Ich komme nicht aus dem Opferdenken

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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KAM
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Ich komme nicht aus dem Opferdenken

Beitrag Mi., 10.10.2018, 23:07

Hallo,
Vor 18! Monatwn trennte ich mich von einem (wie ich heute weiß) narzisstischen Freund/Therapeuten. Es gab keine Grenzen, er war Freund und Therapeut in einem,der SuperGAU. Damals äußerte jemand von euch den Verdacht, dass meine immer extremer werdenden Symptome des PTBS (durch Kindheit) mit ihm zusammen hing. War TOPRICHTIG, DANKE! Ich hatte nach der Trennung eine heftige Krise, meine emotionale Abhängigkeit war sehr stark, obwohl ich wusste, dass es richtig war das Ganze zu beenden.

Nun habe ich mit meiner Therapeutin natürlich alles angesehen, meine Persönlichkeit, meine Anteile,... Ich verstehe auch, dass er vor allem Altes triggert und dass ich für meine Gefühle selbst verantwortlich bin.
Und trotzdem, wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich immer noch die Überzeugung, das er mir etwas 'angetan' hat.
Opfersein ist ätzend und tut weh.
Selbst die Verantwortung für diese furchtbaren Schmerzen haben, allerdings auch. Schuld daran sein sowieso. Also, egal wie und was ich denke, es tut weh. :(((

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Waldschratin
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Beitrag Do., 11.10.2018, 13:34

KAM hat geschrieben:Also, egal wie und was ich denke, es tut weh. :(((
Ja, tut es. :ja:
"Darf" es das denn nicht?
Und wenn es nicht wehtun "darf" : Warum darf es nicht wehtun?

Mag jetzt blöd klingen alles, aber manchmal hilft "drunter- und dahintergucken" dabei, die eigenen Stoplerfallen klarer erkennen zu können.

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KAM
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Beitrag Do., 11.10.2018, 15:51

Natürlich darf es nicht wehtun... :)) Ja, das ist wohl der Punkt. Aber warum? Warum will ich keinen Schmerz? Ist das nicht einfach menschlich? Hast du für dich darauf eine Antwort gefunden?

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RoboCat
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Beitrag Do., 11.10.2018, 16:55

Ich glaube es geht nicht darum, es nicht zu wollen. Sondern es zu akzeptieren und sich einzugestehen, dass man als fühlendes Wesen Schmerz empfinden kann - und darf. Glaube, das war gemeint. Denn würdest du keinen Schmerz empfinden, wärst du so was wie tot.
:axt:

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Waldschratin
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Beitrag Do., 11.10.2018, 18:23

KAM hat geschrieben:Warum will ich keinen Schmerz? Ist das nicht einfach menschlich? Hast du für dich darauf eine Antwort gefunden?
Ja.
So ähnlich, wie RoboCat es schon beschrieben hat.

Klar ist es menschlich, dass man Schmerz nicht haben will und auch, dass er "schnell" wieder "weg" sein soll.
Aber genauso menschlich ists halt leider auch, dass man Schmerzen hat, körperlich wie seelisch.
Das gehört zum Lebendigsein nunmal dazu.

Schmerz ist ja ein wichtiges "Warnsignal", dass irgendwo ein Ungleichgewicht vorliegt, das zu nachhaltigen Schädigungen führen wird, wenn man nix dagegen unternimmt.

So, "Stolperfallen" diesmal ausnahmsweise richtig geschrieben :-> :
Wenn beides menschlich ist, also sowohl Schmerzen zu haben, als auch Schmerz nicht haben zu wollen , wo könnte dann deine Lösung für diesen Konflikt zu finden sein?

Ich für mein Teil hab schon seit vielen Jahrzehnten jetzt ständige körperliche Schmerzen und hab da z.B. den Weg gewählt, es zu akzeptieren, dass es so ist. Nicht mehr drauf "hinzuwarten", dass ich erst dann richtig lebe, wenn die Schmerzen dann endlich mal weg sind.
Nicht : "erst dann werde ich", sondern : "trotz dem" mache ich, halt nur das und so viel davon, wie ich kann.

Mit dem Opfersein halte ichs ähnlich:
Ja, ich bin Opfer - aber gewesen.
Jetzt bin ichs nicht mehr.
Dass ich mich manchmal noch als solches empfinde und erlebe und so fühle, ja, ist so. Find ich menschlich.
Aber wie lange ich mich da dran "aufhalte" und mich reinhänge und ob ich dieses Erleben "füttere" und pflege, oder mich davon auch wieder verabschieden kann - ein ums ander Mal - das hab ich jetzt selbst in der Hand.

Vielleicht hilft es dir, mal drüber nachzudenken, was dir Opfersein grade noch bringt, oder was es erst noch "braucht", dass du dieses Erleben wieder "gehen" lassen kannst?

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KAM
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Beitrag Fr., 12.10.2018, 14:54

Vielen lieben Dank für diese ausführliche und verständliche Antwort. :heart: Ich habe es jetzt mehrfach gelesen und es hilft mir sehr weiter.

Das Opfer 'gewesen' sein, ja, darauf sollte ich mich konzentrieren. Ist halt bitter und typisch, dass ich wirklich ALLE Sorten von MB (sexuell, finanziell, emotional) durchlebt habe. Ich dachte eine zeitlang, dass ich es endlich durchschaut habe und mich nicht mehr benutzen lasse und PENG, mitten hinein ins Nächste, noch Schlimmere :kopfschuettel: Hab allerdings erst dieses Mal mein Urproblem verstanden (gibt Hoffnung)

Und den Schmerz akzeptieren und trotzdem leben, so gut wie es eben geht - klingt gut!!
Vielleicht brauche ich das Opfersein noch, um auf mich acht zu geben, mich nicht zu überfordern und damit meine Grenzen zu halten...?? Ich muss ja nach wie vor mit diesem 'Freund' kommunizieren, aus beruflichen Gründen.

Danke!!


Waldschratin
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Beitrag Fr., 12.10.2018, 15:11

Gern geschehen! :-)

Ich hab da halt auch einige Erfahrung inzwischen, ähnlich "vielschichtig", wie du es beschreibst.
Und weiß daher aus ebenselbiger Erfahrung, dass alles, was noch "ist", immer auch noch nen Sinn und nen Zweck hat und sich schon alleine deshalb nicht ändern kann. Solange, bis mans durchblickt und weiß, was es noch braucht oder hindert und erstmal DAS aus dem Weg räumen kann.

Außerdem bin ich mittlerweile der festen Überzeugung, dass es nie "vorbei" sein wird, sondern immer mal wieder was auftauchen kann, was ich "eigentlich schon durch" habe.
Aber eins weiß ich da auch sicher : Wenn da wieder mal was auftaucht, werde ich nicht mehr Dieselbe sein wie zuvor und mehr wissen, können, haben, womit ich dem Auftauchenden umso gelassener, stabiler und versierter begegnen kann.

Und da drauf setz ich. :ja:

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