Tipps für Alltagsumgang mit paranoider Schizophrenie

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Krang2
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Tipps für Alltagsumgang mit paranoider Schizophrenie

Beitrag Di., 02.12.2014, 10:38

Hallo,
ich mußte die Entscheidung treffen, mit meiner Mutter dauerhaft umzugehen oder nicht, und ich habe mich für Ersteres entschieden. Emotional geht es mir mittlerweile viel besser, auch dank der Coaching-Tipps. Aber ich brauche möglichst gute Alltagstipps für den Umgang, da ich oft in folgende Spirale komme:

verletzendes oder verrücktes Verhalten meiner Mutter -->
Unfreundlichkeit, Abgrenzung meinerseits -->
Isolierung meiner Mutter, zunehmende Freundlichkeit ihrerseits -->
schlechtes Gewissen bei mir -->
Wiederangebot/Einbeziehung in soziale/r Aktivitäten -->
s.o.

Ich möchte gelassener, aber dennoch angemessen reagieren, weiß aber manchmal durch meine Verstrickung nicht, was von außen gesehen angemessen ist. Freunde, Bekannte und Verwandte sind keine Hilfe, da sie das Problem allesamt durch kompletten Kontaktabbruch zu meiner Mutter gelöst haben.
Es geht z.B. darum, ihre Selbstsabotage geschickt zu umgehen, damit sie ab und zu schöne Momente erlebt (z.B. aus ihrem Zimmer rauskommt - was nur mit mir geht, da sie auch körperlich schwerbehindert ist).
Wichtig ist mir auch, vor den Kindern meine Autorität zu wahren, ohne meine Mutter abzuwerten, da meine Mutter mich nicht als eigenständige Person akzeptiert (z.B. wie den Kindern zu erklären, warum ihre Oma losbrüllt, nachdem ich erklärt habe, daß ein Gegenstand nicht von Einbrechern gestohlen oder hingelegt wurde, sondern es jemand von uns gewesen ist, und daß ich sie dann aus unserer Wohnung schicken muß, bis sie wieder "normal und lieb" ist).
Manchmal bin ich auch unsicher, wie weit meine Verantwortlichkeit ihr gegenüber gehen soll oder darf, wenn sie z.B. Arztbesuche absagt oder mich nicht die Aufgaben erledigen läßt, die ich als Pflegeperson für sie offiziell tun soll.
Oder ich bin unsicher, ab welchem Punkt grenzverletzenden Verhaltens ich einschreiten muß, also soll ich z.B. drüber hinwegsehen, wenn sie an meiner Heizung rumdreht oder wenn sie mich beleidigt, was ist für sie sinnvoll und was für mich? Die normalen Kommunikationstechniken, die ich kenne, versagen bei ihr teilweise, kennt jemand welche, die bei Schizophrenen "ankommen"? Beispiel: Sie verleugnet Gesagtes nicht bloß, sondern ist tatsächlich überzeugt davon, daß es nie gesagt wurde. Was ist ernst zu nehmen und was nicht, worauf sollte ich reagieren und worauf nicht? Woran erkenne ich, ob ihr etwas gut tut oder nicht (an der Laune läßt es sich nicht festmachen, da sie auf heilsame Erlebnisse negativ reagiert und das nach außen projeziert)? Wie kann ich ihren tatsächlichen Gesundheitszustand beurteilen? Wie reagiere ich konstruktiv und verständnisfördernd, wenn neuere Nachbarn sich wegen Lärm oder Beschimpfungen beschweren?

Ich würde mich über praktisch anwendbare Ratschläge von Leuten mit Erfahrung, gern auch Pflegern o.ä. freuen. Gern auch über PN. Allerdings ist zu bedenken, daß meine Mutter im Gegensatz zu z.B. Demenzkranken geistig noch sehr leistungsfähig ist, also Manipulationsversuche durchschauen würde.

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Fundevogel
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Beitrag Di., 02.12.2014, 17:29

Liebe Krang,

lebst du denn mit deiner Mutter zusammen? Wenn nicht, dann siehst du sie wohl recht häufig, oder? All die Fragen, die du stellst, hören sich jedenfalls nach einer sehr engen Beziehung an - und ich glaube, da beginnt auch das Problem.
Manchmal braucht man dringend Abstand, weil die Grenzen zwischen normal und verrückt (Entschuldige die flapsige Formulierung) verschwimmen und man nicht mehr weiss, ob man jetzt überreagiert oder nicht. Mit "man" meine ich in diesem Fall mich selbst, ich habe viele Jahre für meinen Vater gesorgt, der ebenfalls paranoide Schizophrenie hatte, habe aber auch nicht mit ihm zusammengelebt - und trotzdem habe ich oft nicht gewusst, wie ich reagieren soll, was tun und habe mir auch sehr viele dieser Fragen gestellt, die du hier ansprichst.
Der mangelnde Abstand führt zur emotionalen Verstrickung und bald geht gar nichts mehr. Wie du das alles schaffst, ohne täglich an die Decke zu gehen, ist mir ein Rätsel und ich bewundere dich zutiefst dafür, Respekt!

Du hast sehr viele Fragen gestellt, die jede für sich für Außenstehende schwer zu beantworten sind, weil das Entscheidende im Umgang mit dieser Krankheit meiner Meinung nach die Beziehung ist und wie sehr deine Mutter dir trotz aller Krankheit vertraut und sich von dir führen läßt (ich weiss, in allerweitestem Sinn nur ...).

Der beste Tipp, den ich dir geben kann:
Krankheit ist keine Entschuldigung für selbst- oder fremdschädigendes Verhalten.
Selbst diese nicht.
Sie trägt trotzdem Verantwortung für sich selbst und dafür wie sie mit anderen Menschen, unter anderem mit dir, umgeht. Diese Verantwortung wird sie krankheitsbedingt nur eingeschränkt wahrnehmen können, dennoch bleibt das Prinzip erhalten.

Die Krankheit ist kein Grund, sie praktisch völlig zu entmündigen. Im Gegenteil - Schizophrenie dreht sich oft um das Thema Autonomie, habe ich mal wo gelesen. Deshalb: Sprich mit ihr über Regeln und Vereinbarungen, dich als Pflegeperson betreffend. Was sind deine Aufgaben, was nicht.
Sprich mit ihr darüber, was ihre Verantwortung ist.
Sie wird auch schubfreie oder bessere Phasen haben, nehme ich an? Dann können solche Dinge besprochen werden. Und in schlimmen Zeiten kannst du darauf zurückgreifen und euch beide daran erinnern.

Sie ist darauf angewiesen, dass du diejenige bist, die ihr Orientierung gibt in ihrer orientierungslosen Welt. Sage deutlich (und möglichst gelassen, auch wenn es schwierig ist, ich weiss) was du von ihr erwartest und dass dieses oder jenes nicht geht. Keine Beleidigungen oder Eingriffe in deinen Bereich (zB an deiner Heizung rumdrehen) hinnehmen, kein Gebrüll akzeptieren, usw. Es ist - vor allem auch für sie - wichtig, dass du Grenzen setzt.

Ich glaube, dass es für dich gut ist, ihr Verhalten durch ihre Krankheit zu relativieren.
Aber für sie ist es wichtig, dass du ganz klar bist, wie Eure Welt aussieht (da gibt es keine Einbrecher) und welche Regeln es da gibt und du sie nicht in unerwünschtem Verhalten bestärkst, sondern ihr ganz klar sagst, was von ihr erwartet wird.

Last not least: Niemand mag es, so bevormundet zu werden. Und Paranoiker wohl am allerwenigsten. Ein letzter Tipp wäre zu lernen, ihr Vorschläge zu machen, wobei sie eine Wahl hat. Also zB möchtest du lieber zu Herrn Dr. X oder zu Herrn Dr. Y (unausgesprochen: aber Doktor muss sein). Möchtest du lieber heute oder morgen rausgehen (aber irgendwann in Bälde muss es sein).

Ich hoffe, es war irgendwie hilfreich für dich. Wie gesagt, ich bewundere dich sehr, dass du das alles tust. Bedenke aber bitte auch, dass du Familie hast (deine Kinder) und es auch für sie wichtig ist zu lernen, dass es dir dabei noch gut geht und du Grenzen ziehen kannst, um dich, deine Kinder und letztlich auch deine Mutter zu schützen.

Alles Gute!
Fundevogel


montagne
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Beitrag Di., 02.12.2014, 18:01

Woran erkenne ich, ob ihr etwas gut tut oder nicht (an der Laune läßt es sich nicht festmachen, da sie auf heilsame Erlebnisse negativ reagiert und das nach außen projeziert)? Wie kann ich ihren tatsächlichen Gesundheitszustand beurteilen? Wie reagiere ich konstruktiv und verständnisfördernd, wenn neuere Nachbarn sich wegen Lärm oder Beschimpfungen beschweren?
Ich würde mich über praktisch anwendbare Ratschläge von Leuten mit Erfahrung
Ganz ehrlich?
Das Wichtigste ist vllt. zu begreifen und anzunehmen, dass du sie nicht retten kannst. Kinder wollen ihre Eltern retten, nicht selten mit dem unbewussten Motiv, dass sie dann die Eltern sein können, die sie eben nie waren, die so schmerzlich vermisst wurden. Aber das geht nicht.

Meine Großmutter hatte in ihren letzten Jahren eine paranoide Psychose. Obwohl ich fast die einzige, vllt. die einzige Person war, der sie vertraut hat, der sie keine feindlichen Motive unterstellt hat, konnte sie sie nicht auf das Einlassen, was ich ihr sagte. Es ging halt auch viel um Leute, die angeblich in der Wohnung sind, wenn sie weg geht, weswegen sie eine Zeit lang die Wohnung nicht mehr verlassen wollte. Man legt ihr Gegenstände in den Schrank und nimmt andere heraus. Man beobachtet sie, wenn sie zur Haustür rausgeht oder zum Fenster geht. Die Nachbarn hören ihre Telefonate mit usw.

Mal wurde es halt erträglicher, mal schlimmer, zum Schluss schrie sie total aggressiv das Pflegepersonal an, sodass gestandene Pflegerinnen weinend rausrannten, und auch mich, in ihrer Verzweiflung schrie sie an und weinte. Beleidigt hat sie mich nie. Aber sie war teils sehr verzweifelt, weil diese Wahnvorstellungen ja massivste Ängste erzeugen und auch Ausdruck solcher total krassen Ängste sind, die in die Umwelt projiziert werden.
da war für mich der Punkt gekommen, zu sagen sie soll Neuroleptika erhalten. Sie wollte keine Psychiaterin sehen. Aber ich habe dann eine Psychiaterin bestellt, mit ihr vorher gesprochen. Sie sagte meiner Großmutter, sie käme wegen den Schlafstörungen und der inneren Unruhe. Großmutter bekam dann ein Neuroleptikum. Sie konnte halt nicht sehen, was sie für Tabletten bekam, da sie zu dem Zeitpunkt sehbehindert war. Sie hat aber auch nicht gefragt, was die zusätzliche Tablette ist. Ich hätte ihr auch knallhart gesagt, es sei nochwas für den hohen, schwer einstellbaren Blutdruck.
Als die Medis wirkten, war sie wieder ausgeglichener, manchmal echt gut gelaunt, auf jeden Fall ruhiger. SIE hatte vor allem viel weniger Ängste, man konnte sich wieder normal mit ihr Unterhalten. Sie konnte Kontakt zu mir und auch anderen wieder etwas mehr genießen (sehr gesellig war sie eh nicht).

Ähnliche Erfahrungen mache ich mit jungen Menschen, mitdenen ich arbeite. Die Psychose ist nur schwer in der Beziehung beeinflussbar. Man kann Schübe auslösen, bzw. selbiges versuchen zu vermeiden, da Beziehungsstress und anderer Stress die Symptome verschlimmert. Aber man kann nicht wirklich was tun, um zu einer Heilung beizutragen. Ich habe schon junge Menschen erlebt, die Monate und auch 2-3 Jahre ohne Schub waren und dann brach es doch wieder aus, durch Auslöser die teils nicht wirklich dingfest gemacht werden konnten oder wirklich alltäglich waren.

Ich denke damit muss man sich anfreunden, wenn man mit Psychotikern zu tun hat, dass es eben auch für Bezugspersonen mit einem massiven Kontrollverlust zu tun hat. Medis sind fast immer das einzige was wirklich wirkt. Ein sicheres Umfeld ist auch wichtig, klar, aber das allein reißt nichts raus.
amor fati

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Krang2
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Beitrag Fr., 05.12.2014, 09:48

Erst einmal vielen lieben Dank für eure beiden Rückmeldungen!

Zunächst einmal, ja, meine Mutter wohnt direkt gegenüber, und das ist auch notwendig, da ich mindestens einmal am Tag etwas für sie erledigen muß, vor allem im hauswirtschaftlichen Bereich. Außerdem bin ich seit dem Tod meines Vaters ihr einziger sozialer Kontakt, da sie alle anderen vergrault. Verkompliziert wird das Ganze dadurch, daß die Wohnungen nach dem Tod meines Vaters in ihren Besitz kamen, so daß sie gern mal andeutet, daß die wirtschaftliche Macht teilweise bei ihr und nicht bei mir liegt. Mittlerweile lasse ich mich von Drohungen nicht mehr beirren, was bis ins junge Erwachsenenalter anders war (da löste jede Flucht- oder Suizidankündigung Angst aus, da ich tatsächlich zweimal im Heim war und mir einmal ohne jegliche psychische Betreuung meine Mutter schreiend vor meinen Augen von Ärzten und Polizei abgeholt wurde). Das habe ich auch erst nach und nach lernen müssen, "Ankündigungen" dieser Art realistisch zu bewerten.

Wie ich das schaffe – nun ja, ich kenne es nicht anders. Meine Freunde sagten früher, daß sie selbst verrückt werden würden, wenn sie es eine Woche lang mit ihr aushalten müßten. Wobei ich der Fairneß halber sagen muß, daß meine eigenen Probleme vorwiegend durch etwas ausgelöst wurden, wofür meine Eltern absolut nichts können, nur leider sehr schlecht damit umgegangen sind.

Vereinbarungen mit meiner Mutter z.B. über Aufgaben und Regeln sind fruchtlos, da in ihrer Wahnwelt jeder „Regelbruch“ gerechtfertigt ist. Sie wird irrational, sobald es um ihr Verhalten geht. Auf Vorhaltungen reagiert sie oft mit Abstreiten („das hab ich nie gesagt“ - soviel zum Erinnern) und auf Logik besonders aggressiv, ihre Wahrnehmung ist insgesamt völlig verzerrt, was in krassem Widerspruch zu ihrer guten Beobachtungsgabe z.B. der Schwächen anderer Menschen steht. Aus Erzählungen weiß ich, daß sie auch in der Psychiatrie stets als gruppenunfähig und uneinsichtig galt („Sie sind eine Nervensäge“/„Wir haben auch hier Zeiten“). Letztendlich bleibt mir zum Durchsetzen von Regeln nur Gewalt und Konsequenz, so daß mich eher interessiert, welche Regeln sinnvoll und welche übertrieben sind. Obwohl meine Mutter sehr lieb und hilfsbereit sein kann, ist sie weder vertrauenswürdig noch verantwortungsvoll, einfach weil sie alles dem Maßstab ihres Wahns unterordnet. Sie versucht zu kontrollieren, reagiert andererseits auf äußere Kontrolle mit großer verbaler Aggressivität. D.h. aus dem Grenzen setzen entsteht kein Lerneffekt wie es z.B. bei meinen Kindern der Fall ist. Konsequenzen werden als Beweis meiner Beeinflußbarkeit durch die hinterhältige Umwelt gesehen. Kern ihres Wahns ist, daß jemand ihre Identität stehlen wolle. Man muß dazu sagen, daß sie schon in zig Behandlungen war und insgesamt eher verwaltet wurde, was mein Vater "Drehtürpsychiatrie" nannte. Erst seitdem sie einen festen Psychiater hat, wirkt sie stabiler.

Schubfreie Phasen im Sinne von keine „Stimmen“ hören oder ein sinnvolles Gespräch führen können hat sie schon, aber niemals Krankheitseinsicht.

Ja, mittlerweile kann ich gut „eine Linie fahren“, z.B. daß sie nach einer Ermahnung rausfliegt, wenn sie vor den Kindern Unsinn erzählt („Eure Schulhefte hat jemand weggenommen, vielleicht legt er sie später wieder rein, um euch einzureden, ihr wärt schlampig“). Ich frage mich danach oft, ob ich über- oder unterreagiert habe, also finde es manchmal schwer zu beurteilen, wie jemand gut reagiert hätte, der NICHT mit ihr verwandt ist.

Wenn sie auf Wahlvorschläge nicht reagiert, soll ich dann für sie wählen und sie zwingen? Typisch für sie wäre: „Herr Dr. X schadet mir nur, aber Herrn Dr. Y kenne ich nicht, also bleibe ich lieber bei Dr. X, aber da er sowieso nichts für mich tun kann, brauche ich auch nicht hinzugehen.“ Besonders gern läßt sie Termine machen, die sie kurzfristig wieder absagt. Da sie nicht in akuter Lebensgefahr schwebt und außer den Psychopharmaka nichts zwingend nehmen muß, kann ich rechtlich dagegen nichts tun.

Du hast Recht, es ist schlimm mitanzusehen, wie jemand alles sabotiert, wovon er merkt, daß es ihm körperlich oder psychisch guttut (z.B. Osteoporosekurse). Es hat Monate gebraucht, bis sie das erste Mal einen Rollator benutzt oder sich ins Rollstuhlrad gesetzt hat, und da muß ich meist einen guten Augenblick abpassen, da sie Verabredungen auch gern mal eine Minute vorher absagt oder urplötzlich dringend etwas fordert. Meinen Vater konnte ich auch nicht retten, als er Krebs bekam. Du hast auch gut erkannt, daß die Eltern-Kind-Rollen teilweise vertauscht werden, da ich meine Mutter schon als Kind als unverläßlich, unberechenbar, schwach und schuldunfähig wahrnahm. Ein einziges Mal, nach dem Tod meines Vaters, sagte meine Mutter, nachdem sie mir ungewöhnlicherweise eine Zeitlang echt zugehört hatte: „Ich habe dir als Kind Vieles nicht geben konnte, was Kinder von ihren Müttern brauchen.“

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Krang2
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Beitrag Fr., 05.12.2014, 11:59

Das war das erste und letzte Mal in meinem ganzen Leben, von ihr so ein Eingeständnis zu hören, aber es hat irgendwie ausgereicht, daß ich ihr vergeben konnte für all die Enttäuschungen und den „Verrat“, den sie mir und meinem Vater angetan hat. Ich kann seitdem auch immer ruhiger reagieren, nur manchmal lasse ich mich noch unnötig provozieren (wenn sie z.B. im Hausflur hysterisch nach mir oder den Kindern ruft) oder ängstigen („Komm ganz schnell, dein Sohn atmet nicht mehr!“/“Geh sofort deine Kinder suchen und holen, ich hab sie vor der Tür schreien hören“ - selbst wenn sie betreut waren).

Meine Mutter vertraut übrigens keinem. Ich bin auch mal ihre Feindin, sobald ich als eigenständige Person agiere, wobei sich die Bewertung jederzeit ändern kann („Danke, daß du für uns ein Taxi rufst“, und Sekunden später: „Willst du mich nicht zum Augenarzt, sondern in die Irrenanstalt bringen?“). Nachdem sie kürzlich ein paar Berichte über Pflegeheime hörte, raspelte sie viel Süßholz bei mir.

Früher meinte meine Mutter auch, daß jemand beim Verlassen in die Wohnung ginge, mittlerweile nimmt sie das hin „Das tun sie sowieso“ und befürchtet eher, daß jemand uns ausschließt, indem er am Schloß „Anfertigungen macht“. Ich finde es schön, daß du von deiner Großmutter nicht beleidigt wurdest, ich bin oft einem Wechselbad von Komplimenten und Beleidigungen ausgesetzt. Sie muß ein Naturtalent in Psychotricks haben, mit denen sie auch ihre Psychiater zur Verzweiflung brachte. Eine vom Gesundheitsamt bezahlte Ärztin kam nicht mehr, nachdem meine Mutter massiv ihre Schwächen bearbeitet hatte, leider wieder einmal WEIL diese Besuche meiner Mutter gut taten. Eine andere Psychiaterin sperrte sie absichtlich mal länger weg (sowas beurteilt meine Mutter seltsamerweise mit messerscharfer Klarheit und Menschenkenntnis) und andere, teils normale, Ärzte verweigerten die Weiterbehandlung, weil sie Aggressionen durch die verletzende Art aufgebaut hatten („Wie haben Sie eigentlich den Selbstmord Ihrer Tochter in Ihrer Zeichentherapie dargestellt?“).

Durch die jahrzehntelange, teils unregelmäßige Einnahme von diversen Psychopharmaka, hat sich der körperliche Zustand meiner Mutter zusätzlich verschlechtert, was ihre Pflegebedürftigkeit erhöht. Sie sieht es als Machtgefälle, wogegen sie nichts tun kann (immerhin hat sie mittlerweile gemerkt, daß der Psychiater am längeren Hebel sitzt und redet stets einsichtig und positiv über Wetter und Familie). Was mir auffällt, sie hat immer selten gelacht, und wenn, dann selten „echt“, eher das klischeehafte irre, unechte Lachen. Wie bringe ich einen Schizophrenen zum Lachen? Weil wenn sie so einmal im Jahr wirklich lacht, dann sehr intensiv, und dann spüre ich, daß sie gerade 100% sie ist (eine „Einheit“).

Da du schreibst, daß man Schübe auslösen kann: Mein Vater verlegte mal absichtlich etwas von ihr und erklärte: „Wenn sie einen echten Grund zum Schreien hat, tut ihr das gut.“ Das fand ich eher zweifelhaft, eher wie Hilflosigkeit oder Rache. Aber was ich schon gemacht habe, war zu sagen: „Wenn du noch mal sagst, ich hätte deine Tasche weggenommen, dann helfe ich nicht suchen.“ (Dann kam meist: „Dann beweise es mir, indem du sie findest.“) Positiv ist, daß das extrem abgenommen hat, sie vermißt mittlerweile nur noch selten etwas und es „erscheinen“ auch seltener Dinge, aber ich weiß leider nicht, wodurch diese positive Entwicklung ausgelöst worden ist.

Ausgeglichen wirkt meine Mutter, wenn sie körperlich gerade sehr leidet (zu schwach zum Verrücktsein). Es ist fast so, daß sie normaler wird, je schlechter es ihr körperlich geht. Das ist sehr traurig, d.h. wenn sie über längere Zeit wenig mit sich selbst redet und vernünftig wirkt, bedeutet es gleichzeitig, daß sich ihr Zustand weiter verschlechtert.

Manchmal lasse ich „Hilfe“ durch sie zu, weil sie ohne das Gefühl gebraucht zu werden, keinen Lebensgrund mehr sieht. Sie erzählt schon seit meiner Geburt, daß sie nur meinetwegen weiterlebt, und das glaube ich, denn seit meiner Geburt hat sie Selbstmord nur noch angedroht und nie wieder versucht.

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Claudi8719
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Beitrag So., 14.04.2019, 17:56

Hallo suche Angehöhrige deren Eltern partner die. auch an dieser Erkrankung leiden zum Erfahrungsaustausch Danke


shesmovedon
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Beitrag So., 14.04.2019, 18:01

Bin keine Eltern und auch kein Partner, aber Betroffener. Was willst du denn wissen?

Und als kleiner Hinweis: Satzzeichen wären toll. Es gehört hier auch zur Netiquette sich ordentlich auszudrücken.

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Claudi8719
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Beitrag So., 14.04.2019, 18:05

Danke mit den Satzzeichen hast du Recht. Wissen über die Krankheit möchte ich nix , ich weiß genug, ich möchte mich einfach austauschen und wissen wie ihr das verarbeitet und wie ihr damit umgeht.


shesmovedon
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Beitrag So., 14.04.2019, 18:09

Eventuell bist du damit in Schizophrenie-Online.com besser aufgehoben. Ich habe hier nie viel Feedback zu meiner Schizophrenie bekommen, also hier scheinen nicht so viele Leute mit der Erkrankung oder Angehörige unterwegs zu sein.

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Claudi8719
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Beitrag So., 14.04.2019, 18:12

Dankeschön schlendrian

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