Kara
Helferlein


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Baden-Württemberg W, 40
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Sun, 06.Jun.04, 11:50 Wiedersehen |
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Wiedersehen
Er saß mir gegenüber und schaute mich an. Erwartungsvoll. Fragend.
Ich wusste nicht, wohin ich blicken sollte, konnte ihn nicht ansehen, sah aus dem Fenster, auf den Schreibtisch, den Boden. Ich war entsetzlich nervös. Es war so überwältigend.
Ich merkte, wie ich rot wurde, mir wurde heiß.
Ich sprang auf und ging zum Fenster, tat so, als würde ich rausschauen. Absurd.
Das hatte ich in den letzten zwei Jahren nie getan. Wie oft hatte ich den Wunsch gehabt, zum Fenster zu gehen und rauszusehen. Ich habe mich das nie getraut.
Es hätte irgendwie den vereinbarten Rahmen gesprengt. Aber jetzt war ich frei. Jetzt konnte ich mich ruhig daneben benehmen. Ich war nicht mehr seine Klientin. Für mich gab es keinen Rahmen mehr.
Nach kurzer Zeit wurde es mir aber auch am Fenster unwohl und ich lächelte ihn verlegen an.
Was tat ich da? Ich schaute mir selbst ungläubig staunend zu. Das war nicht ich, das war ein unruhiges, angespanntes und verängstigtes Tier.
Ich ging zu meinem Platz zurück und setzte mich. Er schaute mich an. Irgendwie amüsiert.
„Wie geht es Ihnen?“
Ich konnte es nicht ertragen, ihm gegenüberzusitzen, von ihm angeschaut zu werden. Diese Fremdheit. Das tat so weh.
‚Wie es mir geht? Ist das nicht offensichtlich?’, dachte ich. Aber das sagte ich nicht.
Ich stammelte herum, wechselte unkontrolliert von einem Thema zum nächsten. Bravo! Wieder mal eine glänzende Vorstellung. Er würde mich für eine Idiotin halten.
Ich saß da, hatte meine Arme um meine Beine geschlungen, mich völlig verknotet. ‚Was sagt wohl meine Körpersprache über mein Befinden, Herr Doktor?’
Ich hätte mir das alles anders gewünscht – ein fröhliches, entspanntes Wiedersehen, aber nicht so etwas!
Endlich schaffte ich es, zu reden. „ Ich bin durch die Prüfung gefallen. Zweimal“, brachte ich heraus.
„Es war die Hölle. Ich komme von der Angst nicht mehr runter.“
„Hm. Was machen wir denn nur mit Ihnen?“ „ Keine Ahnung. Erschießen Sie mich.“
„ Ich schreibe Ihnen Tabletten auf. Die beruhigen. Es dauert allerdings etwas, bis die Wirkung einsetzt. Wie geht es Ihnen sonst so?“
„ Sehr schlecht. Es dreht sich alles nur um die Prüfung. Ich kann das nicht schaffen, bin nur noch angespannt.“ ’Und Sie fehlen mir so sehr’, dachte ich. Aber das sagte ich nicht.
Ich sah auf die Uhr. Die Zeit war gleich um. Ich hatte nur eine halbe Stunde.
Ich merkte erst jetzt, wo er mir gegenübersaß, wie sehr er mir fehlte. Er war so fremd. Das durfte einfach nicht sein! Die einstige Verbundenheit, die Vertrautheit, alles weg.
Er stand auf, kam zu mir rüber. Er streichelte über meinen Rücken. ‚Hören Sie nicht auf damit, hören Sie bitte nicht auf’, dachte ich. Aber das sagte ich nicht.
Stattdessen ging ich ein Stück zurück und tat so, als wäre es mir unangenehm, von ihm berührt zu werden. Na prima. Wann würde ich endlich aufhören, immer das Gegenteil von dem zu tun, was ich eigentlich möchte?
Er gab mir die Hand. „ Kommen Sie nächste Woche wieder.“ „ Ja, okay. Danke.“
Er hatte mich bestimmt nicht vermisst.
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