Bestätigungssucht - "Ich will Kult-Status erreichen&quo

neu an Bord! 2 Karlsruhe W, 25

Ich bitte um Hilfe, das Verhalten eines Menschen besser einordnen zu können.

Er (29) ist sehr intelligent und sehr engagiert. Er betreibt neben seinem Beruf (Doktorand in den Naturwissenschaften) diverse Hobbys, die er allesamt bis zur Perfektion getrieben hat. Beispiel: Er zaubert nicht einfach, sondern entwickelt eine Show, samt Kino-ähnlichen Plakaten und tritt vor möglichst großem Publikum auf. Er hat / hatte in seinem Leben schon mehrere ähnliche Hobbys, es ist immer das gleiche Schema. Er möchte bei den Auftritten „Kult“ werden. „Kult-Status“ erreichen. Diese Hobbys betreibt er nie im privaten Kreis, sondern geht immer in die Öffentlichkeit, also Zeitschriften, Messen, Events, Auftritte, etc.

Er isst, trinkt und schläft nicht regelmäßig. Hat gleichzeitig fast panische Angst vor Krankheit und Altern. Andererseits bringt er sich durch „wahnsinnige“ (eines seiner Lieblingsworte) Aktionen oft genug in Lebensgefahr.

Er hat – natürlich – viel Bekannte, viele Bewunderer, ist lustig, steht im Mittelpunkt. Charismatischer Typ.

Er hat Angst, dass man ihn nicht versteht und ihn verletzt. Er scheut das Eingehen von tiefen emotionalen Beziehungen, nach eigenen Angaben aus Angst „wieder verletzt zu werden“.

Er sucht mit allen Mittel Bestätigung. Er scheint nicht zu sehen, dass man ihn auch mögen kann, wenn er nicht „Kult“ ist. Wenn er nicht eine fantastische Leistung bringt. Er strebt stets nach Perfektion, dem Ausschalten von Zufällen. Er erlaubt sich keine Fehler.

Es ist natürlich toll, wenn jemand die psychische und physische Kraft hat, in seinem Leben Großartiges auf die Beine zu stellen. Aber ich finde, wenn es fast selbst-zerstörerische Tendenzen annimmt (Essen, Trinken, Gefahren,…) und die Beziehungsfähigkeit gestört ist, dann kann das nicht gut sein.

Was ist eigentlich sein Grundproblem? Und gibt es eine Möglichkeit so einem Menschen zu zeigen, dass man ihn mag, auch in schwachen Momenten mögen wird und das Interesse an der PERSON und nicht am KULT besteht???

Forums-Gruftie 609 Germany W, 54

Hallo daniela25,

das sieht für mich so aus, als hätte dieser Mann ein ziemlich gestörtes Selbstbewusstsein oder mehr noch: fast gar keins. Möglicherweise hat er als Kind nie Anerkennung bekommen und versucht jetzt, diese Erfahrung nachzuholen.

Gleichzeitig scheint er mir ziemlich auf Äußerlichkeiten fixiert zu sein. Außerdem hat er wohl Probleme mit seinem Gefühlsleben: Er hat Angst verletzt zu werden, Angst eine Beziehung einzugehen. Mit seinem Streben nach Perfektion und Anerkennung kompensiert er wohl dieses gefühlsmäßige Defizit.

Liebe Grüße
Nessa

[nicht mehr wegzudenken] 1154 wien W, 32

hm...

in einem gewissen teibereich geht es mir nicht so unähnlich - nur gottseidank nicht so ausgeprägt.

ich bin auch vielseitig interessiert und WENN ich etwas mache, muss es PERFEKT sein - was mich mitunter unheimlich hindert, etwas anzufangen. aber WENN ich es mache, dann wirds auch....

an mir habe ich erkannt dass das daran lag: nähe gab es in unserr familie nicht. anerkennung und lob auch selten. ich habe aber entdeckt, das ich für mein zeichentalent oder meine ausdruckfähigkeit in texten bewundert werde und anerkennung bekomme. meine erste umarmung von meiner mutter bekam ich, als ich 18 war und die matura schaffte. also nach einem anlauf von 18 jahren leistung. für mich ist der drang, kreativ sein zu wollen, eher damit gleichzusetzen, anerkennung und bewunderung zu bekommen. einen "platz im system" zu haben. sicherheit. eine existenzberechtigung. für mich waren gefühle nur über leistung zulässig. lange zeit konnte ich NUR darüber gefühle ausleben. Wenn ich dieses ergebnis nicht erwarten kann, habe ich keine motivation, so etwas zu tun. etw: ein zweites buch schreiben, wenn ich nicht das gefühl habe, das erste total toppen zu können....

ändern kann und konnte ich mich nur selber. einen tipp geben kann ich dir nicht, aber vielleicht verstehst du ein bisschen, warum er so ist.

Helferlein 61 Wien W, 29

Klingt so, als ob er im Sternzeichen ein LÖWE wäre... hehe..

Nein, im Ernst, alles mal langsam:

Was genau bitte ist denn so schlecht, wenn jemand gern im Rampenlicht steht bzw. gerne mit seinem Können an die Öffentlichkeit geht?

Muss man deswegen gleich psyschisch aus dem Gleichgewicht sein?

Ich esse, trinke und schlafe auch überhaupt nicht regelmäßig und traue mich behaupten, dass ich ein sehr, sehr glücklicher (und gesunder zwinkernd..

) Mensch bin! Jeder Mensch hat seinen eigenen Rhytmus - oder eben "keinen".

Da ich mit diesem Typ Mensch vermutlich kein Problem hätte, frage ich dich mal: was ist denn DEIN Grundproblem?

---> Dass er für dich "unberechenbar" ist?
---> Dass du ihn durch sein Bedürfnis nach "öffentlicher Bewunderung" nicht für dich allein hast, sondern das Gefühl hast, ihn mit anderen teilen zu müssen?
---> Dass er nicht so leicht "kontrollierbar" ist?
---> Dass er vielleicht seine Wünsche wahrmacht und du nicht?

Leben und leben lassen....

... und nicht hinter allem (was uns nicht in den Kram passt an unserm Nächsten) gleich ne Psychose vermuten verzieh mich...

Grüße aus Wien!

Forums-InsiderIn 334 Rhein-Main W, 34

hi daniela,

daniela25 wrote:

Es ist natürlich toll, wenn jemand die psychische und physische Kraft hat, in seinem Leben Großartiges auf die Beine zu stellen. Aber ich finde, wenn es fast selbst-zerstörerische Tendenzen annimmt (Essen, Trinken, Gefahren,…) und die Beziehungsfähigkeit gestört ist, dann kann das nicht gut sein.

ich finde du hast eine sehr "gesunde" meinung. und du erfasst m.e. nach auch sehr gut sein problem. ich würde es so auf den punkt bringen:

er verwechselt bewunderung mit liebe.

bewundert wird man in der tat für besondere leistungen. geliebt wird man einfach "nur so".

dass er bewunderung für liebe hält und deshalb danach "giert" hat einen grund. vermutlich liegen die ursachen tatsächlich in seiner familie. lilu verweist ja bereits darauf. irgendwie hat er wohl gelernt, dass er nur dann was wert ist, wenn er was besonderes leistet und von außen möglichst viel applaus dafür erntet. ohne die besondere leistung hat er keine zuwendung / keine positiven emotionen verdient.

dieses schwanken zwischen den extremen "grandiosität" und "nichts-sein" ist ganz furchtbar. man ist nie wirklich bei sich selber. man kennt sich selbst mit den eigenen bedürfnissen eigentlich gar nicht. entweder man entspricht dem "ideal", das man für andere verkörpern will, um von denen "applaus" zu kriegen. oder man ist leer / fühlt sich wertlos. dazwischen gibt es nix.

ich denke für ihn ist es - vermutlich ohne dass er es weiss - das pure glück, dass er mit einem menschen wie dir zusammen ist. weil du so eine gesunde einstellung zu seinen "erfolgen" hast.
es ist nur für dich ne schwierige situation. weil er aus dem kreislauf vermutlich erst dann aussteigen wird (oder zumindest versuchen wird auszusteigen), wenn er selber nicht mehr kann. wenn er am boden ist, weil er seine grenzen (die er vermutlich selber gar nicht spüren kann) völlig überschritten hat.

weißt du, wie er aufgewachsen ist? mit welchen werten? mit welchen mustern?

lieber gruß
marie

@scheindal

Scheindal wrote:

Was genau bitte ist denn so schlecht, wenn jemand gern im Rampenlicht steht bzw. gerne mit seinem Können an die Öffentlichkeit geht?

daniela sagt überhaupt nicht, dass es generell "schlecht" und krankhaft ist im rampenlich stehen zu wollen.
sie hinterfragt vielmehr hier konkret das/ die motiv/e ihres freundes, der offensichtlich extrem hunger nach bewunderung hat und hierbei über seine eigenen grenzen geht. der ferner zu denken scheint, dass er nur dann liebenswert ist, wenn sein tun "kultstatus" erreicht.

Psychotherapie-Forum (Archiv 2002-2007)

Forum:

Mehr über PT:

Bestätigungssucht - "Ich will Kult-Status erreichen&quo