunehmen. Mir hat mein erster Freund sehr dabei geholfen, der immer in solchen Situationen grinsend neben mir stand und meinte: "Ist nur ein Teller." Das heißt, ich denke, dass positive Beziehungen einem helfen können, sich selbst anzunehmen. Und du hast da vermutlich noch ein Stück Arbeit vor dir - aber tatsächlich würde ich dir empfehlen in einem ersten Schritt anzunehmen, dass du dich so beschimpfen musst und das nicht auch noch zu verurteilen. Damit machst du dich noch schlechter und es wird so auch schwieriger das in einer Therapie auszusprechen, zu bearbeiten. Es ist eben gerade so und dafür musst du dich nicht wieder selbst ablehnen. Du musst vielmehr lernen, denke ich zumindest, dass du ok bist und das sogar, wenn sowas durchbricht. Das wäre zumindest mein Weg, der aber nicht deiner sein muss. Aber sich selbst noch dafür abzulehnen, ist wie eine Negativspirale. Du beschimpfst dich, lehnst dich dafür noch mehr ab, beschimpfst dich noch mehr... Deshalb wäre es vielleicht gut, dass erstmal zu akzeptieren und mit einer akzeptierenden Haltung versuchen zu verstehen, wo das herkommt. Kann ja ganz andere Ursachen als bei mir haben.
Ich hab an Gestern nicht gedacht und nicht an Morgen
Es ist Nacht, ich steh am Fenster
Und für einen Augenblick leb ich im Jetzt

von: Keine Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen

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