Artur Janov- der Urschrei

Hier können Sie Fragen zu Begriffen, Diagnosen und sonstigen Fachworten stellen, die einem gelegentlich im Zusammenhang mit Psychologie und Psychotherapie begegnen oder die Bedeutung von Begriffen diskutieren.
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haluro
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Artur Janov- der Urschrei

Beitrag Fr., 29.05.2020, 20:22

Ich habe gerade mal wieder etwas gelesen – Artur Janov, Der Urschrei. Ich habe es nicht gekauft, sondern aus einem öffentlichen Bücherschrank gezogen – meistens sind da viele Readers Digest Auswahlbücher und ab und zu etwas interessantes – und in diesem Buch war der Terminzettel eines Therapeuten.
In dem Buch kommt das Wort „Urschmerz“ sehr häufig vor, und als ich an eine Stelle kam, an der „Urschmerz“ und „Urschrecken“ dicht nebeneinander standen, war mir das zuviel „Ur“. Ich suchte dann „Urschmerz“ in Wikipedia und fand, daß der Begriff schon vergeben war im Geistesleben. Naja, immerhin stand da, daß Janov „primary“ schrieb und das passt besser zu der in seinem Buch beschriebenen “Primärtherapie“.
Ach ja. Ich habe vergessen, zu schreiben, warum Janov so besonders ist. Ganz einfach, der Begründer der Psychotherapie war Freud, ein Egomane erstens Ranges, der dafür gesorgt hat, daß seine Tochter seinen Nachlaß nicht freigibt, weil man ja darin etwas finden könnte. Aber vor Freud gab es schon andere. Und Freud hat eine Schule begründet, also nur die ausgebildet, die er für geeignet hielt, und Jung hat offenbar dagegen revoltiert. Aber ich bin noch nicht dazu gekommen, Jung zu lesen. Das interessante an Janov ist, daß er manchmal in Freudschen Begriffen schreibt und manchmal in anderen. Auf jeden Fall hat er eine eigene Schule begründet, offenbar nur ein Buch geschrieben und damit auf die „publish or perisch“-Geisteshaltung gespuckt.
Zuletzt geändert von Pauline am Sa., 30.05.2020, 04:56, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Betreffzeile von "Janov!" auf obige präzisiert. Bitte aussagekräftige Titel wählen.

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Anna-Luisa
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Beitrag Sa., 30.05.2020, 10:16

Ich halte so gar nichts von ihm. Sehr viele Dinge die er schreibt, finde ich absurd. In Fachkreisen konnte er sich auch nie einen Namen machen.

(In Bücherschräänken stöbere ich auch gerne, derzeit sind hier aber alle coronabedingt abgesperrt.)
Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von den anderen. So wird dir Ärger erspart bleiben.
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haluro
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Beitrag So., 31.05.2020, 17:26

Hallo Luisa,

ich halte Ärzte nicht von vornherein für Halbgötter in weiß, denn sonst würde man den Rat, eine zweite Diagnose einzuholen, nie hören. Da bricht mein Revoluzzergen wohl gerade mal wieder durch. Jedenfalls ist mir Dank Deiner Antwort klar geworden, daß das auch für Psychotherapeuten gilt und wahrscheinlich wäre ein Zusammentreffen mit einem von ihnen für uns beide äußerst unerfreulich.

Ich bin ein langsamer Leser, die schwierigsten Bücher für mich waren Freuds Traumdeutung, Kernbergs Borderlinestörungen und pathologischer Narzissmus und Genz Entdeckung des Nichts. In dem letzten las ich immer in der Mittagspause, auf einer Bank im Park und ein halbes Jahr lang den gleichen Absatz, weil ich ihn nicht verstand. Eines Tages gings dann weiter. Später gab ich die Stelle einer Freundin zum Lesen, und die verstand das gleich. Aber Sacks liebe ich. Kennst Du Der Tag, an dem mein Bein fortging?

Zu Janov: Während des Lesens hatte ich oft den Eindruck, als ob er die eingebauten Fallgeschichten selbst erfunden hätte, um seine Theorien zu untermauern.
Es gibt aber einiges, was authentisch sein muss, was nur ein Therapeut mit viel Erfahrung sagen kann. Deswegen werde ich das Buch in Ehren halten.

Mfg
iadi

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Anna-Luisa
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Beitrag So., 31.05.2020, 18:37

haluro hat geschrieben: So., 31.05.2020, 17:26 Hallo Luisa,

ich halte Ärzte nicht von vornherein für Halbgötter in weiß, denn (...)
Ich auch nicht.
haluro hat geschrieben: So., 31.05.2020, 17:26 Es gibt aber einiges, was authentisch sein muss, was nur ein Therapeut mit viel Erfahrung sagen kann.
Das bezweifle ich. Als "Therapeut" darf sich schließlich jeder bezeichnen. Und dem Einfallsreichtum mancher Menschen scheinen kaum Grenzen gesetzt zu sein.
Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von den anderen. So wird dir Ärger erspart bleiben.
(Konfuzius)

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haluro
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Beitrag So., 31.05.2020, 21:15

Vielen Dank für Deine Antwort.

Mfg
iadi

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Tupsy71
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Beitrag Fr., 05.06.2020, 12:12

Hallo haluro, also mir ist diese Form von Therapie vor kurzem beim Durchstöbern von Dokus ins Auge gestochen.
Ich weiß auch nicht was ich davon halten soll. Sah in den Videos schon ziemlich schräg aus, aber andererseits der Gedanke so an die Gefühle ran zu kommen ist irgendwie schon reizvoll. Also ich meine, dass man es schaffen kann.
Bin noch nicht sicher. Was denkst du so darüber?

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haluro
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Beitrag Fr., 05.06.2020, 14:31

Hallo Tupsy 71,

schon mit ein bisschen Suchen im Netz wirst Du finden, dass man zu Janov geteilter Meinung sein kann. Ich würde das nur machen, wenn ich schon einige erfolglose klassische Therapien versucht hätte. Ich wusste gar nicht, dass es Dokus dazu gibt; also werde ich mal auf die Suche machen.

Mfg
iadi


Sehn-Sucht
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Beitrag Fr., 12.06.2020, 18:27

Arthur Janov - Der Urschrei: *schmunzel* Daran habe ich lange nicht mehr gedacht.

Das Buch war "zu meiner Zeit" - muss so Ende der 1970er Jahre gewesen sein - der letzte Schrei. Hatte ich mir natürlich auch gleich gekauft. Die Kurse, die er damals in D verkaufte, waren sündhaft teuer, soviel weiss ich noch, zu teuer für einen Studenten wie mich.

War aus meiner Sicht ein kurzer Hype, habe schon wenige Jahre danach kaum noch von ihm gehört. Staune, dass der jetzt erneut, oder immer noch, auf dem Therapiemarkt ist.

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haluro
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Beitrag Fr., 12.06.2020, 22:51

Hallo Sehn-Sucht,

das trifft es, heute würde man sagen, es gab einen Hype um das Buch. In der „Welt“ (die Zeitung aus Hamburg), gab es damals einen Artikel, da ging es um Leute, die in den Wald gingen, um sich die Seele aus dem Leib zu schreien – wahrscheinlich eine Verwechslung von Schreitherapie (wenn es das gibt) mit Janov.

Was ich als gesichert rausgezogen habe, ist, dass Janov von seinen Klienten zum Antritt der Therapie den Aufenthalt in einem Hotelzimmer verlangt, zwei Wochen ohne Kontakte, Fernseher, Bücher, Alkohol, Drogen, usw, also Isolation(sfolter). Naja. Ich finde das hart, meine Isolation dauerte länger, aber mir waren die Ablenkungen ja nicht verboten, trotzdem habe ich gelitten, aber letzten Endes auch davon profitiert. Kurz, meine Situation ist nicht vergleichbar.

Was mir inzwischen an neuem aufgefallen ist, dass es in unserer heutigen Zeit Berufe gibt, bei denen man alles aus Lehrbüchern sich erarbeiten kann – die technischen Berufe – und andere, bei denen das nicht möglich ist – z.B. Handwerk, Maler, Psychologen. Natürlich gibt es mittlerweile psychologische Lehrbücher, aber gab es die schon zu Freuds Zeiten und können die den Umgang mit den Klienten vermitteln? Nun ja, beim Versuch, da Licht ins Dunkel zu bringen, stieß ich auf die Soziologie mit ihren vielen Untergliederungen. So ganz stimmt das nicht, von Howard S. Becker las ich „Die Außenseiter“ und es war sehr interessant mit seinen Schilderungen, insbesondere der Musiker. Die Betrachtungen der Soziologen sind meiner Meinung nach relativ belanglos, weil das Verhältnis zwischen Therapeut und Klienten (der i.d.R. ein akutes Problem hat) viel mehr Qualität hat als das des Soziologen mit seinem jeweiligen Partner, wenn er Abläufe und Schwierigkeiten in Betrieben untersucht. Wenn ich das so sage, müsste ich mir eigentlich einen Überblick über die Soziologie verschaffen, aber meine Lebenszeit reicht dazu wahrscheinlich nicht aus. Ist genauso wie mit Marx, der wahrscheinlich – ich habe nicht vor, ihn zu lesen – sich nur auf die Industrie und das Kapital konzentriert hat und den Rest vergessen hat. Ich halte es für witzlos, ihm Gedankenfehler nachzuweisen. Wahrscheinlich hat er es genauso gemacht wie ich, und in seinen Vorbemerkungen geschrieben, daß es ihm nur um Banken und Industrie geht.

Ich bin ein wenig lang geworden. Aber ich liebe dieses Janov-Buch, alt und abgegriffen, wie es ist.

Mfg
iadi

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Poetry_Slam
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Beitrag Do., 16.07.2020, 08:24

Lange her, dass ich was von Janov gelesen habe. In sich macht es Sinn was er schreibt, aber mir kommt es vor, als wäre es frei erfunden. Ich kenne auch niemanden, der es hilfreich für sich nutzen konnte, aber einige, die bei nicht-psychologischen "Therapeuten" ein kleines Vermögen für "Persönlichkeitstrainings" losgeworden sind (Psychotherapie darf es mangels psychotherapeutischer Ausbildung der "Trainer" ja nicht genannt werden).

Schon durch das "Menschsein" wohnt uns alle eine gewisse Verletzlichkeit inne und kein Leben ist frei von Beschwer und Schmerz. Janov hat das Kunststück geschafft, das zum Verkaufsargument zu machen. Ich nenne das: Geld mit anderer Leute psychischem Elend verdienen.

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