Burnout reine Geschäftsmacherei?

Hier können Sie Fragen zu Begriffen, Diagnosen und sonstigen Fachworten stellen, die einem gelegentlich im Zusammenhang mit Psychologie und Psychotherapie begegnen oder die Bedeutung von Begriffen diskutieren.

mio
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Beitrag Mi., 27.07.2016, 17:45

Broken Wing hat geschrieben:Daher ist es doch wirklich besser, wenn nicht jeder arbeiten müsste sondern nur die, die wollen.
Möchtest Du denn arbeiten? Tust Du es? Und bis zu welcher Belastungsgrenze tust Du es? Und warum gehst Du (falls) über Deine Belastungsgrenzen (Oder hast Du etwa keine? Dann willkommen im "Burnout" in ein paar - vielleicht vielen, hoffentlich wenigen - Jahren )? Weil Du es "gesellschaftlich gefordert" musst? Oder weil es Dir den "Kick" gibt?

Ich wäre auch dafür, dass sich "Arbeit" mehr am Menschen orientiert, weniger an "Human Resources". Aber gerade die, die glauben sie hätten endlose Ressourcen sind die, die gefährdet sind im BurnOut zu landen. Und der "simple" Rückschluss, dass Menschen mit Burnout nicht "leistungsfähig" genug wären, den halte ich für komplett daneben. Eher erwarten sie zuviel von sich und verausgaben sich über ihre Grenzen hinaus. (Aus welchen konkreten Gründen auch immer.)

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Broken Wing
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Beitrag Mi., 27.07.2016, 19:38

@ Hawi: Schön langsam frag ich mich, wie ich hier wahrgenommen werde.

Dabei war die Aussage bloß, dass mich Geschäfte nicht stören, ich sogar froh darüber bin, wenn die Kunden, die sowas brauchen, dann weg vom Fenster sind und andere in Frieden lassen. Ich halte vorgegaukelte Krankheiten im Psychobereich nicht gerade als unwahrscheinlich, ja.

Und was deine vorgeführten Punkte angeht, da hast du natürlich Recht. Das System braucht irgendwann 'Frischware'. Aber das ist ja nicht mein Problem, ich will bloß, dass es funktioniert. Die Chinesen bauen mein iPhone genauso schön zusammen, was interessiert mich das "made in Germany"? Und sie vermehren sich genauso gern. Ah ja. Und von den ausgebeuteten Afrikanern hört und liest man, sie seien glücklicher und menschlicher als zB österreichische Miesepeter. Obwohl sie arm seien. Na was will man mehr? Kapitalismus macht anscheinend glücklich.

Aber um es auf den Punkt zu bringen: Ich meine, man sollte nicht träumen, wenn man schon ins Leben gesch***en wurde. Ich versteh das Gejammer hier nicht. Wenn ein chinesisches Kind Feuerwerke Zusammenbauen kann, sollten die Erwachsenen hier nicht allzu sehr mit ihrer Psyche daherkommen. Wenn diese Kids von Burnout redeten, bekäme das wenigstens einen seriösen Anstrich bei so einem pyrotechnischen Spielzeug.

So. Weltweit wäre der Standard hier nicht umzusetzen. Es geht halt nur, weil das letzten Endes irgendwelche armen bezahlen. Man stelle sich nur vor, ein Arbeiter bei Foxconn nähme das Wort Burn-Out in den Mund ...
Nur ist das alles so weit weg, benennen darf man es nicht, weil die Leute hier noch schlafen möchten und träumen.

Ich finde das nicht schön, aber so ist das Leben nun einmal. Ich weigere mich bloß, Luftschlösser zu bauen.

@ Mio: Ich habe gearbeitet, es hat mir gereicht. Hatte leider Jobs, bei denen ich mit Menschen direkt in Berührung gekommen bin. Meine Güte, es gibt sooo dämliche Leute. Diese Menge verkrafte ich nur ab 80 Euro/Stunde.

Und nun sattele ich um. Hoffentlich wird's da weniger Direktkontakt geben.

Und wo ist das Problem?
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Broken Wing
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Beitrag Mi., 27.07.2016, 19:48

@ Jenny: Einzelfälle tun eigentlich nichts zur Sache. Ich kenne aber zumindestens einen, der Stolz ist darauf, irre zu sein und machen zu können, was er will. Zur Verantwortung gezogen werden kann er nicht wirklich, weil Schuldunfähig.

Er ist zufrieden und das Bisschen Geld, dass er zu den Krankengeldern braucht, verdient er sich schwarz. Kann man ihm aber nicht vorwerfen, von irgendwas muss er ja leben.

Ausgebrannte kenne ich schon mehrere. Und ich möchte da gar nicht differenzieren. Es ist echt mühsam, sowohl die Zusammenarbeit als auch, wenn so jemand im Dienstleistungssektor arbeitet. Gerade bei Beamten und anderen ist das ja beliebt. Eine Verkühlung kann man nicht so schnell herbeizaubern und die vergeht außerdem auch gleich nach einer Woche.
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hawi
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Beitrag Mi., 27.07.2016, 20:01

Broken Wing hat geschrieben:@ Hawi: Schön langsam frag ich mich, wie ich hier wahrgenommen werde.
Broken,

Danke fürs Antworten. Passt so wieder (für mich).
Klar, ich penn wohl oft auch mal, dann allerdings meist traumlos.

Das was ich anmerkte, passte so halt nicht, grad zu dir nicht, für mich nicht.
Mit der Ergänzung dagegen schon!

Thanks hawi
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und die Intelligenten voller Zweifel sind.“
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Hiob
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Beitrag Do., 04.08.2016, 18:22

RLF: "Vielleicht können Sie beide, Hiob und Broken Wing die Diskussion mit einer konstruktiven Empfehlung bereichern, welcher Begriff besser geeignet sein könnte und welches Behandlungs-/Beratungskonzept Sie vorschlagen würden? ..."

Ich bin zunächst fasziniert davon, dass meine Worte nicht gleich wieder gelöscht wurden.
Das muss ich erstmal verdauen...

H.

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hawi
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Beitrag Fr., 05.08.2016, 09:20

„ausgebrannt sein“ ?!

So aus meiner Erfahrung, Sicht, auch grad Sicht darauf, was es so alles für Sichten dazu gibt, geben kann?
Natürlich fließend, aber grob wohl so:

1. Ist eher keine Krankheit, ist menschliche Wehleidigkeit, ist menschlicher Bequemlichkeit, Schwäche geschuldet. Entweder fehlt Mensch gar nix, er jammert nur schneller als andere. Oder ihm fehlt wirklich was. Dann liegt es dennoch an ihm, weil er schlicht die für ihn falsche Tätigkeit ausübt, etwas tut, das ihn überfordert,

2.Ist klar eine Erkrankung, die behandelt werden kann, muss. Da die Anzahl entsprechender Erkrankungen steigt, muss im Bereich Gesundheitswesen mehr Behandlung angeboten werden, müssen entsprechende Kapazitäten erhöht werden oder neu geschaffen werden.

3. Ist eine Erkrankung die zunimmt. Ist sicher auch etwas, das individuell behandelt werden muss.
Wer aber daran interessiert ist, wirklich was zu unternehmen, dass diese Art von Erkrankung wieder abnimmt, nicht zunimmt, muss (gesamtgesellschaftlich) die Hintergründe, Ursachen dieser Art von Erkrankung ergründen, muss der Erkrankung den Nährboden, auf dem sie gedeiht, weit möglichst entziehen.

Behandlung von „Burnout“ als Geschäftemacherei? Dazu gelangt man sowohl aus Sicht 1 als auch aus Sicht 3.

Frau Hürlimann klingt eher nach Sicht 1. Sie schiebt jedenfalls denen, die von entsprechenden Symptomen betroffen sind, den schwarzen Peter zu. Noch dazu mit dem Argument der zu hohen Kosten.
Ihr Tip, „ein vom Arbeitnehmer gewünschter unbezahlter Urlaub könnte zu Erholung und Zufriedenheit beitragen“? Mag zwar auch absolut Kosten reduzieren, aber vorrangig für mich schlicht eine Kostenverlagerung hin zum betroffenen Arbeitnehmer. Dem wird sein Gehalt entzogen, er zahlt durch Gehaltsverzicht.

Geschäftemacherei aus Sicht 3 ist dagegen vieles, das vor allem Sicht 2, aber auch Sicht 1 immanent ist.
Es gibt diverse krankmachende Arbeitsbedingungen, womöglich darüber hinaus weitere ursächliche Lebensrahmensbedingungen, Anschauungen etc.
Werden nur die Erkrankten behandelt, wird vor allem versucht, den einzelnen zu kurieren, dient das vor allem, auch, der Erhaltung des „kranken“ Rahmens.

Wie Hiob es auch immer gemeint haben mag, aber ich seh schon die Gefahr eines Hamsterrades, wenn allein, vorrangig Sicht 2, oder gar eine Kombination von Sicht 1 und 2 das Handeln bestimmt.
R.L.Fellner hat geschrieben:Die Überlastung im Arbeitsbereich nimmt tatsächlich in vielen Sektoren zu, und es gibt in Mitteleuropa mehr Menschen als je zuvor, die ab einem gewissen Punkt einfach nicht mehr weiterkönnen.
RLF, wenn dem so ist, wenn dann immer mehr auch Psychotherapie eingesetzt wird, um die Betroffenen wieder fit zu kriegen, fit für sie überlastende Arbeitsbereiche, dann wird, finde ich, Psychotherapie ab einem gewissen Punkt, dem Überschreiten einer gewissen Grenze, Teil des Problems!

Zugespitzt, hoffentlich verdeutlichend dies, das mir grad einfällt: Die auch hier mal kurz aber heftig thematisierte EHEC Epedemie. Wäre überhaupt keine gewesen, wenn die Erkrankungen ähnlich wie „Burnout“ behandelt worden wären. Halt eine Erkrankung im Rahmen der Ernährung. Übel, aber durchaus medizinisch behandelbar.
Doch da, anders als bei Burnout scheint mir, zum einen gab es zig Warnungen, Hinweise, Ratschläge, was Mensch alles meiden, sonstwie tun oder lassen soll, um möglichst nicht zu erkranken und es wurde daneben, mit nicht grad geringem Aufwand versucht die Quelle, den Ursprung zu finden und dann auszuschalten.
Muss ja nicht gleich so wie in diesem Fall geschehen, aber etwas mehr Infektionsepidemiologie auch im Bereich der psychischen Erkrankungen, könnte vielleicht ganz nützlich sein. Keine Ahnung, was es da bereits gibt, mir ist da bislang nichts aufgefallen.


LG hawi
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blade
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Beitrag Fr., 05.08.2016, 09:38

Was ich in dem Zusammenhang nicht verstehe:

Die Frage lautet doch " Burnout reine Geschäftemacherei? "

Einerseits wird dem Faktum, daß so gut wie alles, jeder Aspekt unseres heutigen Lebens in der einen oder anderen Form ein Geschäft für irgendwen darstellt, mit Akzeptanz begegnet. Oder einfach mit Schulterzucken.

Andererseits wird dann selektiv aber dieses Faktum dazu benutzt um bestimmte Bereiche in ein schiefes Licht zu stellen.

Wenn aber Kapitalismus unser Lebensgefüge sein soll (sollte es mE nicht, aber wenn...)
dann ist es als Regulativ zu sehen.
Für die von Burnout Betroffenen wäre es also bis zu einem gewissen Grad von Vorteil, wenn es ein gutes Geschäft ist.
(Nur wenn der Feuerwehrmann zum Brandstifter wird, dann nicht mehr)
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earlybird
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Beitrag Fr., 05.08.2016, 10:03

luftikus hat geschrieben:
Broken Wing hat geschrieben:Ehrlich. Wen stört 's?
Du meinst, weil es dich persönlich nicht stört, stört es auch sonst niemanden, weil alle so denken wie du? Oder wie ist dieser Satz zu verstehen?
Broken Wing hat geschrieben:Soll der halt seine 800-1000 Euro beziehen und bitte auf Nimmerwiedersehen verschwinden.
Wohin genau sollen die Leute denn hin verschwinden? Es liest sich so, als ob du dir ziemlich radikale Lösungen für Menschen wünscht, die nicht deinem Weltbild entsprechen oder nicht so agieren (können), wie du? Würdest du das auch bei anderen Krankheiten vorschlagen? Immerhin fallen ja viele Leute aus unterschiedlichen Gesundheitsgründen zwischenzeitlich beruflich aus. Sollen die gemäß deinen Wünschen auch alle "auf Nimmerwiedersehen" verschwinden?

Du selbst rechnest vermutlich nicht damit, dass dir das selbst jemals passieren könnte, nehme ich an. Wer wünscht sich schon selbst sein eigenes Verschwinden...
ich kann da nur aus der Praxis schreiben:
ein Vorgesetzter von mir hatte einige Monate vor seinem Burnout
eine genau so beschriebene rigide und unerbittliche Haltung angenommen.
Ich bin echt kein leicht reizbarer Mensch,
aber er hat es in dieser Zeit geschafft, sich so in seiner ausgelebten Härte einzurichten,
das ich (wegen seines Gebarens ) ihm ins Gesicht sagte:
mir geht es nicht gut ich geh heim .
( anderen erging es ähnlich mit ihm, er wurde zunehmend unausstehlich )
einige Zeit drauf kam sein Burnout,
er war fast andert halb Jahre krank,
und er macht jetzt eine andere und leichtere Tätigkeit ( der Arbeitgeber hat ihm eine Stelle kreiert, die seinen Bedürfnissen entgegenkommt)
und er hat den schichtdienst an den Nagel gehängt zur Förderung seiner Gesundung

und .... er ist ein unglaublich lieber Kollege geworden , sensibel , vorsichtig , sehr reflektiert
charmant ,

sorry für die Länge , will sagen eine menschlich wunderbare Entwicklung ist ihm ermöglicht worden.

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blade
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Beitrag Sa., 06.08.2016, 07:52

oder eben so.
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