Suizidwunsch mit Therapieauslaufen

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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opheliac
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Suizidwunsch mit Therapieauslaufen

Beitrag Mi., 19.01.2022, 20:22

Hi!

Ich bin seit ca. 1,5 Jahren in VT. Meiner Therapeutin gegenüber habe ich starke Übertragungsgefühle, weswegen ich im Rückblick das Gefühl habe, meine düsterste Vergangenheit nochmal durchgemacht zu haben in dieser Zeit. Um ihr zu beweisen, dass es mir schlecht geht, habe ich wieder stärker mit selbstverletzendem Verhalten angefangen (immer im nicht lebensgefährdenden Bereich). Eine Essstörung, die vorher schon begonnen hat, hat sich damals mit dem Therapiebeginn eher verschlimmert (oder ich habe in dem Kontext nur entdeckt, dass ich damit meine willkürlichen Stimmungsschwankungen etwas „in den Griff“ bekomme, ich weiß es nicht). Ich hatte das in der Therapie auch kommuniziert, woraufhin meine Therapeutin mich traurig (? ist das echt oder vorgespielt?) gefragt hat, warum ich die Therapie denn mache, wenn sich meine Beschwerden dadurch verschlimmern. Ich dachte damals: Weil es sich anfühlt wie nach Hause kommen (habe das aber nicht ausgesprochen).

Eigentlich ging es mir mit meinem neuen Job dann besser, weswegen wir den Sitzungsrhythmus heruntergesetzt haben. Seit dem Herbst ist meine Essstörung nach vorheriger Besserung aber erneut schlechter geworden. Ich merke, dass ich immer nur gegen die Therapeutin rebelliere. Und möchte deswegen gerne die Therapie ganz beenden und allein weiterschwimmen, weil ich keine andere Auflösung für dieses Paradox finde. Das habe ich mitgeteilt und sie respektiert es, meinte aber, wenn es schwieriger wird (mit dem Essen), würde sie sich trotzdem freuen wenn ich mich melde. (Sie hat dieses Angebot in Bezug auf meine emotionalen Tiefflüge schon öfter gemacht - ich melde mich nie, wenn es mir noch so dreckig geht, weil ich Angst davor habe darüber zu sprechen. Ich denke, das liegt auch daran, dass sie im Herbst gefragt hat, ob ich wieder mit hungern angefangen habe, um noch krank genug für die Therapie zu sein und wie sie mir diese Angst nehmen kann außer, indem sie bereits ein großes Kontingent an Stunden beantragt hat. Sie hat sich danach dafür entschuldigt. Ich habe aber trotzdem Angst, dass sie das immer denkt - und Was, wenn sie recht hat?) Wir haben jetzt einen Termin für in 6 Wochen gemacht, zumindest verabredet, dass ich bis dahin drei Kilo zunehme. Ich weiß nicht, was ich will, es ändert sich von Stunde zu Stunde . Und habe, seitdem ich beschlossen habe, die Therapie zu beenden, wieder massiv mit Suizidgedanken zu kämpfen, weil ich das Gefühl habe, endgültig allein zu sein und dass mich niemals jemand verstehen wird.
In der letzten Sitzung meinte meine Therapeutin außerdem, sie sei nicht meine Mutter, aber da, wenn ich sie brauche. Allein die emotionale Erkenntnis, dass sie ja dafür bezahlt wird, mir zuzuhören, und dass sie meine Übertragungsgefühle längst vor mir bemerkt hat, bestärkt meine Scham und meinen Entschluss, mich nicht mehr in irgendeine Abhängigkeit begeben zu wollen. Aber das bestärkt wiederum meine Verzweiflung und meinen Wunsch, alles zu beenden.

Ich hoffe, das klingt nicht zu wirr. Hat jemand Erfahrungen oder kann mir einen Tipp aus der Außenperspektive geben?

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alatan
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Beitrag Mi., 19.01.2022, 21:27

Für das beschriebene komplexe Störungsbild ist eine VT nicht unbedingt die geeignetste Therapie, zumal die Therapeutin dem agierenden Verhalten offenbar recht hilflos gegenüber erscheint. Das öffnet Verwicklungen mit allen schwerwiegenden negativen Konsequenzen Tür und Tor. Liebe opheliac, du suchst besser nach einer Alternative, vielleicht erstmal Klinikbehandlung, wenn du ernsthaft (!) vorankommen willst.

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Shukria
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Beitrag Mi., 19.01.2022, 22:39

Das Paradoxe ist das es dir schlechter geht sobald es dir besser gehen könnte, du quasi einen vorgeschoben Grund hast weiter zu ihr zu gehen weil es dir von der Beziehung her gut tut. Da du aber Bindung ablehnst und nicht "abhängig" sein möchtest und dich für deinen Bindungswunsch schämst versuchst du vorzubauen und die Therapie nicht mehr in Anspruch zu nehmen.

Da ein Teil von dir das aber gar nicht will sondern hingehen wird dein innerer Konflikt und die Krise eher größer.

Ich glaube solange du dir selber nicht eingestehen kannst das du (ein Teil von dir) hingehen möchte wirst du das schwer bearbeitet bekommen und permanent kippen. Die Frage ist, welchem Teil von dir du mehr Raum geben solltest. Dem der Bindung und Beziehung ablehnt oder dem Teil der Sehnsucht danach hat. Vielleicht traust du dich ja mal beiden Anteilen in dir zuzuhören was sie dir sagen wollen....

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Gespensterkind
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Beitrag Do., 20.01.2022, 05:42

Ich weiß nicht wie offen Du über genau diese Problematik mit Deiner Therapeutin gesprochen hast. Letztendlich kann sie Dir nur dann wirklich helfen, wenn Du ihr auch die Chance dazu gibst und das auch so aussprichst, wie Du es hier geschrieben hast. Du könntest es ihr auch aufschreiben, wenn es Dir leichter fällt.
Auch über die Suizidgedanken.
Ich weiß nicht, ob ein Klinikaufenthalt nicht genau das Gleiche bei Dir bewirkt, dass Du "beweisen" musst, wie schlecht es Dir geht und dass es eher immer schlechter geht - weil das scheint etwas von Dir früh Erlerntes zu sein, dass Du Dir nur dadurch Beziehung eingestehen darfst.
Das aufzulösen ist aber möglich. Braucht aber Zeit. Und Vertrauen. Vertrauensvorschuss auch von Dir.
Vielleicht schreibst Du einfach mal auf, was Du für Wünsche und Ziele hast? Auch wenn die sich dauernd ändern, stehen sie schon mal da.
Ich glaube es ist wichtig, dass Du in Kontakt zu Dir bleibst und dann auch überlegen kannst, wer und wo Dir am Besten geholfen werden kann.

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Beitrag Fr., 21.01.2022, 19:05

opheliac hat geschrieben: Mi., 19.01.2022, 20:22 wieder stärker mit selbstverletzendem Verhalten(... ) Eine Essstörung (... ). Ich hatte das in der Therapie auch kommuniziert, woraufhin meine Therapeutin mich traurig (? ist das echt oder vorgespielt?) gefragt hat, warum ich die Therapie denn mache, wenn sich meine Beschwerden dadurch verschlimmern. Ich dachte damals: Weil es sich anfühlt wie nach Hause kommen (habe das aber nicht ausgesprochen).

(....) massiv mit Suizidgedanken zu kämpfen, weil ich das Gefühl habe, endgültig allein zu sein und dass mich niemals jemand verstehen wird.
In der letzten Sitzung meinte meine Therapeutin außerdem, sie sei nicht meine Mutter, aber da, wenn ich sie brauche (....) Hat jemand Erfahrungen oder kann mir einen Tipp aus der Außenperspektive geben?

Alsooo.... erst mal solltest du sich nicht dafür fertig machen oder so etwas. Du bist wie du bist und das sind eben gerade deine Strategien, um irgendwie klarzukommen. Die brauchst sie halt gerade noch und das ist völlig ok!
Die Frage, die du dir selbst stellen sollest ist, ob denn da irgendwas in dir ist, was diese Verhaltensweisen loslassen will, ein winzig kleiner Teil in dir? Irgendso ein kleiner Teil, der sofort von einem anderen Teilen in dir niedergemacht wird, aber er ist irgendwo in dir. Ich bin mir sicher, da ist auch dieser Teil in dir der gesund werden will. Auch wenn er manchal ziemlich im Underground verschüttet und eingebuddelt ist. Aber er ist da. 100%. Du kannst ihn stärker machen, wenn du das willst:
-Du kannst z. B. die Vorteile aufschreiben, die es haben könnte, wenn du selbstschädigende Verhaltensweise oder Gedanken ablegst
- du kannst versuchen die vielen, vielen ganz normalen menschlichen Bedürfnisse bewusst zu machen die hinter deinem Verhalten/Suizidgedanken stehen. Das könnte zum Beispiel sein, dass du dir Geborgenheit, Aufmerksamkeit, Zuwendung, Liebe, Respekt usw. wie jeder Mensch wünschst. Du könnnstest dich auf diesen langen Weg machen und lernen wie man diese Bedürfnisse auf nicht selbstschädigende Art befriedigt
- du könntest lernen, dich wie einen guten Freund zu behandeln
- du könntest auch erst mal wie eine Schauspielerin in einem Film spielen gut zu dir selbst zu sein, du musst es nicht gleich fühlen
usw.
Es gibt viele Dinge, die Du tun kannst, um den Teil in dir der gesund werden will zu stärken. Noch sehr viel mehr. Und eigentlich sollte dir deine Therapeutin genau dabei helfen. Aber das kann sie eben nur, wenn du das willst.
Und es ist normal, dass die anderen Teile (Suizidgedanken, Esstörung, SSV etc.) mal mehr und mal weniger im Vordergrund sind. Das ist absolut ok. Das ist eben, weil du den anderen Teil so vernachlässigst. Ganz normal. Aber ist das gut auf Dauer? Du solltest eben nicht aufhören diese andere Seite in dir zu stärken. Immer wieder aufs Neuen wenn es eben gerade geht.
Es reichen einfach winzige Kleinigkeiten. Es reicht einfach mal tief durchzuatmen für ein paar Sekunden. Es geht um diese vielen Kleinigkeiten.
Es geht absolut und überhaupt gar nicht um großartige Veränderungen. Es geht immer nur um winzig kleine Kleinigkeiten. Und immer nur in dem Tempo in dem es eben geht. Es geht niemals um Geschwindigkeit. Es geht immer nur darum sich zu bewegen und nicht in Passivität zu verharren.

Und irgendwann wird alles besser werden. Nicht gut, nicht perfekt. Aber besser.

Und ja, es macht Angst. Weil es letztendlich auch bedeutet, dass man ganz allein die Verantwortung für sich tragen muss als erwachsener Mensch. Dass da eben einfach keine Mutter mehr ist, die die Verantwortung trägt, die einen schützt.
Und ja diese Art von Einsamkeit, die man spürt, wenn man sich innerlich abnabelt kann verdammt weh tun. Und man will das alles nicht. Aber es führt daran kein Weg vorbei. Da muss jeder durch. Und für die, die nie richtige Geborgenheit erlebt haben ist es noch schlimmer, weil sich auf das Alles noch diese unerfüllte Sehnsucht danach stapelt, was es manchmal unerträgtlich macht. Es tut weh, ja.
Aber es wird einfacher, wenn man das akzeptiert, dass es so ist wie es ist. Und dass man etwas tun kann, um diesen Schmerz in einem erträgtlicher zu machen.

Und ist es dann nicht ganz normal, dass man sich eine andere Figur als Mutter wünscht? Damit wird doch der Schmerz viel erträglicher. Und eigentlich sollte das auch Thema in einer Therapie sein. Ich finde es ist auch ein ganz wichtig Punkt, dass man das in einer Therpie für einen begrenzten Zeitraum erfüllt bekommt.

Ich finde, du mussz sich für gar nichts schämen. Aber wenn du dich eben schämst, dann ist das so. Das ist übrigens auch ein super Thema für die Therapie: Angst vor Anhängigkeit, Kontaktvermeidung, Scham....
"You cannot find peace by avoiding life."
Virginia Woolf

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Beitrag Fr., 21.01.2022, 19:17

Und es gibt langfristig viel bessere Dinge als sich selbst in irgendeiner Form zu schaden.
Und man wird daran wachsen wird. Aber es dauert eben. Überleben kann sich lohnen.
.
Und ja, viele Menschen verstehen nicht, weil sie emotional abgestumpft sind. Aber es kann auch eine Gabe sein, dass Leben richtig und intensiv zu fühlen. Wirklich intensiv leben zu können. Etwas, was die Menschen, die nicht verstehen, niemals erleben werden.
"You cannot find peace by avoiding life."
Virginia Woolf


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Beitrag So., 23.01.2022, 18:09

Vielen Dank für eure Zeit und die verschiedenen Antworten, aus denen ich einiges mitnehmen kann! Ich werde mir mehr Zeit geben, um zu überlegen.

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