Verunsicherung durch Bewertungen

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
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Oiseau34
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Verunsicherung durch Bewertungen

Beitrag Mo., 25.02.2019, 17:05

Hallo, ich bin Philipp, seit ein paar Tagen ## Jahre alt. Ohne jetzt großartig auf eine Vorgeschichte einzugehen ist mir heute schon wieder etwas sehr seltsames passiert, was mich an mir selber in maximaler Art zweifeln lässt und ich mir hier irgendeine Antwort erhoffe. Wird etwas länger werden, auch wenn ich mich auf das Wesentliche beschränke.

Bin momentan Arbeitslos, habe aber am ##. ein Vorstellungsgespräch. Heute hatte ich einen Termin beim Jobcenter. Meine Vermittlerin ist grundsätzlich nett und ich kann nichts negatives sagen, allerdings bezeichnete sie mich heute u.a. als "Computerfreak", was sozusagen der Beginn des Ganzen ist. Ich muss hier anmerken, dass ich nirgends angegeben habe irgendwas mit Computern zu machen, heißt also im Grunde ist es wohl offensichtlich klischeehaftes Schubladendenken aufgrund meines aussehens (?). Muss allerdings dazu sagen ich trage weder eine Brille, noch bin ich Dick (1.8# groß / 7#kg). Ich bin jetzt nicht total unwissend was Computer angeht, aber das geht nicht über simples Amateurwissen hinaus und ist alles andere als Freak Level. Schon 201# wurde ich von jemandem als "Nerd" bezeichnet, was mich ebenfalls enorm verunsichert hat. Das ist sozusagen Teil 1 des ganzen. Hatte damals mit meiner Mutter darüber gesprochen, die meinte ich würde nun überhaupt nicht wie ein Nerd aussehen. Wenn das aber zwei voneinander unabhängige Personen erwähnen sollte man sich dann doch mal Gedanken machen... (?)

Bin dann anschließend mit ihr zusammen hoch ins #### (das ist so eine 4 wöchige Maßnahme des Jobcenters die ich zuvor schon durchlaufen hatte), habe dort aber nur mit dem Leiter, den ich relativ gut kenne gesprochen. Wir gingen in einen separaten Raum. Dort wurde ich sofort gefragt ob ich denn Sport machen würde. Ich meinte nur momentan nicht aber würde u.a. Joggen gehen (immerhin schon 2#km Distanz geschafft). Er sah bei mir massive Probleme was Körperspannung angeht. Ich würde aussehen als würde ich die ganze Last auf mir tragen (weil ich ja arbeitslos bin und so, jaja...). Meine Vermittlerin, die auch dabei war, meinte ich würde müde und abgeschlagen wirken. Ich saß nur da und konnte es nicht fassen bzw. war innerlich fast wie gelähmt was da alles auf mich einprasselte. Habe mich total geschämt, als kurz eine etwas jüngere Praktikantin (?) reinkam drehte ich mich leicht zur Seite und Hand vor Gesicht, damit die mich nicht "ertragen" muss. Bin total am Boden gewesen und mich wie das letzte Stück Scheiße gefühlt. Auch sowas wie "ich solle ja mal jeden Tag 20-30 Minuten rausgehen" und Vitamin D (Sonne) tanken wurde erwähnt. Dann wurde mir noch vorgeworfen ich hätte ein Denken wie Manager, die auch immer auf Leistungen der Vergangenheit verweisen, nur weil ich erwähnte, dass ich schonmal Halbmarathon gelaufen bin. Dabei wollte ich sozusagen nur erwähnen, dass ich durchaus Sport Affin bin und nicht nichts tue.

So, das klingt jetzt so als würde ich sonstwie aussehen und niemals Sport treiben. Ehrlicherweise habe ich wirklich seit 2-3 Monaten nichts mehr in dem Punkt gemacht, allerdings hat sich mein Körper nicht so sehr verändert dass ich jetzt keine Körperspannung mehr hätte und mein Gewicht habe ich auch gehalten, sogar leicht abgenommen... außerdem gehe ich regelmäßig mit unseren zwei Hunden laufen (kein Jogging). Ich habe zuvor neben Jogging auch paar Fitnessübungen gemacht und immerhin bei der Plank 2,5 Minuten geschafft. Also ist das doch totaler Quatsch oder nicht? Selbst wenn das etwas her ist verändert man sich doch nicht so extrem in so kurzer Zeit. Meine Haltung ist nicht kerzengerade, dass muss ich zugeben, aber hat das wirklich mit Körperspannung zu tun? Und wie schlimm ist das alles wirklich? Auch in Bezug auf das anstehende Vorstellungsgespräch.

Mein Selbstwert ist danach mal wieder total im Keller gewesen und meine Gedanken kreisten um viele Dinge, würde ich als tief in Demut getauchte Trauer bezeichnen. Ich fühle mich auch jetzt noch (etwa 5 Stunden danach) sehr schlecht. Ich bezieh das dann auch auf sehr viele Bereiche des Lebens und was wohl andere von einem Denken, was einem selber vielleicht nicht alles auffällt. Auch an Frauen muss ich denken, die einen doch so niemals nehmen würden, mich schon garnicht. Solch lächerliche Computerfreak Figur ohne Körperspannung, und dazu noch arbeitslos oh je. Es ist so abgrundtief deprimierend, vor allem wenn man sich in dieser dämlichen Rolle überhaupt nicht sieht.

Mich versunsichert auch total, dass ja offensichtlich alles an einem beurteilt oder bewertet wird. Wer weiß was sich andere schon alles bei mir gedacht haben. Aber wie man da locker und flockig sein soll verstehe ich dann wiederum auch nicht. Da könnte doch kein Mensch der Welt locker sein, sozusagen Big Brother is Watching You all the time. Könnte hier noch ewig weiterschreiben aber wie ihr bestimmt merkt bin ich vollkommen verunsichert. Was kann ich machen und wie seht ihr das?

Viele Grüße
####

Hinweis Admin: u.U. konkreten Personen zuschreibbare Angaben (z.B. Realnamen, konkrete Zeitangaben u.dgl.) wurden aus dem Beitrag entfernt. Bitte lesen Sie die Benutzungsregeln / Netiquette des PT-Forums hinsichtlich unserer Bemühungen betr. Anonymität. Danke.

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blade
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Beitrag Mo., 25.02.2019, 17:24

2 Arten von in der Masse verloren gehen gibt es.

"Arm ist der Mensch, welcher die Zeichen nicht sieht und deutet, finster wird sein Schicksal sein

doch härter noch trifft es den, der Zeichen sieht wo keine sind"


nur eine dramaturgische Übertreibung, kein Angriff.

ich meine es wird so viel Zeugs von so vielen Menschen gesagt, nicht immer legen diese ihre Worte auf die Goldwaage, eigentlich zunehmend selten.

es wäre so als würde man aus jedem unüberlegten Wort eine persönliche Aufgabe ableiten.

darin verliert man sich und driftet immer weiter von sich selbst weg.

hoffe Dir nicht auf den Keks gegangen zu sein.

mfg

PS: Wenn es unglücklich läuft, versuchst Du beim Vorstellunggespräch den Typus darzustellen, den Dir die ABC-Leute aufdrücken wollen und Du kriegst dann DESHALB den Job nicht, weil Du nicht Du selbst warst.
Zuletzt geändert von blade am Mo., 25.02.2019, 17:41, insgesamt 1-mal geändert.
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lisbeth
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Beitrag Mo., 25.02.2019, 17:25

Hallo Philipp und herzlich willkommen hier im Forum,

wenn ich dich richtig verstanden habe, verunsichert dich, dass deine Beraterin dich in eine Schublade packt (Nerd, Computer-Freak, unsportlich), in der du dich nicht wiederfindest?

Ich glaube, das würde erstmal vielen Menschen so gehen, wenn das Gegenüber sie "falsch" einsortiert.
Die Frage ist ja, wie du damit umgehst. Du hast ja versucht, die Einschätzung zumindest zT grade zu rücken und hast darauf hingewiesen, dass du durchaus Sport machst, wenn auch in den letzten Wochen/Monaten nicht ganzsoviel - das ist doch schon mal was. Damit hast du dich ja auch ein Stückweit zur Wehr gesetzt, auch wenn das anscheinend nicht so richtig angekommen ist...

Das Problem ist ja, dass du in einer Art Abhängigkeitsverhältnis bist vom Jobcenter und von der Beraterin. Was ich vermute: Dass das so eine Art "Standard-Intervention" ist, die die im Rahmen dieser "Netzwerk ABC"-Teilnahme allen überstülpen. Da geht es ja wahrscheinlich darum, neben der Jobsuche selbst, alle anderen Bereiche (Gesundheit, Sozial, Freizeit etc. ) zu unterstützen und "Hilfsangebote" zu machen, falls es dort irgendwelche Hürden gibt, die der Jobsuche im Wege stehen... Und passt da aufgrund deines Alters und der Tatsache, dass du ein Mann bist vielleicht zufällig in das Profil "Nerd" hinein. Und da bohren die halt mal ein bisschen nach (auf ziemlich ungeschickte Art und Weise), wie du es mit dem Sport und so hältst... Dass du das übergriffig findest und dich da irgendwie zu Unrecht "angeklagt" fühlst, kann ich verstehen. Zumal du ja mitziehst und dich bewirbst und ja demnächst auch ein Vorstellungsgespräch hast.

Ich würde versuchen, dem erstmal nicht allzuviel Gewicht zu geben. Die kennt dich kaum, ihr seht euch für vielleicht 15 Minuten alle paar Wochen - was weiß die schon über dich? Sie hat ja auch nicht gesagt: "Herr Philipp, wenn wir uns das nächste Mal sehen, möchte ich, dass Sie einem Sportverein beigetreten sind, und dort regelmäßig trainieren - Hier ist übrigens eine Liste mit Angeboten... " Also zu befürchten hast du glaube ich erstmal nix.

Bleibt die Tatsache, dass es dich ärgert und verunsichert. Da kannst du dich vielleicht mal fragen, warum das so ist? Dass du dich so sehr von der Meinung anderer abhängig machst, obwohl du ja weißt, dass es so nicht stimmt. Hättest ja auch denken können: Ach rutscht mir mal den Buckel runter...
Kennst du das auch aus anderen Situationen und mit anderen Leuten? Wie gehst du da damit um?
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott


shesmovedon
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Beitrag Mo., 25.02.2019, 18:15

Das wäre mir aber mal ganz egal, was die denken, Solang sie dir helfen nen guten Job zu finden....

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Oiseau34
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Beitrag Mo., 25.02.2019, 20:30

Danke für die Rückmeldungen.

@blade und @lisbeth: Deinen Gedankengang bzw. das Zitat finde ich interessant blade und es steckt viel Wahres darin. Allerdings muss man schon auch unterscheiden, ob ein Wort aus einer Unterhaltung heraus quasi nebenbei fällt oder man sich explizit über längeren Zeitraum über ein Thema unterhält. Das mit dem "Computerfreak" war sicherlich eher eine Randbemerkung wobei das aber wiederum zu einer vorangegangenen Begebenheit passt als ich ebenfalls als Nerd bezeichnet wurde bzw. wie einer der so aussieht (ebenfalls von einer Frau mit "pädagogischem Hintergrund").
Die andere Sache mit der Körperspannung wurde ja ausführlichst mit dem besagten Leiter dieses ABC-Netzwerks diskutiert (inklusive meiner Vermittlerin, die ab etwa der Hälfte des Gesprächs dann allerdings keine Zeit mehr hatte und ging).
Ich kann natürlich nicht jedes Wort der anderen einfach als Unsinn oder Unwichtig abtun. Dass ich da vermutlich sensibler drauf reagiere als andere liegt dann aber wiederum in meinen zahlreichen Misserfolgen aus der Vergangenheit, auf die ich ja bisher noch nicht eingegangen bin.

Mir fällt es nur eben schwer das alles richtig einzuordnen und mich nicht in dieser endlosen Negativität zu verfangen. Bin auch ehrlich, habe vorhin auch fast eine Stunde lang teilweise extrem geweint, meine Gedanken kreisen dann um so viele Dinge, teilweise auch aus der Vergangenheit. Es gibt für mich auch quasi keine Erfolgserlebnisse auf die ich zurückgreifen könnte, sozusagen einen Anker der einen rettet. Für mich ist das ein ganz tiefes schwarzes Loch und ich sehe auch keinen Ausweg. Klingt jetzt sehr dramatisch, so schlimm war es dann wiederum nicht, ist mir klar. Und ich weiß dass es morgen schon besser gehen wird. Nur ist das eben eine weitere Verunsicherung, die mich mental bzw. mein Selbstwertgefühl weiter schwächt.

Die Schublade stört mich schon gewaltig, ja. Ich assoziiere mit den Begriffen auch sehr viel negatives, garnicht von mir selbst aus, ich habe überhaupt nichts gegen Nerds, mir geht es eher darum was andere davon halten. Und dann ist ja die Frage bin ich zu unrecht in der Schublade oder nicht. Und selbst wenn ich persönlich zu 100% sage nein, es kommt überhaupt nicht darauf an wie ich es einschätze. Es geht leider nur darum wie andere einen sehen.
Ich glaube im Übrigen auch nicht unbedingt, dass jeder mit ähnlichen Rahmenbedingungen gleich als Nerd angesehen wird. Ich habe da schon 50+ Leute gesehen und niemand wurde so bezeichnet.

Vermutlich geht es bei mir wirklich eher darum das gesagte anzunehmen, gleichzeitig aber nicht in eine übertriebene Negativität zu verfallen. Vielleicht habe ich tatsächlich ein Aussehen was einem Nerd zumindest nicht unähnlich ist, das weiß ich allerdings nicht genau. Gleiches gilt für meine Körperspannung bzw. Haltung und das Auftreten. Ich weiß es einfach nicht.

Ich reagiere definitiv sensibel auf viele Sachen und achte auf fast jedes Wort. Allerdings würde ich nicht unbedingt sagen dass ich Worte niemals richtig einordnen kann. Glaube schon dass ich auch über viele Sachen hinwegsehen kann und in der Vergangenheit gemacht habe. Bin da ansonsten auch nicht verkrampft sondern eher locker. Manche Dinge sind mir aber zu viel bzw. sprechen einen neuralgischen Punkt in mir an. Gerade dann, wenn es schonmal irgendwo in der Vergangenheit vorkam. Ich weiß nicht wie ich da eine Balance wahren kann.

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blade
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Beitrag Mo., 25.02.2019, 21:13

Hi Oiseau34

Wusste nicht, daß Du geweint hast deswegen.
Hätte meine Worte dann anders gewählt.

Ich meine einfach: Die ziehen dort ihr Programm durch (ABC...das sagt ja schon einiges)

Die haben so eine Art Kochrezept wie es scheint.

Das ist an sich unpersönlich quasi schon fast militärisch.

Natürlich ist das für feinfühligere Menschen oft nicht so toll, vor allem wenn man die allgemeine Tendenz von
feinfühligen Menschen bedenkt sich nicht für feinfühlig zu halten und unbewusst anzunehmen alle Menschen würden auch so sein.

Die Beschreibung wie Du Dein Gesicht bedeckt hast, hätte mir zu denken geben sollen.


Und das Du schon einen Leidensweg hinter Dir hast, das erkenne ich auch erst, nachdem Du es geschrieben hast.


Aber vielleicht ist es wirklich so wie Du bereits angedeutet hast:
Nur ein wenig in die Richtung gehen, die sie Dir gezeigt haben. Ein wenig mehr Körperspannung, nur eine Idee vielleicht.

Vielleicht geht es ja nur um Nuancen und nicht um ALLES ODER NICHTS?
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