Gewalt durch Bruder

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
murmeltier
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 25
Beiträge: 41

Gewalt durch Bruder

Beitrag Sa., 09.08.2008, 17:04

Hallo miteinander!
Ich habe mal eine Frage. Ich wurde als Kind lange Jahre von meinem acht Jahre älteren Bruder misshandelt. Hat hier jemand das gleiche erlebt?
Auf meiner Suche im Internet erscheint es mir so, als gäbe es dieses Problem gar nicht. Meist wird da dieses Thema eher verniedlicht. So nach dem Motto "Streitereien zwischen Geschwistern sind ganz normal".
Ich habe und hatte aber einen extrem aggressiven Bruder der mich immer wieder in seinen Zornausbrüchen geschlagen, getreten, geboxt hat. Er hat mich gezwungen Dinge zu tun und zu sagen, die ich nicht tun wollte und auch nicht aussprechen mochte. Weil ich deutlich jünger und kleiner als mein Bruder war konnte ich mich nicht wehren. Meine Eltern haben zuerst die Augen vor dem Problem verschlossen und später war meine Mutter auch rein körperlich nicht mehr in der Lage dazwischen zu gehen. Mein Vater wollte das Problem nicht wahrhaben.
Kann es wirklich sein, dass es so wenige Leute gibt, die davon betroffen sind? Inzwischen mache ich seit einiger Zeit eine Traumatherapie, weil ich unter den Folgen sehr leide. Aber kann es wirklich sein, dass es so wenig Leute gibt, die Gewalt von Geschwistern erlebt haben?
Liebe Grüße
Murmeltier

Werbung

Benutzeravatar

gompert
Forums-Insider
Forums-Insider
männlich/male, 99
Beiträge: 493

Beitrag Sa., 09.08.2008, 18:29

Was du uns erzählst ist sicher nur die Spitze des Eisbergs, Murmeltier. Deine Jugend muss ja eine Hölle gewesen sein. Ich will dich erstmal herzlich willkommen heissen in diesem Forum und dich ermutigen ab und zu vorbeizuschauen. Es mag ein Weilchen dauern bis eine Schicksalsgenossin deinen thread entdeckt, aber du wirst hier von uns allen Verständnis und Empathie bekommen. Vielleicht kannst du schon mal Frostelchen’s Geschichte im alten forum lesen. Auch bei ihr war ein Bruder der Agressor, sie nennt ihn nicht umsonst das Monster: http://www.psychotherapiepraxis.at/foru ... 03&start=0 und weiter im neuen:

viewtopic.php?f=4&t=836&hilit=monster

Lieben Gruβ vom Nordseestrand,

Gompert.
Staunend liest's der anbetroffne Chef......

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
murmeltier
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 25
Beiträge: 41

Beitrag Sa., 09.08.2008, 19:30

Wenn ich nur nicht dauernd das Gefühl hätte, dass mir die Kraft fehlt mich nochmal auf Hilfe einzulassen. Wenn doch nur die Angst weg wäre und die Albträume.
Wenn ich ihn doch nur nie wieder sehen müsste, ohne meine Familie damit zu zerstören.
Wenn ich doch einfach nur weinen könnte.
Wenn ich mich doch nur wieder spüren könnte...

Benutzeravatar

Georgine
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 10
Beiträge: 1095

Beitrag Sa., 09.08.2008, 20:00

wie ist denn heute euer verhältnis zueinander? denkst du, dass er sich daran erinnern kann, wie er dich früher behandelt/mishandelt hat?
denkst du, dass er manchmal ein schlechtes gewissen deshalb hat?
vielleicht wäre es möglich für dich, heute das gespräch mit ihm zu suchen? vielleicht wäre er einsichtig und würde bereuhen?

Werbung

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
murmeltier
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 25
Beiträge: 41

Beitrag Sa., 09.08.2008, 20:12

Nun, er hat mir schon mal im Suff erzählt, dass ihm das alles so leid tut. Aber ich hätte ihn ja als Kind auch provoziert...
Aber ehrlich gesagt hilft mir das nicht weiter. Danach habe ich mich nur noch schlecht gefühlt und mir gedacht, dass er ja eigentlich ziemlich arm dran ist und das ich selber schuld bin.
Aber wie sehr kann man daran Schuld sein, wenn einen der 14-jährige Bruder umbringen will und man ist ja doch erst 6? Und was macht das mir einem, wenn man als kleines Kind jahrelang davon überzeugt ist, dass der Bruder einen umbringen wird. Ich war davon überzeugt, dass er mich umbringt. Die Frage war nur wann. Aber dann ist er zum studieren ausgezogen und ich habe noch gelebt. Und dann sollte alles so schön werden. Er war ja weg. Aber die Angst ist geblieben und es war gar nicht schön. Weil die Angst und die Albträume bleiben. Und wie soll man dann seinem Bruder verzeihen.
Kann man mir seiner Existenz einen 8-jahre älteren Bruder provozieren, auch wenn man aus Angst nie den Mund aufmacht.
Er ist immer noch so aggressiv. Immer wenn er laut wird fühle ich mich wie fünf und kann nicht mit ihm reden, sondern verfalle in "Schockstarre". Ich wünschte ich müsste ihn nie wieder sehen.

Benutzeravatar

Georgine
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 10
Beiträge: 1095

Beitrag So., 10.08.2008, 07:37

es ist sehr, sehr schwerwiegend, was du erleben musstest und für jemanden, der es nicht erlebt hat kaum bis überhaupt nicht nach zu empfinden.

vielleicht könnte dir der thread, "mit eltern über probs... (=vorwürfe?)" ein kleines bißchen weiterhelfen. darin wird über die frage diskutiert, was man mit aufgearbeitetem "material" aus der theapie anfangen soll: soll man dem bedürfnis nachgeben, diejenigen darauf anzusprechen, die man heute als die "schuldigen" sieht. was wäre das positive/negative daran. verzeiht man lieber laut oder leise?

ich denke, du solltest den kontakt zu deinem bruder weitestgehend meiden, wenn nicht sogar abbrechen. wohnt ihr denn noch in derselbe stadt? begegnet ihr euch auch zufällig oder nur im kreise der familie oder besucht ihr euch sogar, wenn sonst keine anderen familienmitglieder dabei sind?

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
murmeltier
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 25
Beiträge: 41

Beitrag So., 10.08.2008, 09:47

Danke für Deine Antwort Georgine,
meinen Bruder sehe ich hin und wieder. Er wohnt ca. 100km weit weg. Wenn er bei meinen Eltern ist versuche ich Besuche bei ihnen zu meiden. Aber Weihnachten oder so lässt sich das nicht verhindern. Mein Bruder hat mehrere Jahre beruflich im Ausland gelebt. Seit er letztes Jahr wieder nach Deutschland zurück gekommen ist, geht es mir nicht so gut damit.
Er ruf mich auch immer wieder an. Und ich schaffe es einfach nicht ihm zu sagen, dass ich keinen Kontakt möchte. Ich habe solche Angst vor seiner Reaktion. Und wenn er (verbal) aggressiv wird kann ich mich auch verbal nicht mehr wehren. Dann bekomme ich nur ganz starke Angst.

Mein Vater würde es auch nie akzeptieren, wenn ich sagen würde ich komme nicht mehr nach Hause, wenn mein bruder da ist. Er akzeptiert es ja jetzt schon nicht, dass ich gesagt habe ich möchte nicht mit ihm über meinen Bruder reden. Immer wieder fragt er mich nach Ratschlägen für die Problemchen meines Bruders. Wie Paradox.
Mein Vater meint, ich soll damit zurecht kommen. Das ist nun ja schon so viele Jahre her. Und er schlägt ja nicht mehr. Irgendwie denke ich das auch. Es muss doch einfach endlich vorbei sein und mit Angst und Albträumen kann man auch irgendwie leben. Es gibt soviel Leute die schlimmeres erlebt haben. Warum kann ich das nicht einfach vergessen.
Ich frage mich immer wieder ob es mir einfach an Disziplin mangelt und dem Willen das endlich hinter mir zu lassen.


Raziel
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
männlich/male, 37
Beiträge: 860

Beitrag So., 10.08.2008, 10:47

Morgen, Murmeltier!
Kann man mir seiner Existenz einen 8-jahre älteren Bruder provozieren, auch wenn man aus Angst nie den Mund aufmacht.
Theoretisch geht das schon. Beispielsweise, wenn deine Eltern ganz klar und unmissverständlich dich deinem Bruder bevorzugen. Der Grund wäre dann Eifersucht. Das wäre dann aber nicht deine Schuld, sondern die Schuld deiner Eltern.
Wenn ich ihn doch nur nie wieder sehen müsste, ohne meine Familie damit zu zerstören.
Dein Bruder ist der Zerstörer, nicht du!!!!
Immer wieder fragt er mich nach Ratschlägen für die Problemchen meines Bruders. Wie Paradox.


Wer ist denn hier der Vormund? Das ist seine verdammte Aufgabe, nicht deine!
Mein Vater meint, ich soll damit zurecht kommen.
Ist ja ein Wahnsinnsvorschlag. Lass mich raten: Dein Vater glaubt bestimmt auch noch, das er immer alles richtig gemacht hat, oder?
Das ist nun ja schon so viele Jahre her. Und er schlägt ja nicht mehr.
Würde unsere Justiz diesen Satz zu ihrem Leitmotiv machen, könnten wir getrost sämtliche JVA's abreissen lassen. Braucht man ja keinen mehr einbuchten, wenn der Täter jetzt nicht mehr mordet oder vergewaltigt.

Nachdem, was du schreibst, läuft zumindestens dein Vater vor seiner Verantwortung davon und bürdet sie lieber dir auf.
Es gibt soviel Leute die schlimmeres erlebt haben. Warum kann ich das nicht einfach vergessen.
Weil es deine ganz private Hölle ist. Und diese Hölle ist real. Und das Statement mit den Leuten, die schlimmeres erlebt haben, solltest du dir gar nicht erst einreden. Den Gedanken hatte ich nämlich auch mal gehabt, bis ich erkannt habe, dass man sich dadurch stellvertretend für andere mit Schuldgefühlen belastet. Du leidest also für etwas, was andere getan haben. Und auch dieses Leiden ist real, ganz gleich, ob andere schlimmeres erlebt haben oder nicht.

Für mich sieht das Ganze nach deinen bisherigen Posts etwa so aus: Dein Bruder hat dich jahrelang geschlagen, das ist Fakt. Deinen Eltern obliegt es, dich vor diesen Übergriffen zu schützen (auch deinen Bruder). Es spielt keine Rolle, ob sie das Problem nicht erkannt oder - noch schlimmer - einfach weggeschaut haben. Sie haben dich NICHT geschützt und haben in ihrer Verantwortung für dich versagt. Und zumindestens dein Vater will sich diesem Versagen nun nicht stellen und schiebt lieber dir diese Verantwortung zu. Da du aber wie jedes Kind deine Eltern liebst, sie stolz auf dich machen oder zumindestens nicht wehtun möchtest, verzeihst du ihnen all diese Fehler. Das ändert aber nichts daran, das du noch immer ein Problem hast, das dich sehr belastet. Da deine Eltern aus den genannten Gründen und dein Bruder (der eigentliche Hauptschuldige) wegen deiner Furcht vor ihm für dich nicht greifbar sind, richtest du deinen Schmerz lieber gegen dich selbst und suchst die Schuld bei dir.

Man liest sich
Raziel
Man liest sich
RazielBild

Tradition ist nicht das Bewahren der Asche,
sondern die Weitergabe des Feuers.

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
murmeltier
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 25
Beiträge: 41

Beitrag So., 10.08.2008, 11:22

Nun, ich gleube nicht, dass ich gegenüber meinem Bruder bevorteilt wurde. Ich habe auch noch eine jüngere Schwester. Die war aber immer seine "Lieblingsschwester" und wurde von ihm nicht angegriffen. Ich hatte also nicht die Nesthäckchen und Lieblingskind-Rolle inne. Mein Bruder hatte eigentlich immer 90% der Aufmerksamkeit unserer Eltern. Aber, dass er eifersüchtig war, stimmt schon. Er hat z.B. an meinem 7.Geburtstag alle meine Geschenke zerstört, weil er es nicht ausgehalten hat einen Tag nicht im Mittelpunkt zu stehen.

Es ist manchmal viel einfacher sich die Schuld oder die Veantwortung zu geben. Dann hat man was wofür man sich bestrafen kann und dann fühlt man sich bessern, weil man sich dann überhaupt spürt. Außerdem kann man besser damit leben selber Schuld an seinen Problemen zu sein, als daran zu verzweifeln, warum die Eltern ein so kleines Kind im Stich lassen (das ist nämlich dann emotional nicht kontrollierbar).
Manchmal denke ich, dass hat alles keinen Sinn mehr. Ich habe einfach keine Kraft mehr dafür. Ich wünschte es wäre alles vorbei.

Benutzeravatar

gompert
Forums-Insider
Forums-Insider
männlich/male, 99
Beiträge: 493

Beitrag So., 10.08.2008, 15:30

Da dein Bruder erfolgreich ist, meint dein Vater sicherlich er hat mit seiner Erziehung Recht bekommen. Für dieses Recht hast du den Preis gezahlt. Um endlich Lebenskraft zu schaffen, müsstest du den beiden die Rechnung präsentieren. Raziel hat sich stellvertretend sehr aufgeregt und gezeigt wie man idealiter widerstandsfähig reagiert. Du könntest deinem Vater schreiben wie du dir überlegt hast dir das Leben zu nehmen um der Familie willen:

„Dann könnten die Hinterbliebenen behaupten ich sei halt krank gewesen, Vater. Dann würde Frieden herrschen, dann wäre die lästige Tochter aus dem Wege. Keiner würde wissen wollen welche Dramen sich in meiner Kindheit abgespielt haben, mit welcher Todesangst ich aufwuchs, wer mir jahrelang verprügelte, terrorisierte und wörtlich und explizit versprach mich zu ermorden. Dein Sohn, Vater. Und keiner würde mehr wissen wer dafür verantwortlich war.... oder doch, Vater?“

Kannst du hinter dem Kummer nicht doch ein wenig von Raziel’s Empörung (nachemp)finden, murmeltier? Das wünscht dir

Gompert.
Staunend liest's der anbetroffne Chef......

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
murmeltier
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 25
Beiträge: 41

Beitrag So., 10.08.2008, 16:20

Danke, es ist sehr lieb von Euch, dass ihr versucht mir im Bezug auf meine Eltern /meinen Vater die Augen zu öffnen. Es hilft ein bisschen das zu lesen, auch wenn ich es nicht ganz so spüren kann.
Aber vielleicht kommt doch ein bisschen davon in meinem Herzen an.

Ich kann aber meinen Eltern keinen Kummer bereiten, dafür hat meine Mutter selber schon zuviel erlebt.
Manchmal muss man Dinge in seinem Leben eben mit sich selber ausmachen. Natürlich denke ich manchmal, dass es eine Erleichterung für mich wäre meinen Eltern die Schuld zu geben. Ich weiß ja auch nicht, warum meine Mutter nicht gehandelt hat, wenn mein Bruder mich z.B. mit Springerstiefeln in den Bauch getreten hat. Aber wenn ich sie mal bezüglich dieser Dinge gefragt habe hat sie geantwortet, dass sie Angst hatte das er noch zorniger wird.

Aber nachts sind diese Erinnerungen wieder da und es ist so schlimm das alles wieder und wieder in den Träumen zu erleben. Dann schmeißt er mich wieder die Treppe runter, Schubst mich in den Elektrozaun, reißt mir büschelweise die Haare aus, hält mir Mund und Nase zu, damit ich nicht atmen kann; würgt mich; holt den Gürtel...

Aber ich kann mich immer noch nicht wehren und das ist nur Angst und keine Wut.


Raziel
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
männlich/male, 37
Beiträge: 860

Beitrag So., 10.08.2008, 20:06

@Gompert

Der Brief war klasse!

@Murmeltier

Ich rege mich vor allem deshalb so auf, weil ich am eigenen Leib erfahren habe, was Väter für verquere Ansichten entwickeln können. Mein Stiefvater glaubt sicher heute noch, das die jahrelange psychische und körperliche Gewalt von ihm gegen mich nur dem Zweck diente, mich zu einem ganzen Kerl zu erziehen. Mir schwillt aber die Halsschlagader auf Gartenschlauchgrösse an, wenn ich das hier lese:
Ich weiß ja auch nicht, warum meine Mutter nicht gehandelt hat, wenn mein Bruder mich z.B. mit Springerstiefeln in den Bauch getreten hat. Aber wenn ich sie mal bezüglich dieser Dinge gefragt habe hat sie geantwortet, dass sie Angst hatte das er noch zorniger wird.
Warum zur Hölle ruft sie dann nicht die Polizei? Oder das Jugendamt? Warum lässt sie zu, das ihre Tochter (die sie zu lieben vorgibt) von ihrem Bruder (respektive ihrem Sohn) mit Springerstiefeln getreten wird und das in ihrem Beisein (oder zumindestens wissentlich)? Weil das ganze ja nur eine Lapallie ist? Warum hat sie dann Angst vor ihm? Spätestens wenn einer der Elternteile Angst vor dem eigenen Kind hat, ist das definitiv keine Lapallie mehr, sondern nimmt bedrohliche Ausmasse an. Weil sie in der Situation doch sowieso nichts hätte ausrichten können? Selbst wenn, warum verhindert sie dann nicht zukünftige Übergriffe?
Aber ich kann mich immer noch nicht wehren und das ist nur Angst und keine Wut.
Du hast geschrieben, das du deine Familie nicht zerstören willst. Nach allem, was ich bisher gelesen habe, ist deine Familie längst zerstört, sofern sie denn jemals existiert hat. Was du retten willst, ist schlicht und einfach eine Fassade, das Trugbild einer heilen Familie.

An der Spitze steht demnach eindeutig dein Bruder.

Dann folgt dein Vater, der vermutlich sehr stolz auf seinen Sohn ist, ihn wo immer auch möglich in den Mittelpunkt stellt, seine Bemühungen bezüglich der "Familie" ganz auf ihn ausrichtet und schon deshalb alle damit verbundenen negativen Aspekte einfach ausblendet.

Dann folgt deine Mutter, die vermutlich merkt, was der Preis für dieses vermeintliche "Familienidyll" ist, aber aus verschiedenen Gründen schweigt. Vielleicht, weil sie den vermeintlichen "Erfolg" des Sohnes nicht gefährden oder - wie du - die Fassade der heilen "Familie" aufrecht erhalten will. Auf jeden Fall nimmt sie dafür dein Leiden in Kauf.

Und zum Schluss kommst du, die den Preis für den "Erfolg" deines Bruders und die Schwäche deiner angeblichen "Beschützer" bezahlen darf.

Somit sind deine Eltern dein Ansprechpartner und ich teile Gomperts Idee, ihnen einen Brief zu schreiben, so wie er es vorgeschlagen hat. Nenne dabei ruhig ein paar Details. Und dann lass sie mit diesem Wissen alleine, sprich brich den Kontakt zu ihnen komplett ab. Ich vermute, dass sie nicht mehr den Versuch unternehmen werden, etwas zu ändern, aber sie sollten zumindestens wissen, wer bei ihrer Huldigung für ihren Sohn dabei auf der Strecke bleiben musste.

Und dann geht es erstmal NUR um dich. Wie es scheint, stehst du zur Zeit auf eigenen Beinen, sodas du dein Leben weitgehend selbst bestimmen kannst und von niemanden abhängig bist. Lass deine Eltern und deinen Bruder meinetwegen ihr eigenes Ding drehen. Deine Sorge sollte jetzt ausschliesslich dir selbst und der Aufarbeitung deiner Kindheitserinnerungen gelten. Und das dürfte ohne deine "Familie" sicher leichter fallen.

Man liest sich
Raziel
Man liest sich
RazielBild

Tradition ist nicht das Bewahren der Asche,
sondern die Weitergabe des Feuers.

Benutzeravatar

Andi
Forums-Insider
Forums-Insider
männlich/male, 24
Beiträge: 204

Beitrag So., 10.08.2008, 23:34

Hallo alle zuammen!

@gompert: Wahnsinns Beitrag mit dem Brief. Die Idee finde ich super!

@Raziel: Du sprichst mir aus der Seele. Top!

@ murmeltier:

Liebe murmeltier!

Was du in deiner Kindheit erleben musstest, ist schrecklich. Du brauchst dir gar nicht einreden, dass es anderen viel schlechter gegangen ist. Die, an die du dabei vermutlich denkst, haben anderes erlebt als du. Aber deshalb nicht unbedingt schimmeres. Es ist ganz natürlich, dass dich das belastet.

Ich halte wie oben schon geschreiben große Stücke auf gomperts und Raziels Vorschläge. Deine sogenannte Familie hat keinerlei Anspruch darauf, dass du sie schonst. Auch nicht deine Mutter. Egal was sie erleben musste, ihren Anspruch auf Schonung hat sie damals verspielt, als sie dein Recht auf Körperliche Unversehrtheit (ein Menschenrecht!) hinten anstellte.

Sollte dich dein Vater nochmal mit den Problemchen deines Bruders belästigen, kannst du ihn ja mal spaßeshalber fragen, warum du der Person, die dich über Jahre misshandelt hast, helfen solltest.


Ich wünsche dir ganz viel Kraft, dein Andi
"Those who would give up essential liberty to purchase a little temporary safety deserve neither liberty nor safety." Benjamin Franklin

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
murmeltier
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 25
Beiträge: 41

Beitrag Mo., 11.08.2008, 16:24

Erst einmal vielen Dank für Eure lieben und langen Antworten. Interessant, dass so viele Männer antworten. Nicht das ich was gegen Antworten von Frauen haben. Aber das lenkt doch mein Männerbild mal wieder in bessere Bahnen

@ gompert:
Korrigiert mich, wenn ich das missverstehe, aber für mich schein ein solcher Brief eher eine Art Suiziddrohung zu enthalten. Nachdem ich mir als Teenager einmal das Leben nehmen wollte und mich noch zugut an den Blick meiner Eltern am Krankenhausbett erinnern kann, möchte ich die Erinnerung daran weden meinen Eltern noch vorallem mir antun. Natürlich hat das damals meinen Eltern kurzfristig die Augen geöffnet. So wie vielleicht auch ein solcher Brief meinen Vater aus seiner Letargie erwecken würde. Langfristig sehe ich darin aber nur meine Rachegfühle (die ich ja gar nicht habe) befriedigt und vor allem mich geschwächt. Mir hilft es gegenüber meinen Eltern die Starke zu spielen.
Solange habe ich nämlich die Oberhand und mich kann zumindest von familiären Seite keiner verletzen. (während ich das schreibe merke ich, was für eine Lüge das ist. Ich laß es aber stehen, weil ich es bis gerade dachte).

@ Raziel:
Raziel hat geschrieben:Ich rege mich vor allem deshalb so auf, weil ich am eigenen Leib erfahren habe, was Väter für verquere Ansichten entwickeln können.
Tja, mein Vater ist der Überzeugung das Jungs viel Zuneigung und Zuwendung brauchen, Mädels gedeihen wie Unkraut von alleine. Übrigens hat ihm das mal der Kinderarzt gesagt. Wobei ich bezweifel, dass der das so gemeint hat wie meine Vater es interpretiert.

@ Andi:
Andi hat geschrieben:Und dann lass sie mit diesem Wissen alleine, sprich brich den Kontakt zu ihnen komplett ab. Ich vermute, dass sie nicht mehr den Versuch unternehmen werden, etwas zu ändern, aber sie sollten zumindestens wissen, wer bei ihrer Huldigung für ihren Sohn dabei auf der Strecke bleiben musste.
Ich weiß, dass ihr Recht habt und es irgendwann Zeit ist den Kontakt zu meinen Eltern abzubrechen. Aber dafür bin ich (noch) nicht bereit. Wie Georgine zuvor geschrieben hat, liebt man seine Eltern. Und soviel ich ihnen vorwerfen könnte. Ich bin diejenige die sie noch braucht. Ich hänge sehr an meiner Mutter und kann mir nicht vorstellen ohne die täglichen Telefonate mit ihr zu leben. Außerdem sind meine Eltern sehr emotional. Sie würden alles unternehmen um den Kontakt wieder herzustellen. Und alles was ich dagegen tun könnte, währe ihnen Vorwürfe zu machen und darzustellen, wie schlecht es mir geht. Und das deckt sich dann wieder mit dem was ich oben zu gompert geschrieben habe.

Auch wenn ich eure Vorschläge (noch) nicht umsetzen kann, hilft es mir zu sehen, was andere Menschen dazu denken.
Leider bin ich immer so zweigeteilt. Die eine Seite ist die Starke (die euch auch hier wieder geschrieben hat). Die bekommt ihr Leben auch ganz gut auf die Reihe. Auf der anderen Seite ist da dieses völlig verstörte fünfjährige Mädchen, dass unendliche Angst und Hilflosigkeit empfindet.

liebe grüße
murmeltier

Benutzeravatar

Andi
Forums-Insider
Forums-Insider
männlich/male, 24
Beiträge: 204

Beitrag Mo., 11.08.2008, 17:44

Hallo murmeltier!

Das Zitat ist eigentlich von Raziel und nicht von mir...

Ich weiß nicht mehr genau, wo im Forum ich das gelesen habe, aber jemand hat hier mal beschrieben, wie Sie stellvertretend das kleine Mädchen in sich getröstet hat. Weißt du, so nach dem Motto wenn dich damals keiner getröstet hat, dann mach ich es eben jetzt. Vielleicht kann dir das ja auch helfen? (Ich find grade diesen Thread nicht mehr, sorry)


Liebe Grüße, dein Andi
"Those who would give up essential liberty to purchase a little temporary safety deserve neither liberty nor safety." Benjamin Franklin

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag