Einsamkeit – eine tückische Trenddiagnose

Gibt es demnächst themenbezogene TV- oder Radio-Sendungen? Kinofilme? Fanden Sie interessante Artikel oder Pressemeldungen in Zeitschriften oder im Internet, Bücher oder DVD's? Hier können Sie die anderen davon informieren...
Antworten

Thread-EröffnerIn
Jenny Doe
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 55
Beiträge: 4812

Einsamkeit – eine tückische Trenddiagnose

Beitrag Mo., 23.04.2018, 17:51

Lesenswert, finde ich.

Einsamkeit – eine tückische Trenddiagnose
https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2 ... ettansicht
Sie sei eine Krankheit, gar häufigste Todesursache, ein Ministerium gegen Einsamkeit müsse her. Wer profitiert eigentlich, wenn einsame Menschen für krank erklärt werden?
(...)
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).

Werbung

Benutzeravatar

Hiob
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
männlich/male, 78
Beiträge: 2296

Beitrag Mi., 25.04.2018, 15:14

Man könnte es mit dem neuen bayrischen Psychiatriegesetz kombinieren.
Jeder, der einsam ist, könnte dann wie ein Krimineller behandelt werden.

Oder man kombiniert es noch mit dem neuen bayrischen Polizeigesetz.
Jeder, der Einsam werden könnte, wird vorsorglich wie ein Kranker, also wie ein Krimineller behandelt.


....schöne neue Welt...
...Zusammenhänge erkennen, unerwünscht...
...naja egal, erstmal die Whatsapps checken...

Benutzeravatar

blade
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
männlich/male, 80
Beiträge: 3100

Beitrag Mi., 25.04.2018, 16:20

Wenn Einsamkeit zum Verbrechen wird, werde ich Al Capone sein.
Vorsicht North-Side, ich lege gerade Fliesen im Keller.
abgemeldet

Benutzeravatar

stern
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 99
Beiträge: 24215

Beitrag Mi., 25.04.2018, 17:12

Sag niemals nie:
Der Sohn von Hollywood-Regisseur Peter Rodger veröffentlichte kurz vor seinem Amoklauf in Santa Barbara , bei dem er sechs Menschen tötete, ein Video und schrieb eine Art Manifest (140 Seiten), in denen er seine Motive erklärt. „In den vergangenen acht Jahren meines Lebens war ich zu einer Existenz der Einsamkeit, Zurückweisung und unerfüllter Sehnsüchte gezwungen, alles, weil Mädchen sich nie zu mir hingezogen gefühlt haben”, sagte er. Er sei mit seinen 22 Jahren noch Jungfrau und habe noch nie ein Mädchen geküsst. „Ich werde euch alle dafür bestrafen (…) Ich werde jede einzelne verwöhnte, hochnäsige blonde Hure abschlachten, die ich dort vorfinde.”
https://www.bz-berlin.de/panorama/er-to ... lich-waren

Bzw. man könnte wohl zig Amokläufe heranziehen, in denen die Täter als einsam bzw. einsame Wölfe charakterisiert wurden.

Und davon war mglw. auch der Amokläufer von Toronto "inspiriert".
Auch der Verdächtige war offenbar Teil dieses Kreises, er gehörte wohl der sogenannten Incel-Bewegung an. ...

Was ist ein Incel?

"Incel" ist die Abkürzung für den englischen Ausdruck "involuntary celibacy", auf Deutsch bedeutet das "unfreiwillige Enthaltsamkeit". Heute dient der Begriff einer Gruppe von Männern, die Frauen verachten, als Definition ihres Daseins und wird von ihnen als identitätsstiftender Kampfbegriff im Internet verwendet.
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/toro ... 04729.html


"Einsame Mörder

Bei Amokläufern ähneln sich die Täterprofile
Die Jugendlichen, die schwerbewaffnet ihre (frühere) Schule stürmen, verbindet nicht nur das Attentat. Es ist auch das Täterprofil, das sich erschreckend ähnelt."
Von Marianne Quoirin
12.03.2009
http://m.fr.de/panorama/einsame-moerder ... -a-1119929
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
«

(alte Weisheit)

Werbung

Benutzeravatar

blade
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
männlich/male, 80
Beiträge: 3100

Beitrag Mi., 25.04.2018, 17:16

ok.
fühle mich jetzt schon schön schuldig...
vielen dank auch
abgemeldet


cinikus
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 47
Beiträge: 266

Beitrag Do., 26.04.2018, 13:16

Vielleicht wird ja bald mal erkannt, dass nicht nur Mädchen Förderbedarf haben, sondern in unserer Gesellschaft vor allem die Jungs benachteiligt werden. Ihnen (den jungen Menschen allgemein) wird nicht mehr beigebracht, dass sie in ihrem Leben etwas erreichen können, wenn sie wirklich wollen und sich auf etwas konzentrieren. Stattdessen wird ihr natürlicher Bewegungsdrang und Lerndrang unterminiert, was erhebliche Konsequenzen auf die Psyche hat, und ihnen wird erklärt, wie sie zu sein haben. Was sie wirklich wollen, interessiert nicht. Ermutigung, dass sie (auch Großes) erreichen können, findet nicht statt. Klar, dass dann einerseits Rattenfänder (der ISIS und andere) leichtes Spiel haben, oder sich die Leute als Verlierer der Gesellschaft fühlen und im Internet Ihresgleichen suchen.

Was, wenn den angeführten Tätern jemand erklärt hätte, dass sie fähig sind, etwas im Leben zu erreichen, wenn sie sich dahinterklemmen? Wenn sie auf ihr Potential aufmerksam gemacht worden wären, statt auf ihre Mängel, was unser (Schul)system ja wunderbar etabliert. Wenn man nicht die Opferperspektive stärken würde, und die Forderung nach Rücksichtnahme und Zuwendung, sondern die Selbstwirksamkeit, die Erkenntnis, dass man etwas erreichen kann? Menschen, die tatkräftig und aktiv sind und sich für etwas begeistern, sind auch attrativer für das andere Geschlecht und interessanter als Freunde. DAS müsste man fördern. Die Vorteile daraus erstrecken sich dann übers ganze Leben bis ins hohe Alter, weil sich Menschen immer wieder für neue Dinge begeistern könnten, immer neue Herausforderungen nehmen, was sie fit, aktiv und sozial hält.

Nichts tötet den menschlichen Geist so effizient, wie ihm die Würde zu nehmen, die Begeisterung, ihn so weit in die Abhängigkeit zu treiben und innerlich abzutöten, dass er für Geld bereit ist, in einem verhassten Job seine wertvolle Lebenszeit zu vernichten. Und ihm als einzigen Trost und Lichtblick das Abschieben aus der Gesellschaft in eine Rente und in den meisten Fällen auch noch Altersarmut zu bieten. Wundert einen dann, wenn (junge) Menschen Angesichts solcher Zukunftsaussichten durchdrehen und bestenfalls psychisch krank, innerlich tot oder suizidal werden? Vor allem Menschen, die man schon sehr früh spüren lässt, wie sich ein solches Leben anfühlt?

Aber immer noch drangsaliert man lieber Arbeitslose oder kriminalisiert Kranke, statt einmal zu schauen, was eigentlich wirklich los ist, mit den Menschen. WARUM geht es ihnen so? Das alles ist doch Symptom, und alles, was passiert, ist, das Symptom halbherzig zu bekämpfen. Weil alle, die echt was zu entscheiden haben, ebenfalls abgestumpft und sinnbefreit sind, weil sie auch nur auf die Rente schielen und die paar Jahre irgendwie durchdrücken wollen. Keine Visionen. Kein Denken über die eigene Karrierespanne hinaus. Und "plötzlich" gibt es Einsame. "Plötzlich" drehen Leute durch. "Plötzlich" erstarken die Rechten und rennen Teenager zu ISIS.
Auch der Anblick des Schlechten kann eine Schulung für das Gute sein! Niccolò Tommaseo

Benutzeravatar

stern
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 99
Beiträge: 24215

Beitrag Fr., 27.04.2018, 09:33

Hier geht es doch um Einsamkeit (evtl. mit Sexlosigkeit) und nicht um Schulversagen (versus etwas erreichen) und einen daraus resultierenden Racheakt. Die Schule bzw. bei Erwachsenen der Arbeitsplatz kann sogar ein Übungsfeld sein, was soziale Beziehungen angeht bzw. ein Ausgleich von ansonsten gegebener sozialer Isolation / Einsamkeit sein... aber dort werden keine Beziehungen vermittelt, man kann dort höchstens welche finden. Problem wäre Mobbing. Und auch das muss nichts mit Leistungen zu tun haben.

Was stimmt: Einsamkeit ist keine Krankheit, was ich richtig finde. Im Krankheitsfall wären auch Therapiemöglichkeiten gegeben. Es braucht eine gewisse Beziehungsfähigkeit (bzw. ein Entwickeln derselben), um Kontakte knüpfen und halten zu können. Jennys Artikel beschreibt eher Wirkungen von Einsamkeit auf die eigene Gesundheit. Allerdings gibt es die Auswirkung, dass die Frustration in Hass auf andere umschlägt (die das vermeintlich zu verschulden haben)... bis hin zum grenzenlosen Racheakt. Das kann auf eine narzissitische Problematik hindeuten, krankheitswertig oder nicht. Was Henne und was Ei ist, ist evtl. nicht immer leicht zu trennen... Einsamkeit kann Folge von Krankheit sein, diese aber auch begünstigen.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
«

(alte Weisheit)

Benutzeravatar

blade
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
männlich/male, 80
Beiträge: 3100

Beitrag Fr., 27.04.2018, 20:10

Ganz ehrlich.
Ich hab es nie verstanden, weshalb man sich an Unschuldigen austobt.
Amokläufer waren mir immer ein Greuel, weil ich sie als Feiglinge betrachte. Als Verlierer der übelsten Sorte.
Eigentlich unterwerfen sie sich mit ihrer ungezielten und "casual"-Brutalität genau dem System, welches sie gequält hat.
Da hakt es bei mir aus, dafür habe ich gar kein Verständnis.

Rache?
Ja. Ich denke schon. Aber Amoklauf ist keine Rache, sondern dunkles Wasser, faulig, auf den Mühlen des Systems.
Echte Rache muß die treffen, welche das Unrecht begehen, nicht Bystander. Das ist inakzeptabel. (böse sogar)
abgemeldet

Benutzeravatar

Klaus Klaus
sporadischer Gast
sporadischer Gast
männlich/male, 31
Beiträge: 24

Beitrag Sa., 28.04.2018, 13:14

Wen hätte Eliot Rodgers oder Alek M.'s Rache deiner Ansicht nach dann treffen sollen? Ich kann mir vorstellen, dass sie das ebensowenig wussten wie du...
Zudem sollte man nicht vergessen, dass am Ende in fast allen Fällen immer ein (versuchter) Suizid steht (soviel auch zum Thema Frauenhass).

Benutzeravatar

Faux
Helferlein
Helferlein
männlich/male, 80
Beiträge: 136

Beitrag Sa., 28.04.2018, 20:10

Wenn man den am Anfang des Threads erwähnten Artikel liest, kommt man zur folgender Stelle.
Vor allem haben sie nicht dieselbe Wirkung auf die Gesundheit. Das zeigen große Studien, die beides separat gemessen und untersucht haben. Letztlich wirkte sich die soziale Isolation stärker auf die Gesundheit aus als das Gefühl von Einsamkeit (Perspectives on Psychological Science: Holt-Lunstad et al., 2015 oder PLoS Medicine: Holt-Lunstad et al., 2010).
Und erst im März dieses Jahres erschien eine Studie im britischen Fachblatt Heart, die den Zusammenhang von gefühlter Einsamkeit und Krankheit generell infrage stellte (Hakulinen et al., 2018). Die Analyse, in die die Daten von mehr als einer halben Million Britinnen und Briten einflossen, zeigte: Die Probanden, die sich einsam fühlten, hatten häufiger Herzinfarkte und Schlaganfälle und starben sogar früher als diejenigen, die sich nicht einsam fühlten. Nachdem die Forscherinnen und Forscher jedoch andere Risikofaktoren wie chronische Krankheiten, Depressionen und Gesundheitsverhalten in die Analyse aufnahmen, verschwand der Zusammenhang. Einsamkeit und Krankheit hingen nicht mehr statistisch signifikant miteinander zusammen.
..............
Meine Meinung: Ein Symptom/Zustand macht noch keine Krankheit. Beachtenwert ist es wohl auch, dass es sich um einen gesellschaftlichen und ökonomischen Prozess handelt, der gefördert wird. Die ganze Unterhaltungsindustrie basiert ja auch zu einem nicht unerheblichen Teil auf Einsamkeit. Und warum haben viele Menschen gar keine Zeit mehr soziale Interaktionen zu betreiben? Man könnte endlose Fragen dazu produzieren und kommt auch zu dem Punkt, dass selbst Einsamkeit natürlich auch zum Geschäft werden kann. Also warum etwas abstellen, was sehr gut in die Wachstumsindustrie passt? :!!: Lieber entwickeln wir ein Produkt, was mit seiner "negativen Belegung" zu meiden ist und wo man die Parameter ökonomisch vorgibt. Ein Ministerium. :-> Anpassung an die Lebensumstände, um jeden Preis. Der Mensch soll sich der Gesellschaft anpassen und nicht umgekehrt. Aha.
..................

https://de.wikipedia.org/wiki/Einsamkeit

Quelle: siehe oben

Seine Einsamkeit, sein „Anderssein“ oder Abgeschiedensein von anderen Menschen, im positiven Sinn zu akzeptieren – auch wenn Einsamkeit für die meisten Menschen üblicherweise schmerzhaft ist –, anstatt sich ein negatives Bild des Einsam- und Anderssein einreden zu lassen, ist ein wichtiger Schritt, mit Einsamkeit und dem damit verbundenen Schmerz fertigwerden zu können

Ob und in welcher Form eine langfristig isolierte Lebensart möglich ist, hängt in hohem Maße von dem Menschen, aber auch von der Gesellschaft und somit von der Zeitepoche ab. Während in früheren Jahrhunderten die Einbindung des Einzelnen in die Gemeinschaft eine Selbstverständlichkeit war, hat sich dieser Automatismus im Zuge der Industrialisierung teilweise aufgelöst. Die Möglichkeit von Einsamkeit hat somit den Prozess der Individualisierung zur Voraussetzung, den in seiner radikalen Form allein die westlichen Industriegesellschaften durchlaufen haben (sofern man Indien und andere Länder mitzählt, in denen die asketische Form der Einsamkeit heute noch vorkommt).

Sich vollständig freiwillig von der Gesellschaft abzukapseln bzw. unfreiwillig ausgegrenzt zu werden ist in den letzten Jahren in Japan zu einem weit verbreiteten Phänomen geworden, besonders unter Jugendlichen, die sich vom rigorosen Schulsystem (Wettbewerbsdruck), dem enormen Gruppenzwang und dem damit teilweise einhergehenden Mobbing überfordert fühlen. Siehe dazu Hikikomori.
In der Aufklärung wird Einsamkeit oft positiv gewertet als Rückzug des Menschen aus dem hektischen Alltag zum Zwecke geistiger Aktivität und Selbstbesinnung. Die Epoche der Empfindsamkeit und die Romantik sehen im Einsamen mehr den schwermütig-melancholischen, in seine eigene Innerlichkeit sich zurückziehenden Menschen, der sich den derben Zumutungen einer verständnislosen und oberflächlichen Außenwelt zu entziehen sucht. Gerade durch diesen Rückzug eröffnet sich aber zugleich die Möglichkeit des aufmerksamen, differenzierten In-sich-Hineinhörens im Dienste der Selbstvergewisserung über das eigene Ich. Ein Beispiel ist Goethes empfindsamer Roman Werther, der gerade durch seinen Egozentrismus und den Abstand zu bürgerlichen Konventionen und Moralvorstellungen sein gestalterisch-schöpferisches, autonomes Ich entfaltet, der aber letztendlich darunter leidet, sich mit keinem anderen Menschen (außer mit Kindern) identifizieren zu können. Er begeht also auch deshalb Selbstmord, weil die Gesellschaft ihn sich einsam fühlen lässt, und nicht nur aufgrund einer nicht erwiderten Liebe.
Leider befinden wir uns schon längst nicht mehr in der Aufklärung.


Benutzeravatar

blade
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
männlich/male, 80
Beiträge: 3100

Beitrag Mi., 02.05.2018, 19:02

bei Rache ist es strenger als beim Autofahren (will kalt genossen werden)

wenn man desorientiert ist, dann muß man Abstand davon nehmen.
abgemeldet

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag