KVT mit vergesslichem Therapeuten

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
dumbhead
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
männlich/male, 57
Beiträge: 529
Wohnort: wien
Status: Offline

KVT mit vergesslichem Therapeuten

Beitrag Mi., 22.01.2025, 09:04

Morgen!

Ich will 2 Fragen zur kognitiven Verhaltenstherapie loswerden.
Erstens, ist es normal, dass in der KVT zu 90% der Therapeut spricht und mir seit etlichen Stunden Unmengen an Begriffserklärungen um die Ohren fliegen?
Ist nicht so übel. Es gibt mir durchaus etwas Rüstzeug um dies und das zu hinterfragen.
Aber es ist auch sehr verwirrend, weil ich immer unsicherer werde ob das überhaupt in die richtige Richtung geht.

Was mich direkt zu Punkt 2 bringt. Jetzt nach etwa 10-12 Sitzungen ist er ganz überrascht wegen meinem ADHS.
Eine sehr wichtige Information wie er meint.
Nur sollte er das wissen, denn F90.0 stand schon in Stunde 2 im Antrag für die Krankenkasse und er hat es noch nachgeschlagen.

Bisher ging es viel um Angst, Scham und Selbstwert mit der Verdachtsdiagnose "soziale Phobie".
Dass mich Menschen einfach furchtbar nerven wenn ich um 6:00 schon mit Krieg im Kopf aufwache und die mich anquatschen - das war kein Thema.
Jetzt bin ich nicht ganz sicher, wohin ich das ganze nächste Woche lenken soll. Immerhin fehlte scheinbar bei der Diagnostik auf der der ganze Behandlungsplan basiert, ein nicht ganz unwichtiges Detail. Das sich noch dazu gerade dramatisch ändert. Mit den neuen Medikamenten verschiebt sich nämlich die Intensität einiger Symptome doch deutlich nach unten auf der 1-10 Skala.

Einerseits haben wir es eilig glaube ich. Weil die Kasse einem im Nacken sitzt. Andererseits sind die 3 Bereiche die er behandeln will zwar sicher gut und richtig. Aber die Frage ist - spielt die Ursache da eine Rolle, oder ist es eh egal?
Also zurück zum Start, oder den Behandlungsplan durchziehen?

Besten Dank!
cu
Martin

Benutzeravatar

Kirchenmaus
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 50
Beiträge: 1183
Wohnort: Bayern
Status: Offline

Beitrag Mi., 22.01.2025, 10:12

Hei Martin,

wie geht es dir denn insgesamt mit ihm und der Therapie? Wie fühlt es sich menschlich an?

Einerseits finde ich es gut, den theoretischen Überbau zu bekommen. Das hat mir auch geholfen. Andererseits weiß man nicht, ob das so bleibt, also dass er immer redet. Das wäre natürlich nicht so ideal.

Hab ich das richtig verstanden – das ADHS bessert sich durch die Medikamente? (Das wäre ja super!)

Dass er die Diagnose nicht auf dem Schirm hatte, finde ich erstmal nicht total bedenklich. Vielleicht hatte er den Fokus auf etwas anderem. Das macht ihn m. E. nicht automatisch zu einem schlechten Therapeuten. Aber wenn du dich insgesamt sehr unsicher fühlst, ist das natürlich schlecht.

Grundsätzlich muss er dich natürlich schon zu Wort kommen lassen und deine Diagnose kennen. Kannst du mit ihm nächstes Mal darüber sprechen?

Viele Grüße
Kirchenmaus
Es ist in Ordnung, mich zu akzeptieren.

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
dumbhead
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
männlich/male, 57
Beiträge: 529
Wohnort: wien
Status: Offline

Beitrag Mi., 22.01.2025, 10:26

Kirchenmaus hat geschrieben: Mi., 22.01.2025, 10:12 Kannst du mit ihm nächstes Mal darüber sprechen?

Viele Grüße
Kirchenmaus
Prinzipiell ja!
Er hat auch gestern nach der Theorie gefragt, ob ich jetzt irgendwelche Anliegen habe, denn er wäre jetzt mal durch mit Theorie.
Allerdings war ich da gerade im Rebound vom MPH und komplett neben der Spur. Außerdem macht mich irgendwas dort nervös. Ich hab keine Ahnung was, aber offenbar trifft er einen Nerv. Ich hab nur keine Ahnung woher das kommt. Es ist aber recht ausgeprägt. Ich tu mir dann am E Scooter schwer, weil mir echt die Knie zittern.
Und das ist jetzt ein bisschen viel auf einmal. Das neue Medikamenten Schema steht erst seit ein paar Tagen und da muss noch nachjustiert werden. Dazu ein Berg an Infos in der Therapie. Ich muss das alles erst wieder einordnen.
Vielleicht mach ich mir auch unnötig einen Kopf. Gerade jetzt scheint die Kombination aus MPH, Pregabalin und Therapie ja zu funktionieren.
Andererseits vergisst er gerade das, was vermutlich die Ursache für 50 Jahre Chaos ist und war.
Mal sehen ob er nächste Woche drauf eingeht. Sonst sage ich ihm einfach in etwa das, was ich hier schreibe :lol:

Benutzeravatar

Kirchenmaus
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 50
Beiträge: 1183
Wohnort: Bayern
Status: Offline

Beitrag Mi., 22.01.2025, 11:19

dumbhead hat geschrieben: Mi., 22.01.2025, 10:26 Allerdings war ich da gerade im Rebound vom MPH und komplett neben der Spur. Außerdem macht mich irgendwas dort nervös. Ich hab keine Ahnung was, aber offenbar trifft er einen Nerv. Ich hab nur keine Ahnung woher das kommt. Es ist aber recht ausgeprägt. Ich tu mir dann am E Scooter schwer, weil mir echt die Knie zittern.
Was meinst du mit MPH? Das habe ich nicht verstanden.

Ich habe bei ihm von dem her, was du schreibst, erst mal kein schlechtes Gefühl. Probiere, es anzusprechen (zur Not mit Notizen) und berichte bitte weiter! Wann ist der nächste Termin?
Es ist in Ordnung, mich zu akzeptieren.

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
dumbhead
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
männlich/male, 57
Beiträge: 529
Wohnort: wien
Status: Offline

Beitrag Mi., 22.01.2025, 11:32

MPH ist Methylphenidat. Das ist zwar ein echter Gamechanger in der retardierten Variante, aber wenn dann mal unweigerlich der Spiegel sinkt, geht es einem für 1-2 Stunden schlechter als vorher. Man muss da im Detail noch dran feilen. Ansonsten wirkt es hervorragend. Ich wurde sogar darauf angesprochen, weil es aus einem beinahe Soziopathen, so einen umgänglichen Teddy macht.

Nächster Termin ist in einer Woche. Notizen sind eine gute Idee. Ich gehe zwar vorher oft alle möglichen Dialoge im Kopf durch, aber wenn ich dort sitze schaffe ich gerade mal so ein "OK", oder "kenn mich aus".
Ansonsten ist der Kopf plötzlich leer. Gibt wohl noch viel zu tun.
Letztlich bin ich gerade eigentlich komplett abhängig von meinen Tabletten. Und wehe ich nehme die mal nicht. Die letzten 10 Jahre waren eine Gratwanderung zwischen Knast, Klapper oder Friedhof. Dazu ein halbes Dutzend Diagnosen und einmal durch die Palette an verfügbaren Psychopharmaka.
Deshalb wäre mir daran gelegen, dass das mit der KVT klappt.

Benutzeravatar

chrysokoll
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 45
Beiträge: 4109
Wohnort: Bayern
Status: Offline

Beitrag Mi., 22.01.2025, 11:36

ich wünsche dir dass es klappt!
Sicher kannst du bzw. mit dem behandelnden Psychiater noch an den Einnahmezeiträumen und Dosierungen feilen.
Es wäre natürlich ideal, wenn die Therapiestunde nicht genau dann liegt wenn der Spiegel absinkt und es dir besonders schlecht geht

Benutzeravatar

Nili
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 35
Beiträge: 202
Wohnort: Deutschland
Status: Offline

Beitrag Do., 23.01.2025, 17:21

Ja, das wichtigste ist, dass du dich wohlfühlst.
Für mich ist so strenge kognitive Verhaltenstherapie nichts. Vorallem streng nach Manual.
Aber....es gibt glaub ich kein "Verhaltenstherapeuten erklären am Anfang viel mehr als Tiefenpsychologen" würde ich jetzt sagen, ich denke das kommt auf den Therapeuten an, seine Art zu arbeiten, vielleicht sein Alter.
In der Reha war es für mich typisch VT sehr viel Fachinfos zu kriegen zbsp. in der Gruppentherapie, das waren wie Schulstunden, schlechten Schulstunden. Fachwissen, was sehr unsicher und zum Teil falsch vorgetragen wurde, Fragen konnten grundsätzlich nicht beantwortet werden. Das lag aber dran, dass die Stunden von Psychotherapeutinnen in Ausbildung "gehalten" wurden, die gerade erst selber am lernen und total unsicher waren, also auch das muss überhaupt nicht typisch sein.
Erstmal dir alles 'Gute!

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
dumbhead
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
männlich/male, 57
Beiträge: 529
Wohnort: wien
Status: Offline

Beitrag Fr., 24.01.2025, 08:06

Ich glaube mir liegt die enge Struktur der KVT.
Frühere Therapien habe ich abgebrochen weil es schnell zu Plauderstunden wurde. Ich weiche gern aus, wenn es zb um Scham geht. In der KVT gibt es diesen Gefühlsstern und da komme ich nicht raus. Da hat er mich sofort an den Eiern.

Mein jetziger Therapeut macht das seit Jahrzehnten und war auch forensisch tätig. Das liegt mir auch, denn der ist abgebrüht und einige meiner Themen schrammen knapp am Strafrecht.

Ich hab mir jetzt Notizen gemacht und schau mal, dass die Richtung stimmt.
Immerhin! Das MPH gibt mir jetzt die 2 Sekunden um nicht gleich völlig auszuklinken und die KVT gab mir bereits genug Infos um meine Reaktion zu hinterfragen. Eben dieses Schema, welchen Gedanken hab ich gerade und was ist die Konsequenz. Und dann ist der Ärger schon wieder verpufft. So ein "leerer" Kopf ist Gold wert.
Jetzt muss ich nur aufpassen, nicht sentimental zu werden. Hin und wieder will ich mich kurz fragen "was wäre wenn".
Wenn ich das MPH bereits vor 50 Jahren bekommen hätte. Aber das verdränge ich lieber ganz schnell. :lol:

cu
martin

Benutzeravatar

Kirchenmaus
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 50
Beiträge: 1183
Wohnort: Bayern
Status: Offline

Beitrag Fr., 24.01.2025, 08:53

Ich freu mich sehr für dich! :-D
Es ist in Ordnung, mich zu akzeptieren.

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
dumbhead
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
männlich/male, 57
Beiträge: 529
Wohnort: wien
Status: Offline

Beitrag Do., 30.01.2025, 08:23

Kurzes Update, weil gestern wieder Termin war - Notizen habe ich vergessen, aber das therapiebegleitende Buch hatte ich dabei. Das reicht mir als Gedächtnisstütze.
Es geht immer noch um Begriffsbestimmungen und die Unterscheidung gewisser Kognitionen. Ist angeblich enorm wichtig hier streng im Schema zu bleiben.
Er freut sich auch, dass ich mit dem Wissen bereits im real life experimentiere und unterstützt das ausdrücklich. In der Therapie bleiben wir noch bei erfundenen Szenarien aus dem Buch. Wohl wegen der strikten Unterscheidung, die anhand dieser Beispiele herausgearbeitet wird.
Das ist alles gut verständlich und man kann es tatsächlich nutzen um schlechte Copingstrategien zu entlarven.
Aber das Schwierige ist, diese kopflastigen Dinge mit der Gefühlsebene zu synchronisieren.
Wie damals in der Schematherapie.
Der gesunde Erwachsene ist grundvernünftig und ausgeglichen. Das innere Kind, der Vermeidende und der Part der Überkompensation ignorieren ihn aber, machen Chaos und lachen ihn aus.
Zufällig steht das aber eh nur mit anderen Bezeichnungen, im Behandlungsplan :lol:
Gestern war es jedenfalls wieder gut und wenn ich 2 Stunden vor der Therapie noch ein 10mg Ritalin einwerfe, schlage ich dort topfit und aufnahmefähig auf. Was man eben gestern auch merkte.
Ist spannend und scheint langsam auch einen Benefit zu haben. Er spiegelt auch recht geschickt. Da redet es sich gleich viel leichter.
Soviel dazu, ich werd das in Zukunft öfter hier dokumentieren. Die letzten Postings waren durchaus hilfreich für die Vorbereitung der Stunde!

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
dumbhead
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
männlich/male, 57
Beiträge: 529
Wohnort: wien
Status: Offline

Beitrag Mi., 05.02.2025, 07:52

Naja, und dann gibt es Tage wie gestern.
Seit Wochen alles gut, ich fahr gemütlich mit meinem Scooter nach Hause und genieße die Sonne. Vor einer Sehenswürdigkeit dann ein Haufen Touristen die den Radweg besetzen. Ich hab immer noch die 2 Sekunden die ich brauche um meine Interpretation der Situation zu überdenken, alles gut! Vermutlich wissen sie es einfach nicht und Touristen finde ich generell putzig. Ausweichen ist dort gefährlich, also bleib ich halt stehen, ziehe ein bisschen an meinem Vape, warte bis sie ihre Fotos haben und belächle die Typen die da mit verbissener Miene auf ihren E Bikes durchbrettern müssen.

Weiter gehts!
100m weiter kommen mir am Radweg 4 Männer in ihren 20ern entgegen, die mir unsympathisch sind. So die Abteilung - ich fahr mit meinem 3er BMW ins Gym.
Und ohne auch nur 1 Millisekunde nachdenken, rutsche ich auf Ärger 10. Mir schnürt es die Brust ein vor Wut und ich halte Vollgas auf einen von ihnen drauf. Ich will ihm weh tun und einfach umnageln.
Sie dürften tatsächlich ins Gym gehen, denn plötzlich liege ich mitten auf der Straße. Roller, Knie, Hüfte kaputt, schöner Sternenregen vor den Augen, weil Kopf - Straße.
Und dann helfen die mir noch, weil sie denken, das war ein Versehen.
Tja dumbhead, wie sehr kann ein Mensch sich eigentlich blamieren? Und ich so - hold my beer. :lol:

Mal schauen, was der Therapeut morgen dazu sagt.