Geschäftliche Beziehung nach Therapie?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Paulchen_22
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Geschäftliche Beziehung nach Therapie?

Beitrag Fr., 05.06.2020, 12:49

Hallo zusammen!

Ich habe eine Frage an die Therapie-erfahrenen "Hasen" hier:
Hat jemand von Euch nach Beendigung der Therapie eine geschäftliche Beziehung mit dem Therapeuten gestartet, in der er Eure beruflichen Dienste in Anspruch genommen hat? Und zwar nicht einmalig, sondern für einen gewissen Zeitraum oder dauerhaft? Wenn ja, hat das funktioniert für Euch?

Meine Ex-Therapeutin hat mich gefragt, ob ich einen Auftrag für sie ausführen kann, der sich über einen gewisse Zeitraum strecken wird (es handelt sich um ein ganz anderes Geschäftsfeld und hat nichts mit Therapie, Psychologie etc. zu tun; man würde sich aber regelmäßig treffen). Wir würden dabei also quasi die Rollen tauschen.

Zum Hintergrund: ich war früher bei ihr wegen Depressionen, Missbrauch, schwierige familiäre Verhältnisse etc., habe das aber mittlerweile gut im Griff und stehe (wieder) fest im Leben, privat und beruflich. Allerdings treffen wir uns trotzdem noch in unregelmäßigen Abständen, aber mehr im Rahmen eines Coachings bzw. Supervision.

Mir ist klar, dass das schwierig sein KANN, bin momentan aber tatsächlich positiv gestimmt, dass es klappen kann. Natürlich kann niemand meine konkrete Situation beurteilen, aber vielleicht hat ja schon mal jemand Erfahrungen mit sowas gemacht?

Danke für Eure Antworten.

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Candykills
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Beitrag Fr., 05.06.2020, 12:52

Dass Ding ist halt, dass du sie selbst als Klientin noch ab und zu in Anspruch nimmst. Das müsste aus ethischen Gründen aufhören, wenn sie mit dir eine geschäftliche Beziehung eingeht - auch wenn ich das schon sehr fragwürdig von ihr finde.
Willst du denn auf ihr Coaching zukünftig verzichten?
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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chrysokoll
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Beitrag Fr., 05.06.2020, 13:08

Ethikrichtlinien schreiben sehr klar vor dass zwischen dem Ende einer Therapie und jeglicher Aufnahme von privaten oder geschäftlichen Beziehungen eine Pause liegen muss. Und zwar eine lange.

Bei dir ist die Therapie ja noch gar nicht wirklich beendet, auch wenn ihr das jetzt "coaching" oder so nennt.

Ich würde dir dringend davon abraten und eine Therapeutin die sowas anstrebt ist nicht seriös

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Anna-Luisa
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Beitrag Fr., 05.06.2020, 13:17

Die Therapeutin scheint nicht gerade seriös zu sein. Sie darf aus dem therapeutischen Kontakt zu dir keinen persönlichen Vorteil ziehen. Auch über einen längeren Zeitraum nach Beendigung der Therapie nicht.
Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von den anderen. So wird dir Ärger erspart bleiben.
(Konfuzius)

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Malia
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Beitrag Fr., 05.06.2020, 13:43

Hallo, Paulchen
in diesem Forum wirst du wohl nur Antworten erhalten, wie die, die du jetzt schon lesen kannst.
Alles, was die "Abstinenzregeln" antastet, ist verpönt.
Ich habe zwar keine Erfahrung mit der von dir beschriebenen Art von Rollenwechsel gemacht, aber mit anderen Arten schon.
Daher weiß ich, dass es gut gehen kann, wenn beide Seiten klar sind und bleiben.
„Moralisten sind Menschen, die sich dort kratzen, wo es andere juckt.“
Samuel Beckett

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chrysokoll
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Beitrag Fr., 05.06.2020, 13:46

es hat einen sehr sehr guten Grund warum es die Abstinenzregeln gibt und warum es "verpönt" ist die zu übergehen
Übrigens teils nicht nur in Ethikrichtlinien, die ja auch nicht nur zum Spaß erlassen wurden, sondern auch im Strafrecht

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Miss_Understood
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Beitrag Fr., 05.06.2020, 14:59

Ich könnte mir sowas vorstellen, wenn es sehr lange genug her ist. Ich sage jetzt mal aus dem Bauch heraus sowas wie 5 Jahre - ohne zu wissen, ob es da Gesetze gibt, die Angaben beinhalten über die Dauer.
ch-ch-ch-chaaaaaaange

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nulla
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Beiträge: 384

Beitrag Fr., 05.06.2020, 15:44

Ich habe einmal gelesen, dass über 2 Jahre nach der Beendigung der Therapie weder private noch geschäftliche Beziehungen zwischen PT und Klient eingegangen werden dürfen. Habe leider keine Ahnung, wo ich das gelesen habe und ob das nur für Ö gilt.
Das käme mir grundsätzlich recht passend vor.

LG nulla
"Wege entstehen dadurch, dass man sie geht."
(Kafka)

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Lady Nightmare
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Beiträge: 186

Beitrag Fr., 05.06.2020, 15:56

Ich würde mich fragen, warum sie dir das anbietet. Es besteht schließlich für sie keinerlei zwingende Notwendigkeit, sich speziell an dich als Dauerauftragnehmer zu wenden. In deinem Geschäftsfeld werden sicher noch andere Menschen tätig sein. Vermutlich hätte ich an deiner Stelle bestenfalls das Gefühl, dass sie auf diese Weise nach wie vor versucht als Therapeutin etwas bei dir zu erreichen. Mal unterstellt, dass dies so wäre - werden dann wirklich die Rollen getauscht? Ob dich das freier macht? Aber vielleicht sehe ich das auch nur aus meinem speziellen Blickwinkel so ...

Während meiner ersten Erfahrung mit einer längeren Therapie (2 Jahre Verhaltenstherapie) hat der Therapeut einmal ungefragt meine Telefonnummer an eine Bekannte herausgegeben, die mich mit dem Abtippen ihrer Doktorarbeit beauftragen wollte. Ich habe das als grenzüberschreitend empfunden. Ich glaube noch heute, er war frustriert, weil ich kaum Fortschritte machte und ist deshalb derartig ins Agieren gekommen …

Leider war ich damals nicht selbstbewusst genug, um mich über dieses Therapeutenverhalten bei ihm nachdrücklich zu beschweren.

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candle.
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Beitrag Fr., 05.06.2020, 16:24

Ich sehe das unproblematisch! Du klingst mir auch als könntest du das gut trennen.

LG candle
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Paulchen_22
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Beitrag Sa., 06.06.2020, 20:01

Vielen Dank für Eure Antworten!
Ich bin grundsätzlich von der Sinnhaftigkeit des Abstinenzgebots überzeugt und das ist sicherlich ein Punkt, den man noch besprechen muss - also ob das rechtlich überhaupt möglich ist. Auf die - ich nenne es mal so - Coaching-Stunden möchte ich nicht verzichten.
Ich kann mir vorstellen, dass das für Außenstehende sehr nach einer Grenzverletzung klingt. Ich muss aber dazu sagen, dass in der ganzen Zeit, die wir uns kennen (ca. 10 Jahre), IMMER eine professionelle Distanz von beiden Seiten gewahrt wurde. Es gab nie Kontakt außerhalb der Stunden außer Terminabsprachen und ich habe vielleicht in der ganzen Zeit drei Mal inhaltlich etwas per Mail etc. geschrieben, weil ich es nicht in den Stunden aussprechen konnte. Sie hat immer kurz und knapp reagiert, dass sie meine Nachricht bekommen hat und wir in der nächsten Stunde darüber sprechen.
Also von daher kann ich nicht bestätigen, dass sie nicht professionell handelt, auch wenn die jetzige Anfrage zugegebenermaßen etwas anderes vermuten lässt.

Und ja, sicherlich könnte sie auch jemand anderen beauftragen. Das ist ein Punkt, den ich auch gerne noch einmal ansprechen möchte - einfach weil es mich interessiert, warum sie mich fragt, und was sie letztendlich sich davon verspricht. Es besteht ja durchaus das Risiko, dass das in die Hose geht.
Ich habe nochmal intensiv darüber nachgedacht, und ich könnte mir vorstellen, dass das klappt, wenn wir beide "Situationen" strikt inhaltlich, organisatorisch und logischerweise auch finanziell trennen.

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Anna-Luisa
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Beitrag Sa., 06.06.2020, 21:35

Paulchen_22 hat geschrieben: Sa., 06.06.2020, 20:01 Ich kann mir vorstellen, dass das für Außenstehende sehr nach einer Grenzverletzung klingt. Ich muss aber dazu sagen, dass in der ganzen Zeit, die wir uns kennen (ca. 10 Jahre), IMMER eine professionelle Distanz von beiden Seiten gewahrt wurde.
Es klingt nicht nach einer Grenzverletzung. Es ist eine. Auch wenn ihr zehn Jahre professionelle Distanz gehalten habt.
Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von den anderen. So wird dir Ärger erspart bleiben.
(Konfuzius)

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CrazyChild
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Beitrag So., 07.06.2020, 08:04

Letztendlich musst Du es selbst abschätzen, ob es funktionieren könnte oder nicht. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Wir sind auch mit dem ehemaligen Therapeuten meines Manns, bei dem er 10 Jahre regelmäßig war, unmittelbar seit Ende der Therapie seit Jahren privat befreundet. Und das ging nicht von meinem Mann aus. Sein Thera hatte es vorgeschlagen. Mein Mann wusste gar nicht, dass es so eine Regel gibt.
Also nix jahrelange Abstinenz und so weiter. Und passiert ist gar nix.
Wir sind befreundet und per Du und das seit vielen Jahren.
Und ich kann nur sagen. Dieser Thera ist so normal oder unnormal wie jeder andere auch und hat genau die gleichen Probleme im Leben wie jeder andere auch.
Aber es kann im Einzelfall schon sinnvoll sein mit der Abstinenzregel, ganz einfach um den Patienten zu schützen.

.
LG, CrazyChild

***stay strong***


Jenny Doe
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Beiträge: 4811

Beitrag So., 07.06.2020, 08:22

Hallo Paulchen_22,
Das Abstinenzgebot erstreckt sich auch auf Personen, die dem Patienten nahe stehen und gilt auch nach Beendigung der Behandlung, bis sich der Patient aus der therapeutischen Beziehung gelöst hat, in jedem Fall aber mindestens ein Jahr nach Behandlungsende.
Patientenrechte in der Psychotherapie
https://www.ptk-nrw.de/de/patienten/pat ... echte.html
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).

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stern
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Beitrag So., 07.06.2020, 09:27

Noch genauer sind hier die Regelungen des betreffenden Bundeslandes anzusehen (Föderalismus), ist also innerhalb D nicht bundeseinheitlich geregelt.

Strafbar (im Sinne des StGB) ist es in jedem Fall nicht... und NACH Beendigung der Therapie auch nicht in jedem Fall dauerhaft ein Verstoß gegen das (nur für den Therapeuten beachtliche) Berufsrecht, wenn überhaupt.

Hamburg scheint hier lockerer zu sein, so dass eine Geschäftsbeziehung NACH Therapieende im Rahmen liegen dürfte (Kontakte nach der Therapie sind nur in bestimmten Fällen begrenzt und DANN auch nur für einen angemessenen Zeitraum, was Auslegungssache ist, was für euren Fall angemessen wäre):
(2) Abstinenz muss auch gegenüber Personen eingehalten werden, die den Patientinnen und Patien‐
ten nahe stehen. Dies bezieht sich bei Kindern und Jugendlichen insbesondere auf deren Eltern
und Sorgeberechtigte.
(3) Sexuelle Kontakte zu Patientinnen und Patienten sind unzulässig.  
(4) Die Aussagen der Absätze 2 und 3 beziehen sich auch auf einen angemessenen Zeitraum nach
Therapieende.
https://www.google.com/url?q=http://www ... aRTHgiIOl9

Wie heißen: Ich wäre vorsichtig, ihr unethisches Verhalten vorzuwerfen:
Zuletzt geändert von stern am So., 07.06.2020, 09:32, insgesamt 2-mal geändert.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
«

(alte Weisheit)

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