Haben meine Eltern wirklich Fehler gemacht?

Helferlein 90 Niedersachsen W, 22

Hallo!
In letzter Zeit (seit dem Tod meines Stiefvaters) beschäftige ich mich sehr mit mir selber, mit meiner Kindheit etc.
Meine Eltern waren recht jung, als meine Mutter unverhofft schwanger wurde, zu meiner Geburt war meine Mutter 20, mein Vater 22. Beide hatten keine fertige Ausbildung, kein Geld. Die Mutter meiner Mutter war schon 10 Jahre tot, ihr Vater ist ein Jahr nach meiner Geburt gestorben. Die Eltern meines Vaters lebten noch, aber er hatte vor allem zu seiner Mutter ein schwieriges Verhältnis.
Die ersten 2 Jahre meines Lebens habe ich mit beiden Eltern in einer WG gewohnt, dann ist mein Vater ausgezogen, nach 3 Jahren in eine andere Stadt. Sowohl er als auch meine Mutter hatten dann verschiedene Partner, aber nie für lange Zeit. Beide haben dann angefangen zu studieren bzw. Ausbildung gemacht.
Als ich 6 war, hat meine Mutter meinen Stiefvater kennengelernt, und als ich 7 war, haben sie geheiratet und wir sind zusammengezogen. Inzwischen habe ich 2 Halbbrüder, 9 und 12.
Auch mein Vater ist seit 12 Jahren in einer festen Beziehung, seit 9 Jahren verheiratet, und ich habe einen Stiefbruder (14), mit dem ich allerdings nicht zusammenlebe/gelebt habe.
Vor 2 Jahren bin ich von zu Hause ausgezogen, hatte aber immer einen guten Kontakt. Vor einem halben Jahr ist nun mein Stiefvater gestorben
Sad

Und jetzt kommen immer so kleine Punkte (unter anderem auch durch ne Beratung an der Uni), die mich unsicher machen:
-als ich 5 war, ist mein Vater in eine andere Stadt gezogen. und schon bald bin ich alleine mit dem Zug zu ihm gefahren - Mama setzt Kind in den Zug, spricht Oma oder Familie an, dass sie ein Auge drauf werfen, und Papa holt Kind ab. Mit 10 bin ich ganz alleine (mit Umsteigen) gefahren. Für mich immer selbstverständlich. Aber eine Freundin meinte letztens, das hätte sie ihrem Kind nie zumuten wollen...
-wir hatten 3 Jahre lang ein Pflegekind, das sehr schwierig war. Sind wir anderen deswegen zu kurz gekommen?
-ich war immer die große Schwester, habe viel auf meine Brüder aufgepasst, habe oft nach der Schule gekocht, weil meine Eltern noch nciht da waren und habe mich in meiner Rolle auch wohl gefühlt - aber war das ok? Hätten sie mich mehr als Kind und nciht als tolles großes Mädchen nehmen sollen?
-als ich 13,14 Jahre alt war, ging es meiner Mutter psychisch nicht gut, und die Beziehung zu meinem Stiefvater kriselte etwas. Sie hat sich oft mir anvertraut - war das ok?

Ich könnte noch mehr Beispiele nennen.
Fakt ist, dass ich mcih eigentlich immer wohl gefühlt habe, aber nun immer mehr solche Sachen aufspüre und nun nicht weiß - darf ich meinen Eltern überhaupt so etwas vorwerfen? Sie haben es ja auch nie leicht gehabt!

Forums-Gruftie 897 Wien W, 47

Kleine Prinzessin wrote:

Fakt ist, dass ich mcih eigentlich immer wohl gefühlt habe, aber nun immer mehr solche Sachen aufspüre und nun nicht weiß - darf ich meinen Eltern überhaupt so etwas vorwerfen? Sie haben es ja auch nie leicht gehabt!

Da deine Eltern Menschen sind haben sie ganz sicher Fehler gemacht! Es wäre sehr erstaunlich und verwunderlich wenn das nicht so wäre. Oder hast du noch nie Fehler gemacht?

Und, vorwerfen kannst du deinen Eltern in der Vertrautheit der Psycho-Therapie grundsätzlich alles. Wird auch sinnvoll sein. Und dann wirst du dir überlegen, wie du es gerne gehabt hättest. Und dann kannst du dir überlegen wie du es für dich heute, jetzt und in Zukunft richtig machen kannst. Du kannst die Vergangenheit nicht ändern, aber du kannst deine Gegenwart und deine Zukunft so gestalten, wie du es für dich als richtig empfindest.

Und damit sehe ich die Konfrontation deiner Eltern mit deinen Vorwürfen für erledigt. Was bringen sie? Deine Eltern haben zu dem Zeitpunkt mit den vorhandenen Informationen die ihnen richtig erscheinende Entscheidung getroffen. Dass diese Entscheidung im Nachhinein betrachtet, aus einer anderen Zeit und einem anderen Blickwinkel, sich als falsch zeigen kann, tja... wer weiß das schon zum Entscheidungspunkt? Hätte der/die das gewusst, hätte er/sie das anders gemacht, hat er/sie aber nicht.

Helferlein 90 Niedersachsen W, 22

Liebe Helene,
danke für deine Antwort, sie hat mich irgendwie beruhigt.
Selbstverständlich mache ich auch Fehler - ich hatte letztens schon den Gedanken, was ich evtl. falsch machen werde, was mir meine Kinder dann vorwerfen können.
Ich weiß auf jeden Fall, dass ich meine Eltern liebe und deshalb ein Problem damit habe, ihre Fehler einzusehen. Was ich im ersten Beitrag aufgezählt habe, kommt nur von anderen - von einer Beraterin an der Uni, von einer engen Freundin... Und jedes Mal, wenn jemand so etwas sagt, meine Eltern - besonders meine Mutter - auch nur annähernd kritisiert, schalte ich auf stur, verteidige sie, obwohl ich (und wahrscheinlich sogar meine Eltern selber) weiß bzw wissen, dass sie durchaus Fehler gemacht haben.

Die Vertrautheit der Psychotherapie gibt es bei mir (noch) nicht. Nach einigen Stunden Beratung an der Uni habe ich mich noch nicht getraut, mich mit einem Psychotherapeuten in Verbindung zu setzen.
Im Prinzip weiß ich, dass es wichtig ist, mich mit den Fehlern meiner Eltern auseinanderzusetzen. Aber es ist so schwer! Ich habe Angst, nach einer Therapie meine Eltern nicht mehr zu lieben, ein gestörtes Verhältnis zu ihnen zu haben...

Forums-Gruftie 897 Wien W, 47

Kleine Prinzessin wrote:

Im Prinzip weiß ich, dass es wichtig ist, mich mit den Fehlern meiner Eltern auseinanderzusetzen. Aber es ist so schwer! Ich habe Angst, nach einer Therapie meine Eltern nicht mehr zu lieben, ein gestörtes Verhältnis zu ihnen zu haben...

Die Sorge sehe ich als kurzfristig begründet für den Verlauf der Therapie.
Aus meiner Erfahrung mit Therapie, mir ist im Laufe der Zeit alles hochgekommen. Und da war ich dann auch mehr als sauer auf meine Mutter. Ich weiß nicht was ich ihr alles in der Therapie vorgeworfen habe, aber es war sehr viel. Aber mit der Therapie habe ich auch vieles über die Beweggründe kennen gelernt, es wurden mir sehr viele Zusammenhänge klar weil ich sie ja auch in der Therapie selbst dargestellt habe um die Situation nachzuvollziehen. Und damit konnte ich dann vieles verstehen und somit war es dann auch kein Problem mehr es zu verarbeiten. Zu meiner Mutter habe ich heute so ein tolles Verhältnis wie zu keinem Zeitpunkt vor der Therapie. Mein Vater lebt nicht mehr.

In der Therapiezeit gab es durchaus Zeiten, wo ich meine Mutter nicht sehen konnte. Da hatte ich Angst, dass ich sie eventuell mit Vorwürfen konfrontiere, mit denen sie nichts anfangen kann oder mit denen sie überfordert wäre. Da habe ich dann dafür gesorgt, dass immer jemand dabei war, wenn ich mich mit ihr getroffen habe. Aber das war eine relativ kurze Phase die rasch vorüber war.

Helferlein 90 Niedersachsen W, 22

Danke, Helene, das macht mir Mut, denn besonders die Beziehung zu meiner Mutter ist mir überaus wichtig, ich möchte sie nicht verlieren.
Kleine Prinzessin

neu an Bord! 2 BRD W, 28

Hallo,

mein Tipp: Setze Dich mit den Fehlern Deiner Eltern auseinander, ziehe Rückschlüsse auf Dein eigenes Leben, das kann aufschlussreich sein. Überlege Dir was Du bei Deinen Kindern anders machen willst und warum. Und dann: Verzeihe Deinen Eltern.

[nicht mehr wegzudenken] 1213 @ home W

naja, die Kunst besteht darin, die Fehler zu sehen, die die Eltern gemacht haben, aber auch anzuerkennen dass sie ihr Bestes versucht haben und das Beste gewollt haben.
Kein Mensch ist perfekt, warum sollten Eltern es sein?

Forums-Gruftie 897 Wien W, 47

Hallo Talimee!

Jemanden aufzufordern, er solle verzeihen ist in etwa vergleichbar ein rotes Auto aufzufordern es soll doch bitte blau sein!

Verzeihen erfolgt ganz automatisch wenn eine Folge von Denkprozessen durchlaufen sind die mit einer Therapie beschleunigt und gezielt angesteuert werden können, aber natürlich auch ohne auf ganz natürlich Art passieren können. Das heißt, da passiert viel mit Verstehen, den eigene Position einmal verlassen, den Blickwinkel wechseln und ein nicht unwesentlicher Faktor ist die Zeit. Und das wichtigste überhaupt: das Vertrauend darauf, dass das was einmal passiert ist in Zukunft nicht mehr passieren wird.
Und wenn das alles gelaufen ist, braucht es keine Aufforderung dazu, denn dann ist es einfach da.
Und es gibt einige wenige Dinge, die sind einfach unverzeihlich. Jeder Mensch kann nur hoffen, dass man selbst nicht in so eine Situation kommt und es ist Kleine Prinzessin nur zu wünschen, dass es in ihrem Leben kein solches Erlebnis gibt. Da wäre es falsch jemanden zum Verzeihen zu drängen, denn das ist es dann nicht, sondern eine Aufgabe der eigenen Persönlichkeit und das kann nicht der Sinn des Verzeihens sein.

Helferlein 44 Deutschland W, 27

hallo,

meine mutter hat im bezug auf mich auch so einiges falsch gemacht.

entschuldigen kann man dies nicht. sie hat mich mit 16 bekommen, hatte (laut aussagen meiner oma) eine menge streß deswegen und mein vater soll auch nicht gerade zuverlässig gewesen sein.

bis kurz vor einer therapie wegen meines kindes dachte ich bisher, daß es alles an mir gelegen hat. ich war nicht einfach als kind. ich hatte einen sturkopf, klaute ne lange zeit lang und auch sonst schien ich das zu machen, was nicht gerade recht war. wie gesagt: ich dachte das bis kurz vor der therapie.

ich mußte mich eines besseren belehren lassen.

meine verhaltensweisen waren nichts anderes, als schlußfolgerungen dessen, was meine eltern, oder eher meine mutter, falsch gemacht hatten. aus diesen fehlern wurden weitere und irgendwann nicht mehr aufzuhalten.

ich habe meine mutter auch immer mit den worten verteidigt: aber ich war als kind ja auch nicht einfach. falsch. sie hat fehler gemacht und ich habe nur entsprechend reagiert.

verzeihen konnte ich ihr bisher nicht im vollen maße. das geht auch nicht so einfach von heute auf morgen. ich muß das verarbeiten und ich könnte ihr auch heute noch vorwürfe machen. das mache ich aber nicht. ich versuche eher zu verstehen, warum diese fehler gemacht wurden. sie war vielleicht schlichtweg überfordert und hilfe nicht gewohnt, als daß sie sie annehmen würde.

nun ist es aber leider so, daß ich viele dinge so wie meine mutter gemacht habe, obwohl ich partout nicht so sein wollte wie sie. aber genau deswegen machte ich die gleichen fehler. ich begann darüber nachzudenken, was meine mutter für fehler machte und wie ich mich dabei fühlte und begann an mir zu arbeiten. mir wurde vieles klarer und schon klappte es mit meinem kind besser.

desweiteren würde ich ganz der meinung deiner ratgeber ein kleines kind nicht alleine auf reisen schicken. es ist einfach zu sehr alleine, um so etwas außergewöhnliches zu verkraften. kochen, und für die jüngeren geschwister wie ein elternteil da sein ist nicht kindgerecht. es macht zu früh erwachsen. ein kind sollte solche dinge nur machen, wenn es will, den spaß dazu hat. nicht etwa, weil die eltern gerade nicht da sind und sich doch jemand um die kinder kümmern muß. dann hätte eine nanny besser gepasst.

die fehler deiner eltern werden für dich immer präsent sein, bis du mit dem prozeß abgeschlossen hast. dann verblassen die erinnerungen an das schlechte und dir fallen auch die schönen momente wieder ein.

suche und halte die schönen momente und finde nicht nur die fehler. dann wird es dir besser gehen...

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