sexueller Missbrauch - Sich nicht erinnern

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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helgak62
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Beitrag Di., 10.09.2019, 15:11

Aber schön, dass deine Schwester da offen war! Ich würde mir das auch wünschen, dass ich zumindest jemand fragen könnte und auch Antworten bekomme. Diesbezüglich hab ich resigniert, weil es einfach nur wehtut, wenn weggeschaut, die Fassade aufrecht erhalten wird und man dann doch nur wieder mit dem ganzen Mist alleine da steht.

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Sinarellas
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Beitrag Mi., 11.09.2019, 08:44

Alsob die Antworten am Ende helfen würden. Das ist eine Hoffnung die man hat, tritt sie jedoch ein, ist nicht unbedingt klar, dass das dann erleichterung oder Verständnis schafft.
Wichtiger wäre zu schauen wie man sich selbst die Antworten geben kann, sich selbst helfen kann ohne andere dafür zu brauchen, ohne Antworten und Fragen zu besprechen beim Thema Trauma.
Letztlich ist auch völlig egal was andere sagen oder welche Wahrheit sie haben, die muss nicht deine sein und trotzdem können beide richtig sein. Daher mach dich bei deinen Fragezeichen nicht von anderen abhängig.
..:..

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helgak62
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Beitrag Mi., 11.09.2019, 20:31

Ich hör mir gerne verschiedene Perspektiven an, was davon ich persönlich als hilfreich wahrnehme, entscheide ich gerne selber.
Ich hab bis jetzt meine Antworten selber gesucht und werde das auch weiterhin so tun. Abgesehen davon wird es auf viele Dinge vielleicht nie eine geben.

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Möbius
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Beitrag Sa., 14.09.2019, 09:57

Was hier angesprochen wird, ist das Bedürfnis nach „Realitätsprüfung“, das für Erinnerungen in der Psychoanalyse typisch ist und auch ein starkes Indiz dafür, daß es ich um eine echte Erinnerung handelt und nicht um Suggestion, Induktion, Schizophrenie oder wie auch immer „falsche“ Erinnerungen zustande kommen können.

Ein Trauma ist unerträglich und wird eben deswegen oft verdrängt – und auch das wieder-bewußtwerden des Traumas ist ein Trauma. Die Abwehrmechanismen werden erneut aktiv, versuchen, das Trauma ins Unbewußte zurückzuziehen, ähnlich wie sie es bei auf traumatischen Erinnerungen beruhenden Alpträumen regelmässig schaffen: sie verschwinden spätestens wenige Minuten nach dem Aufwachen, wenn man sie nicht sofort notiert oder mit einem Voicerecorder speichert. Deswegen muß man, wenn man mit Traumdeutung arbeiten will, entsprechendes Gerät griffbereit am Bett liegen haben.

Wegen dieser Unerträglichkeit stellen sich auch auf der Bewußtseinsebene Zweifel ein: „Das kann doch wohl nicht wahr sein ?!“, man lehnt diese Erinnerung ab, will sie nicht (wahr) haben und das Ergebnis ist dann schließlich das quasi kriminalistische Bemühen darum, „objektive Beweise“ für das Trauma aufzuspüren. Als ich mich selbst an die Herstellung von Kinderpornographie mit mir selbst als „model“ erinnerte, kam ich zB auf die Idee, mich ans Bundeskriminalamt zu wenden und mich durch Regale beschlagnahmter Kinderpornographie zu wälzen in der Hoffnung, meine eigenen Fotos auffinden zu können. Diese einigermaßen absurde Idee verfolgte mich einige Tage lang …

Dieses Bedürfnis nach Realitätsprüfung und die auch später immer wieder zurückkehrenden Zweifel - „Ist das wirklich wahr ?“ - sind also schon wichtige Indizen – „Wahrheitszeichen“. Ihr Fehlen, wenn man sich also von Anfang an 150% sicher wähnt, niemals Zweifel entstehen – das ist eher ein Indiz für eine falsche Erinnerung.

Ein weiteres wichtiges Zeichen für ein echtes Trauma ist eine starke, auch somatische Reaktion auf das Wiedererleben. Bei meiner „Initialerinnerung“ vom Mißbrauch durch die Mutter hatte ich das Gefühl, als ob in meiner Brust ein schwerer, metallener Reißverschluß aufgezogen würde und „hörte“ auch das entsprechende Geräusch: „rrrrraatschschsch!“ Meine Beine waren für ca. 90 min hysterisch gelähmt, ich konnte nicht vom Küchentisch aufstehen, an dem ich gerade – gottseidank -saß, sonst wäre ich wohl zusammengebrochen. Bei der – 3 Jahre späteren - Erinnerung der Täterschaft auch des Vaters und der Pädo-Gruppensex-Partys, die durch Traumdeutung wieder bewußt geworden war, gab es wieder das Gefühl eines Risses und etwas rieselte in meiner Brust heraus, ich hatte das Gefühl einer „inneren (Ver-)Blutung“ und es hatte es einen kleinen Schock im medizinischen Sinne gegeben: mein Kreislauf stürzte ab und ich hatte es gerade noch ins Bett geschafft, wo ich mehrere Stunden verbringen mußte. Das sind jetzt nur die plastischen, gut beschreibbaren – und ad hoc ohne Blättern im Tagebuch – von mir erinnerten Fälle.

Die heftigen Affekte beim Wieder-Erinnern eines Traumas werden eben sehr häufig in solche somatischen Empfindungen „projiziert“ und es kommt zu psychotischen Schüben, mitunter einer länger anhaltenden Psychose. Bei mir waren diese Psychosen regelmässig manisch-aggressiv gewesen.

(Fortsetzung folgt)

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Möbius
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Beitrag Sa., 14.09.2019, 09:59

Schließlich gibt es ein Wahrheitszeichen, daß sich erst beim „Durcharbeiten“ des Traumas nach und nach einstellt: zahlreiche, zuvor rätselhaft gebliebene Begebenheiten aus der eigenen Biographie erhalten nun ihre Aufklärung. Ein Beispiel: meine erste „postpubertäre Freundin“ machte mir schon beim allerersten Sex – dem damals für mich „ersten Mal“ - und auch danach immer wieder Komplimente für meine sexuelle Kompetenz. Sie frug immer wieder nach, ob sie wirklich „meine erste Frau“ sei und zeigte sich darüber sehr irritiert. Ich selbst erklärte mich stolz für ein „erotisches Naturtalent“ - tatsächlich waren es die Mißbrauchserfahrungen gewesen. Ich hatte als Kind schließlich mehr „Sexualpartner“ gehabt, als die meisten normalen Menschen während ihres gesamten Lebens. Diese unbewußten Erfahrungen haben sich gleichwohl auf mein konkretes Verhalten bei der erwachsenen Sexualität, bei der man ja großenteils „aus dem Bauch heraus“ agiert, paradoxerweise positiv ausgewirkt.

„Der Familienroman der Neurotiker“, wie ein kleiner Aufsatz von S. Freud darüber tituliert ist, ist die verfälsche Biographie, die von den Abwehrmechanismen um das Trauma herum „konstruiert“ wird, so daß eine „schlüssige Lebensgeschichte“ entsteht, die das Trauma und seine Folgen ausblendet. Dieser „Roman“ wird im Rahmen des „Durcharbeitens“ des Traumas und der Biographie „dekonstruiert“, die wahre Lebensgeschichte tritt an dessen Stelle und an die Stelle eines „falschen Selbst“ tritt das „wahre Selbst“, das sich mitunter von der früheren Identität sehr drastisch unterscheiden kann. Je länger man mit dem „falschen Selbst“ leben mußte, um so größer dürfte dieser Bruch sein und bei mir waren es die biblischen 40 Jahre gewesen.

Bei mir sind die Mißbrauchserfahrungen durchgängig in der Psychoanalyse erinnert worden, es wurde also bewußt nach Traumata gesucht. Das erleichtert den Umgang mit diesen Erinnerungen erheblich. September 2012 bis Juni 2013 habe ich mich selbst analysiert, danach schloß sich die Therapie beim Fachmann an, bei der die Analyse schließlich 2016/17 zuende gebracht wurde. Es war also ein langer, fachkundig begleiteter und geleiteter Prozeß gewesen.

Erinnerungen können aber auch spontan „hochkommen“ in Situationen, wie sie ansonsten flashbacks oder Intrusionen auslösen können, also banalen Alltagserlebnissen, die eine oft nur sehr oberflächliche Ähnlichkeit mit der Trauma-Situation haben. Ein ärztlicher Psychotherapeut berichtete mal während eines Vortrages von einer Patientin, deren Trauma in einen sehr blutigen Verkehrsunfall mit mehreren Toten bestanden hatte, bei dem sie selbst unverletzt geblieben war. Sie war in einem Supermarkt schreiend zusammengebrochen – wie sich dann herausstellte, war es das Rot von einer Reihe von Ketchup-Flaschen im Regal, welches zu einem heftigen flashback der „Ströme von Blut“ geführt hatte. Wer von solchen spontanen Erinnerungen betroffen ist, dürfte damit regelmässig überfordert sein und fachkundige Hilfe brauchen.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, daß die Erinnerungen regelmässig nicht den vollständigen Tathergang eines Traumas umfassen. Es sind nur „Erinnerungssplitter“ - das ist aber normal, entspricht der natürlichen Funktion unseres Gedächtnisses, ebenso, daß diese „Splitter“ nacheinander hochkommen und das anfangs diffuse Bild im Laufe der Zeit, bei wiederholten Beschäftigungen immer plastischer und konkreter wird. Auch das gehört zum Sinn des „Durcharbeitens“ in der analytischen Traumatherapie.


Jenny Doe
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Beitrag Sa., 14.09.2019, 17:17

Was hier angesprochen wird, ist das Bedürfnis nach „Realitätsprüfung“, das für Erinnerungen in der Psychoanalyse typisch ist und auch ein starkes Indiz dafür, daß es ich um eine echte Erinnerung handelt und nicht um Suggestion, Induktion, Schizophrenie oder wie auch immer „falsche“ Erinnerungen zustande kommen können.
Viel Ahnung von falschen Erinnerungen scheinst du aber nicht zu haben,
... sagt dir eine Klientin, die nur Dank auf eigene Zweifel hören, Hinterfragen, ... und Realitätsprüfung erkannt hat, dass die Erinnerungen falsch waren, mittels Psychotherapie induziert wurden.


Hallo helgak62
Irgendwie reicht mir das als Indiz/Antwort nicht aus.
Kann ich verstehen.
Besser zweifeln und hinterfragen als einfach irgendetwas glauben und unter etwas leiden, was vielleicht nie passiert ist. Und wenn du keine Gewissheit bekommen solltest, dann akzeptieren lernen, dass du es nicht genau weißt.
Ich hab nur eine Vermutung aufgrund von Körpererinnerungen, aber dazu keine anderen konkreten Erinnerungen.
Was verstehst du unter "Körpererinnerungen"?
Welche Körperreaktionen sind für dich Hinweise darauf, dass da Erinnerungen sein müssen?
Woran machst du fest, dass dir dein Körper sagt, dass es sich um Erinnerungen handelt, wenn du keine Erinnerungen hast und nicht um etwas anderes? Körperreaktionen können ja unzählige mögliche Ursachen haben.
Welche Form der Erinnerung (z.B. Körpererinnerungen, Bilder,...) war dabei für euch ausreichend?
Nachdem man hier bereits versucht hat dir weiß zu machen, dass Zweifel = wahre Erinnerungen sind, möchte ich dir die andere Seite nicht vorenthalten, damit du hier nicht nur in eine Richtung manipuliert wirst, sondern bei dir bleibst und selber überprüfst was wahr und was falsch ist.

Ich sah auch viele Bilder, hatte Körperreaktionen, die ich für "Körpererinnerungen" hielt, die auf verdrängten Erinnerungen hindeuten. Ich bewahrte mir meine Zweifel und begann zu überprüfen, ob es sich nur um Bilder handelt oder um Erinnerungen. Drei Jahre dauerte meine Realitätsüberprüfung bis ich klar hatte, dass es keine Erinnerungen sein können.
Was die "Körpererinnerungen" angeht, ... diese haben sich inzwischen als als eine neurologische Erkrankung herausgestellt. Die Körperreaktionen waren keine Erinnerungen, sondern Symptome einer Krankheit.

Ohne Zweifel, Hinterfragen und Realitätsprüfung wirst du nicht rauskriegen was Realität ist und was nicht. Bloßes Glauben an etwas macht noch keine Realität aus.

Bleib bei dir. Du bist auf dem richtigen Weg. Auf dem gesunden Weg.
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).

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Candykills
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Beitrag Sa., 14.09.2019, 17:33

Ich find das auch immer seltsam zu argumentieren, dass "wenn du zweifelst, umso eher stimmt es, dass du DISler bist oder missbraucht wurdest", "Zweifel sind ein Zeichen dafür".
Meiner Meinung nach totaler Bullshit. Wenn man Zweifel hat, sollte man hinterfragen, warum diese da sind, denn sie sind nicht grundlos da. Was sonst, außer Zweifel, sollte einem zeigen, dass man vielleicht auf dem falschen Weg unterwegs ist.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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Möbius
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Beitrag Sa., 14.09.2019, 18:40

@ Candy

Es ist ganz einfach: schizophrene Psychosen dulden keinen Zweifel - der Wahn ist über jeden Zweifel erhaben, weitaus mehr als jede Wahrheit. Gerade beim kindesmißbräuchlichen Inzest gibt es das notorische Problem, daß eine solche Inzesterinnerung auch eine Schizophrenie sein kann: der Wunsch (aus dem Ödipus-Konflikt) wird zum "Vater der Erinnerung". Aber ich wiederhole: dieser Zweifel, das Bedürfnis nach Realitätsprüfung, ist nur ein Indiz. Es kann vorliegen oder auch nicht. Ein in der Geschichte der Psychoanalyse berühmter Fall, den ich schon öfters hier erwähnt hatte, ist derjenige von Marie Bonaparte, Freuds letzter Lieblingspatientin, Schülerin und Freundin, der aufgrund ihrer hohen sozialen Position und ihres Reichtums die Realitätsprüfung ihres Penisneid-Traumas gelungen war: sie konnte die Hausangstellten des Haushalts ihrer Eltern nach Jahrzehnten ausfindig machen, die sie als Kind bei einer Fellatio beobachtet hatte. Diese beiden haben ihre Erinnerung in der Analyse bestätigt gehabt. Das kann man in der Wikipedia im Artikel "Marie Bonaparte" nachlesen.

In der Kriminalistik gibt es die Subdisziplin der wissenschaftlichen Aussageanalyse, mit der ich mich in meinem früheren Leben intensiv theoretisch und praktisch beschäftigt habe. Es gibt viele Parallelen dieser kriminalistischen Aussageanalyse, also der Analyse von Aussagen von Zeugen und Beschuldigten im Ermittlungs- und Strafverfahren, zu dem Bereich der Traumatologie, in dem wir uns gerade bewegen. Und zu den Erfahrungen der Aussageanalyse gehört es, daß es wirklich "objektive" Kritierien für die Wahrheit oder Falschheit einer Aussage - oder einer Erinnerung - nicht gibt. Was es gibt sind "Wahrheitszeichen" und "Lügenzeichen". Beide kommen in fast jeder Aussage - und jeder Erinnerung - vor; kriminalistisch entscheidend ist, was die einzelne Aussage anbelangt, das Überwiegen von Wahrheits- oder Lügenzeichen. Fehlt jedes Wahrheitszeichen, kann man sicher von einer "Lüge" ausgehen - oder einer falschen Erinnerung.

Ein sehr wichtiges kriminalistisches - wie traumatologisches - Kriterium ist die Konstanz der Aussage bzw der Trauma-Erinnerung auch über längere Zeiträume hinweg. Die Gewissheit stellt sich also regelmässig nicht ad hoc, sondern in einem längeren Prozess ein.

Ich habe versucht, darzustellen, was für mich die Gewissheit über meine Erinnerungen in der Analyse hat erwachsen lassen. Danach wurde im Startpost ja auch gefragt. Ich kann nicht anstehen, hierüber allgemeine und erschöpfende Wahrheiten zu verkünden.

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Jens72
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Beitrag Sa., 14.09.2019, 18:48

Möbius hat geschrieben: Sa., 14.09.2019, 09:59
Als ich mich selbst an die Herstellung von Kinderpornographie mit mir selbst als „model“ erinnerte, ...

Bei meiner „Initialerinnerung“ vom Mißbrauch durch die Mutter ...

Meine erste „postpubertäre Freundin“ machte mir schon beim allerersten Sex – dem damals für mich „ersten Mal“ - und auch danach immer wieder Komplimente für meine sexuelle Kompetenz. Sie frug immer wieder nach, ob sie wirklich „meine erste Frau“ sei und zeigte sich darüber sehr irritiert. Ich selbst erklärte mich stolz für ein „erotisches Naturtalent“ - tatsächlich waren es die Mißbrauchserfahrungen gewesen. Ich hatte als Kind schließlich mehr „Sexualpartner“ gehabt, als die meisten normalen Menschen während ihres gesamten Lebens. Diese unbewußten Erfahrungen haben sich ... paradoxerweise positiv ausgewirkt.
Naja, ich erinnere mich auch daran daß meine Pflegemutter regelmässig mit mir sexuelle Handlungen machte. Oder daß ich im Nachbarhaus nackt mit anderen Kindern gefilmt wurde. Dennoch kann ich daraus keine positive sexuelle Erfahrung ziehen. Auch heute bin noch sehr gehemmt und introvertiert anderen Menschen gegenüber. Ganz im Gegenteil. Die sexuellen Handlungen welche man als Junge mitgemacht hat, sind sehr ernidriegend. :-( Sie bewirken daß man später als Erwachsener über keine eigene Sexualität verfügt. Als ob ständig jemand anderes über meine Sexualität verfügt.


mio
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Beitrag Sa., 14.09.2019, 19:02

Candykills hat geschrieben: Sa., 14.09.2019, 17:33 Was sonst, außer Zweifel, sollte einem zeigen, dass man vielleicht auf dem falschen Weg unterwegs ist.
Ich glaube für das "Unbewusste" (bzw. die psychische Abwehr) ist es der "falsche Weg" an das Trauma ranzukommen.

Nicht umsonst wurde es "isoliert" und Erinnerungen an traumatische Situationen gleichen zumindest bei mir auch nicht "normalen Erinnerungen", dh. allein schon aufgrund der "unscharfen" Qualität dieser Erinnerungen zweifele ich sie an, im Gegensatz zu Erinnerungen die sich für mich "scharf" und "klar" abbilden (aber genauso falsch sein können, nur dass ich mir da halt "gefühlt" viel sicherer bin weil ich mir sozusagen einbilde, dass ich mich klar erinnern muss, weil ich mich eben sehr konkret erinnere).

Meiner Meinung nach sollte man auch auf diese "Abwehr" bis zu einem gewissen Grad "hören", zumindest solange es noch einigermassen läuft und die Folgen einen nicht komplett "im Griff" haben. Wenn man an dem Punkt ist dann zerbröselt es die eh in die ein oder andere Richtung ohne dass sich was "tun" lässt in dem Sinne meiner Meinung nach. Dann kann man nur schauen warum es bröselt und worauf die "Zeichen" hindeuten.

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Candykills
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Beitrag Sa., 14.09.2019, 19:05

Ok, vielleicht gehe ich damit einfach anders um. Wenn ich Zweifel bei etwas habe, lasse ich die in mir wirken und schaue woher die kommen und was sie mir sagen wollen, ob da was dran ist oder ob es Abwehr ist. Trauma hin oder her. Ich mache das so und fahre damit ganz gut.
Aber so muss jeder für sich schauen.
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mio
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Beitrag Sa., 14.09.2019, 19:10

Na ja, anders mache ich es auch nicht. Das eine schließt ja das andere nicht kategorisch aus oder so. Es bedeutet ja nur, dass man beide Optionen im Blick behält und dann weiter "beobachtet" und "schaut" und eventuell soweit möglich die tatsächlichen Vorgänge zu überprüfen versucht. Was nur halt oft leider nicht wirklich möglich ist wenn einem niemand anders was dazu sagen kann oder will.

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Montana
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Beitrag Sa., 14.09.2019, 22:12

Ich habe für mich selbst angefangen, Indizien zu sammeln. Nur im Kopf natürlich, nicht real. Dazu gehören auch Erinnerungen von anderen aus meiner Kindheit. Zum Beispiel über Kontakte mit Psychologen nach der Flucht, an die ich selbst auch wieder KEINE Erinnerungen habe. Abgesehen von der Tatsache, dass es diese Kontakte gab (gegen meinen Willen). Ergebnis der Aktion damals war wohl, dass es keines gab. Nach einhelliger Meinung war mit mir etwas nicht in Ordnung, aber ich habe eisern geschwiegen. Dann Beschreibungen von Zuständen, von denen ich heute weiß, dass es dissoziative Zustände gewesen sein müssen. Das wurde damals nicht erkannt, denn der Beobachtende hatte davon keine Ahnung. Bei allem, was nicht "normal" war, wurde mir Absicht unterstellt und es gab zu keiner Zeit eine Möglichkeit für mich, mich jemandem anzuvertrauen. Also blieb alles, wie es war. Dauerhafter Minimal-Funktions-Modus. Ich durfte mir Vorwürfe anhören darüber, dass man mir keinerlei Emotionen ansah. Weder Freude noch Leid. Vor einiger Zeit beschrieb mir jemand, wie ich als Kindergartenkind im Alter von ca. vier Jahren war. Ein anderer Mensch. Dabei dachte ich doch immer, ich sei eben ich und dazu gehöre, dass ich ängstlich und zurückhaltend bin. Aber das war gar nicht immer so. Erst ab einem bestimmten Zeitpunkt. Und es gibt noch so viel mehr Dinge, die ich inzwischen von Leuten, die mich schon immer kennen, weiß. Das bezieht sich noch nichtmal nur auf psychische Sachen. Eine körperliche Erkrankung (Darmerkrankung) soll laut ärztlicher Aussage angeboren sein und muss zu Auffälligkeiten im Kleinkindalter geführt haben. Meine Oma hat mir dies bestätigt. Und dazu gesagt, dass man mir auch dabei Absicht unterstellt hat und keine Vorstellung beim Arzt erfolgt ist. Das ist so typisch für diese Familie. Man denkt so: komisch, es müsste objektiv so und so sein, aber das kann ja gar nicht sein, denn das wäre doch irgendjemandem aufgefallen. Und es stellt sich raus: doch, tatsächlich, so ist es wirklich, und das IST auch jemandem aufgefallen. Derjenige fand es aber nicht wichtig genug, sich drum zu kümmern. Das war halt so.
Natürlich gibt es auch absolut merkwürdige Dinge, die ich noch nicht in ein schlüssiges Bild einfügen kann. Eine Situation war so, dass für mich Kleidung gekauft werden sollte. Für mich absolut schrecklich. Ich hatte riesige Angst und wollte nicht. Daran erinnere ich mich. Ich erinnere mich nicht daran, dass ich schließlich im Laden schreiend am Boden lag. Und da war ich mindestens zwölf Jahre alt, also war das nicht einer kleinkindlichen Trotzphase geschuldet.
Aber das sind alles keine Erinnerungen, die "mir plötzlich gekommen" sind. Solche gab es meines Wissens niemals. Auch nicht während der Therapie. Ich kann mir das gar nicht vorstellen, wie das ist. Bei mir ist es einfach so, dass jemand im Gespräch etwas sagt, was sich auf ein gemeinsames Erlebnis bezieht. Und dann frage ich nach. So war es mit meiner Schwester. Sie war nie auf die Idee gekommen, mir etwas aus der Vergangenheit zu erzählen, weil sie keine Ahnung hatte, dass ich mich nicht selbst erinnere. Und ich hatte nicht gewusst, was da alles war. Und konnte daher nicht gezielt fragen.

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helgak62
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Beitrag Do., 19.09.2019, 10:01

Danke für die vielen Rückmeldungen!
Ich bin gerade auf der Suche nach Fakten, da es einen KH-Aufenthalt gegeben hat, der damit im Zusammenhang stehen könnte. Einmal schauen wie erfolgreich ich bin, weil eigentlich ist die Aufbewahrungspflicht abgelaufen. Habt ihr Erfahrung damit?
Hat jemand von euch Ideen, wo man die rechtliche Situation in bestimmten Jahren hinsichtlich Anzeige- und Meldepflicht von sexuellem Missbrauch herausfinden könnte? Bei Kinder-, Frauen- und Opferschutzzentren hab ich es schon versucht. Jedenfalls war ich bei der Recherche recht schockiert, dass im Fall der Gefahr für ein Vertrauensverhältnis bei sexualisierter Gewalt keine Anzeige erstattet wird sondern lediglich die Kinder- und Jugendhilfe informiert wird. Was immer die dann auch tut.

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Schnuckmuck
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Beitrag Do., 19.09.2019, 18:31

Hallo Helga,
Ich hab mehr als zeüwei Jahrzehnte Missbrauch erlebt. Was kann ich dir helfen?

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