Zurück nach vorn ins 'normale Leben'

Was Sie in Bezug auf Ihre eigene Zukunft, oder auch die gegenwärtige Entwicklung der Gesellschaft beschäftigt oder nachdenklich macht.
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sgtmax1
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Beitrag Fr., 03.07.2020, 23:01

@LSeneca: Ich bin mir sicher das du die Ausbildung schaffst und diese schwierige Zeit auch überstehst.

Wichtig ist das du dich an guten Dingen aufbaust und die schlechten Dinge nicht so stark an dich ranlässt.
Und schau dir an, was du bisher geschafft hast. Ich hege da keine Zweifel, das du den Weg weitergehst.

Ich bin seit Jahren freiwillig im Rettungsdienst und habe jenen auch für ein paar Monate beruflich ausgeübt, und wenn ich schon Gott sei Dank nie einen realen Patienten reanimiert habe, so kann ich dir doch einige Erfahrungen mitgeben.

Was das reanimieren betrifft, mit der Zeit wird es immer automatischer, ohne viel Nachdenken, auch bei realen Patienten(was mir Kollegen bestätigt haben).
Und man härtet auch mit der Zeit ab, es klingt hart, aber es ist Selbstschutz und dadurch nehmen einem gewisse Situationen nicht mehr so sehr mit.


Ich wünsche dir weiterhin alles Gute.
Du schaffst das, davon bin ich überzeugt.
Und ich freu mich schon deine weiteren Erfahrungen zu lesen.

lg Max

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Mie
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Beitrag Di., 07.07.2020, 13:21

Hi LSeneca,

ich hab deine Beiträge gelesen und es lief mir teils kalt den Rücken runter. Nicht dass du mich falsch verstehst. Ich bewundere die Stärke die du bis zum heutigen Tag gezeigt hast.

Ich glaube jeder von uns möchte sich nützlich und wichtig im System fühlen und Fuss fassen.

Ich glaub auch nicht, dass ich an deiner Stelle so lange durchgehalten hätte wie du.

Ich wünsche dir, dass du auf Dauer an dieser Situation nicht emotional verschleißt. Selbst wenn du das letzten Endes Jahre durchhältst kann es deine Lebensqualität sehr einschränken. Ich sehe es auch irgendwo als problematisch an sich so sehen zu wollen wie psychisch unbelastete Menschen. Das ist nämlich ein sehr ungleicher Vergleich da die Anforderungen im Beruf meist so hoch angesetzt sind, dass man im Minimum sowieso auf 100% Leistungsfähigkeit läuft und das auch für normal gesunde Menschen belastend ist.

Wenn dann auch noch das Zwischenmenschliche schwierig ist, glaube ich gibt einem das mittelfristig den Rest. Leider ist es nicht so, dass man sich diesen Menschen immer entziehen kann. Ich fürchte die haben halt wesentlich mehr Reserven es dir schwer zu machen als dass du denen Gegenwind bietest.

Ich wünsche dir trotzdem alles Gute und viel Kraft und hoffe du findest einen für dich gangbaren Weg aus dieser für dich unbefriedigenden Situation.


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Beitrag Mi., 08.07.2020, 08:43

Mie, es kann aber auch anders laufen. Durch einen Job, die damit verbundene Anerkennung (wenns denn gut läuft), kann man auch wieder mehr mit sich ins Reine kommen, sich wieder gesünder fühlen; die Teilhabe am gesellschafltichen LEben ist so gegeben, man kann sich durch das verdiente Geld etwas leisten, steht nicht außen vor. Ich finde es eigentlich gut, wenn auch ein Mensch mit psychischer ERkrankung versucht, sein Leben so zu gestalten, wie andere Leute (die ohne offiziellen Psychostempel) auch. Tatsächlich muss jeder Mensch, ich denke sogar sogenannte Gesunde ebenfalls, einfach einen passenden Job finden (Kollegen und Anforderungen sollten passen) und kann damit stabiler durchs Leben gehen. Auch ein vormals halbwegs gesunder KAndidat geht kaputt, wird krank, wenn er seinen Job nicht kann, mit den Kollegen nicht klar kommt. Es geht in meiner Sichtweise darum, dass man den Job findet, der passt. Und ich finde es sehr wichtig, trotz psychischer Erkrankung weiter an seinem Leben zu arbeiten, daran, womöglich einen beruflichen Traum zu verwirklichen. Sonst kann man sich doch wirklich sofort begraben lassen. Ganz ohne Träume.

Ich würde auch nicht sagen, dass Jobs nicht zu schaffen sind. Menschen mit Psychoerkrankung neigen oft dazu, sich minderwertiger zu fühlen, sehen nicht, dass die Kollegen öfter mal KAffeepause machen und malträtieren sich, wenn sie vermeintlich mehr Pausen brauchen. Ich glaube, der Unterschied von GEsund und Krank liegt oft vorallem darin, wie man mit sich umgeht, ob man sich Pausen zugestehen kann etc. Wer gesund ist, macht eben einfach Küchensmalltalk, wenn er ne Pause braucht. Wer psychische Probleme hat, denkt, wenn der Rechner langsam flimmert, dass er nicht belastbar ist.

Deshalb: Ich plädiere total dafür, dass man mutig ist und versucht, sein Leben zu gestalten, sich nicht in Psychowatte packt und denkt, die sogenannten Gesunden sind viel leistungsfähiger. Sie gehen einfach oft anders mit sich um. Man sollte vielleicht nicht direkt Managementstellen anstreben - genauso wie jemand, der Rücken hat, vielleicht nicht auf dem Bau arbeiten sollte.
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Mie
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Beitrag Mi., 08.07.2020, 10:14

Von Aufgeben hat niemand geredet. Auch ich nicht. Sondern davon zu schauen ob das Gesamtpaket dort wo der TE ist noch passt.

Wenn man nun der Ansicht ist, dass psychisch vorbelastete Menschen gleich Leistungsfähig wie unbelastete sind, dann stelle ich mir die Frage, wie stark die Erkrankung bei diesem Menschen ist. Die ist dann wohl nicht besonders ausgeprägt, wenn es "nur" das Wohlbefinden betrifft und sonst alles in Butter ist. Aber eigentlich habe ich so leichte Störungen nicht angesprochen.

Und da von einer Depression gesprochen wurde (und da ist man nicht voll leistungsfähig!) bin ich davon ausgegangen, dass das auch gemeint ist und nicht die Stimmungsschwankung von heute Früh. Sei es bei Konzentration über eine sehr lange Zeit oder in Belastungs-/Stresssituationen.

Aber gut wenn man das eh alles so schafft dann seh ich da auch kein Problem.

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Beitrag Mi., 08.07.2020, 10:39

Ich weiß nicht, was die Threadstarterin für ein Krankheitsbild hat. Aber ich weiß, dass Menschen mit psychischen ERkrankungen dazu neigen, sich selbst runterzuziehen und abzuwerten, zu verlgeichen und dabei immer der Meinung sind, sie sind nicht so leistungsfähig, wie die Anderen - weil das eine Sicht auf die ERkrankung ist, die gesellschaftlich geprägt ist. Und das stimmt für die akute Phase einer ERkrankung sicherlich, aber meist ist man nicht dauerhaft schwer- bis mittelgradig depressiv und dennoch trauen sich dann viele Leute mit offizieller Diganose nichts mehr zu, denken sie wären weniger belastbar. Ich hab offiziell Schizophrenie und arbeite 40h die Woche, ausschließlich mit meinem Kopf. Natürlich kann ich nciht arbeiten, wenn ich einen akuten Schub habe, aber ich verweigere mich dagegen, mir einreden zu lassen, dass ich nicht so belastbar bin, wie andere (sogenannte GEsunde). Kein Mensch hat gerne zwischenmenschlichen Stress auf ARbeit, kein Mensch wird gerne arbeitsmäßig überfordert und jeder und jede reagiert darauf und psychisch ERkrankte finden dann meist den FEhler bei sich - und ich kenne das von mir; ich hab extreme Stressjobs gemacht, bin zusammengebrochen und dachte, ich bin nicht belastbar (sicher weniger als andere, aber eine Kollegin von mir wurde auf Grund von Wachstumsverzögerungen ihres Fötus aus dem Job genommen- sie ist psychisch nicht eingebrochen, aber auch sie zeigte ungute Reaktionen). Mittlerweile arbeite ich so, wie ich mich wohlfühle und mir hilft das, um psychisch stabil zu bleiben. Ich sehe es so, dass es für jeden eine Nische gibt und man die finden muss. Und da hilft es nichts, wenn man sich immer wieder einredet, man sei weniger belastbar - in der akuten Phase ist man nicht arbeitsfähig und ja, es gibt Menschen, die sind dauerhaft leider in akuten Phasen, aber viele Menschen mit einer Psychodiagnose können in einem guten Umfeld mit passender Jobbeschreibung einen guten Job machen. Man ist nicht schlechter als jemand, der gesund ist- viele Menschen mit psychischer Erkrankung haben einfach weitaus schwerwiegendere Erfahrungen gemacht. Und sich als nicht belastbar zu bezeichnen, wird dem Ganzen wohl kaum gerecht. Das ist eine Sicht auf psychisch Kranke, die ARbeitgeber gerne haben - das ist Stigma. Und es stimmt selten, denn man entwickelt selten aus dem Nichts Krankheitssymptome. Deshalb spreche ich auch von sogenannten Gesunden.
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Beitrag Mi., 08.07.2020, 11:20

Es ist ja nicht so, dass psychisch erkrankte gar nicht belastbar sind, oder fast nicht. Das trifft wohl echt nur auf die von dir erwähnte akute Phase zu. Das stimmt, die dauert nicht ewig an. Aber auch nach dieser Phase ist man für gewöhnlich nicht voll belastbar. Darum steigt man in den Ländern in denen das möglich ist (bspw. in der Schweiz) in der Regel nach einem längeren Krankenstand auch nicht wieder mit 100%, sondern etwa mit 50% ein, oder reduzieren ihre Arbeitszeit auf 80% oder besprechen ihre Arbeitsbedingungen mit dem Chef oder was auch immer, je nachdem was sinnvoll erscheint.

Es geht auch nicht darum ob jemand der psychisch erkrankt ist dasselbe leistet oder weniger oder mehr. Kann ja alles sein. Sondern ob es für ihn so in dieser Situation dauerhaft auszuhalten ist. Man kann ja nicht alle in denselben Topf werfen. Ich finde es echt toll, dass du einen Weg gefunden hast wo es für dich passt und wo du gefordert bist und Anerkennung bekommst. Wo andere eine PTBS bekommen wäre für jemand anderes dieser Auslöser vielleicht gar keiner. Wer weiss das schon.


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Beitrag Mi., 08.07.2020, 15:16

Ich denke, wenn man die richtige Stelle findet, ist es dauerhaft auszuhalten. Darum geht es mir. Jemand, der gesund in einen miesen Job startet, ist nicht lange gesund, wenn er nichts anderes findet bevor er gehen kann. Psychisch kranke Menschen, nach meiner ERfahrung und Sicht, sind eben die Menschen, die nicht gehen, sondern den Fehler bei sich suchen. Deshalb: Ich finde, jeder Mensch sollte im Berufsleben auf sich aufpassen, aber ich glaube/ behaupte, dass Menschen, die eine psychische Erkrankung überstanden haben, im richtigen Job auch sehr gute Leistungen bringen können und das Arbeit nicht per se das Falsche ist.

Thema PTBS: Möglich, dass der eine sie schneller bekommt- aber das liegt dann wohl in der Kindheit, die vielleicht von demjenigen, der jetzt ein Gewaltverbrechen gut übersteht, gar nicht so gut überstanden worden wäre. Ist komisch ausgedrückt, aber ich denke wirklich, dass man nicht sagen kann, dass jemand mit psychischer Erkrankung unbelastbar oder weniger belastbar ist. Denk an schwere Depressionen: Eine absolute Belastungsprobe und wenn man danach noch lebt, kann man schon einiges aushalten. ;-) Ich finde einfach, dass man sich das auch bewusst machen sollte und daher frohen Mutes ins Arbeitsleben starten kann. Andere haben diese Erfahrung eben nicht machen müssen und das ist schön für sie, macht dich aber auf andere Art zu einem zähen Hund. :-)
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LSeneca
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Beitrag Sa., 14.11.2020, 11:04

Hallo an alle,

es tut mir sehr leid, dass ich gar nicht mehr geschrieben habe. Ich habe alle Kraft gebraucht, um meine kurze aber intensive Ausbildung zu schaffen. Und ich habe es geschafft!
Der Depression und meinen Ängsten zum Trotz. Es war ein extrem schwieriger Weg für mich, aber ich wollte mir selbst beweisen, dass es auch mit psychischer Erkrankung möglich ist, an seinen Zielen festzuhalten.
Während meiner Ausbildung bin ich zum Teil mit schlimmen und potentiell traumatischen Situationen konfrontiert worden. Viele haben mir von dieser Ausbildung abgeraten, da sie besondere psychische Belastungen birgt, die selbst für einen gesunden Menschen schwierig zu verkraften sind. Es war aber ein Herzenswunsch von mir, genau diesen Job zu machen. Manche Bilder hatten einen Nachhall von mehreren Wochen und es gab Tage, da hatte sich meine Symptomatik stark verschlechtert. Es gab aber auch zahlreiche Momente, in denen ich so glücklich war, wie schon lange nicht mehr. Momente, in denen ich genau das gemacht habe, was ich schon immer machen wollte, trotz meiner psychischen Erkrankung. Das hat mir Kraft gegeben.
Auch in der Konfrontation mit dem Tod lag eine für mich eine lehrreiche, wenn auch schmerzliche Lektion. Es hat mich darin bestätigt, dass es richtig ist, auszutesten, was geht, auch wenn es vielleicht schief geht. Das schlimmste was passieren kann, ist ein unerfülltes Leben geführt zu haben.
Es lohnt sich immer wieder aufs Neue gegen die Depression und Ängste anzukämpfen und über die Selbstzweifel mutig hinweg zu gehen.

Ich bin sehr froh, dass ich nicht den Weg eingeschlagen habe, zu dem mir Psychiater, manche Therapeuten und andere Institutionen geraten haben- denn dann wäre ich heute vollgepumpt mit Psychopharmaka, wäre weiterhin ein Dauerpatient in Kliniken, würde in einem betreuten Wohnen leben und in einer Einrichtung für psychisch kranke Menschen einer einfältigen und nicht erfüllenden Arbeit nachgehen.

Es lohnt sich, immer zweifelnd zu bleiben und in letzter Instanz auf das eigene Herz zu hören.

LG LSeneca

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Südländerin
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Beitrag Sa., 14.11.2020, 19:04

LSeneca hat geschrieben: Sa., 14.11.2020, 11:04 Ich bin sehr froh, dass ich nicht den Weg eingeschlagen habe, zu dem mir Psychiater, manche Therapeuten und andere Institutionen geraten haben- denn dann wäre ich heute vollgepumpt mit Psychopharmaka, wäre weiterhin ein Dauerpatient in Kliniken, würde in einem betreuten Wohnen leben und in einer Einrichtung für psychisch kranke Menschen einer einfältigen und nicht erfüllenden Arbeit nachgehen.
Das ist schon stark. Kann das sehr gut nachvollziehen. Weiterhin Viel Erfolg

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