Interneterfahrungen?

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mio
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Interneterfahrungen?

Beitrag So., 25.09.2016, 21:19

Angeregt durch den "Blog" Thread würde es mich mal interessieren, wie die Erfahrungen von Euch in Bezug auf das "Internet" generell so sind. Also wie ihr das erlebt habt und wie ihr damit umgeht und es bewertet, für Euch persönlich.

Wenn ich an meine "allerersten" Interneterfahrungen zurückdenke, dann fallen mir vor allem zwei "Geschichten" ein.

Es war so um/in Mitte Ende der 90 Jahre. Ich hatte meinen ersten eigenen Computer und war neugierig. Google gab es damals noch nicht, nur so ne "Telekomsuche" wenn ich mich recht entsinne. Und online-Zeit war teuer.

Die "erste" Erinnerung, die ich habe, ist, dass ich einen Ex-Freund "gesucht" habe darüber. Leider hatte er einen Allerweltsnamen und so schrieb ich ca. 20-30 Leute an. Einige antworteten, andere nicht.

Einer antwortete so, dass ich mich bemüssigt fühlte zurück zu schreiben. Daraus entstand dann so eine Art "Brieffreundschaft" mit dem "falschen" NM. War interessant.

Wir schrieben uns ca. 2 Jahre lang in regelmässigen, aber meist längeren, Abständen. Und es trafen "Welten" aufeinander, die eigentlich null zusammen passten. Trotzdem taten wir es.

Irgendwann wurde es ein wenig strange, weil wir dann nachhaltig in der selben Grossstadt wohnten. Was aber "unklar" zu sein schien für ihn, aufgrund bestimmter Dinge, die ich mal erzählt hatte. Und ich stellte mir vor: Hey, er und Du ihr könntet morgen nebeneinander beim Bäcker stehen und ihr würdet es nicht merken. Also habe ich es angesprochen.

Wir haben uns dann getroffen und na ja: Was ich ahnte bewahrheitete sich: Zwischen uns lagen Welten die sich nicht so richtig überbrücken liesen. Was nicht heißt, dass es schlecht war. Nur strange.

Konkret traff "Fitnessfreak" mit sehr "theoretischer - beruflich ambitionierter - Ausrichtung" auf "Chaosmädchen" mit "mit doch egal" Haltung. War schon schräg. Noch dazu sah er aus wie mein Kuseng. Noch schräger....

Danach schlief die "Brieffreundschaft" ein. Vergessen werde ich ihn dennoch nie, er war mein "erster virtueller Kontakt", das hatte schon was, damals...

Und jetzt würde mich eben - breit gefächert - interessieren, wie es Euch ging damit....und heute noch so geht.

Ist schon schräg, dieses "Paralleluniversum" Internet und seine Entwicklung...

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Miss_Understood
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Beitrag So., 25.09.2016, 23:28

Witzige Frage, die ich grad mal zur Prokrastination nutze - genau, das ist Internet zunehmend. Ich erfreue mich an einer die Gesellschaft derart umwälzenden Weiterentwicklung teilzunehmen und auch wenn die Punkte wie Informationsfreiheit und Überwachungsgesellschaft(en) die dunkle Seite der Medaille sind, überwiegt für mich die Helle. Und ich hoffe, dass es gelingt mit den dunklen umgehen zu lernen und - dass die Informationsmacht doch auch immer noch aufgeteilt bleibt.

Meine Anfänge waren sehr früh. Ich hatte Ende der 80er/Anfang der 90er einen besten Freund, der 7 Jahre älter war als ich und da seine Diplomarbeit schon schrieb im Bereich Nachrichtentechnik/E-Technik. Wir redeten ohnehin auch schon zuvor öfter über Nachrichtentext und wie Informationen weitergegeben wurden, die Jungs meiner Clique oder im Umfeld waren oft Rollenspieler (Brettspiele/Adventures, ich mein jetzt nicht BDSM) - bekam ich auch schon sehr früh mit, da mein Vater Funkamateur war und auch immer die neuesten Telefonentwicklungen in unseren Haushalt fanden. Jener enge Freund zeigte mir auch da bereits wie das mit dem IRC Chat geht, wenn LAN-Parties stattfanden war er immer einer der Organisatoren - es gelang ihm aber nicht mich mitzuschleppen. *lacht - und das, obwohl ich in der 10. Klasse Realschule eine von nur vier Mädchen war, die Informatik als Wahlfach nahmen. (Hach ja, hätte ich doch nur ... nun, äh - nein.) Das mit dem Chatten hatte mich aber schon angefixt und fasziniert. Ich zog weg und der Kontakt schlief leider ein, zwei Jahre später hatte ich meinen eigenen Internetzugang und das erste was ich tat, war ihn im IRC ausfindig zu machen und es war so wunderbar, diese Tage und Wochen erst einmal zu chatten ohne dass ER wusste, dass er seine alte Freundin vor sich hatte. Kurz hatte ich Angst, dass er mir sauer sein würde, wenn ich mich oute, was ich auch bald tat. Aber das war rein gar nicht der Fall. Und wir knüpften an diese Freundschaft an, als seien die drei Jahre nicht dazwischen gewesen.

Mich faszinierte schon auch, dass es möglich war mit sehr privaten Themen trotzdem anonym zu bleiben. Ich erinnere mich sehr gut daran, wie die ersten Internet-Themen in Filmen auftauchten oder im Theater. In meiner ersten WG war ICH die erste, die ein eigenes Modem hatte.

Für mich ist das Internet weder Paralleuniversum noch Neuland. Auch kein 'Kennenlernen zweiter Klasse' wie es manche immer noch ansehen. Es gehört für meinen Alltag dazu und auch wenn ich rein jahrgangstechnisch kein 'Digital Native' bin, so doch auf gewisse Weise zu einem gemacht worden, auch aufgrund frühem Kontakt, eben jenem Freund, der Familie und meiner Berufswahl/Interessen.

In der Folge habe ich viele Menschen, oft Männer, aber auch Frauen online kennengelernt. Wenn es um Partnersuche ging, waren das oft noch Geschichten für sich. Es hat sich auch enorm viel geändert und tut es immer noch. Wo Mitte / Ende der 90er und noch bis Anfang der Jahrtausendwende es eher die 'Nerds' - und ich mag Nerds - waren, die man da so 'im Internet' kennenlernen konnte, und man auch ansatzweise davon ausgehen konnte, dass es sich dabei um Leute handelte, die eine gewisse Bildung besitzen, die gerne schreiben, denen es um bestimmte Themen ging und sich schriftlich ausdrücken WOLLEN - so ist heute die Sprachkultur und die Lust sich schriftlich auszutauschen gen NULL gesunken, wenn es um Partnersuche geht. Hach ja, vielleicht bin ich aber auch einfach zu alt geworden? Video, Foto, Treffen, Traumpartnercastings. Bämm. Oder eben nicht. Aber das, das ist heute, du fragtest ja nach gestern.

Ich glaube bei mir hat sich das netz einfach in den Alltags geschlichen und integriert. So dass ich es heute als ganz normal empfinde, als einfach einen zusätzlichen Kanal. Ich käme NIE auf die Idee, Kinder davon fernzuhalten zb. Oder es zu verdammen. Es mag womöglich so sein wie das Thema Fernsehen in den 60ern. Es ist wichtig - und ja, ungleich komplizierter - damit umzugehen zu lernen.
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Nico
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Beitrag Mo., 26.09.2016, 05:01

Ich hab im Intenet, auf einer HP eines Sportlers ( hatte also absolut nix mit Partnersuche zu tun) in dessen Gästebuch meine jetzige Frau kennen gelernt.
Ansonsten finde ich das Internet eine absolut herrliche Sache und nütze es laufend um nachzuschlagen, um Flüge, Hotels etc. zu buchen, diverse Nachrichten zu lesen, detailierte Wetterberichte für meine Unternehmungen abzurufen und und und.
Aktuell mache ich übers Intenet einen großen Vergleich diverser Wohnmobile weil ich nächstes Monat eine Messe besuche und mir dort eines zulegen möchte.

Eigentlich frage ich mich fast täglich wie wir all das eigentlich vor dem Internet gemacht haben.

Die negative Seite des Internets erlebe ich indem ich zu viel Zeit hier verbringe.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)


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Beitrag Mo., 26.09.2016, 06:15

Danke Euch beiden!
Nico hat geschrieben:Eigentlich frage ich mich fast täglich wie wir all das eigentlich vor dem Internet gemacht haben.
Das frage ich mich manchmal auch. Ich "erinnere" mich zwar noch, aber dennoch erscheint es bisweilen aus heutiger Sicht heraus "unvorstellbar" mühsam gewesen zu sein. Vor allem in Bezug auf Informationssuche.

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Miss_Understood
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Beitrag Mo., 26.09.2016, 09:52

Nun, daran kann ich mich durchaus erinnern. Bibliotheken! Und viel Zeitungen, Magazine lesen; dort dann Hinweise auf Kataloge oder Prospekte, bestellen, durchblättern oder mitnehmen - die gab es bei uns im Haus en masse - und auch beim Durchblättern eines Conrad Electronic, eines Gärtner Pötschke und eines Stoffkataloges lernt man eine ganze Menge! Man musste halt wissen, wo was steht und wie man da dran kommt. Dann war eher ein Telefonat oder zwei oder drei nötig, oder man fragte die Bibliotheksmitarbeiter. Ging. Ja, umständlich. Zurück wünsche ich mir das nicht.
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Nico
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Beitrag Mo., 26.09.2016, 17:59

Na klar erinnern kann ich mich auch noch gut daran, aber es erscheint mir aus heutiger Sicht irgendwie nicht mehr denkbar.
Genauso wie mal abseits vom Internet das Thema Fotos machen.
Man denke an die 24 oder 36 Foto Filme, da hat man sich sehr genau überlegt was man im Urlaub knipst und dann die Spannung beim Abholen der Fotos.....
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Beitrag Mo., 26.09.2016, 19:27

In Bezug auf "Partnersuche" ging es mir auch so, dass ich alle möglichen Erfahrungen gemacht habe. Allerdings tatsächlich in einem Suchportal. Da bin ich irgendwann 2003 oder so eher durch Zufall gelandet, weil ein Freund von mir da war (was er irgendwann etwas "beschämt" verraten hat nachdem er es schon länger machte) und ich mir seine "Flamme" anschauen wollte. Und als ich dann schon mal da war...

Ich glaube das war auch die einzige Zeit meines Lebens wo ich "chatten" wirklich witzig fand. Ich hätte nie gedacht, dass ich so "Multitasking" fähig bin und mehrere Chats auf einmal führen kann.... Das waren schon teils echt schräge Erfahrungen, im Guten wie im eher nicht so Guten.

Machen würde ich es denke ich auch heute noch, wenn ich jemanden kennenlernen wollte. Ich kenne auch einige Paare, die sich so kennengelernt haben. Aber ich würde mich heute schneller treffen und nicht ewig hin- und her schreiben.

Übers Bloggen habe ich auch ein paar Menschen kennengelernt, teils auch real. Hätte ich vorher nie gedacht oder mit gerechnet. Ich weiss noch, wie erstaunt ich war als ich die erste "aka" mail im Postfach hatte. Ich wusste damals noch nicht mal was das heisst und musste erstmal fragen . Durchs Bloggen habe ich wohl auch am meisten über die "Netzwelt" gelernt, das war schon sehr spannend. Und auch aufschluss- bzw. lehrreich.

Aber ich habe auch gemerkt, das mir das schnell zu viel werden kann und dass ich für sowas im Übermass nicht wirklich gemacht bin. Ein (Blog)Freund von mir mit dem ich mal kurz real liiert war nannte das "Psychodynamik" und na ja, er hatte recht...mir war das damals so alles noch fremd.

Wahrscheinlich empfinde ich es auch deshalb ein wenig als "Parallelrealität" nach wie vor. So ein bisschen wie "Per Anhalter durch die Galaxis"....

Nico: In Bezug aufs Fotografieren habe ich das heute beim Löschen der ca. 100 "Testbilder" zur Praktikantin gesagt: Man, das waren aber viele Polas....das wird teuer! De facto hätte ich früher nie so arbeiten können, denn das wäre tatsächlich teuer geworden. Round about 260 Euro nur für das Material für die "Vorarbeit", das hätte einem kein Kunde bezahlt...aber "man" verroht dadurch auch ein wenig, Stichwort: Digitaler Belichtungsmesser...

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Nico
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Beitrag Di., 27.09.2016, 05:05

Ich hab das Internet für mich noch nie als Partnerbörse gesehen und hoffe es auch nie dafür nutzen zu müssen, weil ich Stand jetzt, gerne mit meiner Frau zusammen uralt werden würde.
Aber wenn es anders kommen sollte, werde ich mich nicht in Partnerbörsen rumtreiben sonden eher in Foren die sich mit meinen Hobbys und Leidenschaften decken, auf Suche gehen.
Nein das Psychoforum ist damit nicht gemeint.

Ich finde das Internet trägt, wenn man es richtig nutzt, viel dazu bei sein Leben spontaner gestalten zu können.
Wenn ich da z.B. meine Reisen hernehme, sehr oft entscheide ich da erst jeweils am Vortag wohin es am nächsten Tag gehen soll, hole mir die entsprechenden Infos ( vom Wetter bis zur Route und diversen Buchungen) und schon gehts los.
All die Vergleichsmöglichkeiten bei Anschaffungen, Testberichte, Kundenmeinungen etc.etc.
Für mich ist das Internet eine echte Bereicherung.
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andrea023
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Beitrag Fr., 02.12.2016, 01:34

Für mich ist das Internet auch eher eine Bereicherung. Die Hoffnung das dieses Medium eines Tages die Menschheit zu einer besseren Lebensweise verführen könnte habe schon zu dem Zeitpunkt aufgegeben als ich erfuhr das Porno der eigentliche Motor des Internets war. Nicht der Ausschlaggebende sondern der am wirksamsten an der Verbreitung desselben beteiligten.

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Möbius
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Beitrag Mo., 19.12.2016, 15:29

An meine allererste Erfahrung mit dem usernet so 1994 rum kann ich mich noch erinnern, als wäre es gestern gewesen: zu allertiefsten Nachtzeit - der Telefongebühren - ratterte sich das Modem ins Fernsprechnetz, gab Geräusche von sich, wie eine Dampfmaschine. Durch Eingabe dieser endlosen Zahlen- und Zeichenkolonnen unter zigmaligem Vertippen habe ich dann eine Verbindung zur Library of congress hergestellt - eine der drei großen Bibliotheken dieser Welt (die anderen sind British Museum und Vaticana). Es war ein unglaublich erregendes Gefühl für mich, dann endlich mit Library of Congress verbunden zu sein und dort ein bischen im Katalog herumzublättern. Es dauerte rund 5 Sekunden, bis ein Buchstabe, den ich in die Suchmaske eingab, dann auf meinem Bildschirm erschienen war. Es dauerte damals ja seine Zeit, bis die Elektronen über den Atlantik geschwommen sind und wieder zurück ... Ein "E" war mein allererster transatlantischer Buchstabe gewesen, das weiß ich noch genau.

Das war ähnlich, wie ich dann, ein knappes Jahrzehnt später, zum ersten Mal camsex mit Leuten aus Australien oder sogar Iran (!) gemacht habe, womit wir dann beim Thema Nr. 1 wären: beim Porno-net.
Für mich selbst war das Porno-net enorm wichtig gewesen und ich glaube, das war es auch für sehr viele andere mit abweichenden Sexualitäten und "die Gesellschaft" schlechthin. Denn ich litt, wie so viele, nach dem coming-out sehr unter dem Gefühl, nahezu der Einzige zu sein "dem es so geht" und "der so drauf ist", zu einer winzigen Minderheit zu gehören, die der "Heteronormativität" mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert ist und sich nicht zuletzt auch selbst pathologisiert. Das Porno-net hat mir dann gezeigt, daß ich beileibe nicht der einzige bin, daß es hunderttausende, Millionen gibt alleine in diesem unserem Lande - "die so drauf sind, wie ich." Man befreit sich von dem Vorurteil, "abartig" zu sein, erkennt, das "wir" keine total abgedrehten sexfreaks sind, wie selbst heute noch die hartnäckigen Ignoranten meinen, sondern eben "ganz normale Menschen wie Du und ich". Nur ist unsere Sexualität eben ein wenig (oder ein wenig viel) anders.

Ich hatte mich infolgedessen bei der Suche nach Sexpartnern und -freunden vollkommen auf das internet kapriziert - neben den "Szenetreffs", die ich nach wie vor aufsuche. Ich bin heute noch der Meinung, Menschen mit abweichenden Sexualitäten sollten die Partnersuche von vorneherein auf ihresgleichen beschränken, statt auf "normalem Wege" fast zwangsläufig an Leute zu geraten, die damit in keinster Weise umgehen können. Aber da ich heute keine Beziehungen oder Partnerschaften mehr eingehen kann, ist das für mich eine rein akademische Frage geworden. Ich suche auch heute keine Sexkontakte mehr dort - die "Szene" reicht mir heute völlig aus, ich bin sozusagen mit meiner Sexualität in die Realität zurückgekehrt. Aber auch die regelrechte Explosion der Szene, die Vervielfältigung der Treffs und ihrer Teilnehmer, die zunehmende Akzeptanz der Szene durch die allgemeine Gesellschaft, ihre immer weitergehende Duldung durch die Behörden - das führe ich eben auf diesen aufklärerischen Effekt des Porno-net zurück.

(Fortsetzung folgt)

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Möbius
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Beitrag Mo., 19.12.2016, 15:31

Was die meisten am internet perhorreszieren, ist aus meiner Sicht der wichtigste gesellschaftliche Verdienst des internets überhaupt. Porno-net hat weitaus mehr für die Emanzipation abweichender Sexualitäten bewirkt, als alle diese "Bewegungen" von Transschwulbilesbischenundüberhauptallen zusammen. Diese Politfolklore ist da nur obendrauf gestreuselt, wie die Petersilie auf die Bratkartoffeln. Nur daß sich diese kleingehackte Petersilie heute erfolgreich einredet, die Bratkartoffeln unter sich überhaupt erst erfunden zu haben.

Meine Einstellung zum Netz, hat sich aber gewandelt, so wie das Netz sich gewandelt hat, die Kommunikationskultur der Gesellschaft.

Jedes Schulkind unterliegt heute einem kommunikativen Dauerstress wie vor 25 Jahren allenfalls ein Manager. Wir leben nicht mehr im hier und jetzt, sondern im später und woanders. Wichtig sind nicht mehr die Mitmenschen, sondern die messages auf dem phone (was ja nur ein miniaturisierter "compi" ist) - unsere Mitmenschen haben wir sowieso schon längst durch social networks ersetzt. Wenn der Mensch neben uns auf der Straße sich plötzlich ans Herz faßt und umfällt, dann ist uns das vollends egal geworden - wir phonen einfach die 112 und damit ist der Fall für uns erledigt. Wir spenden ganz easy mit dem phone für Not in Afrika, und wenn vorm Hauseingang ein Bettler steht, dann schreiben wir wütende mails ans Ordnungsamt und die Hausverwaltung - und das alles von unterwegs aus, ganz easy mit dem phone.

Wenn man durch die Stadt läuft, sollte man mal weniger auf's phone, als auf die anderen Leute gucken: immer mehr und mehr sind es, die auf der Straße Stimmen hören von Personen, die garnicht da sind, urplötzlich an zu lachen und zu kichern beginnen, in epileptisch anmutende Zuckungen verfallen und Selbstgespräche führen ! Das smartphone ist 'Schizophrenie to go' und die Derealisation gibts als Bonusminuten noch dazu !

Das Netz, das früher (als alles besser war) ein unverhoffter Raum durchaus nicht nur der sexuellen Freiheit gewesen ist, wird immer mehr zum Zwang - "ohne Internet biste aufgeschmissen heutzutage". Immer mehr Informationen gibt es wirklich nur noch im Netz - immer mehr Geschäfte des Alltags können nur noch über's Netz getätigt werden - Stichwort: online-banking. Das Netz wird auch zunehmend zum Zwangsmittel des Überwachungsstaates. Jeder einzelne von uns wird "auf Vorrat" observiert, jeder Schritt, jedes Gespräch, jede Kommunikation gespeichert und bei Bedarf von den entsprechenden Stellen abgerufen - legal, illegal, scheyssegal. Big brother is watching you - "real !"
Der "Container" von RTL ist nichts anderes, als die ganz normale Wohn- und Wahnsinnssituation von morgen.

(Fortsetzung folgt)
Zuletzt geändert von Möbius am Mo., 19.12.2016, 15:45, insgesamt 3-mal geändert.

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Möbius
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Beitrag Mo., 19.12.2016, 15:32

Das Netz verändert auch unsere Intellektualität. Der "Internet-Experte", dessen Expertise nur darauf beruht, daß er die Vorurteile seiner Durchschnittsleser durch wohlschmeckende Polemik in den Rang von Lebensklugheiten erhebt, ist schon berüchtigt genug. Die Bildschirmseite des notebooks (nicht mal 1/3 Seite DinA4 in 12er Schrift) ist schon längst zum Maßstab dessen geworden, was dem "durchschnittliche user" noch zugemutet werden kann und dieser Maßstab miniaturisiert sich in diesen Zeitläuften noch weiter auf den "Schminkspiegel" des smartphones. Nur noch solche Gedanken haben eine Chance auf Akzeptanz, die sich auf Werbeslogans komprimieren lassen. Diese immer weiter zunehmende Macht dieser minablen Methaphern wird mir allmählich ebenso unheimlich, wie die zunehmende geistige Abstumpfung derer, die dieser Macht unterliegen. Aus einem Medium der Aufklärung ist schon lange eine Verblödungsagentur 2.0 geworden, die in ihrer Potenz noch weit über die der "Glotze" hinausreicht, eben weil der "user" auf seinem "Chefsessel" hockt und bei seiner interaktiven Indoktrination gelegentlich mal auf den Mausknopf drücken und sich deswegen "aktiv" und "kritisch" vorkommen darf, sich dem "total passiven TV-Glotzer" auf'm Sofa geistig haushoch überlegen dünkelt.

Am gefährlichsten ist das Netz heute für mich in seiner Verdrängungskonkurrenz zum Buch. Die letzte gedruckte Brockhaus-Ausgabe wird in diesen Jahren ausgeliefert - künftig wird es das Brockhaus-Lexikon nur noch elektronisch geben und vor allem "online" - updates werden gedownloadet. So wie der Große Bruder uns immer und überall über's Netz über die Schulter schaut, so ist in der Information aus dem Netz das Ministerium für Wahrheit zu einer Realität geworden, in der das Wissen ständig und "in Echtzeit" den jeweiligen Zensurvorschriften des politisch korrekten Großen Bruders angepasst wird. Das betrifft nicht nur die Wikipedia, sondern auch die ebooks. All diese ganzen online-Texte können ständig "aktualisiert" werden und sie werden es dann auch - so wie in der Wikipedia, so auch auf Erden, im ebook, das durch ein paar Mausklicks in allen lizensierten "Exemplaren" angepasst werden kann und dann auch bald angepasst werden wird.

Das gedruckte Buch im Regal dagegen ist aktualisierungs- und downloadsicher. Jewede political incorrectness ist dort unangreifbar.

Und deshalb kann es in einer demokratischen Gesellschaft doch nur die eine Frage geben: wie man die Menschen und vor allem die Menschenrechte vor der kriminellen Verbreitung von faschistischer Greuelpropaganda und neoliberaler Hetze durch den antidemokratischen Mob zuverlässig schützen kann und die Antwort auf diese Frage kann nur lauten: durch das Verbot des ohnehin überholten und klimaschädlichen Buches !

Mit einem "Wald-Soli" auf den Preis von Büchern, mit Zwangswerbung für's ebook ("Für dieses Buch mußten 12.000 Bäume gefällt werden - lesen Sie ebooks ! Printbücher enthalten nachweislich über 70 Allergene ! Schützen Sie ihre Kinder vor Printbüchern ! Wer ebooks liest, liest gesünder! Lassen Sie Ihre Kinder nicht den Staub von Printbüchern einatmen!") wird es demnächst schon anfangen, glaube ich.

Diese ultimative Bücherverbrennung ist schon als ein blutigroter (oder braunroter) Streifen am Horizont zu erahnen und die Folgen davon werden noch viel fürchterlicher sein, als diejenige der Nazis. Ich hoffe, daß meine Asche bis dahin in Frieden ruhen können wird.

Amen.

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Broken Wing
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Beitrag Mo., 19.12.2016, 16:39

Haha ;-)

Nur liegt der Denkfehler leider darin, dass die Leute nicht aus Unwissenheit so gemein zu den Juden und anderen Gruppen waren, die der Adi auf dem Kieker hatte. Damals hätte die Masse die verbrannten Bücher ohnehin nicht gelesen. Das war halt die deutsche Genauigkeit, die christliche Nächstenliebe und der schlechte Humor. Kurz, schuld dran waren die guten, alten werte.
Massenmord ist nicht lustig, das hätte ein guter Humorist berücksichtigt.
Und die, die die Bücher verbrennen mussten, die waren bloß unklug. Von den Büchern ging keine Gefahr aus. Denke auch nicht, dass es ihnen persönlich und diesem kleinwüchsigen Muttersöhnchen um die Gefahr der Bücher ging. Entweder hatten die kein Feuerholz oder, was wahrscheinlicher ist, es waren Hosensch***er.

Wer unzufrieden ist, liest sich nicht an. War schon richtig, dass man mit Gewalt gegen die Deutschen vorgegangen ist statt Traktate zu verfassen. Warum, ist unwichtig. Hauptsache sie haben den Krieg verloren.


Bücher haben nie was bewegt, gelesen hat immer nur die Minderheit und statistisch betrachtet fördert Lesen nicht die Karriere. Jedenfalls nicht, wenn man Frauen und Arbeitslose rausrechnet, die lesen eben viel - und das Falsche. Zum Beispiel solche Threads im Psychotherapieforum.

So gesehen ist Zensur überflüssig, wenn sich die Verfasser bloß aufs Schreiben beschränken. Der Rest versteht es nicht und liest es auch nicht - oder ist ohnehin derselben Meinung, aber ein feiger Mitläufer mit viel Zuspruchsbedarf.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

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Siren
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Beitrag Di., 20.12.2016, 13:15

Neben den vielen gesellschaftlichen Veränderungen durch das Internet und dessen Zugänglichkeit durch portable Geräte, die hier schon ausreichend geschildert wurden, nehme ich es vor allem als ungemeine Arbeitserleichterung wahr, die mir leider in der Folge durch weitere Arbeitsverdichtung wieder genommen wurde. In meiner (juristischen) Arbeit habe ich noch die Vor-Internet- Zeiten erlebt. Wenn ich nach Rechtsprechung suchte, musste ich mich in einem riesigen Raum mit Urteilssammlungen bis zur Decke durchschlagen. Mit Glück hatte ich durch eine Kommentierung einen Hinweis, in welchem Jahrgang ich suchen muss. Ansonsten hieß es: In den Verzeichnissen unter den in Frage kommenden Rechtsgrundlagen Schlagworte durchforsten, bei potentiell verwertbaren Entscheidungen den Tenor lesen und die Entscheidung quer lesen. Was für ein unglaublicher Zeitaufwand. Der führte aber auch zu einem ruhigeren, durchdachteren Arbeiten. Heute hacke ich meine Suchbegriffe in eine Suchmaschine und bekomme innerhalb von Sekunden die passenden Entscheidungen auf dem Silbertablett serviert. Ich schaffe heute ein vielfaches der damaligen Arbeit in derselben Zeit, aber meine Nachdenkzeit sinkt dadurch auch. So passieren auch Fehler, weil Gedanken nicht reifen und sich nicht setzen konnten.

Weil alles so schnell, schnell geht, hat nach meinem Empfinden auch die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtschutzes unglaublich zugenommen. Die Gerichte lassen sich durch die Vielzahl der entsprechenden Anträge immer öfter zu einer Vorwegnahme der Hauptsache verführen, weil auch sie glauben, mit ein paar Clicks alle notwendigen Informationen für eine Entscheidung zu haben. Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt, wenn die Gerichte ab dem nächsten Jahr am elektronischen Rechtsverkehr teilnehmen. Entweder verdoppeln sie die Anzahl der Richterstellen und treffen nur noch Eilentscheidungen oder die zu erwartende Antragsschwemme führt endlich zu einem Umdenken und Besinnung auf das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache. Unter meinen Kollegen laufen erste Wetten.
Ich wäre gerne nett.

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Möbius
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Beitrag Mi., 21.12.2016, 23:35

Für meine eigene anwaltliche Berufstätigkeit (1996 -2010) war das internet nicht von Bedeutung gewesen - ich war, nach einem kurzen forensischen Beginn, vornehmlich insolvenzbegleitend, kautelarisch und am Ende fast ausschließlich wirtschaftsanwaltlich tätig gewesen. In diesen Sektoren anwaltlicher Tätigkeit spielen die Arkana, die "nur von Druidenmund zu Druidenohr" weitergegeben werden, wie es im Asterix-Heft so schön heißt, eine weitaus größere Rolle als das, was man irgendwo gedruckt oder elektronisch lesen kann, wozu ich ausdrücklich auch die höchstrichterliche Rechtssprechung und Gesetze rechne. Wenn man diese arkanischen Regeln, die allerdings unerbittlich sind, einhält, kann man geschriebenes Recht guten Gewissens ignorieren. Daß bringt die outsider regelmässig an den Rand der Verzweifelung. Und die akademische Rechtswissenschaft ist meiner Erfahrung nach für die Praxis sowieso völlig bedeutungslos, eine Art "kollektiver Schizoidie" im Elfenbeinturm.

Meiner Wahrnehmung nach war der Informationsterror um die Jahrtausendwende herum am größten gewesen. Ray Kurzweils Buch: "Homo s@piens" hat mir da enorm geholfen. Kurzweil definiert Intelligenz im 21. Jahrhundert als "zielgerichtete Informationsvernichtung". Den einsetzenden email-terror zB habe ich nachhaltig vermeiden können. Ich entwarf ein Formularschreiben, in dem ich darauf hinwies, daß emails "faktisch öffentlich" sind, von jedem "wise kid" zu lesen sind, forderte zum email-Verkehr mit meiner Kanzlei zur Verwendung eines seinerzeit en vogue befindlichen Verschlüsselungsprogrammes ("pritty god privacy") auf und verlangte mittels beigefügtem Formulartext eine Freistellung von Inanspruchnahmen wegen Verstoßes gegen die anwaltliche Schweigepflicht durch email-Verkehr von meinen Mandanten. Das hat natürlich kein Schwein zurückgeschickt, und ich blieb insofern vom Fortschritt verschont. Auch wenn es heute nicht mehr so einfach sein mag, sich dem Informationsterror zu entziehen: dieses Beispiel mag vielleicht auch illustrieren, welche Haltung ich zu diesen Themen auch heute noch einnehme.

Heutezutagetage ist das internet ein Teil von dem, was die Soziologen "labeling approach" nennen: alles wird auf eine höhere Ebene verlagert - "Ich halte es für falsch, den Mensa-Köchen die Schuld zu geben, daß das Essen so mies ist. Das liegt alles nur an diesem Scheiss-System!" lässt Ralf König mal einen langhaarigen Gammelstudenten in "Schwulcomix II" schon Anfang der 80er sagen. Vor allem sind es Verantwortlichkeiten für allerlei Mißhelligkeiten, die "nach oben" deligiert werden: auf "das System", die "Pharma-Mafia", den "Kapitalismus", die "Gier der Manager" - alles Heuristika: theoretische Begriffe, für die es keine Entsprechung im realen Leben gibt. Ist schon jemand mal einem konkreten Menschen begegnet, der sich als "überzeugter Kapitalist" geoutet hätte oder sich "für Kapitalismus engagiert" hätte ? Der "Kapitalismus", den es niemals gegeben hat, ist schlicht die heutige Version des jüdisch-bolschwistischen Finanzkapitalismus - aber das führt jetzt entgültig und eindeutig viel zu weit ins OT.

Das "labeling approach" verlagert nicht nur Verantwortlichkeiten nach "oben", sondern auch Bedürfnisbefriedigungen. Ich habe skizziert, wie meine eigene Sexualität zeitweise ins internet verlagert gewesen worden war. Diese Verlagerung von Bedürfnisbefriedigung nach oben - also zu makrosozialen Instanzen - ist zunächst eine Entlastung, Erleichterung. Aber sie bedeutet auch eine Aufgabe von Autonomie, an deren Stelle die Heteronomie tritt.

(Fortsetzung folgt)

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