Abstinenzverletzung

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Chinchine
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Abstinenzverletzung

Beitrag Do., 04.06.2020, 16:10

Hallo an Alle!

Nach einem sehr unschönen Therapieende einer Therapie mit emotionalem Missbrauch durch die Therapeutin mache ich gerade eine Therapie bei einem neuen Psychologen, der auch als Supervisor arbeitet.

Er sagte gestern: "Abstinenzverletzungen fliegen den Therapeuten immer beim Therapieende um die Ohren." Ich ergänze: leider noch viel mehr den Patienten.

Während der missbräuchlichen Therapie war ich hier schon oft stiller Mitleser, bin aber z.B. trotz kritischer Stimmen bzgl. Emailkontakt außerhalb der Stunden in eine schwere Abhängigkeit gerutscht und die Therapie endete für mich in der schlimmsten zwischenmenschlichen Erfahrung meines gesamten Lebens- obwohl davor immer von der Therapeutin betont wurde, wie besonders unsere Beziehung ja ist und sie mir versprochen hat: ich lasse sie nicht alleine.

Ich wollte diesen Satz mit euch teilen, weil er für mich so treffend war- und ich mich mit der Abstinenzpflicht erst beschäftigt habe als ich emotional total an der Therapeutin gehangen bin :roll:

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chrysokoll
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Beitrag Do., 04.06.2020, 16:58

Abstinenzverletzung sind etwas sehr sehr schwieriges, ich habe das leider auch erlebt, mit sexuellem Missbrauch durch den Therapeuten.
Und ich habe sehr lange gebraucht darüber so etwas hinweg zu kommen.

Gut dass du das nun aufarbeiten kannst in einer neuen Therapie

Aber: Ich finde die Einstellung des Therapeuten sehr schwierig sowas würde am Ende den missbrauchenden Therapeutne um die Ohren fliegen. Ähm nein, eigentlich nicht. Und um die geht es auch nicht.

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Ponita
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Beitrag Do., 04.06.2020, 17:32

Chinchine hat geschrieben: Do., 04.06.2020, 16:10 Emailkontakt außerhalb der Stunden in eine schwere Abhängigkeit gerutscht und die Therapie endete für mich in der schlimmsten zwischenmenschlichen Erfahrung meines gesamten Lebens- obwohl davor immer von der Therapeutin betont wurde, wie besonders unsere Beziehung ja ist und sie mir versprochen hat: ich lasse sie nicht alleine.

Ich wollte diesen Satz mit euch teilen, weil er für mich so treffend war- und ich mich mit der Abstinenzpflicht erst beschäftigt habe als ich emotional total an der Therapeutin gehangen bin :roll:
Aber woran soll man es auch als Patient erkennen? Das der Kontakt zwischen den Stunden auf Dauer schädlich sein kann? Und muss das immer so sein?
Denn das macht mir dann doch ein mulmiges Gefühl.
Denn ich habe zwischen den Sitzungen auch Kontakt und merke, dass mir der sehr wichtig ist.
Warum wird es denn dann angeboten, wenn es ungut ist?


GuterGeist2019
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Beitrag Do., 04.06.2020, 17:36

Finde es auch gut, dass du das alles aufarbeiten kannst.

Als ebenfalls Betroffene (sexueller und emotionaler Missbrauch durch einen "Therapeuten") sehe ich es ähnlich wie chrysokoll: Dem Therapeuten fliegt weniger um die Ohren als dem Patienten. Wenn überhaupt, dann doch nur, wenn der Missbrauch rechtliche Konsequenzen hat, was leider selten genug der Fall ist.

Ich finde Kontakt zwischen den Stunden nicht generell schädlich, glaube aber, dass viele Therapeuten überhaupt nicht nachdenken, was dieses Angebot auslösen kann.

Dieses Betonen der "Besonderheit" der Beziehung kenne ich auch. Würde mein jetziger Therapeut das sagen, würde ich das Weite suchen!

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saffiatou
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Beitrag Do., 04.06.2020, 17:46

Ponita hat geschrieben: Do., 04.06.2020, 17:32
Aber woran soll man es auch als Patient erkennen? Das der Kontakt zwischen den Stunden auf Dauer schädlich sein kann? Und muss das immer so sein?
Denn das macht mir dann doch ein mulmiges Gefühl.
Denn ich habe zwischen den Sitzungen auch Kontakt und merke, dass mir der sehr wichtig ist.
Nicht jeder Mail Kontakt zwischen den Stunden ist per se schlecht ode schädlich, oder eine Verletzung der Abstinenz, da gehört mehr dazu. Manchmal ist der Kontakt per Mail hilfreich, es sollte aber auf Grenzen geachtet werden, ( es kann sein, dass es sich hochschaukelt, erst eine Mail pro Monat, dann eine pro Woche etc...) das ist Aufgabe des Therapeuten. Manche Patienten reagieren empfindlich, enttäuscht oder verärgert, wenn dem Therapeuten plötzlich die Mails zu viel werden und er sie vernietet oder darum bittet nur in wichtigen Fällen zu schreiben. Es sollte immer in der Beziehung besprochen werden. Die Aufgabe des Theras ist es beide! Grenzen zu achten.

Zur Verletzung der Abstinenz gehören noch viele andere Dinge.

Zur Anmerkung: ich möchte weder das Erleben von den beiden: chinchine und chriysokoll negieren oder abmildern oder Kleinwerden, ich habe auch mehrere extrem schlimme Therapieerfahrungen machen müssen, an denen ich noch nach Jahren abarbeiten muss. Ich möchte nur erklären, dass eine Abstinenzverletzung nicht nur durch Mail neben der Stunden zu erklären ist - nicht immer. Das wäre etwas zu einseitig betrachtet - meine Meinung.
never know better than the natives. Kofi Annan

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saffiatou
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Beitrag Do., 04.06.2020, 17:49

Was Guter Geist schriebt,

Die „Besonderheit der Beziehung“, das ist auch für mich eine Warnung. Solche und ähnliche Schmeicheleien scheinen diese Therapeuten zu benutzen, meiner war da ähnlich.
never know better than the natives. Kofi Annan


GuterGeist2019
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Beitrag Do., 04.06.2020, 17:56

Ja, sowas hört man ja in großer Bedürftigkeit auch nur allzu gerne... Und das wissen DIESE "Therapeuten" auch ganz genau.

Ich bin davon überzeugt, dass meinem früheren "Therapeuten" nichts um die Ohren geflogen wäre, hätte es keine rechtlichen Schritte gegeben. Wo so eine "Routine" entstanden ist, kann auch keine Einsicht erwartet werden.

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Anna-Luisa
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Beitrag Do., 04.06.2020, 17:57

Ponita hat geschrieben: Do., 04.06.2020, 17:32 Aber woran soll man es auch als Patient erkennen? Das der Kontakt zwischen den Stunden auf Dauer schädlich sein kann? Und muss das immer so sein?
Denn das macht mir dann doch ein mulmiges Gefühl.
Denn ich habe zwischen den Sitzungen auch Kontakt und merke, dass mir der sehr wichtig ist.
Warum wird es denn dann angeboten, wenn es ungut ist?
Wenn der Kontakt außerhalb der vereinbarten Termine sich auf die Telefonsprechstunden beschränkt, ist es ja gut. Begibt sich der Therapeut in die Rolle des allzeit bereitstehenden "Retters" führt das meist, früher oder später, zu einer Katastrophe. Denn wenn irgendwann auch der gutmütigste Gutachter zu dem Schluss kommt, dass weitere Therapiestunden nicht mehr in Frage kommen.

Ich habe hier in einigen Threads gelesen, dass es eher um die "Liebe" des menschlichen Therapeutens geht - nicht um den Willen den Alltag ohne ihn zu bewältigen. Es wurde verzweifelt nachgefragt in welcher Form noch Sondergenehmigungen möglich wären - für die man bereit wäre alles zu tun.

Zu deiner letzten Frage: So hilfreich die meisten Therapeuten sein mögen - sehr viele von ihnen haben auch psychische Probleme. Tatsächlich ist sogar die Suizidrate in dieser Berufsgruppe besonders hoch. Wer sich permanent mit den Problemen anderer belastet, verdrängt wohl eher die eigenen. Insofern ist es oft gar nicht so selbstlos, wenn jemand ständig zu Diensten steht.
Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von den anderen. So wird dir Ärger erspart bleiben.
(Konfuzius)

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Ponita
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Beitrag Do., 04.06.2020, 18:40

Nein, es beschränkt sich nicht auf telefonsprechstunde. Und es ist regelmäßig und von seitens dem Therapeuten abgesegnet.
Woran merke ich ob es ungut wird?
Gibt es da Anzeichen?

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Drachenherz
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Beitrag Do., 04.06.2020, 18:48

Hallo Chinchine,

ich verstehe wie du dich fühlst - ich habe ebenfalls eine sehr unschöne Erfahrung hinter mir. Mein Therapeut hat mir auch zugesichert, dass er mich nicht alleine lässt und dann hat er mich von heute auf morgen ohne Begründung fallengelassen. Ich bin in einer neuen Therapie, aber habe es auch immer noch nicht verarbeitet (ist erst ein paar Monate her).

Ich denke, vor sowas ist man nie geschützt und egal was einem Therapeuten versprechen - am Ende ist es meist nichts wert und diese ganze Versprechen sind oft hohle Phrasen.

LG

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saffiatou
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Beitrag Do., 04.06.2020, 18:49

Liebe Ponita, darf ich fragen?

Wie empfindest du das denn? In welchen Situationen? Worum geht es, ist das für den Notfall, oder forciert er den Kontakt, geht es um Therapie oder privat? Tut es dir gut? Denkst du, dass deine Grenzen überschritten werden? Macht er Komplimente? Hilft es dir?

Hast du das Gefühl, dass in deiner Therapie etwas schief läuft?

Es gibt den ethikverein, da kannst du dich informieren und beraten lassen.

https://ethikverein.de/

Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan


GuterGeist2019
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Beitrag Do., 04.06.2020, 18:54

Hallo Ponita

ich hab dir die Frage im anderen Thread aus meiner Sicht beantwortet.

Mein Eindruck ist, dass du bereits vermutest, dass eine ungute Abhängigkeit entstanden ist, weil du dich doch sehr damit beschäftigst. Ich kann dir nur raten, deinem Gefühl zu trauen, meisrens trügt es nicht. Ich habe mein Unbehagen lange verdrängt und das war ein großer Fehler.

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Anna-Luisa
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Beitrag Do., 04.06.2020, 19:04

Ponita hat geschrieben: Do., 04.06.2020, 18:40 Woran merke ich ob es ungut wird?
Gibt es da Anzeichen?
Das ist es jetzt schon. Psychotherapeuten dürfen keinen privaten Kontakt zu ihren Patienten pflegen.
Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von den anderen. So wird dir Ärger erspart bleiben.
(Konfuzius)

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Ponita
Helferlein
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Beitrag Do., 04.06.2020, 19:15

Nein, es ist nicht als Notfall ausgelegt.
Ich bin mir unsicher, wie ich es empfinden darf.
Keine Komplimente, ganz oberflächlich.
Er forciert es nicht, er unterstützt es.

Wie definiert sich "privater Kontakt"? Wenn es um die Therapie geht, ist es doch therapeutischer Natur oder?

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Ponita
Helferlein
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Beitrag Do., 04.06.2020, 19:17

Es ist auch kein wirkliches Unbehagen, sondern eher eine Unsicherheit im Gefühl. Ein "darf das sein, ist es ok, darf ich mich darauf wirklich einlassen, was passiert wenn die Möglichkeit nicht mehr gegeben ist."

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