Wie lernt man Herzlichkeit?

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
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sassygirl
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Wie lernt man Herzlichkeit?

Beitrag Sa., 04.01.2020, 20:31

Hallo ihr Lieben,

ich bin ein Mensch, der sich schwer tut, nach aussen hin herzlich zu sein - ich mag es an mir einfach nicht. Ich bin zwar sehr humorvoll und bringe Menschen auch sehr oft zum Lachen, aber ich glaube ich wirke distanziert und tatsächlich mag ich es auch nicht sehr gern, Menschen immer sehr nahe zu sein. Manchmal ist es ok für mich, aber meistens suche ich lieber etwas die Distanz. Dennoch bin ich sehr an Lebensgeschichten und Gefühlen und Emotionen anderer Leute interessiert, kann demnach gut zuhören und bin auch sehr hilfsbereit. Ich bin für viele meiner Freunde eine sehr verlässliche Stütze, denke ich. Sie kommen auch zu mir, um sich mit mir auszutauschen oder sich meine Meinung abzuholen. Ich fühle mich durchaus sehr geschätzt von anderen und dennoch erhalte ich immer wieder das Feedback, ich könnte herzlicher sein.

Tja.... nun frage ich mich, wie stellt man das an? Und was bedeutet eigentlich Herzlichkeit? Ist man ein schlechter Mensch, wenn man sich diesbzgl. schwer tut?

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Fairness
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Beitrag Sa., 04.01.2020, 21:25

Hallo sassygirl, ich glaube, Herzlichkeit hat mit Selbstvertrauen zu tun, dich den Mitmenschen zeigen, wie auch sie sich dir zeigen, das bringt Nähe und macht auch angreifbar, das ist für jeden so.. Doch bevor du das so sehr zum Herzen nimmst und dich fragst, ob du ein schlechter Mensch bist, kläre das lieber mit den Freunden, welche dir so einen Feedback gegeben haben - frage, was damit gemeint ist, in welchem Zusammenhang? Denn die Frage ist auch, wie ein Mensch diesen Begriff "Herzlichkeit" verwendet, welche Bedeutung hat er für ihn. Dann wirst du auch merken, ob sich eigene Wahrnehmungen der selben Situation von euch beiden überdecken und inwieweit.. Alles Liebe.
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mathilda1981
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Beitrag Sa., 04.01.2020, 21:34

Hallo,

hm, wie definierst du herzlich sein? Andere umarmen? Offener körperlicher Kontakt? Als ich mir deine Beschreibung über dich so durchgelesen habe, dachte ich - du bist mir sehr ähnlich. Ich bin sehr empathisch, arbeite auch in einem Bereich (Patientenbetreuung) in dem ich das sehr wichtig finde. Ich komme gut mit Menschen aus, bin hilfsbereit und finde auch schnell Zugang zu ihnen. Im Freundeskreis kann man mit mir auch ernste Gespräche führen und ich bin für andere da. Trotz allem bin ich körperlich distanziert. Ich falle niemanden "um den Hals", Umarmungen sind mir oft zu viel, selbst längeres Händeschütteln ist manchmal schwierig. Ich habe zwar momentan ein Nähe-Problem (Partnerschaft) - aber mit Freunden hatte ich schon immer eher dieses körperlich distanzierte Verhalten (war früher eigentlich auch nur mit Jungs befreundet und kaum mit Mädchen).
Das empfinde ich aber nicht als Makel. Und wurde mir bisher auch nicht so mitgeteilt.

Vielleicht liegt es auch oft an den Menschen, die einen umgeben? Ich habe auch eher körperlich distanziertere Menschen in meinem Bekanntenkreis. Es gibt ja Menschen, die sich ständig um den Hals fallen und zur Begrüßung Küsschen geben, Arm um jemanden legen usw... wenn ich eher mit solchen Menschen befreundet wäre, würde ich vielleicht eher auffallen.

Was machen denn die Menschen, die dir das gesagt haben, anders? Sind das eher "Kuschel/Küsschen/Umarm-Menschen"? Und wenn ja, möchtest du so sein und würdest dich damit wohlfühlen?

Lg Mathilda

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sassygirl
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Beitrag Sa., 04.01.2020, 22:35

...also um genau zu sein, ist es eine Interpretation von MIR, dass (bestimmte) Menschen mich zu wenig herzlich empfinden. Gesagt wurde mir, dass ich sehr verstandesgeleitet wahrgenommen werde und ich wenig Sensibilität durchblicken lasse. Und es ist wahrscheinlich auch wichtig zu erwähnen, dass ich diese Rückmeldung von LehrgangskollegInnen erhalten habe, die ich noch nicht so lange kenne. Beim Lehrgang geht es viel um Selbst - und Fremdwahrnehmung und dieses Feedback ist sozusagen Teil der Ausbildung.

Ich denke, dass ich von Arbeitskollegen ähnlich wahrgenommen werde.

Im Freundeskreis und bei Familie und Partnerschaft zeige ich mich schon sensibel, aber eher selten, glaube ich. Oder zumindest versuche ich es zu verbergen. Ich bin nicht gern sensibel. Was natürlich dazu führt, dass mir eine gewisse Herzlichkeit fehlt, vermutlich.

Ich frage mich einfach, ob mich das mega unsympathisch macht und ob das ein riesen Manko ist von mir.

Was ich unter Herzlichkeit verstehe:
Naja, um den Hals fallen ist mir sowieso zuviel. Das lasse ich nur zu, wenn es für mich passt und das kommt nicht so oft vor und kommt auch aufs Gegenüber an.
Ich regle sehr viel über meinen Verstand und bin - wenn ich nicht grad einen coolen Witz reisse - eher ernst. Ich glaub, ich hab auch eher eine strenge Ausstrahlung. Es gibt ja Menschen, die haben eine grosse Sanftmütigkeit in sich - ich bin das Gegenteil. Ich bin eine Kriegerin, wenn ich ein Bild dafür zeichnen müsste. Eine, die das Herz am richtigen Fleck hat und edle Werte vertritt, aber ich bin dennoch kämpferisch. Und irgendwie kann ich mich immer noch nicht so annehmen wie ich bin und leide irrsinnig unter meiner starken Wirkung auf andere.....

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mathilda1981
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Beitrag Sa., 04.01.2020, 22:47

sassygirl hat geschrieben: Sa., 04.01.2020, 22:35 Ich bin eine Kriegerin, wenn ich ein Bild dafür zeichnen müsste. Eine, die das Herz am richtigen Fleck hat und edle Werte vertritt, aber ich bin dennoch kämpferisch.
Für mich hört sich das überhaupt nicht negativ an.
sassygirl hat geschrieben: Sa., 04.01.2020, 22:35 Und irgendwie kann ich mich immer noch nicht so annehmen wie ich bin und leide irrsinnig unter meiner starken Wirkung auf andere.....
Vielleicht ist das Problem ja dann doch eher, dass du dich nicht so annehmen kannst wie du bist? Die Frage (jedenfalls für mich) ist, möchtest du "anders sein" oder möchtest du dich so annehmen können wie du bist?

Lg Mathilda

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sassygirl
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Beitrag Sa., 04.01.2020, 22:56

Liebe Mathilda,

deine Worte tun gerade so gut....

Ich möchte mich gerne annehmen, aber ich hab es trotz unzähliger Versuche (glaub mir, ich rede von einem jahrelangen Prozess auf vielen Ebenen) immer noch nicht geschafft... und ja, ein Teil von mir wäre gerne völlig anders. Dieser Teil wäre gern ruhig und still und angepasst, zurückhaltend und lieb. Dieser Teil hat den Wunsch von allen gemocht zu werden. Der andere Teil (mein Naturell) hat zu allem eine Meinung, hat viele Fragen, hat auch den Mut diese zu stellen, nimmt sich kein Blatt vor den Mund, provoziert auch manchmal gern und ist selbstbewusst.

Ich kann mein Naturell nicht annehmen. Ich fühle mich, als wäre ich eine Zumutung für andere Menschen.

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mathilda1981
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Beitrag Sa., 04.01.2020, 23:07

sassygirl hat geschrieben: Sa., 04.01.2020, 22:56
Ich kann mein Naturell nicht annehmen. Ich fühle mich, als wäre ich eine Zumutung für andere Menschen.
...weil du dich nicht für wertvoll hältst

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Anna-Luisa
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Beitrag Sa., 04.01.2020, 23:47

sassygirl hat geschrieben: Sa., 04.01.2020, 22:35 ...also um genau zu sein, ist es eine Interpretation von MIR, dass (bestimmte) Menschen mich zu wenig herzlich empfinden. Gesagt wurde mir, dass ich sehr verstandesgeleitet wahrgenommen werde und ich wenig Sensibilität durchblicken lasse. Und es ist wahrscheinlich auch wichtig zu erwähnen, dass ich diese Rückmeldung von LehrgangskollegInnen erhalten habe, die ich noch nicht so lange kenne. Beim Lehrgang geht es viel um Selbst - und Fremdwahrnehmung und dieses Feedback ist sozusagen Teil der Ausbildung.

Ich denke, dass ich von Arbeitskollegen ähnlich wahrgenommen werde.
Hast du einen sozialen Beruf? Ich habe festgestellt, dass es hier oft mächtig überhand nimmt mit Kursen "Wie wirke ich auf andere?", "Welche negativen Eigenschaften kann ich ins Positive umkehren?" und "Entspannung-plus-zu-sich-Findungskursen." Mir ging eine Fortbildung derart auf den Keks, dass ich mich in der Kaffepause verdrückt habe. ,-)

Herzlichkeit am Arbeitsplatz finde ich fehl am Platz. Tatsächlich sind es die Teams, die am ehesten gesprengt werden, wo sämtliche Kollegen zuvor beteuerten beruflich wie privat perfekt miteinander zu harmonieren. Nicht ohne Grund werden Paare eher nicht in einer Gruppe/auf einer Station/in einem Büro eingesetzt.

Dort wo man freundlich (aber eben nicht überschwänglich herzlich) miteinander arbeitet, läuft es in der Regel besser.
Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von den anderen. So wird dir Ärger erspart bleiben.
(Konfuzius)

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Fairness
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Beitrag So., 05.01.2020, 00:19

Liebe sassygirl, das liest sich jetzt für mich wie die Fragen der Zurückhaltung vs. Durchsetzung und des Kompromisses, der Gemeinsamkeit.. siehst du das auch so?
Man sieht, was man am besten aus sich sehen kann. (C.G.Jung)

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Beitrag So., 05.01.2020, 12:21

Hallo, findest du denn, dass du die lernen musst, wenn du dich anders viel wohler fühlst und auch so authentisch bist? Ich finde nicht, nur weil sich das andere Leute irgendwie wünschen... das ist ihr Thema; du musst dich mit dir wohl fühlen!
Ich hab an Gestern nicht gedacht und nicht an Morgen
Es ist Nacht, ich steh am Fenster
Und für einen Augenblick leb ich im Jetzt

von: Keine Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen

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Malia
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Beitrag So., 05.01.2020, 17:53

Ich denke nicht, dass man Herzlichkeit lernen kann.
Früher wusste ich auch nicht, was Herzlichkeit ist, weil ich sie nie erfahren konnte.
Später, im Laufe der Therapien und nach vielen guten Erfahrungen und Entwicklung merkte ich dann, dass ich meine Herzlichkeit zurückhielt, weil ich meinte, sie sei nichts wert und ich würde anderen zu nahe treten damit.
Aktuell ist es so, dass ich dann freundlich-offen- zugewandt (also herzlich) sein kann, wenn ich mich mit mir selbst wohl fühle.
„Moralisten sind Menschen, die sich dort kratzen, wo es andere juckt.“
Samuel Beckett

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Beitrag Di., 14.01.2020, 12:22

Malia hat geschrieben: So., 05.01.2020, 17:53 Ich denke nicht, dass man Herzlichkeit lernen kann.
Früher wusste ich auch nicht, was Herzlichkeit ist, weil ich sie nie erfahren konnte.
Später, im Laufe der Therapien und nach vielen guten Erfahrungen und Entwicklung merkte ich dann, dass ich meine Herzlichkeit zurückhielt, weil ich meinte, sie sei nichts wert und ich würde anderen zu nahe treten damit.
Aktuell ist es so, dass ich dann freundlich-offen- zugewandt (also herzlich) sein kann, wenn ich mich mit mir selbst wohl fühle.
Hmm... Da hast Du Glück.
Ich habe auch lange Therapiezeiten hinter mir - und das Interessante ist, dass man mir das, was ich als herzliches Verhalten empfinde, im Umfeld nicht abnimmt. In meiner Familie und meinem privaten Umfeld wurde und wird Freudlichkeit immer taktisch eingesetzt. Man ist Jovial zueinander, weil man Freundlichkeit und Herzlichkeit als Instrument einsetzt, um von einem anderen etwas zu bekommen.
Leider habe ich in Gruppentherapien sehr schlechte Erfahrungen machen müssen. Der sogenannte "Geschützte Raum" hat sich in allen Fällen als potemkinsches Dorf entpuppt. Die gegenseitig gegebene Schweigepflicht wurde gebrochen, irgendein Anwesender ist gleich losgezogen und hat alles brühwarm z.B. meiner Ex oder Familienmitgliedern erzählt, die das dann gegen mich verwandt haben.

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