Wie kann ich mit meiner Trauer umgehen?

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.
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Liya1997
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Wie kann ich mit meiner Trauer umgehen?

Beitrag Mo., 29.11.2021, 23:58

Hallo zusammen,

ich bin letztes Jahr aus NRW nach Berlin gezogen bzw. vom Elternhaus zum ersten Mal ausgezogen aufgrund von einer schwierigen Beziehung und Gewalterfahrungen im Elternhaus.
Trotz all dieser Erfahrungen fehlt mir meine Familie. Oft habe ich das Gefühl, dass meine Familie nicht mehr existiert, obwohl wir Kontakt haben. Da meine Familie nicht bei mir ist, habe ich das Gefühl, dass sie nicht mehr da sind. Wie kommt das. Oft möchte ich wieder zurück, aber zurück nach Hause ist nicht gut, weil ich so meine Erfahrungen nicht verarbeiten kann.
Meine Trauer überfordert mich oft. Es fehlt mir vieles. Trotz der schwierigen Erfahrungen, habe ich zuhause auch schöne Erinnerungen gehabt.
An Wochenenden zusammen frühstücken, mit meiner Mutter spazieren gehen, wenn ich krank war, hat sie mir immer Tee, eine Wärmflasche und Frühstück oder eine warme Suppe ans Bett gebracht. Zusammen einkaufen gehen mit meiner Mutter. Obwohl wir eine schwierige Beziehung hatten, vermisse ich meine Mutter sehr. Als ich zuhause gewohnt habe, fiel es mir sehr schwer Umarmungen von meinem Vater zuzulassen. Das mochte ich nicht. Jedoch heute fehlen mir all diese Erinnerungen. Wenn ich daran denke, muss ich oft weinen. 😔🥺 Das fehlt mir total. Ich fühle mich sehr einsam, aber habe nicht den Bedarf neue Leute kennenzulernen, weil ich zurück zu meiner Familie möchte. In meiner Kindheit& bis zum Erwachsenenalter habe ich zuhause sehr schwierige Erfahrungen gemacht. Und häusliche gewalt miterlebt.

Wie kann ich mit meiner Trauer umgehen. Warum fühlt es sich so an, dass meine Familie nicht mehr existiert.
Ich mache eine Kunsttherapie bei einer Kunsttherapeutin, die eine psychodynamisch- imaginative
Traumatherapie Weiterbildung nach Luise Redsemann erlernt hat ( wir arbeiten traumatherapeutisch, tiefenpsychologisch systemtheoretisch, ressourcen- und lösungsorientiert.

Parallel mache ich eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Beides klappt parallel gut und überschneidet sich nicht.

Liebe Grüße,
Liya

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Candykills
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Beitrag Di., 30.11.2021, 16:01

Das, was du da erfährst, also das Gefühl, dass deine Familie weg ist, das nennt man "fehlende Objektkonstanz".
Man kann aber mühsam durch Therapie erlernen Objekte zumindest über einen gewissen Zeitraum in sich drin halten zu können, auch wenn man sie nicht sieht.
Normal lernt man das als Baby, aber bei gestörter Bindungserfahrung, kann es eben dazu kommen, dass man das nicht lernt.

Ich hatte das früher auch ganz schlimm, ich konnte Menschen nicht mal 5 Minuten in mir halten. Jedes Mal, wenn ich jemanden traf, fing die "Beziehung" wieder bei 0 an. Das war für alle Seiten unglaublich anstrengend.
Heute kann ich Menschen über mehrere Wochen "halten", ohne dass die Beziehung dadurch gleich komplett in Gefahr gerät. Und mir verhelfen auch SMS oder Telefonate, um immer wieder "anzuknüpfen". Du siehst, man kann es wirklich zu einem gewissen Teil lernen. Aber es braucht Zeit und ist anstrengend.

Hast du in deiner Therapie mal angesprochen, dass du deine Familie nicht halten kannst in dir?
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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Liya1997
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Beitrag Di., 30.11.2021, 21:05

Candykills hat geschrieben: Di., 30.11.2021, 16:01 Das, was du da erfährst, also das Gefühl, dass deine Familie weg ist, das nennt man "fehlende Objektkonstanz".
Man kann aber mühsam durch Therapie erlernen Objekte zumindest über einen gewissen Zeitraum in sich drin halten zu können, auch wenn man sie nicht sieht.
.................

Vielen Dank für deine Nachricht.
Ja, das fühlt sich ganz schlimm an. Es freut mich für dich, dass du das verarbeiten konntest.

In der Therapie habe ich das noch nicht erzählt. Das werde ich aber ansprechen.
Meine Trauer ist sehr stark und meine Familie fehlt mir sehr, trotz dieser schwierigen Beziehung.
Zuletzt geändert von Pauline am Do., 02.12.2021, 06:06, insgesamt 1-mal geändert.
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münchnerkindl
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Beitrag Di., 30.11.2021, 23:21

Täter haben ja oft auch so die Tendenz, ihre Opfer abhängig und unselbstständig zu halten und sich selbst im Zentrum der Welt der Opfer. Damit sie sich nicht wehren und auch nicht gehen und sich emotional auch nicht anderswo Nahrung suchen.

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Liya1997
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Beitrag Mi., 01.12.2021, 21:43

Candykills hat geschrieben: Di., 30.11.2021, 16:01 Das, was du da erfährst, also das Gefühl, dass deine Familie weg ist, das nennt man "fehlende Objektkonstanz".
.........
Darf ich dir noch etwas berichten.

Heute habe ich mit meiner Kunsttherapeutin über meine Familie und über den Auszug vom Elternhaus und der Traurigkeit gesprochen und dazu ein Bild gestaltet.
Mir fällt der Abschied fast nach jeder Kunst- Therapiestunde sehr schwer.
Kennst du das auch von früher.Immer wenn meine Kunsttherapeutin sagt, dass wir für heute leider Schluss machen müssen, kommt eine Trauer hoch. Ich würde einfach gerne noch bei ihr bleiben. Das ist manchmal schwer aufhaltbar. Als ich da raus gegangen bin, sind mir Tränen gekommen. Ich möchte das gerne thematisieren.
Ich wollte einfach noch gerne bleiben. Als sie das gesagt , " wir müssen für heute leider Schluss machen". Da habe ich ganz leise "oh schade" gesagt. Ich habe zu meiner Therapeutin eine sehr vertrauensvolle Beziehung aufbauen können.

Ich bin heute 10 Minuten eher zu meiner Kunsttherapeutin angekommen. Habe aber in der Nähe gewartet und mich auf eine Treppe gesetzt. Vor einem Gebäude. Dann hat meine Kunsttherapeutin mich von weitem gerufen und stand vor der Haustür. Ich bin dann zu ihr gegangen und sie hat gefragt, ob ich schon rein möchte, um nicht in der Kälte draußen warten zu müssen. Ich habe mich bedankt, habe aber draußen noch warten wollen. Ich fand das sehr lieb von ihr.
Im Nachhinein wäre es schön gewesen, wenn ich ihr Angebot angenommen hätte. Ich glaube, ich bin nicht rein gegangen, damit sie ohne mich in Ruhe ankommt und weil wir noch Zeit hatten.

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Candykills
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Beitrag Fr., 03.12.2021, 19:26

Ja, diese fehlende Objektkonstanz zeigt sich auch oft bei Therapeuten, weil man mit denen ja eine sehr, sehr enge Beziehung eingeht und dort alte Beziehungsmuster wiederholt.
Ich fände auch gut, wenn du das thematisieren kannst. Es ist auch völlig normal, dass Traurigkeit am Ende der Stunde hochkommt, wenn diese vorbei ist, grade dann, wenn die Beziehung auf Vertrauen fußt.
Wichtig ist halt nur, dass einem bewusst bleibt, dass es eine Arbeitsbeziehung ist. Also, dass es bestimmte Grenzen gibt.

Ich denke schon, dass du es annehmen hättest können früher rein zu gehen, aber ich find' es auch nicht falsch, dass du dich dagegen entschieden hast, um ihr Zeit zu geben.
Dahinter kann aber auch stecken, dass du selbst versuchst zum eigenen Schutz eine gewisse Grenze zu wahren und erst dann, dass du ihr diesen Raum lassen wolltest.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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Liya1997
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Beitrag Fr., 03.12.2021, 20:03

Candykills hat geschrieben: Fr., 03.12.2021, 19:26 Ja, diese fehlende Objektkonstanz zeigt sich auch oft bei Therapeuten, weil man mit denen ja eine sehr, sehr enge Beziehung eingeht und dort alte Beziehungsmuster wiederholt.
............
Danke für deine Antwort. In meinen vorherigen Beiträgen habe ich etwas ausführlicher über meine Kunsttherapie geschrieben.
Vielleicht magst du mal schauen.
Hast du eine Idee, wie ich das thematisieren kann.
Vor allem das.
Ich befinde mich seit 9 Monaten aufgrund traumatischen Kindheitserfahrungen in Kunsttherapie.


Meine Kunsttherapeutin hat die psychodynamisch imaginative Traumatherapie Weiterbildung nach Luise Reddemann gemacht.

Durch den positiven Kontakt zu meiner Therapeutin spüre ich sehr, was mir als Kind gefehlt hat. Oft kommen traurige Gefühle hoch und ich wünsche mir manchmal, dass ich Sie als Kind an meiner Seite gehabt hätte.


Wenn ich als Kind sie als Mutter gehabt hätte, dann wäre mein Leben heute anders. So hätte ich mir eine Mutter gewünscht. Ist das schlimm.? Ein Teil in mir sieht in ihr, worauf ich immer gewartet habe. Das ist total schmerzhaft. Sie ist sehr zugewandt und liebevoll zu mir. Ich fühle mich so sicher in der Gegenwart mit ihr. So dass ich auf der anderen Seite auch im Kontakt mit ihr viel Traurigkeit spüre, weil genau das mir als Kind schon immer gefehlt hat. Ich würde so gerne offen mit ihr darüber sprechen, aber meine Angst, dass meine Gefühle kindlich sein könnten, blockieren mich."Wie kann ich mit diesen Gefühlen umgehen. Sie fehlt mir manchmal zwischen den Stunden. Oft wünsche ich mir, dass ich meine Kunsttherapeutin als Kind an meiner Seite gehabt hätte oder dass sie meine Mutter gewesen wäre bzw. hätte als Kind& Jugendliche eine liebevolle Mutter gehabt.
Mir ist aber bewusst, dass sie meine Therapeutin ist. Ich habe auch nicht den Wunsch, eine private Beziehung zu meiner Kunsttherapeutin zu haben, weil sie meine Therapeutin ist und ich da bin, um meine traumatische Kindheitserfahrungen zu verarbeiten.


Ja, ich glaube ich hatte Angst, ihr Angebot anzunehmen. Nicht wegen ihr.
Ich wollte, dass sie Zeit hat, in Ruhe anzukommen.
Liebe Grüße,
Liya
Zuletzt geändert von Pauline am Sa., 04.12.2021, 06:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Pianolullaby
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Beitrag Fr., 03.12.2021, 20:25

ja, unser vieler Leben wäre anders, hätte, hätte Fahrradkette, ist es aber nicht, also bringt es auch nichts, sich das zu wünschen, es wird sich nicht ändern, so lange wie wir nichts dran ändern. An den Umständen ändert sich zumindest nichts
Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum

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Candykills
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Beitrag Sa., 04.12.2021, 10:33

Ich komm' gerade nicht dazu deine alten Beiträge zu lesen, weil ich stationär in einer Soteria bin und nur sporadisch online kann.
Liya1997 hat geschrieben: Fr., 03.12.2021, 20:03 Durch den positiven Kontakt zu meiner Therapeutin spüre ich sehr, was mir als Kind gefehlt hat. Oft kommen traurige Gefühle hoch und ich wünsche mir manchmal, dass ich Sie als Kind an meiner Seite gehabt hätte.
Ich finde, dass du das schon sehr gut selbst formulieren kannst, was dein "Problem" ist und ich würde dir vorschlagen, es genau so, wie du es mir hier geschrieben hast, bei deiner Therapeutin anzusprechen.
Ich verstehe, dass das mit großer Scham behaftet ist, aber normalerweise (vor allem mit der Ausrichtung nach Reddemann), sollte das deiner Therapeutin nicht unbekannt sein, dass Klienten so fühlen. Das ändert zwar nix an der eigenen Scham und, dass es ein großer Schritt ist, sich so zu öffnen und verletzlich zu machen. Hilft aber zu vertrauen, dass die Therapeutin damit sorgsam umgehen und sich mit dir diese Übertragung professionell anschauen kann.

Und ja, vermutlich wäre dein Leben heute anders. Aber das ist Teil der Therapie und ein Prozess irgendwann akzeptieren zu können, dass DAS eben die eigene Geschichte ist und der Thera eben nur der Thera ist. Aber das musst du nicht sofort verinnerlichen, das ist wie gesagt ein Prozess.
Ich hing auch an der Therapeutin lange Zeit wie ein Kind am Rockzipfel der Mutterr. Und heute ist es einfach OK, dass sie die Thera ist und ich erwachsen und selbstständig mein eigenes Leben lebe.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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