Ich lese gerade Zeitung.
Da steht, dass ein neuer Fussballplatz eingeweiht wurde. Pfarrer war auch da. Foto mit anderen beteiligten.
Da steht, dass es einen Firmenlauf gab. Hunderte Läufer waren (freiwillig) da. Und Zuschauer, die das beklatschten.
Da steht auch, dass es einen von der Zeitung organisierten oder zumindest beleumundeten Wandertag gab. Hunderte (freiwillige) Wandere waren dort und haben sich teilweise auch fotographieren lassen.
Die freiwillige Feuerwehr, aus benachbarten Kreisen, tritt zum Wettbewerb gegeneinander an. Es gibt Bratwurst und Bier. Die Leute klatschen. Ein Pokal wird vom Bürgermeister, der gerne in den Landtag gewählt wäre, überreicht.
Wieso machen Menschen sowas?
Ich frage mich zunehmend, was Menschen zu diesen (Massen-) veranstaltungen treibt. Ist es Langeweile? der Wunsch zur Mehrheit zu gehören? Nutznießergedanken bei der Kontaktpflege?
(Hinweis Admin: da es sich um keine persönliche Problembeschreibung handelt sondern ein allgemeines Diskussionsthema, habe ich den Thread verschoben.)
Massenveranstaltungen - warum?
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Massenveranstaltungen - warum?
Zuletzt geändert von Pauline am Mi., 18.09.2019, 14:49, insgesamt 1-mal geändert.
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Wahrscheinlich einfach Spaß an der Freude. Lass sie doch?!
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)
Wie du sicher weißt, haben Menschen unterschiedliche Gründe, warum sie etwas miteinander machen.
Ich kenne welche, die lieben es, sich in großen Menschenmengen aufzuhalten, manche fühlen sich sogar geborgen darin.
Die Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen kann auch aus verschiedenen Gründen stattfinden: Zugehörigkeit z.B., gemeinsame Interessen, Neugier, Spaß, Freizeitgestaltung....
Warum fragst du danach?
Kennst du keine Menschen?
Bist du von einem fremden Stern?
„Moralisten sind Menschen, die sich dort kratzen, wo es andere juckt.“
Samuel Beckett
Samuel Beckett
Warum Menschen so gerne Massen bilden, ist eigentlich seit langer Zeit bekannt, konkret seit dem Erscheinen von Le Bons „Psychologie der Massen“, dem mein Guru Freud eine eigene Monographie gewidmet hat: „Massenpsychologie und Ich-Analyse“.
Ich kann die Zusammenhänge hier nur sehr kurz skizzieren:
Das Bewußtsein des Menschen, das „Ich“ im psychoanalytischen Sprachgebrauch, ist ein äusserst fragiler Zustand, der kaum mal über 24 h aufrecht erhalten werden kann – dann müssen wir (endlich) schlafen. Entgegen der landläufigen Vorstellung, wonach das „Ich“ als Sitz der Rationalität des homo sapiens sapiens die maßgebliche Instanz in der Psyche sein solle, ist das „Ich“ aus der psychoanalytischen Perspektive regelmässig der schwächste Teil überhaupt, welcher von den unbewußten Instanzen – dem „Über-Ich“ oder „Ich-Ideal“, wozu auch das Gewissen gehört und dem „Es“ als Sitz der Triebe – dominiert wird. Die „Ich-starken“ Persönlichkeiten sind vergleichsweise selten. Viel häufiger, ja der Regelfall ist die „Ich-schwache“ Persönlichkeit, die gerne jede Gelegenheit nutzt, daß hoffnungslos überforderte „Ich“ in den Ruhezustand zu versetzen, zumindest teilweise zu entlasten dadurch, daß die „Ich-Funktionen“ an andere Instanzen ausserhalb der eigenen Person deligiert werden. Geläufig ist diese Delgation der Ich-Funktionen durch das Fernseh-gucken und Musik-hören. Die Steuerung der eigenen Person wird dabei durch den Film oder die Musik übernommen. Solange man „guckt“ oder „hört“ braucht man keine weiteren eigenen Entscheidungen mehr zu treffen.
Und genauso verhält es sich mit der kulturgeschichtlich älteren Vermassung: auf Volksfesten, in Diskotheken, bei Demonstrationen, im Fußballstadion und ähnlichen Veranstaltungen delegiert jeder Besucher einen Großteil seiner „Ich-Funktionen“ an die Masse und verblödet regelrecht, weil die Rationalität eben eine „Ich-Funktion“ ist. Gerade bei Fußballfans und Diskothekenbesuchern ist dieser Verblödungseffekt sehr schön zu beobachten. Unter diesen Bedingungen regrediert der Homo sapiens sapiens nicht selten bis zum grunzenden Neandertaler, der seinen Aggressionen und seiner Libido freien Lauf gibt. Wegen des Verblödungseffekts der Vermassung unterscheiden sich auch die Prozesse in Kleingärtnervereinen, akademischen Gremien und Parlamenten kaum voneinander: sie handeln allesamt irrational, sofern es nicht narzisstisch aktiven Teilnehmern gelingt, ihre rationalen Vorhaben mit sinisteren Mitteln „durchzubringen“. Die Vermassung erfasst also durchaus auch Individuen hoher Bildung, welche sich in Luft auflöst, wenn sie von den Massenwirkungen erfasst werden, die aus Menschen Ameisen machen können. Die Regression kann also noch über den Neandertaler hinaus bis zu den Insekten reichen.
Ich kann die Zusammenhänge hier nur sehr kurz skizzieren:
Das Bewußtsein des Menschen, das „Ich“ im psychoanalytischen Sprachgebrauch, ist ein äusserst fragiler Zustand, der kaum mal über 24 h aufrecht erhalten werden kann – dann müssen wir (endlich) schlafen. Entgegen der landläufigen Vorstellung, wonach das „Ich“ als Sitz der Rationalität des homo sapiens sapiens die maßgebliche Instanz in der Psyche sein solle, ist das „Ich“ aus der psychoanalytischen Perspektive regelmässig der schwächste Teil überhaupt, welcher von den unbewußten Instanzen – dem „Über-Ich“ oder „Ich-Ideal“, wozu auch das Gewissen gehört und dem „Es“ als Sitz der Triebe – dominiert wird. Die „Ich-starken“ Persönlichkeiten sind vergleichsweise selten. Viel häufiger, ja der Regelfall ist die „Ich-schwache“ Persönlichkeit, die gerne jede Gelegenheit nutzt, daß hoffnungslos überforderte „Ich“ in den Ruhezustand zu versetzen, zumindest teilweise zu entlasten dadurch, daß die „Ich-Funktionen“ an andere Instanzen ausserhalb der eigenen Person deligiert werden. Geläufig ist diese Delgation der Ich-Funktionen durch das Fernseh-gucken und Musik-hören. Die Steuerung der eigenen Person wird dabei durch den Film oder die Musik übernommen. Solange man „guckt“ oder „hört“ braucht man keine weiteren eigenen Entscheidungen mehr zu treffen.
Und genauso verhält es sich mit der kulturgeschichtlich älteren Vermassung: auf Volksfesten, in Diskotheken, bei Demonstrationen, im Fußballstadion und ähnlichen Veranstaltungen delegiert jeder Besucher einen Großteil seiner „Ich-Funktionen“ an die Masse und verblödet regelrecht, weil die Rationalität eben eine „Ich-Funktion“ ist. Gerade bei Fußballfans und Diskothekenbesuchern ist dieser Verblödungseffekt sehr schön zu beobachten. Unter diesen Bedingungen regrediert der Homo sapiens sapiens nicht selten bis zum grunzenden Neandertaler, der seinen Aggressionen und seiner Libido freien Lauf gibt. Wegen des Verblödungseffekts der Vermassung unterscheiden sich auch die Prozesse in Kleingärtnervereinen, akademischen Gremien und Parlamenten kaum voneinander: sie handeln allesamt irrational, sofern es nicht narzisstisch aktiven Teilnehmern gelingt, ihre rationalen Vorhaben mit sinisteren Mitteln „durchzubringen“. Die Vermassung erfasst also durchaus auch Individuen hoher Bildung, welche sich in Luft auflöst, wenn sie von den Massenwirkungen erfasst werden, die aus Menschen Ameisen machen können. Die Regression kann also noch über den Neandertaler hinaus bis zu den Insekten reichen.
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Jetzt ahne ich, warum ich Menschenmengen ab 2 vermeide: Angst vor Verblödung -
und warum ich manche Verblödungsangebote (lesen, Film und Fernsehen) nutzen kann, um schwere Stimmungen zu überstehen.
und warum ich manche Verblödungsangebote (lesen, Film und Fernsehen) nutzen kann, um schwere Stimmungen zu überstehen.
„Moralisten sind Menschen, die sich dort kratzen, wo es andere juckt.“
Samuel Beckett
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Leider wurde die Überschrift durch die Moderation ohne Rückfrage geändert und damit erhält mein Text eine Konnotation, die so nicht beabsichtigt war.
Mir geht es nicht unbedingt um Massenveranstaltungen, wie der in Klammern gesetzte Terminus ja schon andeutete.
Vielmehr geht es mir um die Impulse der Menschen, bereitwillig an solchen Gemeinschaftserlebnissen teilzunehmen, die ja ohne sie - als Individuum - auch stattfinden würden. Bei Wahlen ist es ja beispielsweise so, dass Menschen nicht zur Wahl gehen, weil sie glauben, dass ihre Stimme bedeutungslos ist.
Zum gemeinsamen Wandern gehen sie aber, obwohl es auch dort keinen nennenswerten Unterschied macht, ob sie da sind - oder nicht. Wandern könnten sie auch ohne Begleitung.
Darüber hinaus frage ich mich, warum Menschen zu solchen (Massen-)Veranstaltungen gehen, obwohl sie erkennen müssten, dass Ziele verfolgt werden, die nicht ihren eigenen Interessen entsprechen.
Mir geht es nicht unbedingt um Massenveranstaltungen, wie der in Klammern gesetzte Terminus ja schon andeutete.
Vielmehr geht es mir um die Impulse der Menschen, bereitwillig an solchen Gemeinschaftserlebnissen teilzunehmen, die ja ohne sie - als Individuum - auch stattfinden würden. Bei Wahlen ist es ja beispielsweise so, dass Menschen nicht zur Wahl gehen, weil sie glauben, dass ihre Stimme bedeutungslos ist.
Zum gemeinsamen Wandern gehen sie aber, obwohl es auch dort keinen nennenswerten Unterschied macht, ob sie da sind - oder nicht. Wandern könnten sie auch ohne Begleitung.
Darüber hinaus frage ich mich, warum Menschen zu solchen (Massen-)Veranstaltungen gehen, obwohl sie erkennen müssten, dass Ziele verfolgt werden, die nicht ihren eigenen Interessen entsprechen.
Da alle Menschen unterschiedlich sind, dürfte jeder und jede ein anderes Motiv haben- und das variiert je nach Veranstaltung sicher auch noch mal. Mach doch vor Ort mal ne Umfrage.
Ich hab an Gestern nicht gedacht und nicht an Morgen
Es ist Nacht, ich steh am Fenster
Und für einen Augenblick leb ich im Jetzt
von: Keine Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen
Es ist Nacht, ich steh am Fenster
Und für einen Augenblick leb ich im Jetzt
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