Woher weiß ich welche Therapieform für mich Sinn ergibt?

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Woher weiß ich welche Therapieform für mich Sinn ergibt?

Beitrag Mo., 09.11.2020, 11:38

Hallo.

Ich schaue mich gerade nach einem Therapieplatz um. Nicht unwichtig ist da ja auch die Therapieform. Woher weiß ich, was da für mich richtig wäre? Ich kann zwar nachgucken welche Therapieform wie funktioniert, aber ich habe nicht das Gefühl die Erfahrung zu haben dies sicher zu entscheiden.

Danke für jegliche Tipps

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chrysokoll
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Beitrag Mo., 09.11.2020, 12:32

das ist wie ich finde eine sehr schwierige Frage, die man als Patient auch nicht ganz allein beantworten kann.

Letztlich kommt es sowieso drauf an wo man sich wohl fühlt, welcher Therapeut passend ist, ganz unabhängig von der "Schule" und auch darauf wo man einen Platz bekommt.

Du musst das nicht hier sagen, aber es kommt auch drauf an was genau du behandeln lassen möchtest, mit welchem Problem, mit welchem Ziel du dahin gehst.
Und: Möchtest du eher einen sehr aktiven Therapeuten, konkret arbeiten, oder mehr die Vergangenheit aufarbeiten?


Bluemoon123
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Beitrag Mo., 09.11.2020, 15:49

Mach doch mal einen Termin zu einem Erstgespräch (bzw. heute heißt das Psychotherapeutische Sprechstunde) bei einem Therapeuten (oder einer Therapeutin) aus und sprich das an, dass Du nicht weißt was für eine Therapieform für Dich geeignet ist. Bei mir hat der Therapeut von meinem allerersten Erstgespräch mir sehr ausführlich erklärt, welche Therapieform für mich geeignet sei, und nach was ich weiter suchen soll. Er hat auch ganz ehrlich gesagt, dass ich bei ihm falsch bin, weil er eben nach einer anderen Therapieform arbeitet. Seriös arbeitende Psychotherapeuten sagen sowas auch ehrlich. Wenn einer nur sein eigenes "verkaufen" will und nicht die Unterschiede und Vor- und Nachteile zu anderen Verfahren aufzeigen kann, wäre ich sehr hellhörig und schnell wieder weg.

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lisbeth
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Beitrag Mo., 09.11.2020, 16:52

Es gibt in den meisten Städten auch psychosoziale Beratungsstellen, zB von der Diakonie, AWO oder anderen Trägern. Du könntest dort erstmal einen Termin ausmachen und dir dort mit deiner Frage Rat holen. Da kannst du dann mit dem/der Berater/in zusammen klären, was dein Anliegen ist, und in welcher Therapierichtung du damit am besten aufgehoben wärst. Vorteil: Die sind nicht einer bestimmten Denkrichtung oder Schule verpflichtet, sondern können mit dir zusammen ergebnisoffen auf dein Problem schauen und dich entsprechend beraten. Eine weitere Anlaufstelle wäre die Unabhängige Patientenberatung. Oder falls du einen guten Hausarzt hast, der auch psychosomatische Grundversorgung anbietet, der sollte auch in der Lage sein, dir hilfreiche Hinfweise zu geben.

Ich glaube aber auch, dass es da nicht richtig oder falsch gibt. Es gibt Empfehlungen, die schon Sinn machen, weil zB eine Verhaltenstherapie (VT) bei einer Angststörung in der Regel gut und effektiv helfen kann. Und dann macht es schon Sinn, es zunächst auch erstmal mit einer VT zu probieren. Genauso viel hängt aber auch von der Arbeitsbeziehung zwischen Therapeut/in und Patient/in ab, da sollte die Chemie auch grundsätzlich stimmen.

Und dann gibt es noch weitere Faktoren, die eher praktischer Natur sind, die man aber auch nicht außen vor lassen sollte:
- Wartezeiten auf einen Therapieplatz (wenn du dringend Hilfe brauchst, sieht die Situation anders aus, als wenn du es dir leisten kannst, auch eine Weile abzuwarten)
- Erreichbarkeit (bist du bereit, längere Fahrzeiten in Kauf zu nehmen oder willst du was um die Ecke?)
- Vereinbarkeit mit Beruf und Familie (eine analytische Therapie mit 2 oder mehr Stunden pro Woche macht zB nur Sinn, wenn du diese Zeit plus Fahrzeit auch hast und bereit bist aufzubringen)
- zeitliche Flexibilität, sowohl bei dir als auch bei dem/der Therapeuten/in (macht zB wenig Sinn, sich auf einen Therapeuten festzulegen, der nur vormittags Termine frei hat, und du aber wegen Arbeit erst am Nachmittag kannst).

Alles Gute und viel Erfolg bei der Suche!
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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Mondmann
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Beitrag Mo., 09.11.2020, 19:53

Es gibt Empfehlungen, die schon Sinn machen, weil zB eine Verhaltenstherapie (VT) bei einer Angststörung in der Regel gut und effektiv helfen kann. Und dann macht es schon Sinn, es zunächst auch erstmal mit einer VT zu probieren
"Angststörung" ist ja ein weites Feld. Ich würde mich als Patient fragen, worum es mir selbst eigentlich geht: Man kann - hab ich mal irgendwo gelesen - sagen, dass es Therapieformen gibt, die für Menschen geeignet sind, die an sich selbst leiden; und es gibt Therapieformen, bei denen eher Probleme behandelt werden.

Nun können alle Beschwerden, wegen derer man einen Therapeuten aufsucht, auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden: Es gibt die symptomatische Ebene, bei der es eher darum geht, dass das Problem / Symptom (z. B. die Angst) möglichst schnell irgendwo verschwindet oder nicht mehr so gravierend belastet. In diesem Falle nützt eine Psychoanalyse z. B. gar nichts, weil es in ihr gar nicht darum geht, dass zeitnah Symptome verschwinden. Der Patient lernt dann in diesen "effektiven Verhaltenstherapien" innerhalb relativ weniger Stunden (verglichen mit einer Analyse), konkret etwas zu tun, was hilft, wenn die Angst da ist (so haben mir das jedenfalls ständig Mediziner schmackhaft machen wollen).

Es gibt aber auch andere Ebenen, z. B. die, dass man sich fragt: "Wer bin ich eigentlich, und wozu brauche ich die Angst? Was wehre ich damit eigentlich ab, und wieso tue ich das?" - Das ist nicht darauf ausgerichtet, schnelle Erfolge zu erzielen, sondern darauf, durch die Hintertür ein besseres Selbstbild zu erarbeiten, bei dem es nicht mehr nötig ist, ein Symptom zu entwickeln. Dieser Prozess ist jedoch langwierig und eben nicht primär auf den "Erfolg" ausgerichtet, was es ein bisschen schwierig macht, ihn "anzupreisen". Zumal es sein kann - und dann eben womöglich zu spät bemerkt wird -, dass es nicht hilft, weil "nichts" in Gang kommt und man sich selbst ständig fragt: "Wozu bohre ich hier in meiner Biographie rum?"

In psychodynamischen Therapien (Analyse und tiefenpsychologisch) steht explizit die therapeutische Beziehung im Vordergrund; der Patient soll übertragen und tut das in der Regel ganz automatisch. Dann zeigen sich auf der "Bühne" die Probleme und die Persönlichkeitsstruktur des Patienten, und gemeinsam kann man sich dem Menschen als "Gesamtkunstwerk" nähern. Das ist sehr anstrengend und zeitaufwendig und auf den ersten Blick nicht effizient. Die Effizienz zeigt sich erst dann - wenn es gut läuft -, wenn die Therapie längst beendet ist und es dauerhaft nicht mehr nötig ist, weitere Therapien in Anspruch zu nehmen oder viele Arztbesuche auf sich zu nehmen usw.

Das alles kannst du ja gar nicht kennen, bevor du es nicht gemacht hast; deshalb musst du eine Vorentscheidung treffen, und auch, wenn viele Ärzte dazu raten, erst mal eine VT zu machen, weil die eben schneller geht, halte ich selbst nichts davon, sondern ich würde dazu raten, wenn irgendwie möglich, sich selbst zu fragen: Was will ich in der Therapie? Hab ich Lust / Zeit, mich über ca. 3 Jahre womöglich mehrmals die Woche mit einem Therapeuten zu treffen und darüber zu klagen, dass er drei Sekunden zu spät die Tür geöffnet hat und ich deshalb Todesängste entwickelt habe? - Oder möchte ich den Therapeuten eher als "Krücke" sehen, der mir innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmens hilft, mein Leben in die Hand zu nehmen? Komme ich damit klar, dass der Therapeut vielleicht in einem Großteil der Stunden schweigt, oder brauche ich konkrete Rückmeldungen? Hab ich eher das Gefühl, ein Lebensthema bearbeiten zu wollen oder eher ein Symptom? Möchte ich wissen, was sich hinter dem Symptom verbirgt, oder halte ich das für unnütz?

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