Kann man in der Therapie 'ankommen'?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Vivy
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Beitrag Sa., 12.10.2019, 17:08

P.S.
nach der Bewältigung der letzten Krise hat er am Ende der Stunde gemeint, er müsste mir jetzt mal eine Anekdote aus seiner inzwischen 45jährigen Berufserfahrung erzählen.

Ich dachte schon: was kommt denn jetzt?

er hat mir erzählt, dass er in dieser langen Zeit ein einziges mal jemanden rausgeworfen hat
Einwand von mir: woher wusstest du, dass ich davor angst hatte?

Was er mir dann erzählt hat, kann ich hier nicht wiedergeben, aber es war ziemlich :kotz:

Schlusswort: nur, damit du weißt, was du tun musst, damit ich dich rauswerfe.

:roll: :red: :lol:
»Man versteht nur die Dinge, die man zähmt«, sagte der Fuchs.
aus: Der kleine Prinz, Antoine de Saint-Exupéry

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Waldschratin
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Beitrag Sa., 12.10.2019, 17:23

Vivy hat geschrieben:schaut so aus!

(Wo ist der Umfall-Smilie?)
Nicht umfallen, liebe Vivy! Sondern feiern! :dance: :ja:


45 Jahre Berufserfahrung, na, da hat er sicher "alles" schon erlebt! :-D

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Gedankentanz2
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Beitrag So., 13.10.2019, 21:04

Hi, ich frage mich noch, ob in der Therapie ankommen auch heißt, dass man bei sich angekommen ist. Oder zumindest sich selbst näher gekommen ist?
Wenn sich meine tanzenden Gedanken zanken, gerate ich schon mal ins Wanken. Finde ich dann keinen Halt, lande ich unsanft auf die Planken.

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nulla
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Beitrag So., 13.10.2019, 23:31

Gedankentanz2 hat geschrieben: So., 13.10.2019, 21:04 Hi, ich frage mich noch, ob in der Therapie ankommen auch heißt, dass man bei sich angekommen ist. Oder zumindest sich selbst näher gekommen ist?
Puh, das ist eine schwierige Frage. Zumindest für mich. Also bei mir selbst angekommen zu sein... ob ich das jemals behaupten werde können? Keine Ahnung. Aus heutiger Sicht schwer vorstellbar.
Mir näher gekommen zu sein... Darunter würde ich u.a. verstehen, dass ich es öfter schaffe "bei mir zu bleiben", Entscheidungen für mich treffe und nicht ständig in Vermeidung übergehe. Aber da ist es bei mir dann wieder so, dass ich mir selbst so wenig traue. Ich habe vielleicht das Gefühl "Hey, da geht etwas weiter", aber dann stelle ich es wieder aus allen möglichen Blickwinkeln in Frage.
Aber es gab einen Moment, in dem der Thera mir sehr nah gekommen ist und ich das zulassen konnte. Es war total schwierig und konfliktreich, aber möglich. Von da an hatte ich das Gefühl, ich sei bereit, weitere Schritte zu wagen. Ob das bedeutet, ich sei mir dadurch auch selbst ein wenig näher gekommen... Vielleicht.
Aus meiner Sicht ist es schwer messbar, wie nahe man sich selbst kommt oder ist.

Kannst du das denn bei dir wahrnehmen, wie nah du dir selbst bist, Gedankentanz?
"Wege entstehen dadurch, dass man sie geht."
(Kafka)

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Pianolullaby
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Beitrag Mo., 14.10.2019, 00:05

Gedankentanz2 hat geschrieben: So., 13.10.2019, 21:04 Hi, ich frage mich noch, ob in der Therapie ankommen auch heißt, dass man bei sich angekommen ist. Oder zumindest sich selbst näher gekommen ist?
Für mich dabei nicht relevant,
weil ich wohl nie "in mir ankomme"
in wem v.a. bei einer DIS :roll:
Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum

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Montana
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Beitrag Mo., 14.10.2019, 08:34

Da bekommt das in der Therapie ankommen nochmal eine neue Dimension. Denn es nehmen sicher gar nicht alle daran teil.


mio
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Beitrag Mo., 14.10.2019, 11:23

Montana hat geschrieben: Mo., 14.10.2019, 08:34 Denn es nehmen sicher gar nicht alle daran teil.
Kommt drauf an würde ich mal meinen. Ein Therapeut kann das schon auch "begünstigen" oder "verunmöglichen". Wenn er es "verunmöglicht" dann sehe ich allerdings keine große Chance für die Therapie, denn dann werden die Teile die eh keinen "Bock" drauf haben für "Boykott" sorgen.

Meiner Thera war es immer sehr wichtig, dass ALLE Anteile in der Therapie willkommen sind und ein Mitspracherecht haben, dass ALLE zuhören sollen, die Therapie ALLE betrifft. Hat ziemlich gut funktioniert, da war ich bisweilen selbst erstaunt.

Für "mich" war das gerade am Anfang zwar der Horror, weil "ich" gefühlt gar nicht mehr wirklich "mitreden" konnte/durfte und es auch im Alltag ziemlich drunter und drüber ging "im Kopf", aber auf lange Sicht hat es dazu geführt dass mittlerweile alle Teile ihr schon irgendwie vertrauen.

Die einen mehr, die anderen weniger, aber es gibt zumindest keinen Teil der komplett boykottiert indem er sich weigert mit ihr zu reden oder "teilzunehmen". Es wird zwar noch immer nicht alles "offenbart" aber das fände ich auch ein bisschen zu viel verlangt. Und sie wohl auch. ;)

Ich würde mal meinen dass in der Therapie "ankommen" bedeutet dem Therapeuten zu vertrauen um in Folge vielleicht auch sich selbst mehr vertrauen zu können. Dazu muss man sich selbst allerdings tatsächlich kennen würde ich mal meinen.

Bei DIS kennt man halt irgendwann das (eigene) "System" besser und vollständiger. Und das "Selbst" ist halt das "System".

Ich frage mich ja immer wieso Menschen meinen dass es "besser" ist "nur eins" zu sein? Für mich ist das mehr Konstrukt als das "viele" sein. Und Konstrukte sind von Haus aus störanfälliger weshalb also sowas anstreben? Fällt der eine "Teil" den es gibt aus, dann kracht alles zusammen. Das macht doch keinen Sinn?

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nulla
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Beiträge: 384

Beitrag Mo., 14.10.2019, 14:00

Ich kenne mich mit DIS ja viel zu wenig aus, auch wenn ich es unglaublich interessant finde, was diejenigen hier, die damit leben, erzählen.

Aber ich wäre noch nie auf die Idee gekommen, darüber nachzudenken, was besser oder schlechter ist:
mio hat geschrieben: Mo., 14.10.2019, 11:23 Ich frage mich ja immer wieso Menschen meinen dass es "besser" ist "nur eins" zu sein?
Jeder ist das, was er ist. Und den meisten von uns hier ist zumindest gemein, dass wir unter Dingen leiden oder gelitten haben, die uns so verletzt haben, dass wir Hilfe benötig(t)en.
Ich weiß ja nicht, worauf speziell deine Therapie abzielt, mio, aber geht es nicht im Grunde immer darum, die Lebensqualität zu steigern? Ob das jetzt "allein" oder in mehreren besser möglich ist, ist doch letztendlich egal, denke ich mir.
"Wege entstehen dadurch, dass man sie geht."
(Kafka)

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Montana
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Beiträge: 3276

Beitrag Mo., 14.10.2019, 14:05

Ich würde vermuten, das ist wie der Vergleich mit einem Tier, das einen Schwanz besitzt. Der ist total wichtig und ohne ihn wäre das Tier verstümmelt. Wir Menschen haben halt keinen und können uns nicht annähernd vorstellen, wie es ist, einen zu haben. Und das ist trotzdem völlig ok. Ich jedenfalls vermisse ihn nicht.


mio
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Beitrag Mo., 14.10.2019, 14:11

Ich habe das anders gemeint, mehr so in Richtung "mein EGO".

Was passiert wenn so ein (einzigartiges) "EGO" wegbricht/scheitert/sich als "doch nicht so unangreifbar" herausstellt, dass ist ja klar: Es bricht dann ALLES weg. Hat man das von Haus aus so nicht dann bleibt einfach noch mehr.

Kracht es bei mir einen Teil in den "Keller" dann gibt es noch immer genug "andere" die den Laden am Laufen halten. Und weil sich das insgesamt betrachtet eigentlich bewährt hat wüsste ich auch nicht, warum ich DARAN was ändern sollte nur weil die Gesellschaft der Meinung ist man müsste doch "eins" sein oder so.

Für meine Begriffe sind Kinder bis zu einem gewissen Alter automatisch "viele", das ICH so wie wir es kennen in unserer Gesellschaft ist ein Konstrukt das aus vielen Einflüssen besteht, es ist eh niemals nur EIN Ich, ein "solitäres" EGO. Sondern eben immer ein "Produkt" aus vielen vielen anderen "EGOS" die wiederum auch wieder und so weiter und so fort...

Wenn man sich das bewusst macht dann leidet man automatisch weniger wenn das "eigene Ego" mal einen "abkriegt" vom Leben, es ist nämlich bei weitem nicht das einzige "Ego" dem sowas mal wiederfährt.

Die Leute nehmen sich viel zu wichtig.

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Mondmann
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Beitrag Mo., 14.10.2019, 21:10

Jetzt doch mal konkret zu deiner Frage: Man kann auch ankommen, wenn man es fast nicht mehr für möglich gehalten hat und mehrmals das Gefühl hatte, der Therapeut könnte etwas Ähnliches befürchten. Er blieb immer ruhig und hat mir nur zurückgemeldet, dass ich das Gute zerstören "muss" und dass das eben schwierig zu behandeln sei, aber er blieb immer geduldig. Ich bin seit 5,5 Jahren dort und jetzt erst angekommen, und das, nachdem wir wirklich häufig aneinander geraten sind, weil ich manchmal "bockig" bin und er es mir nicht leicht gemacht hat, im Sinne von "alles gut". Er hat mir nie irgendwas versprochen oder versichert und immer nur gesagt: "Es muss von alleine kommen, das ist der schwierige Weg, aber anders hilft es nicht".

Wir haben uns häufig einander angenähert, bis es fast nicht mehr auszuhalten war, dann hab ich ihn weggestoßen, aber er ist mir nicht hinterhergerannt, sondern war dann auch distanzierter, und so haben wir viele Phasen hinter uns, in denen ich mir so sehr gewünscht hätte, dass er mich metaphorisch in die Arme nimmt, aber er hat es nur getan, wenn ich selbst offen dafür war.

Nach so vielen Krisen, die mal leicht und mal schwer waren und die sich interessanterweise auch für uns beide unterschiedlich angefühlt haben (wenn ich dachte, es sei nicht schlimm, dachte er, ich wollte beenden; wenn ich dachte, es ist aus, konnte er das gar nicht verstehen), haben wir jetzt - jedenfalls fühlt es sich so an - einen Punkt erreicht, an dem das nicht mehr nötig ist und wir einander nahe sein können, ohne dass es gefährlich wird, und wir auch distanzierter sein können, ohne dass ich das Ende befürchte.

Es ist Ruhe eingekehrt, und ich beginne jetzt erst zu vertrauen. Das war aber nicht vorhersehbar, und es war vor allem auch nicht planbar.

Und vor allem: Es ist so schön, das dann wirklich spüren zu können, aber das ging eben nur durch die Krisen. Da entsteht dann so ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit und der Verbundenheit, weil ich weiß, dass wir zusammen etwas erreicht haben, trotz teilweise widriger äußerer Umstände.

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