Trennung von depressivem Partner - fühle mich schuldig

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Sockenpuppe
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Trennung von depressivem Partner - fühle mich schuldig

Beitrag Di., 14.06.2016, 19:51

Mein Ex-Freund leidet seit seiner Jugend an Depressionen. Ich wusste von Anfang an um die Schwere seiner Erkrankung, abgeschreckt hat mich das jedoch nicht, denn als ich ihn vor zwei Jahren kennenlernte, war er hochmotiviert, sein Leben in den Griff zu bekommen. Er hatte Pläne für eine berufliche Reha, der Weg dorthin war ihm in einer psychiatrischen Tagesklinik geebnet worden. Gegangen ist er diesen Weg leider nie, im Gegenteil, er verfiel trotz ambulanter Nachbetreuung in sein altes Muster.

Er war schon immer ein Mensch, der sich eingeigelt hat, wenn es ihm schlecht ging. Anfangs hielten sich seine Rückzugsphasen in Maßen. Zwei bis vier Tage, in denen er sich zuhause einschloss und Anrufe und Textnachrichten ignorierte. Ich habe immer versucht, Verständnis zu zeigen. Wenn er mir signalisiert hat, dass er alleine sein möchte, habe ich ihn in Ruhe gelassen. Hier und da, wenn meine Sorgen zu groß wurden (er äußerte wiederholt Selbstmordgedanken, versicherte mir aber, diese nicht in die Tat umzusetzen), habe ich ihm eine kurze Nachricht geschrieben. Gelesen hat er diese Nachrichten so gut wie nie – und selbst wenn, gab es keine Antwort, so dass ich über seine Verfassung im Ungewissen blieb.

Mit der Zeit wurde sein Rückzugsverhalten immer extremer. Er brach den Kontakt zu Freunden und Familie ab, ging nicht mehr ans Telefon und schon gar nicht an die Haustür. Er hielt keine Termine und Verabredungen ein, kümmerte sich nicht um seinen Haushalt, seine Finanzen oder seine Hygiene. Tagesrhythmus wurde zum Fremdwort. Die Nächte schlug er sich mit Online-Spielen um die Ohren, kiffend und trinkend. Tagsüber schlief er bis in den späten Nachmittag hinein. Er bemühte sich immer weniger um die Beziehung, wollte immer weniger Zeit mit mir verbringen. Irgendwann blieb mir nichts anderes übrig, als mich ebenfalls zu distanzieren und mein eigenes Leben zu leben – ohne ihn. Die Trennung fiel mir sehr schwer, er und ich haben bitterlich geweint, realistisch gesehen gab es ein "Wir" aber schon lange vor der Trennung nicht mehr.

Die Trennung liegt nun eine knappe Woche zurück und ich fühle mich einfach nur grässlich. Kontakt haben wir keinen mehr, er möchte das nicht. Ich habe furchtbare Angst um ihn, träume davon, seine Leiche zu finden oder dass seine Schwester anruft und sagt, dass er nicht mehr lebt. Unsere gemeinsame Zukunft war seine einzige Perspektive, meinte er. Er hat sich eine gemeinsame Wohnung gewünscht, Kinder.

Wo ist der Tatendrang geblieben, den er am Anfang unserer Beziehung an den Tag gelegt hat? Hätte ich hartnäckiger/konsequenter/strenger sein müssen, als ich gemerkt habe, dass es ihm zunehmend schlechter ging? Hätte das etwas geändert? Gespräche haben nichts gebracht. Selbst die leiseste Kritik empfand er als vernichtend und wurde zum Anlass für eine neue, noch längere Rückzugsphase genommen. Therapeutische Paargespräche hat er abgelehnt, er wollte die Therapie alleine durchziehen. Klinik kam für ihn nicht mehr infrage.

Ich weiß nicht, wie ich mit all dem umgehen soll. Ich fühle mich zwischen Kopf und Herz hin- und hergerissen. Ich habe nach wie vor sehr starke Gefühle für ihn und fühle mich schuldig, ihn zurückgelassen zu haben. Andererseits bin ich aber auch erleichtert, dass es (zumindest für mich) vorbei ist.

Gibt es hier jemanden, der ähnliches erlebt hat? Einen Rat?

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Widow
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Beiträge: 2240

Beitrag Di., 14.06.2016, 21:26

Liebe Sockenpuppe,

vorab: Weder habe ich Ähnliches erlebt noch weiß ich einen Rat für Dich.
Du bist in einer sehr schwierigen Situation. Das tut mir erstmal ganz grundsätzlich Leid für Dich.

Einen Partner, der schwer krank geworden ist, zu verlassen, ist wohl noch schlimmer und schmerzhafter als eine "normale" Trennung.
Gleichwohl kann - gerade, wenn es sich um eine psychische Krankheit handelt - der "gesunde" Partner dadurch so in Mitleidenschaft geraten, dass ihm selbst Erkrankungsgefahr droht. Und mitunter ist eine Trennung dann vielleicht unvermeidlich, wenn man (legitimerweise) sein eigenes Seelenheit 'retten' möchte. Hinzu kommt, dass man, wenn man selbst erkrankt, dem ursprünglich betroffenen Partner nicht mehr 'helfen' kann.

Bei einer major depression allerdings ist das mit der Hilfe von außen (vor allem von Laien im Familien- und Freundeskreis) ohnehin nur sehr eingeschränkt möglich.
Es hätte vermutlich nichts gebracht, wenn Du damals "strenger" gewesen wärest, denn mitten in der Depression erreicht einen so etwas gar nicht bzw. macht alles nur noch schlimmer (weil man als Erkrankter ja mit sich und seinem "Unvermögen" selber extrem hadert).
Du schreibst selbst, dass er alles abgewehrt hat an Hinweisen auf Hilfsmöglichkeiten. (Auch das gehört oft zum Krankheitsbild dazu. Ich weiß, wovon ich spreche, weil auch ich an Depression erkrankt bin.)

Mitunter müssen die Menschen bis an den Rand gehen (manche gehen darüber hinaus, doch dieses Risiko lässt sich nicht beseitigen). Und wenn Dein Ex-Partner keine Beziehung mehr mit Dir führen, wenn er auch sonst alle Sozialkontakte abbrechen und auch eine Fortsetzung der Therapie ablehnen "wollte" (das Wort passt bei Depression nicht wirklich), dann muss das akzeptiert werden. (Solange er nicht akut suizidal ist, dann gäbe es die Möglichkeit der Zwangseinweisung.)
Und vielleicht findet er dort, an seinem persönlichen Rand beim Blick hinunter, wieder einen kleinen Willen zum Leben.
Dann - aber vermutlich auch nur dann - wird er sich zu helfen wissen und professionelle Hilfe annehmen.

Vielleicht wäre es für Dich hilfreich gewesen, Dir selbst und allein (also keine Paar-Therapie!) therapeutische Hilfe zu holen. Doch nun ist die Trennung vollzogen, für die Beziehung kann eine Psychotherapie also nicht mehr fruchtbar gemacht werden.
Zumindest nicht derzeit.
Wenn ich das richtig verstanden habe, setzt Dir bzw. Deinem Gewissen Dein Tun aber ziemlich zu. Das wäre auch ein triftiger Grund, sich das mal mit Hilfe eines Psychotherapeuten genauer anzusehen.
Auch, dass Dich ein depressiver Mann von Beginn an affizierte und Du lange eine Partnerschaft mit ihm aufrecht zu erhalten versucht hast, ist in meinen Augen nicht so ganz "gesund"; auch dort könnte ein psychotherapeutischer Blick ganz hilfreich sein.

Alles Gute!
Widow

PS: Da mich eine Userin hier gerade auf die Bedeutungsmöglichkeiten des Nicks "Sockenpuppe" aufmerksam gemacht hat: Solltest Du hinter dem Nick Dich nun köstlich amüsieren - geschenkt!
Meine Antwort gilt dann nicht Dir, sondern dem Problem, das viele Menschen haben.


mio
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Beiträge: 9268

Beitrag Di., 14.06.2016, 22:11

Man beachte das Profilbild.

Was für ein süßes Kätzchen.


Widow
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weiblich/female, 51
Beiträge: 2240

Beitrag Di., 14.06.2016, 22:17

Memo @ me: Merke: Nick googeln und Profilbild analysieren!

Ich find meine Antwort aber immer noch gut .

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mio
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weiblich/female, 44
Beiträge: 9268

Beitrag Di., 14.06.2016, 22:19

Widow hat geschrieben:Ich find meine Antwort aber immer noch gut .
Ich finde auch, dass man ja nicht nur für den schreibt, der den Post erstellt hat, sondern auch für andere Menschen mit einem ähnlichen Problem. Von daher ist es nie vergebens...


Thread-EröffnerIn
Sockenpuppe
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weiblich/female, 30
Beiträge: 2

Beitrag Di., 14.06.2016, 23:27

Der Nickname ist als kleiner Scherz zu verstehen, ja, aber nicht als bösartiger. Er ist mir spontan eingefallen, als mir bei der Registrierung eindringlich nahegelegt wurde, möglichst anonym zu bleiben. Das Profilbild stammt von einer Seite für Gratis-Profilbilder, die man online verwenden darf, ohne ein Copyright zu verletzen. Wenn es Anstoß erregt, entferne ich es gerne. Zugegeben, die Wahl des Nicknames war ein Fehlgriff, das kann ich jetzt aber nicht mehr ändern. (Oder?)

Ich bin kein Internet-Troll, mein Problem ist real, leider. Ich danke dir für deine ausführliche Antwort, Widow. Sie hat mir einiges zu denken gegeben. Ich würde morgen gerne näher darauf eingehen. Sofern ich noch darf...

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DreamCat
sporadischer Gast
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Beiträge: 12

Beitrag Fr., 29.07.2016, 18:51

Liebe Sockenpuppe,

vorab: Ich leide an Depressionen, daher kann ich dir eine andere Perspektive bieten.

Es ist gut, dass du etwas für dich tust und dass es dir gut geht. Du kannst ihm nicht helfen, wenn es dir nicht gut geht. Und wenn dich die Situation zu sehr belastet und eine Trennung für dich der richtige Weg ist, ist das ok. Ich glaube, ich könnte meinem Partner nicht wirklich böse sein, wenn er sich aufgrund meiner Depression von mir trennen würde. Ich liebe ihn und deshalb möchte ich, dass es ihm gut geht.

Ein Depressiver kann oft keine Hilfe annehmen, für die Angehörigen ist es oft extrem schwer, dass sie nicht helfen können. Das ist wirklich schwer zu verstehen und zu akzeptieren. Leider muss die Initiative vom Depressiven ausgehen, dann können andere durchaus unterstützen. Meine Depression war glücklicherweise nie so schlimm, wie du sie beschreibst. Selbst für mich ist das kaum nachzufühlen.
Ich weiß auch nicht, ob und in welchen Fällen man jemand zwangseinweisen könnte. Ob das letzlich hilft, ist natürlich noch eine andere Frage.
Da er seit der Trennung keinen Kontakt mit dir möchte, wüsste ich auch nicht, was du noch tun kannst. Entweder du akzeptierst seinen Entschluss oder du versuchst es weiter. Egal, was du tust, achte bitte dabei auf dich!

Alles Gute
DreamCat

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