Wie gut kennt dich dein/e TherapeutIn ?

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Gedankentanz
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Wie gut kennt dich dein/e TherapeutIn ?

Beitrag Fr., 22.09.2017, 21:29

Mich würde mal interessieren, ob ihr den Eindruck habt, das eure Therapeuten euch kennen. Ob sie mit ihren Aussagen ins Schwarze treffen oder total daneben liegen.

Grund meines Interesses...
Meine T. sagte mir: "Vielleicht haben sie die Befürchtung, ich könne sie besser kennen als sie sich selbst."
Dieser Satz hat mich doch sehr verwirrt. Ich fragte sie, ob sie das denn glaube. Da meinte sie, das sie einen anderen Blickwinkel auf mich hat, manches sieht, was ich aus meinem Blickwinkel nicht erkenne.

Mich würde sehr interessieren was sie sieht, ich traue mich jedoch nicht zu fragen. Finde das wirkt wie fishing for compliments. Und vielleicht ist ihre Antwort nicht das was ich mir wünsche, schmerzhaft.

Habt ihr den Eindruck das eure T. euch besser kennen als ihr euch selbst?
Wenn sich meine tanzenden Gedanken zanken, gerate ich schon mal ins wanken, finde ich dann keinen Halt, lande ich unsanft auf die Planken ::?

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Solage
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Beitrag Fr., 22.09.2017, 21:34

Mir hat mein Therapeut gesagt, dass er nicht mehr über mich wissen kann, als ich selbst.

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StatueOfFreedom
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Beitrag Fr., 22.09.2017, 21:35

Das dachte ich zu Beginn meiner Therapie, obwohl das rückblickend ziemlich absurd ist, weil wir uns ja nur sehr kurz kannten und die eine Stunde in der Woche ist nicht sehr viel. Mittlerweile sehe ich es ganz anders: ich kenne mich immernoch am besten, denn ich stecke in diesem Körper, niemand anders. All das was ich denke, kann niemand besser kennen als ich selbst. Ich glaube aber, dass ein Therapeut dabei helfen kann, dass man sich besser kennenlernt. Ja, er mag auch einen anderen Blickwinkel haben, der super spannend und hilfreich sein kann, aber das ist eben nur ein anderer Blickwinkel und nicht mein ganzes, wahres Sein.

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StatueOfFreedom
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Beitrag Fr., 22.09.2017, 21:40

Übrigens: wenn du das Gefühl hast, den Therapeuten mal nicht ganz zu verstehen oder seine Aussage so offen ist, dann frag nach, was er genau meint. Das ist total okay und kann manchmal so üble Grübelschleifen verhindern und bringt viele Erkenntnisse :-)

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Gedankentanz
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Beitrag Fr., 22.09.2017, 21:42

StatueOfFreedom hat geschrieben: Fr., 22.09.2017, 21:35 Ja, er mag auch einen anderen Blickwinkel haben, der super spannend und hilfreich sein kann, aber das ist eben nur ein anderer Blickwinkel und nicht mein ganzes, wahres Sein.
So empfinde ich das eigentlich auch. Darum finde ich die Aussage der T. so verwirrend. Sie sieht doch letztendlich nur das was ich sie sehen lassen. :kopfschuettel:

Ein Lexikon Therapeutisch-Deutsch, Deutsch-Therapeutisch wäre manchmal echt hilfreich... . Einfach damit ich die teilweise "Mysteriösen Aussagen verstehe... . Mir fehlt auf eine klare, unmissverständliche Aussage. Es gibt immer so viel Raum für Interpretationen...
Wenn sich meine tanzenden Gedanken zanken, gerate ich schon mal ins wanken, finde ich dann keinen Halt, lande ich unsanft auf die Planken ::?

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Gedankentanz
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Beitrag Fr., 22.09.2017, 21:45

@StatueofFreedom

Es ist ja nicht so das ich nicht nachfrage, aber die Antworten sind teils weiterhin schwammig... .
Wenn sich meine tanzenden Gedanken zanken, gerate ich schon mal ins wanken, finde ich dann keinen Halt, lande ich unsanft auf die Planken ::?

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Gedankentanz
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Beitrag Fr., 22.09.2017, 21:46

Solage hat geschrieben: Fr., 22.09.2017, 21:34 Mir hat mein Therapeut gesagt, dass er nicht mehr über mich wissen kann, als ich selbst.
Das macht für mich auch deutlich mehr Sinn.
Wenn sich meine tanzenden Gedanken zanken, gerate ich schon mal ins wanken, finde ich dann keinen Halt, lande ich unsanft auf die Planken ::?

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Solage
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Beitrag Fr., 22.09.2017, 21:59

Alles andere wäre vermessen.
Er bezeichnet sich als mein Begleiter, mehr nicht.
Er kann vermuten, mir Anreize geben, nachfragen. Dabei ins Schwarze treffen, oder daneben liegen.

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R.L.Fellner
Psychotherapeut
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Beitrag Sa., 23.09.2017, 06:56

Liebe Gedankentanz,

eine interessante Frage, die Sie da aufwerfen!

Ich würde meinen, dass ein Therapeut gar keine Chance hätte, Sie "besser zu kennen als Sie selbst", da er im Zuge der Sitzungen ja bestenfalls einen kleinen Zipfel Ihrer Persönlichkeit und Geschichte kennenlernen kann. Selbst dann weiß er noch nicht, was davon authentisch, "echt" ist und was nicht! Deshalb ist es auch so wichtig, als Klient möglichst offen zu sein - weil die Therapie v.S. des/der Therapeuten/in sonst einem Kaffeesud-Lesen, einem Tappen im Dunkeln mit Blindenstock gleichkommt und damit nur schwer sinnvolle Ergebnisse bewirken könnte.

Insofern hatte ich ursprünglich auch Ihre in der Betreffzeile gestellte Frage etwas anders verstanden, nämlich so:
"Wie viel Einblick über Dein tatsächliches Denken und Empfinden, über das, was Du tatsächlich fühlst, denkst und erlebt hast, läßt Du in Deiner Therapie zu? Präsentierst Du Dich so, wie Du "wirklich" bist oder versuchst Du sogar im vertraulichen Rahmen Deiner Psychotherapie "herzeigbar" zu wirken und Aspekte Deines Lebens oder Deiner Persönlichkeit zu beschönigen?"

Liebe Grüße,
R.L.Fellner

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s0505
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Beitrag Sa., 23.09.2017, 08:28

Meine Therapie ist aufgrund eines Umzuges nun schon ein paar Jahre her (leider), aber meine Therapeutin kannte mich insofern besser als ich mich selbst, dass die oft schnell erkannte, was hinter meinen Handlungen und Denkweisen steckt. Oft wollte ich diese Hintergründe einfach gar nicht sehen. Schön war jedoch, dass sie mir und meinem Gefühl vertraute, auch wenn sie zuerst dachte, dass es anders wäre. So bat ich einmal um einen kurzfristigen Termin, weil es mir schlecht ging und am Ende der Stunde sagte sie mir, dass es mir ja wirklich schlecht ging und ich den Termin ja wirklich nötig hatte, obwohl sie das bei meiner Bitte nach dem Termin nicht so empfunden hat.


Fighter1993
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Beitrag Sa., 23.09.2017, 09:58

Deine Frage spricht mich an und bringt mich zum Nachdenken.
Ich glaube, besser kennt sie mich nicht. Aber anders als ich mich selbst kenne. Also ich bin sicher, sie sieht Dinge, die ich nicht wahrnehme(n will). Meist handelt es sich um positive Dinge, die sie anspricht und die ich abwehre, aber tief in mir und mit dem Kopf betrachtet, weiß ich dass sie recht hat. Insgesamt finde ich, kennt sie mich ziemlich gut - nicht nur auf meine Probleme bezogen. Mir ist es unheimlich wichtig, dass in meinen Stunden auch immer ein bisschen über die guten, nicht behandlungsbedürftigen Dinge gesprochen wird, sodass eben ein gesamtes Bild von mir entstehen kann und nicht nur mein negatives "alles ist kacke und ich bekomme nix auf die Reihe" Bild. Sie ist da sehr an meinen Ressourcen orientiert und interessiert und zeigt sie mir teilweise auch, wenn ich sie wieder mal nicht sehen kann oder will.
Oft kann sie auch meine teilweise schwammigen Aussagen gut kombinieren und das ausdrücken, was ich gerne möchte aber nicht kann. Und oftmals trifft sie damit wirklich direkt ins Schwarze.
Gestern war ich nach etwa einem halben Jahr wieder bei ihr und sie sagte etwas, dem ich zum ersten Mal aktiv widersprochen habe. Im Bezug auf meine Entwicklung seit Ende 2015 meinte sie "Sie sind gealtert" und ich meinte dann "nö, für gealtert fühle ich mich zu jung. Ich bin gereift". Da musste sie erstmal lachen und meinte dann soetwas, wie ich hätte ja recht und so meinte sie es eigentlich auch irgendwie. Und da war der Moment, wo ich auch gemerkt habe, ja sie kennt mich, als Person, nicht als "Akte". Sprich, sie kann mich und meine Handlungen einschätzen, kann mich zwischenmenschlich lesen und kennt nicht nur die Dinge, die sie sich notiert, also nicht nur Fakten.
Daher würde ich sagen, sie kennt mich anders als ich mich selbst, aber nicht besser.
Kämpferin Glückskind Wunderfinder


isabe
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Beitrag Sa., 23.09.2017, 10:11

Ich denke, in einer guten Therapie lernen beide etwas über sich selbst und den Anderen kennen - wobei der Therapeut viel mehr vom Patienten sieht als umgekehrt. Aber Therapie ist eben nicht statisch, sondern die Persönlichkeit und Einsichtsfähigkeit verändern sich - je offener man ist, umso mehr. Es sollte also kein "jetzt kenne ich dich" sein.

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Blume1973
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Beitrag Sa., 23.09.2017, 10:34

Es gibt Dinge über die rede ich nicht mal mit meiner Therapeutin. (zB. Geldangelegenheiten)
Und es gibt Themen denen ich aus dem Weg gehe, weil ich ihre Sicht dazu kenne und meine Sicht ganz anders ist und auch anders bleiben soll (zB. Kindererziehung). Sie redet mir dann auf ihre therapeutische Weise ein, dass ich es "falsch" mache. Für mich mache ich es aber richtig.

Sie kennt mich mit Sicherheit nicht besser, als ich mich. So viel weiß ich.

Liebe Grüße
Blume
Die einzigen wirklichen Feinde des Menschen, sind seine negativen Gedanken.

Albert Einstein


mio
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Beitrag Sa., 23.09.2017, 11:43

Gedankentanz hat geschrieben: Fr., 22.09.2017, 21:29 Mich würde mal interessieren, ob ihr den Eindruck habt, das eure Therapeuten euch kennen. Ob sie mit ihren Aussagen ins Schwarze treffen oder total daneben liegen.
Ich mache schon seit Jahren Therapie und ich würde nicht behaupten, dass meine Thera mich wirklich "kennt". Also vollumfänglich. Dazu müssten wir mehr Zeit miteinander verbringen, als wir es tun. Manchmal liegt sie mit was "punktrichtig" manchmal voll daneben, so dass ich mich frage, wie sie da nach so langer Zeit überhaupt darauf kommt... Ist also völlig unterschiedlich. Ich persönlich "nutze" diese Rückmeldungen für mich um zu "überprüfen". Gerade zu Anfang der Therapie war das extrem hilfreich für mich, mittlerweile merke ich aber auch, dass ich das gar nicht mehr so sehr brauche.

Ich denke sie meint den/ihren Blick auf mögliche "blinde Flecken", wenn sie davon spricht, dass Du Angst davor haben könntest von ihr "richtig" gesehen zu werden. Also dass sie eventuell Dinge/Verhaltensweisen/Gefühle bei Dir sieht, die Du selbst lieber nicht sehen magst.

So, als hättest Du einen fetten Pickel auf der Nase, der Dir peinlich ist und von dem Du denkst, wenn ich nix sage/den ignoriere, dann sieht den niemand, dann ist der nicht da...und dann kommt Dir wer entgegen und sagt: Huch, das sieht ja fies aus da auf Deiner Nase...tut das weh?

Inwieweit sie recht hat oder daneben liegt das kannst nur Du entschieden. Sie KANN NICHT besser als Du selbst wissen was Du fühlst, denkst etc. Das ist Dein Hoheitsgebiet. Sie kann nur Dein "Verhalten" sehen, mehr nicht.

Wenn sie Dir also sagt: Frau Gedankentanz, mir ist aufgefallen, dass sie nie ihre Schuhe ausziehen, wenn Sie meine Praxis betreten, dann ist das was klar beobachtbares. Wenn sie aber sagt: Frau Gedankentanz, ich habe den Eindruck dass sie traurig sind weil Ihnen immer wenn Sie hier reinkommen eine Träne die Wange runterläuft... dann ist das zwar auch grundsätzlich "beobachtbar" aber deutlich Fehleranfälliger...wenn Dir eine Träne über die Wange läuft, dann kannst Du zB. auch Heuschnupfen haben oder was im Auge usw. usf. und musst nicht zwingend traurig sein...mal so als "Vergleich".

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Ring Of Fire
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Beitrag Sa., 23.09.2017, 11:59

Den Eindruck, dass mein Therapeut mich besser kennt als ich mich selbst, habe ich nicht.
Nicht besser, sondern anders!

Er weiß vieles nicht, weil ich es nicht erzähle (aus Scham, Angst, weil ich es für unwichtig halte, das Problem nicht erkenne, die Zeit nicht reicht, ...). Außerdem kennt er nur meine Sicht der Dinge, so wie ich sie ihm erzähle. Auch wenn ich sehr viel Wert auf Ehrlichkeit lege, sind sie doch nur aus meiner Perspektive erzählt.

Er weiß aber auch vieles mehr, weil er einen anderen Blickwinkel hat, also seine räumliche Position eine andere ist (wie im Sport: der Spieler sieht anders als der Zuschauer). Er sieht durch seine Augen mit seiner eigenen Lebensgeschichte im Hintergrund. Er sieht mich "von außen", hat also einen ganz anderen Überblick.
Er nimmt mich außerdem anders wahr per Übertragung und Gegenübertragung.
Ihm steht einiges an Fachwissen und Berufserfahrung zur Verfügung.
Und dann ist da noch meine Körpersprache!
Manches nimmt er auch falsch wahr, weil ich mich (für ihn) nicht eindeutig genug erklären konnte, er mich falsch verstanden hat, oder einfach ein zu schnelles Vorurteil traf.

Hui, das Thema/deine Frage ist so vielschichtig, da könnte man mehrere Bücher drüber schreiben.

Was deine Therapeutin also bei dir sieht, speist sich aus so vielen Dingen!
Das, was sie sieht, sind natürlich nur Vermutungen und/oder Hypothesen, die sie immer wieder anpassen muss/wird, sobald neue Informationen hinzu kommen.
Ein Beispiel:
Sie könnte z.B. anhand deiner Körperhaltung, deiner Stimmlage, deiner Art, die Welt zu sehen usw. eine Angststörung vermuten, die du selbst noch gar nicht erkennst. Vielleicht hat sie auch schon Auslöser ausfindig machen können, auf die du selbst nicht kommst, weil dir dort ein blinder Fleck die Sicht einschränkt.
Vielleicht liegt sie auch falsch, was sich im Laufe der Therapie herausstellen könnte.

Und zu "vielleicht ist ihre Antwort nicht das was ich mir wünsche, schmerzhaft." möchte ich dir sagen, dass es sich für mich bisher immer lohnte, gerade solche Themen anzusprechen! Ja, manchmal schmerzten die Antworten, aber manchmal brachte mich genau dies ein gutes Stück voran!

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