"Ich sag heute nix!" - Ein jegliches hat seine Zeit.
Verfasst: Fr., 12.07.2013, 12:32
"Kommt reden wir zusammen. Wer redet, ist nicht tot, es züngeln doch die Flammen schon sehr um unsere Not.“
(Gottfried Benn)
Ähnlich wie zu Beginn der Therapie 2005, als ich mich ca. ein halbes Jahr um den Telefonhörer herumdrückte und es kaum wagte, einen Therapeuten anzurufen, schleiche ich mich seit ca. sechs Monaten um diese Rubrik „Erfolgsberichte“ herum. Der Begriff ist für mich unpassend, mit viel zu viel Leistung konnotiert; habe keinen „Erfolg“ zu bieten … und dennoch möchte ich, drängt es mich innerlich, einige Gedanken so wie sie gerade aufkommen bzw. sich schon lange aufgetürmt haben, hier hinein schreiben.
Das Forum hat mir v.a. in der „Hardcore-Phase“ der ersten Jahre viel gegeben, konnte da so viel „aufsaugen“, wofür ich sehr dankbar bin. Es ist eine unglaubliche Bereicherung – auch nur durch stilles Mitlesen, -fühlen und Dabeisein.
„Wir überlegen uns genau, wen wir in unsere kleine Welt rein lassen. Auch du bist nicht perfekt. Und um dir eine Unsicherheit zu ersparen, diese Frau die du da kennst, ist auch nicht perfekt. Die Frage ist ob ihr füreinander perfekt seid oder nicht. Nur darum geht es. Das alles macht Nähe aus. Du kannst von allem auf der Welt `ne Ahnung haben, aber um das zu erfahren, musst du es schon erleben."
(Zitat aus „Good Will Hunting“)
Mein Therapeut ist nicht perfekt und die Beziehung zu mir als „perfekt“ zu bezeichnen, wage ich zu bezweifeln. Sie war und ist etwas für mich sehr Wertvolles, kaum in Worte zu Fassendes, ganz Kostbares und dann auch einfach wieder ganz „simpel“, entspannt, zutiefst menschlich, auch mal ärgerlich – so dass ich mich manchmal für andere Klienten, die zu ihm kamen, mitfreuen konnte.
Nähe erleben, sie und auch Scham usw. zuzulassen - "Erlebnis pur".
Ein Beitrag aus dem alten Forum prägte mich sehr (von mir ergänzt wiedergebeben) und sagt viel über die Beziehung zu meinem Therapeuten und meine Therapie allgemein aus:
„Ich suche einen Therapeuten auf, wir beginnen uns kennenzulernen, ich vertraue ihm in einem geschützten Rahmen Dinge an, die ich niemals jemandem erzählt habe. Er hört mir zu, er hat wirklich Zeit für mich, er interessiert sich für mich, er spiegelt mich, mit ihm streite ich über Dinge, über die ich mich noch nie auseinandergesetzt habe. Aus dem Kennenlernen wächst für mich im Laufe der Zeit (im günstigsten Fall) eine tiefe Bindung. Es geht mir langsam besser. Ich öffne mich und befinde mich im Laufe des Prozesses irgendwann in einer sehr verletzlichen Position. Ich schäme mich ob meiner bloßen Existenz und ich darf es wagen, damit zu kommen.
All mein Schutz ist dahin und der Therapeut scheint der Einzige zu sein, der das versteht und meinen Schutz in dieser Phase übernimmt. In dieser Phase bin ich wohl auch objektiv für eine Weile abhängig, ganz besonders aber in meinem eigenen Erleben. Weil der Therapeut das alles versteht und damit umgehen kann und trotzdem noch da ist und mich nicht im Stich lässt, ist er für mich einer der wichtigsten Menschen.
Und dann habe ich wahnsinnige Angst, aufzuhören, ihn zu verlieren. Ich denke, dass dies der Punkt ist, an dem wir unseren Urängsten begegnen. Das ist schmerzhaft, beängstigend und kann sehr bedrohlich wirken. Aber es bringt mich nicht um. Alles ist wahr und ich kann in diesem geschützten Raum (er-)wachsen (werden).“
„Heut‘ sag‘ ich nix.“
„Mir geht’s gut.“
Zwei meiner Lieblingssätze, gefolgt von selbstdestruktiven Sätzen, gespickt mit (un)möglichen Schimpfwörtern aller Art, die auch hier zum Teil zu finden sind.
Diese Sätze gibt es alle heute noch – der Umgang damit wurde und wird immer noch ein anderer.
Die Therapiestunden waren essentiell – oft ein Hangeln von Stunde zu Stunde, ein Rückwärtszählen von Tagen, Stunden und Sekunden, regressive Phasen im Alltag, die mich schier verzweifeln ließen (die ich hinter mir lassen konnte; nicht zu verwechseln mit Regression an sich), ein Suchen nach Ersatzobjekten, ein Verschlingen von Büchern, ein genaues Dokumentieren in Form von Tagebüchern (mein „Blog“) – mit deren Hilfe ich die Stunden zum Teil akribisch vorbereitete und größte Angst davor hatte, einfach „mal so“ anzukommen, loszulassen und auf das zu warten, was gerade ist.
Das ist bis heute ein Risiko – wenn auch ein schon etwas gewandeltes.
Bin immer noch aufgeregt und trotzdem innerlich gelassener geworden, habe x-Taschentücherpackungen „verheult“, war und bin widersprüchlich, mir aber immer schneller auf der Spur.
Die großen Themen Tod, Traurigkeit, abgrundtiefe Leere bestimmten mein Leben und sind verändert aktuell – mit allen Rückfällen (und Vorfällen).
Trotz aller Sinnlosigkeit (Leben an sich ist per se nicht so sinnvoll), formte manches Erlebte Sinn, konstruierte ich mir meine Möglichkeiten.
Dadurch erfahre ich manchmal ein so unfassbares "Glück" im Zusammensein mit anderen Menschen, die mir einfach so geschenkt wurden (schwer in Worte zu fassen).
Vergleiche ich meine ursprüngliche Therapiemotivation (alias extremer Leidensdruck) mit dem mir heute Möglichen, so könnte auf der einen Seite Ernüchterung eintreten;
eine andere Ebene vermeldet stilles, leises, manchmal ganz kleines, aufglimmendes Glück, das sich ausbreiten darf, das sich auf meine Umgebung auswirkt. Eine Form von Lebendigkeit, die immer schon da war und nun bewusster und offen leben und sein darf.
Rein äußerlich hat die Therapie zu zwei beruflichen Weiterentwicklungen geführt, die ich so nie geplant und vor denen ich sehr große Angst hatte und die mir mein berufliches Wirken sicher nicht vereinfachen, aber durch die Komplexität der neuen Aufgaben "weiter" machen.
Und ebenso äußerlich verzichtete ich bisher auf eine Karriereposition – ganz bewusst (harter Kampf). Darüber freue ich mich, auch wenn der Gedanke daran manchmal noch weh tut. Es war eine ganz wichtige und vor allem richtige Entscheidung, die auch einige Tränen gekostet hat, die für dieses Jahr und für mich genau richtig war. Konnte viel inneren Druck losassen.
Wünsche, Sehnsüchte habe ich noch einige und an denen bleibe ich dran.
Ich möchte diesen Faden bei Bedarf noch weiter ergänzen dürfen und er darf so unvollkommen bleiben, wie er begonnen wurde.
Anne
(Gottfried Benn)
Ähnlich wie zu Beginn der Therapie 2005, als ich mich ca. ein halbes Jahr um den Telefonhörer herumdrückte und es kaum wagte, einen Therapeuten anzurufen, schleiche ich mich seit ca. sechs Monaten um diese Rubrik „Erfolgsberichte“ herum. Der Begriff ist für mich unpassend, mit viel zu viel Leistung konnotiert; habe keinen „Erfolg“ zu bieten … und dennoch möchte ich, drängt es mich innerlich, einige Gedanken so wie sie gerade aufkommen bzw. sich schon lange aufgetürmt haben, hier hinein schreiben.
Das Forum hat mir v.a. in der „Hardcore-Phase“ der ersten Jahre viel gegeben, konnte da so viel „aufsaugen“, wofür ich sehr dankbar bin. Es ist eine unglaubliche Bereicherung – auch nur durch stilles Mitlesen, -fühlen und Dabeisein.
„Wir überlegen uns genau, wen wir in unsere kleine Welt rein lassen. Auch du bist nicht perfekt. Und um dir eine Unsicherheit zu ersparen, diese Frau die du da kennst, ist auch nicht perfekt. Die Frage ist ob ihr füreinander perfekt seid oder nicht. Nur darum geht es. Das alles macht Nähe aus. Du kannst von allem auf der Welt `ne Ahnung haben, aber um das zu erfahren, musst du es schon erleben."
(Zitat aus „Good Will Hunting“)
Mein Therapeut ist nicht perfekt und die Beziehung zu mir als „perfekt“ zu bezeichnen, wage ich zu bezweifeln. Sie war und ist etwas für mich sehr Wertvolles, kaum in Worte zu Fassendes, ganz Kostbares und dann auch einfach wieder ganz „simpel“, entspannt, zutiefst menschlich, auch mal ärgerlich – so dass ich mich manchmal für andere Klienten, die zu ihm kamen, mitfreuen konnte.
Nähe erleben, sie und auch Scham usw. zuzulassen - "Erlebnis pur".
Ein Beitrag aus dem alten Forum prägte mich sehr (von mir ergänzt wiedergebeben) und sagt viel über die Beziehung zu meinem Therapeuten und meine Therapie allgemein aus:
„Ich suche einen Therapeuten auf, wir beginnen uns kennenzulernen, ich vertraue ihm in einem geschützten Rahmen Dinge an, die ich niemals jemandem erzählt habe. Er hört mir zu, er hat wirklich Zeit für mich, er interessiert sich für mich, er spiegelt mich, mit ihm streite ich über Dinge, über die ich mich noch nie auseinandergesetzt habe. Aus dem Kennenlernen wächst für mich im Laufe der Zeit (im günstigsten Fall) eine tiefe Bindung. Es geht mir langsam besser. Ich öffne mich und befinde mich im Laufe des Prozesses irgendwann in einer sehr verletzlichen Position. Ich schäme mich ob meiner bloßen Existenz und ich darf es wagen, damit zu kommen.
All mein Schutz ist dahin und der Therapeut scheint der Einzige zu sein, der das versteht und meinen Schutz in dieser Phase übernimmt. In dieser Phase bin ich wohl auch objektiv für eine Weile abhängig, ganz besonders aber in meinem eigenen Erleben. Weil der Therapeut das alles versteht und damit umgehen kann und trotzdem noch da ist und mich nicht im Stich lässt, ist er für mich einer der wichtigsten Menschen.
Und dann habe ich wahnsinnige Angst, aufzuhören, ihn zu verlieren. Ich denke, dass dies der Punkt ist, an dem wir unseren Urängsten begegnen. Das ist schmerzhaft, beängstigend und kann sehr bedrohlich wirken. Aber es bringt mich nicht um. Alles ist wahr und ich kann in diesem geschützten Raum (er-)wachsen (werden).“
„Heut‘ sag‘ ich nix.“
„Mir geht’s gut.“
Zwei meiner Lieblingssätze, gefolgt von selbstdestruktiven Sätzen, gespickt mit (un)möglichen Schimpfwörtern aller Art, die auch hier zum Teil zu finden sind.
Diese Sätze gibt es alle heute noch – der Umgang damit wurde und wird immer noch ein anderer.
Die Therapiestunden waren essentiell – oft ein Hangeln von Stunde zu Stunde, ein Rückwärtszählen von Tagen, Stunden und Sekunden, regressive Phasen im Alltag, die mich schier verzweifeln ließen (die ich hinter mir lassen konnte; nicht zu verwechseln mit Regression an sich), ein Suchen nach Ersatzobjekten, ein Verschlingen von Büchern, ein genaues Dokumentieren in Form von Tagebüchern (mein „Blog“) – mit deren Hilfe ich die Stunden zum Teil akribisch vorbereitete und größte Angst davor hatte, einfach „mal so“ anzukommen, loszulassen und auf das zu warten, was gerade ist.
Das ist bis heute ein Risiko – wenn auch ein schon etwas gewandeltes.
Bin immer noch aufgeregt und trotzdem innerlich gelassener geworden, habe x-Taschentücherpackungen „verheult“, war und bin widersprüchlich, mir aber immer schneller auf der Spur.
Die großen Themen Tod, Traurigkeit, abgrundtiefe Leere bestimmten mein Leben und sind verändert aktuell – mit allen Rückfällen (und Vorfällen).
Trotz aller Sinnlosigkeit (Leben an sich ist per se nicht so sinnvoll), formte manches Erlebte Sinn, konstruierte ich mir meine Möglichkeiten.
Dadurch erfahre ich manchmal ein so unfassbares "Glück" im Zusammensein mit anderen Menschen, die mir einfach so geschenkt wurden (schwer in Worte zu fassen).
Vergleiche ich meine ursprüngliche Therapiemotivation (alias extremer Leidensdruck) mit dem mir heute Möglichen, so könnte auf der einen Seite Ernüchterung eintreten;
eine andere Ebene vermeldet stilles, leises, manchmal ganz kleines, aufglimmendes Glück, das sich ausbreiten darf, das sich auf meine Umgebung auswirkt. Eine Form von Lebendigkeit, die immer schon da war und nun bewusster und offen leben und sein darf.
Rein äußerlich hat die Therapie zu zwei beruflichen Weiterentwicklungen geführt, die ich so nie geplant und vor denen ich sehr große Angst hatte und die mir mein berufliches Wirken sicher nicht vereinfachen, aber durch die Komplexität der neuen Aufgaben "weiter" machen.
Und ebenso äußerlich verzichtete ich bisher auf eine Karriereposition – ganz bewusst (harter Kampf). Darüber freue ich mich, auch wenn der Gedanke daran manchmal noch weh tut. Es war eine ganz wichtige und vor allem richtige Entscheidung, die auch einige Tränen gekostet hat, die für dieses Jahr und für mich genau richtig war. Konnte viel inneren Druck losassen.
Wünsche, Sehnsüchte habe ich noch einige und an denen bleibe ich dran.
Ich möchte diesen Faden bei Bedarf noch weiter ergänzen dürfen und er darf so unvollkommen bleiben, wie er begonnen wurde.
Anne