Therapie geht nicht vorwärts

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Faye
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Therapie geht nicht vorwärts

Beitrag Do., 08.04.2021, 20:45

Hallo ihr Lieben,

ich befinde mich seit ein paar Monaten in Therapie. Der Hauptgrund ist eine Depression, ausgelöst durch den Tod meines Mannes.
Er ist letztes Jahr mit nur 29 Jahren gestorben.
Wir haben zwei kleine Kinder ( 3 Jahre und 8 Monate) die nun ohne Papa aufwachsen müssen.
Ich kann nicht einmal ausführlich darüber schreiben, weil es zu sehr wehtut.
In der Therapie komme ich nicht voran. Sobald sich das Thema um meinen Mann dreht, fange ich an zu weinen und dann geht gar nichts mehr. Ich schaffe es nicht mehr, auch nur irgendein Thema anzusprechen, denn alles erinnert oder triggert mich und reißt mir den Boden unter den Füßen weg. Selbst wenn der Therapeut das Thema nicht erwähnt, ist es für mich die ganze Zeit präsent und der Schmerz ist unerträglich.
Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Wie kann ich in der Therapie weiterkommen, wenn ich es nicht schaffe, über das zu sprechen, was mich am meisten belastet und quält ?

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Kreativus50
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Beitrag Do., 08.04.2021, 21:18

Oh, das ist für Dich und Deine Kinder sehr traurig, dass Dein Mann/ der Papa gestorben ist.
Du schreibst, Du weinst "nur" und kannst nichts thematisch besprechen.
Ich finde, das genau ist das, was durchaus vorwärts geht in Deiner Therapie. Zu weinen, nur das erstmal, ist doch eine
gesunde Reaktion auf Deinen Verlust und den Schmerz. Und Tränen können m.E. genauso viel bewirken und sind nicht
"weniger" als Worte.
Ich wünsche Dir viel Kraft und hoffe, Du hast ausreichend Unterstützung in Deinem Umfeld.

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Arakakadu
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Beitrag Do., 08.04.2021, 21:44

Ich kann mich nur anschließen, ich finde das du alles richtig machst. Lass diese. Gefühle zu, es ist gut zu trauern. Du machst gerade unglaubliches durch, ich bin auch Mama und konnte hier nicht lesen ohne dir mein Beleid dazulassen. Du liest dich unglaublich stark! Sei stolz auf dich, die Zeit wird zwar den Schmerz nicht weg machen, aber irgendwann wird es erträglicher für euch werden.. Ich wünsche dir ganz ganz viel Kraft! Alles Liebe

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~~~
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Beitrag Do., 08.04.2021, 22:40

Faye hat geschrieben: Do., 08.04.2021, 20:45 . Wie kann ich in der Therapie weiterkommen, wenn ich es nicht schaffe, über das zu sprechen, was mich am meisten belastet und quält ?
Dein Mann ist letztes Jahr gestorben.
Das, was du empfindest ist doch wahrscheinlich Trauer und keine Depression.
Natürlich ist der Schmerz unerträglich, natürlich willst du a, liebsten schreien und weinen. Und wenn dir danach ist. Mach das. Das ist doch eine ganz natürliche Reaktion.

Gibt es bei dir vor Ort Trauerbegleitung oder ähnliches...? Vielleicht hilft dir das gerade mehr?

Trauer kann Jahre dauern. Der Schmerz wird aber irgenwann weniger werden. Aber leider nicht nach so kurzer Zeit.
Vielleicht liege ich falsch. Aber es hört sich so an, als ob du ganz menschliche Trauer wegtherapieren willst? Die Trauer wird sich aber die Zeit nehmen die sie braucht. Setz dich nicht unter Druck.
Es ist doch normal, dass der Schmerz unerträglich ist und dass man schreien und weinen will.

Ich finde, du solltest da in deinem Tempo vorgehen.
"You cannot find peace by avoiding life."
Virginia Woolf

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Montana
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Beitrag Do., 08.04.2021, 23:23

Ich denke auch, dass das ganz normale Trauer ist. Der Therapeut muss natürlich eine Diagnose stellen, weil die Kasse nur für Krankenbehandlungen zahlt. Aber dir diese Stütze zu geben in der Situation halte ich für angebracht. Und Druck, einen Therapiefortschritt zu erzielen, für unsinnig.

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Faye
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Beitrag Fr., 09.04.2021, 09:44

Vielen Dank für eure lieben Antworten !
Ich denke auch, dass unter "normalen Umständen" auch eine Trauerbegleitung helfen würde. Bei mir war es aber so, dass ich ca. acht Wochen, nachdem mein Mann gestorben ist, versucht habe, mir das Leben zu nehmen. Ich war dann im KH und danach direkt in einer Klinik und das ist jetzt die ambulante Therapie direkt im Anschluss. Mir ist klar, dass das ein großer Fehler war und ich meine Kinder nicht im Stich lassen darf. Ich habe mich danach auch sehr geschämt und hab immer noch riesige Schuldgefühle. Anstatt für meine Kinder da zu sein, habe ich total versagt und nur an meinen eigenen Schmerz gedacht. Sowas kann man doch gar nicht wieder gut machen.

Meine Eltern wohnen momentan bei mir und helfen mir mit den Kindern. Mein Sohn fragt ganz oft nach seinem Papa, für ihn ist der Tod nichts Greifbares und er versteht es nicht. Deshalb kommt immer noch die Frage, wann Papa denn endlich wiederkommt. Das ist kaum zu ertragen und ohne meine Eltern als Unterstützung würde ich das nicht schaffen. Sie haben meinem Sohn erklärt, dass Papa nicht wiederkommen kann, weil er jetzt im Himmel ist, aber dass er trotzdem auf uns aufpasst, auch wenn wir ihn nicht sehen können. Er denkt jetzt, wenn kein Corona mehr ist, können wir Papa besuchen gehen, indem wir einfach mit einer Rakete oder einem Flugzeug in den Himmel fliegen.

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Montana
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Beitrag Fr., 09.04.2021, 09:57

Mir laufen die Tränen, wenn ich das lese. Meine Tochter ist fast so alt wie dein Sohn. Also habe ich unendlich viele Bilder im Kopf. Du hast eine absolute Verzweiflungstat unternommen und das darf man nicht verurteilen. Das bedeutet nicht, dass du keine gute Mutter bist, sondern es ist ein Zeichen, wie schwer du getroffen bist.

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Faye
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Beitrag Fr., 09.04.2021, 11:39

Liebe Montana, danke für deine Antwort !
Ich habe gehofft, durch die Therapie endlich wieder nach vorne schauen zu können, aber bisher ist das nicht der Fall. Es fällt mir einerseits aber auch schwer, mich darauf einzulassen, weil ich das Gefühl habe, dass es ungerecht meinem Mann gegenüber ist, die Trauer zu "bewältigen". Ich kann doch nicht einfach ohne ihn weitermachen und ich fühle mich schon schlecht, wenn es doch mal etwas zu Lachen gibt oder ich mal für einen kleinen Moment nicht an ihn denke. Ich ertrage das auch nicht, seine Sachen nach und nach auszuräumen und ich bin wütend, wenn andere Leute, die ihn auch kannten "einfach" so weiterleben. Das ist blöd, ich weiß. Letztens ging es in der Therapie auch um meinen Ehering, weil ich ihn immer noch ganz selbstverständlich trage. Ob ich mir vorstellen könnte, ihn abzunehmen und beispielsweise in einer Art Erinnerungskiste aufzubewahren. Niemals ! Wenn ich ihn nicht mehr trage, dann fehlt eine Verbindung zu ihm

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Montana
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Beitrag Fr., 09.04.2021, 11:56

Trage den Ring! Es spricht nichts dagegen. Ich würde sogar sagen, das ist gut und richtig, denn er ist ein sichtbares Symbol dafür, dass du noch in einer Beziehung bist und nicht bereit für eine neue. Das sehen andere Männer nämlich und unterlassen evtl. unpassende Annäherungsversuche. Meine Oma trägt ihren (er passt nicht mehr) und den Ring meines Opas an einer Halskette.
Und wenn du doch weiterlebst und deine Kinder großziehst, dann sorgst du dafür, dass dein Mann durch sie weiterlebt.
Und wie sich andere dir gegenüber verhalten, nun, das ist einfach schwierig. Die denken vielleicht, sie dürfen gar nicht zeigen, wie sehr sie trauern. Weil sie annehmen, im Vergleich zu dir sei ihre Trauer nicht angemessen. Du bist schließlich seine Frau und du darfst und sollst als diejenige, die es am schlimmsten trifft, im Mittelpunkt stehen. So wie bei einer Hochzeit niemand außer der Braut ein weißes Kleid zu tragen hat. Ich kenne dieses komische Gefühl, auf einer Beerdigung nicht weinen zu "dürfen", weil das gefühlt nur den engsten Angehörigen zusteht.

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Faye
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Beitrag Fr., 09.04.2021, 16:56

Vielen Dank, es tut sehr gut, das zu lesen ! In der Therapie hatte ich das Gefühl, dass ich mich davon lösen muss und ich glaube, so weit bin ich einfach noch nicht.

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Montana
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Beitrag Fr., 09.04.2021, 17:52

Nein, bist du nicht. Und das geht nicht schneller dadurch, dass du dich zwingen lässt, den Ring in ein Kistchen zu legen. Ich glaube, es hilft nicht, wenn man die Trauer nicht durchleben darf. Man muss es tun, um danach den Blick nach vorn richten zu können. Hast du mal gelesen, dass Trauer in Phasen verläuft? Das ist keine homogene Masse an Schmerz, die einen anfällt, sondern da passieren ganz differenzierte Sachen im Kopf. Es ist ähnlich, in welcher Reihenfolge Menschen bestimmte Gedanken und Gefühle entwickeln. Da steckt also System hinter. Abkürzen kann man das nicht, aber man kann mit der passenden Unterstützung bestimmt leichter im Alltag klarkommen. Weil man z.B. weiß, dass zu festen Zeiten Gelegenheiten kommen, in denen man sich damit auseinandersetzen kann. Dadurch kann man dazwischen eher mal "etwas anderes" tun, auch gedanklich.

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Kreativus50
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Beitrag Fr., 09.04.2021, 18:43

Liebe Faye,
ich habe alles weitere hier nachgelesen und danke Dir, dass Du so offen bist. Es ist für Euch alle so traurig.
Ich sehe es wie alle Vorschreiber hier, dass Du in einer absoluten Ausnahmesituation warst, als Du den Suizidversuch unternahmst. Und niemand hat das Recht, über Dich zu urteilen. Niemand hat genau das erlebt, wie Du es musstest.
Es ist gut, dass Du Unterstützung von mehreren Seiten hast. Ich hoffe, Du kannst es irgendwann verarbeiten und Dir selbst "vergeben".
Ich wünsche Dir/ Euch von ganzem Herzen, dass Du in Deinem Umfeld genügend Zeit und Raum für Deinen Weg der Trauer bekommst bzw. Dir selbst zugestehst. So z.B. mit dem Ring, lass Dir keinen Druck machen. Du brauchst Deine Zeit, Deinen Umgang damit. Natürlich kann der Therapeut Vorschläge machen, jedoch auch nicht mehr als das. Das kann Dir ja auch helfen, Deinen Umgang damit zu finden. Auch zu merken, was Du nicht willst.
Trauern ist ein zutiefst individueller Prozess, da gibt es kein richtig und kein falsch.
Alles Liebe für Euch!

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Faye
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Beitrag Sa., 10.04.2021, 17:23

Vielen Dank für eure lieben Antworten !
Bei meinem nächsten Termin werde ich auf jeden Fall sagen, dass ich noch nicht so weit bin , den Ehering abzulegen. Mal schauen, was er dazu sagt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass er findet, ich komme nicht vorwärts, aber ihr habt recht, ich muss mein eigenes Tempo finden.

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Montana
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Beitrag Sa., 10.04.2021, 17:30

Aber mal ehrlich: bringt es dich vorwärts, wenn du nach außen so wirkst als wärst du weiter als du in Wirklichkeit bist? Das Ablegen des Rings auf Druck des Umfelds ist nichts anderes als das Überschminken der durchs Weinen entstandenen Augenringe. Da fühlen sich dann alle besser, nur du nicht.
Bin gespannt, was er sagt. Denn man kann es durchaus positiv sehen, wenn du sagen kannst: das will ich und das will ich nicht. Als Zeichen dafür, dass du mehr bei dir bist. So als Schritt 1 quasi auf dem Weg, dir dein Leben neu aufzubauen.


Bluemoon123
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Beitrag Sa., 10.04.2021, 18:07

So wie ich Dich anfangs verstanden habe, hat Dein Therapeut Dich bis jetzt nur gefragt, ob Du Dir vorstellen könntest den Ring abzunehmen. Das ist für mich was ganz anderes als ein "Drängen darauf" den Ring abzunehmen.

Ich möchte Dich auch ermutigen ihm zu sagen, dass Du Dir das eben (noch?) nicht vorstellen kannst. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er das akzeptiert und Dich zu nichts drängt. Ich habe gerade in meiner Therapie eine vielleicht ein kleines bisschen vergleichbare Situation. Ich mag jetzt nicht sagen, worum es geht, weil es Deinen Thread sprengen würde, aber ich bin auf einen Vorschlag von ihm ganz spontan rausgeplatzt mit "ich kann mir nicht mal vorstellen das zu tun". Er hat dann ganz ruhig gesagt, dass ich das auch nicht machen muss und das dann im weiteren Verlauf nicht mehr erwähnt. Später meinte er dann an einer anderen Stelle, dass ganz kleine Schritte bedeuten, dass man erst einmal beginnt sich etwas vorzustellen, bevor man überhaupt einmal ins Ausprobieren gehen kann. Aber alles zu seiner Zeit.

Aber zurück zu Dir. Du bist erst seit ein paar Monaten in Therapie. Ich weiß jetzt nicht, welche Art von Therapie Du machst, aber grundsätzlich ist ja in der Therapie erst einmal Zeit. Nach ein paar Monaten müssen noch nicht die Mega-Veränderungen passiert sein. Vor allem nicht, wenn man, wie Du noch mitten in einem Trauerprozess steckt. Sei geduldig mit Dir und gib Dir Zeit. Du musst Deinem Therapeuten keine "Erfolge" vorweisen. Das erwartet er sicher nicht von Dir.

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