'Ich sag heute nix!' - Ein jegliches hat seine Zeit.

Dieser Bereich ist speziell Erfolgsberichten und positiven Erfahrungen in und durch Psychotherapien gewidmet. Wie war es und was hat Ihnen geholfen? Lassen Sie uns positive Erfahrungsberichte sammeln, die Mut machen.
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Anne1997
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"Ich sag heute nix!" - Ein jegliches hat seine Zeit.

Beitrag Fr., 12.07.2013, 12:32

"Kommt reden wir zusammen. Wer redet, ist nicht tot, es züngeln doch die Flammen schon sehr um unsere Not.
(Gottfried Benn)

Ähnlich wie zu Beginn der Therapie 2005, als ich mich ca. ein halbes Jahr um den Telefonhörer herumdrückte und es kaum wagte, einen Therapeuten anzurufen, schleiche ich mich seit ca. sechs Monaten um diese Rubrik „Erfolgsberichte“ herum. Der Begriff ist für mich unpassend, mit viel zu viel Leistung konnotiert; habe keinen „Erfolg“ zu bieten … und dennoch möchte ich, drängt es mich innerlich, einige Gedanken so wie sie gerade aufkommen bzw. sich schon lange aufgetürmt haben, hier hinein schreiben.
Das Forum hat mir v.a. in der „Hardcore-Phase“ der ersten Jahre viel gegeben, konnte da so viel „aufsaugen“, wofür ich sehr dankbar bin. Es ist eine unglaubliche Bereicherung – auch nur durch stilles Mitlesen, -fühlen und Dabeisein.

„Wir überlegen uns genau, wen wir in unsere kleine Welt rein lassen. Auch du bist nicht perfekt. Und um dir eine Unsicherheit zu ersparen, diese Frau die du da kennst, ist auch nicht perfekt. Die Frage ist ob ihr füreinander perfekt seid oder nicht. Nur darum geht es. Das alles macht Nähe aus. Du kannst von allem auf der Welt `ne Ahnung haben, aber um das zu erfahren, musst du es schon erleben."
(Zitat aus „Good Will Hunting“)
Mein Therapeut ist nicht perfekt und die Beziehung zu mir als „perfekt“ zu bezeichnen, wage ich zu bezweifeln. Sie war und ist etwas für mich sehr Wertvolles, kaum in Worte zu Fassendes, ganz Kostbares und dann auch einfach wieder ganz „simpel“, entspannt, zutiefst menschlich, auch mal ärgerlich – so dass ich mich manchmal für andere Klienten, die zu ihm kamen, mitfreuen konnte.
Nähe erleben, sie und auch Scham usw. zuzulassen - "Erlebnis pur".

Ein Beitrag aus dem alten Forum prägte mich sehr (von mir ergänzt wiedergebeben) und sagt viel über die Beziehung zu meinem Therapeuten und meine Therapie allgemein aus:

„Ich suche einen Therapeuten auf, wir beginnen uns kennenzulernen, ich vertraue ihm in einem geschützten Rahmen Dinge an, die ich niemals jemandem erzählt habe. Er hört mir zu, er hat wirklich Zeit für mich, er interessiert sich für mich, er spiegelt mich, mit ihm streite ich über Dinge, über die ich mich noch nie auseinandergesetzt habe. Aus dem Kennenlernen wächst für mich im Laufe der Zeit (im günstigsten Fall) eine tiefe Bindung. Es geht mir langsam besser. Ich öffne mich und befinde mich im Laufe des Prozesses irgendwann in einer sehr verletzlichen Position. Ich schäme mich ob meiner bloßen Existenz und ich darf es wagen, damit zu kommen.
All mein Schutz ist dahin und der Therapeut scheint der Einzige zu sein, der das versteht und meinen Schutz in dieser Phase übernimmt. In dieser Phase bin ich wohl auch objektiv für eine Weile abhängig, ganz besonders aber in meinem eigenen Erleben. Weil der Therapeut das alles versteht und damit umgehen kann und trotzdem noch da ist und mich nicht im Stich lässt, ist er für mich einer der wichtigsten Menschen.
Und dann habe ich wahnsinnige Angst, aufzuhören, ihn zu verlieren. Ich denke, dass dies der Punkt ist, an dem wir unseren Urängsten begegnen. Das ist schmerzhaft, beängstigend und kann sehr bedrohlich wirken. Aber es bringt mich nicht um. Alles ist wahr und ich kann in diesem geschützten Raum (er-)wachsen (werden).“


„Heut‘ sag‘ ich nix.“
„Mir geht’s gut.“

Zwei meiner Lieblingssätze, gefolgt von selbstdestruktiven Sätzen, gespickt mit (un)möglichen Schimpfwörtern aller Art, die auch hier zum Teil zu finden sind.
Diese Sätze gibt es alle heute noch – der Umgang damit wurde und wird immer noch ein anderer.

Die Therapiestunden waren essentiell – oft ein Hangeln von Stunde zu Stunde, ein Rückwärtszählen von Tagen, Stunden und Sekunden, regressive Phasen im Alltag, die mich schier verzweifeln ließen (die ich hinter mir lassen konnte; nicht zu verwechseln mit Regression an sich), ein Suchen nach Ersatzobjekten, ein Verschlingen von Büchern, ein genaues Dokumentieren in Form von Tagebüchern (mein „Blog“) – mit deren Hilfe ich die Stunden zum Teil akribisch vorbereitete und größte Angst davor hatte, einfach „mal so“ anzukommen, loszulassen und auf das zu warten, was gerade ist.
Das ist bis heute ein Risiko – wenn auch ein schon etwas gewandeltes.
Bin immer noch aufgeregt und trotzdem innerlich gelassener geworden, habe x-Taschentücherpackungen „verheult“, war und bin widersprüchlich, mir aber immer schneller auf der Spur.
Die großen Themen Tod, Traurigkeit, abgrundtiefe Leere bestimmten mein Leben und sind verändert aktuell – mit allen Rückfällen (und Vorfällen).
Trotz aller Sinnlosigkeit (Leben an sich ist per se nicht so sinnvoll), formte manches Erlebte Sinn, konstruierte ich mir meine Möglichkeiten.
Dadurch erfahre ich manchmal ein so unfassbares "Glück" im Zusammensein mit anderen Menschen, die mir einfach so geschenkt wurden (schwer in Worte zu fassen).

Vergleiche ich meine ursprüngliche Therapiemotivation (alias extremer Leidensdruck) mit dem mir heute Möglichen, so könnte auf der einen Seite Ernüchterung eintreten;
eine andere Ebene vermeldet stilles, leises, manchmal ganz kleines, aufglimmendes Glück, das sich ausbreiten darf, das sich auf meine Umgebung auswirkt. Eine Form von Lebendigkeit, die immer schon da war und nun bewusster und offen leben und sein darf.
Rein äußerlich hat die Therapie zu zwei beruflichen Weiterentwicklungen geführt, die ich so nie geplant und vor denen ich sehr große Angst hatte und die mir mein berufliches Wirken sicher nicht vereinfachen, aber durch die Komplexität der neuen Aufgaben "weiter" machen.
Und ebenso äußerlich verzichtete ich bisher auf eine Karriereposition – ganz bewusst (harter Kampf). Darüber freue ich mich, auch wenn der Gedanke daran manchmal noch weh tut. Es war eine ganz wichtige und vor allem richtige Entscheidung, die auch einige Tränen gekostet hat, die für dieses Jahr und für mich genau richtig war. Konnte viel inneren Druck losassen.
Wünsche, Sehnsüchte habe ich noch einige und an denen bleibe ich dran.

Ich möchte diesen Faden bei Bedarf noch weiter ergänzen dürfen und er darf so unvollkommen bleiben, wie er begonnen wurde.
Anne

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sandrin
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Beitrag Fr., 12.07.2013, 14:42

Liebe Anne,

total schön, was du da geschrieben hast. Das berührt mich sehr und ich gönne dir diese Erfahrung und dieses tiefe Gefühl, das dich nährt, wirklich sehr! Da kommt man ins Schwärmen (und ins Sehnen ...).

GLG Sandrin

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carö
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Beitrag Fr., 12.07.2013, 18:58

liebe anne,

danke dir fürs teilen hier!
so anrührend, was du schreibst...
mir fehlen gerade etwas die worte, deshalb belasse ich es dabei.
habe mich schon lange auf diesen beitrag gefreut von dir.

lieben gruß
carö
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)


Waldschratin
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Beitrag Fr., 12.07.2013, 19:14

Liebe Anne,
das liest sich wunderschön!
Danke fürs teilen!

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Anne1997
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Beiträge: 625

Beitrag Sa., 13.07.2013, 05:35

sandrin hat geschrieben:und ich gönne dir diese Erfahrung und dieses tiefe Gefühl, das dich nährt
Dieses "tiefe" Gefühl ist einfach immer öfter da und dass Du dieses selbst noch tiefer erleben darfst, wünsche ich Dir sehr, liebe sandrin. Ja, nährend, das stimmt.
carö hat geschrieben:habe mich schon lange auf diesen beitrag gefreut von dir.
Ohne Worte.
Waldschratin hat geschrieben:Danke fürs teilen!
Danke - ebenso! ... auch an alle anderen, die hier so viel teilen und für euren Zuspruch; tut gut.


Jetzt ruft ein Hausarbeitstag (mal sehen...);
wünsche euch einen guten Tag mit dem, was für euch heute wichtig ist.
LG Anne

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Anne1997
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Beitrag So., 14.07.2013, 07:20

Eine Fortsetzung:
diese Therapie zeigte bisher keinen "Erfolg" z.B. im äußerlichen Sinn ist ([noch ] keine eigene Familie, keine Kinder, kein Haus oder geniale Erfindungen, Karriere usw.).
Für den Vater meines ältesten Patenkindes (quasi ein bißchen "meine" Ersatzkinder....) wäre (bin) ich unten durch; wage es sogar, Sonntags nicht durchzuarbeiten, mal in die Oper oder joggen zu gehen.
Seine Familie (Ehefrau und alle mittlerweile erwachsenen Kinder) leidet massiv darunter.
Gestern habe ich sie besucht (sie haben am WE landwirtschaftlich gearbeitet, bis nachts um 23h, ab frühmorgens um 5h, Nebenerwerb).
Meine Patentochter (die jüngste unter den Geschwistern) studiert jetzt weit weg von mir, habe ihr ein gewünschtes Lehrbuch gekauft und - da sie kurz im Lande war - endlich vorbeigebracht.

Bin so froh dort gewesen zu sein. Mutter und Tochter waren zufällig im Haus (hatten gerade "Krach" mit dem Vater; Tochter verkürzte Heimataufenthalt).
Alle kämpfen um die Unabhängigkeit vom tryannisierenden Vater, der über Geld und Besitz liebt, es "gut meint", suchen nach Lösungen (andere Lebensformen, wagen es, in Urlaub zu gehen, nehemn Elternteilzeit usw.; es gab schon die Gefahr des Suizids und nun ein gerade geschaffter Ausweg, Studienabbruch, Freiheit, Distanz ....).
Was für eine Familie, die mit meiner Ursprungsfamilie verwandt ist, wo es Gemeinsames gibt.

Sie konnten beim Erzählen weinen, wir hörten einander zu, hatten Zeit. Ich konnte für ein Geschwister die Möglichkeit eines Gesprächs andeuten, sich über eine wohl notwendige Psychotherapie bei mir zu erkundigen (sie nahmen es sehr dankbar an), dann, wenn es geht, ohne Druck. Merkte, wie mich das Gespräch auch stresste, mitnahm, aber wir waren in Kontakt, offen, tauschten Erfahrungen aus.
Im Vergleich zu meiner Patentochter hätte ich das in deren Alter nicht gekonnt; ich bewundere sie sehr, mache mir gleichzeitig auch Sorgen; zu sagen, dass mein Vater (auch ) Alkoholiker ist, das vor anderen zu sagen und sich nicht in Grund und Boden zu schämen, weil ich es "wusste und auch nicht wusste", er ja auch so beliebt und angesehen war, es einfach "normal" war, dafür habe ich viele Jahre gebraucht (weil ich ihn auch lieb(t)e) - dieses und anderes verdanke ich (im Sinne eines großen "Erfolges"; besser: einer stillen, innerlichen Freude (auch in all' dem geteilten Leid)) dieser Therapie: etwas aussprechen können und sich nicht mehr nur dafür schämen müssen, es beim Anderen lassen können, dass ich auch "o.k." bin, meine Wahrnehmungen (mein Vater ist Alkoholiker) auch stimmen (und ich deswegen nicht "schlecht" bin, bzw. ihn verrate), dass ich solche Gespräche wie gestern führen kann, als Erfahrene, Wissende im Bereich PT angesprochen werde usw.
(A.)


montagne
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Beitrag So., 14.07.2013, 09:29

Liebe Anne,
was ist "Erfolg"? (Frage ich mich immer wieder.) Ich brauche wohl nicht erwähnen, wie sehr da alte Muster, die man uns einpflanze mit reinspielen oder vielleicht auch selbst geborene Muster, die dazu dienen, uns vor etwas zu schützen. Die Frage wäre auch, brauchen wir das noch genau so? Muss jeder für sich sehen.

Was ich aber denke, aus meiner Position und so wie ich Menschen, Individuen und die Gesellschaft sehe:
Du bist verdammt erfolgreich, auch im Äußeren. Du verdienst deinen eigenen Lebensunterhalt und das nicht schlecht, nehme ich an. Du zahlst Sozialabgaben, Steuern und bist so für die Gemeinschaft da. Das ist der eine Eckpfeiler, sich und andere physisch ernähren. Der andere ist, du kannst geben. Diese jungen Menschen, von denen du sprichst, brauchen doch, profitieren auch von deiner Arbeit an dir selbst, in der Therapie. Du gibst der nachfolgenden generation etwas, privat, wie auch beruflich, nehme ich an. Das ist der nächste Eckpfeifer: Der nachfolgenden generation etwas geben können (und damit auch der Gesellschaft). Und zwar nicht nur zurückgeben, was man einst selbst bekommen hat, sondern -mehr- geben als man selbst bekommen hat. Weil man mehr geworden ist, sich weiter entwickelt hat, als das, was man mitbekam.
Und so können diese jungen Menschen und andere wohl auch mehr werden, als sie jetzt bekommen. Ja sie werden noch mehr wachsen als du, sind teils jetzt schon weiter.

All dieses sehe ich als gelungenes Verhältnis zur Gesellschaft an, vielleicht als gelungenes, erfülltes Leben. Was der Sinn des Lebens für jeden einzelnen ist, klar subjektiv. Aber wir alle kommen nunmal ins Leben durch die vorherige Generation und würden wir nicht etwas der nächsten Generation geben, würde die Gesellschaft sich nicht weiter entwickeln. Das können eigene biologische Kinder sein, ja, muss aber nicht. Es geht um eine Verbindung zur jüngeren Generation. Ein Teil von dir wird in ihnen weiterleben, auch wenn du nicht mehr lebst. Und dadurch wird etwas von dir auch in der Generation nach ihnen, usw. von dir weiterleben.

Ich denke mir, DAS ist gelungenes Leben. Erstmal für sich die Verantwortung tragen können und dann auch, das weitertragen, was man positives bekam, beenden, was man negatives bekam (so weit es geht) und der nächsten Generation das mitgeben. Letzlich das nicht ganz neue Thema, die sollen es besser haben als ich/wir. Sich ein Stück weit transzendieren, unsterblich machen.

Das hast du bereits erreicht, Anne. Viel mehr gibt es nicht zu erreichen, außer diesen guten Weg fortzusetzen.
Und das wiederum nehme ich dankbar auf, lese es gerne, dass all das möglich ist, auch für Menschen, die sehr beschädigt wurden und irgendwo noch immer beschädigt sind. Das gibt mir richtig doll Zuversicht. Es ist trotzdem möglich vollumfänglich seine gesellschaftliche, transgenerationale Aufgabe positiv auszufüllen. Und das ist doch letzlich eine riesige Leistung. Denn ich denke, es gelingt nicht selbstverständlich und so mancher, der sehr geschädigt wurde, viel zu wenig slebst bekam, kann das nicht, schaft es nicht oder kann nicht über den Tellerrand des eigenen Seins hinausblicken.
amor fati

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Anne1997
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Beitrag So., 14.07.2013, 20:59

Liebe Montagne,

nach Deinem Beitrag wurde ich ziemlich "brüchig" (hat mich sehr bewegt) und ging erst einmal joggen.
montagne hat geschrieben:Ja sie werden noch mehr wachsen als du, sind teils jetzt schon weiter.
Einige schon sehr (and I'm gettin golder, losing my .... - je nachdem); dadurch lerne ich wieder dazu (usw.usf.) bzw. man fängt - in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, aber auch mit sehr alten Menschen - immer wieder neu an. Eigentlich wunderbar ...
Und ich möchte in Kontakt mit Menschen aller Altersklassen bleiben und um mich "kucken" können.
Mehr möchte ich nicht kommentieren, es ist ein so großes Thema (Generationenvertrag, Transgenerationalität, die Aufgaben einer Gesellschaft, Zukunft, zunehmende Armut, die "Schere", Bildung(schancen), Globalisierung, evtl. integrales Denken ....). Danke ...

Gefühlte eine Million mal habe ich die Beiträge hier gelesen und nochmals wirken lassen, versucht zu reflektieren usw.; es gab och ziemlich viele andere Themen in der Therapie.
Komme mir noch häufig wie ein großes Kind vor; unfassbar, wie lange ich an bestimmten Themen und Sätzen arbeitete und "knabberte". Erinnert mich an meinen geliebten Mathelehrer, der rmir in der Oberstufe "mehr Festigkeit" wünschte, weil ich damals u.a. am Zustand der Welt verzweifelte (auf der einen Seite: Selbstüberschätzung oder auch -überheblichkeit; andererseits: Betroffenheit, Offenheit).

Lieben Gruß
Anne

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Anne1997
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Beitrag Sa., 18.10.2014, 09:48

Ein herzliches "Hallo" an alle, die hier mitlesen bzw. die mich überhaupt noch kennen,

habe jetzt hier sehr lange fast nur noch mitgelesen bzw. auch lange "pausiert" und möchte nun noch etwas ergänzen.

Bei mir hat sich einiges verändert. Nach über zwanzig Jahren hab ich meine mir sehr ans Herz gewachsene Arbeitsstelle (obwohl es natürlich auch dort Probleme gab, wenn viele Menschen zusammenwirken) gewechselt, um näher an meinem Wohnort zu arbeiten. Diese Überlegungen zu einem Wechsel dauerten über mehr als ein Jahrzehnt an (Für und Wider, das Vertraute, meine Kollegen und Klienten nicht "im Stich lassen wollen", unglaubliche Angst vor jedweder Veränderung und auch vor der Verantwortung, das eigene Leben in die Hand zu nehmen in einer nicht einfachen Entscheidung). Das war ein ziemlich langer, harter innerer "Kampf" - und dafür habe ich auch meinen Therapeuten gebraucht, ebenso die berufliche Einzelsupervision, meine Freunde (unglaublich, wie manche "da" waren).

Es hat geklappt: die neuen Kollegen und Klienten sind sehr nett, klar: das Vertraute fehlt noch etwas, kommt aber nach und nach. Die neue "Chefin" fordert mich in jeder Hinsicht heraus und die Organisationsstrukturen bringen mich manchmal auf die Palme und in solchen Momenten rede ich mir zu: bleib ruhig, schau' es Dir einfach an und wo es etwas Wichtiges zu sagen gibt, bringe Dich - ruhig - ein. Das klappt ganz gut und ich bin gut angekommen.

Morgens fahre ich mit dem Fahrrad oder laufe, ich kann mal Pausen zuhause verbringen und am Nachmittag, Abend wieder Termine wahrnehmen. Das sind erhebende kleine Momente, die ich noch gar nicht ganz fassen kann.
Kollegen und Klienten kann ich jetzt auch im Privatleben auf der Straße treffen und es macht mir nichts mehr aus, dass ich nun auch im Supermarkt vor Ort beruflich erkannt werde. Es ist o.k.
Lerne sehr viel dazu und revidiere manche meiner festgefahrenen Meinungen und habe nicht mehr so viele Aufgaben (momentan) wie früher: Platz für neue Aufgaben ist nun wieder da oder noch eine Orientierung in eine andere Richtung.

Mit meiner alten Arbeitsstelle bleibe ich verbunden (allein schon per Internet), aber auch durch Fortbildungen, die ich geben werde und den Austausch mit einzelnen Gruppen. Darauf freue ich mich sehr.
Einzelne Klienten werde ich in ihrem Lebensweg noch ein oder zwei Jahre an meiner alten Arbeitsstelle teilnehmend begleiten. So habe ich für mich einen gerade sinnvollen Übergang gefunden (diese Übergangsphase wird mit Sicherheit noch länger andauern und ist für mich ganz wichtig).
Manche alten Kollegen treffe ich immer wieder - es sind Freunde geworden.

In meiner Sommerpause durchlebte ich neben einer sehr schönen Urlaubswoche am Meer mit Freunden sehr regressive Wochen (dachte nicht mehr, dass ich davon so heftig eingeholt werde). Hier suchte ich in großer Not eine Online-Beratung auf, die mir sehr gut getan hat und die mir nochmals andere Perspektiven vermittelte. Dafür bin ich sehr dankbar. Definitiv werde ich erwachsener (sollte langsam auch mal so in einzelnen Punkten so sein ....).

Mir wird noch viel Neues, Unbekanntes, "auf die Palme Bringendes" an meiner neuen Arbeitsstelle begegnen und jetzt weiß ich es etwas besser: kann damit umgehen und mich auch nochmals verändern; es bricht nicht alles ein, ich falle nicht mehr in das tiefste schwarze Loch und werde davon aufgesaugt.
Manchmal machte ich mir Vorwürfe: generell habe ich (egal wo) eine relativ sichere Arbeitsstelle, werde gebraucht, projektmäßig eingbunden, bin angefragt usw. - und trotzdem fiel mir der (notwendige) Wechsel sehr schwer. Mir war bewusst, dass manche in den leitenden Positionen mich nicht gerne haben gehen lassen, da die Region strukturell um Arbeitskräfte ringen muss (tiefstes Land).
Werde nicht jünger, meine Eltern werden älter (und ich kann mal schneller dort sein) und gewinne nun knapp acht Stunden Zeit durch die fehlende Fahrerei.
Dadurch habe ich auch wieder mehr Luft für andere Dinge: Sport, Kultur, Partnerschaft.

Auch vom Forum hier bin ich noch nicht ganz weg, es hat mir viel bedeutet und ist eine wichtige Quelle.
Und vielleicht: es kommen immer wieder ganz tiefe Täler ... und Anhöhen, Berge, Meer.
Und man darf Therapeuten auch noch "danach" aufsuchen oder andere Beratungsdienste für sich selbst in Anspruch nehmen. Es ist o.k. - Habe eine ganz wichtige Entscheidung (mit allen Konsequenzen) für mich getroffen, irgendwie zum ersten Mal so richtig bewusst und mit allen Unsicherheiten, die damit (für mich) einhergingen bzw. -gehen.

Wünsche allen hier trotz Bahnstreiks ein schönes, sonniges Wochenende und grüße alle, die mich noch kennen (in Gedanken bin ich manchmal bei einigen von euch) bzw. hier mitlesen,
Anne

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Schneerose
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Beitrag Mo., 17.11.2014, 08:19

Liebe Anne1997,

ich habe dich nie "gekannt",
aber deine Worte strahlen soviel gute Energie über,
dass ich dir hier einfach DANKE sagen möchte.

Liebe Grüße
Schneerose
"Der Einzige, der sich wirklich vernünftig benimmt ist mein Schneider, er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich sieht" :->

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Anne1997
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Beitrag Sa., 24.10.2015, 10:31

Lasse ich meine Worte hier auf mich - nach ein, zwei Jahren – so wirken, dann empfinde ich sie spontan als viel zu viel ("Getöse").
Zu der damaligen Zeit pass(t)en sie eher (?). [Bewundere bedächtige Menschen, Autoren, Musiker usw., in deren Werk jedes Wort, jede Note „sitzt“, keine(s) als zu viel erscheint. Bin eher so’ne „Sprudelquelle“, ist hin und wieder für mich und andere anstrengend und manchmal auch begeisternd ...]
So vieles ist geschehen, eher innerlich, als äußerlich: dass ich schwer zu verpflanzen bin, dass Wechsel, Veränderungen bei mir eine unglaubliche Zeit brauchen (wenn sie überhaupt geschehen), dabei viele Ängste anzuschauen sind, ich sehr sicherheitsbedürftig bin, all‘ dies war und bedeutet weiterhin Arbeit in einem „lebenslänglichen Prozess“.

Merke meine „schwachen (zu entwickelnden ) Punkte“ immer deutlicher und die vielen starken Momente, die es auch gibt.
Bin nach wie vor – auch wenn ich es mir oft nicht gerade leicht mache – dankbar für die letzten zwei Jahre und lerne ohne Unterlass von Menschen und Situationen dazu, lasse mehr Dinge sein, manche auch „los“ (manchmal sehr traurig, so viel(e) Endlichkeit(en)) und versuche noch – mit Gelassenheit und viel Zeit bis hin zu großer innerer Unruhe – herauszufinden, wie mein Weg weitergeht.
Gebe beruflich mehr Fortbildungen und gewinne darin an Sicherheit (hierin auch Ambivalenzen, Unsicherheiten leben zu können) dazu. Meinem Vater geht es schlechter, die Werte sind katastrophal, er lebt noch und ich lasse ihn (gehen).
Weiß mich nach wie vor gut begleitet und werde das Wochenende zum Teil arbeitsfrei in der Sonne genießen und mit Freunden Pilze zubereiten.
Allen „Forumianern“, mit denen ich viel wertvollen Austausch pflegen durfte und darf, sende ich herzliche Grüße.

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