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Ramius
sporadischer Gast


10
Vilnius M, 53
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Tue, 21.Jun.05, 1:13 Wahrheit oder Hoffnung |
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Heute Vormittag fragte ich Ihre Onkologin:
„Macht die Chemotherapie (Folfiri - Indikation u.a. inoperable Lebermetastasen) noch einen Sinn ?“
„Nein“ war die klare Antwort der sehr kompetenten und einfühlsamen Fachärztin.
Meine Frau steht seit Monaten unter Morphin, sie ist entspannt und ruhig.
Und sie hat natürlich Angst, aber auch Hoffnung.
Wir (die Ärzte und ich) wissen aber, dass ihre Krebserkrankung tödlich enden wird, wahrscheinlich schon bald, die Fortsetzung der Chemotherapie aber könnte ihr Leben etwas verlängern.
Ich habe meiner Frau seit Bestehen ihrer Erkrankung, wider besseres Wissen, immer Hoffnung gegeben.
Die Onkologin unterstützt diese Vorgehensweise – ihr die Hoffnung nicht zu nehmen.
Wir wollen meine Frau weiterhin behandeln, allerdings ohne die Chemotherapie, da die Nebenwirkungen erhebliches Leid (auch lebensgefährliche Nebenwirkungen sind möglich) verursachen, also müssen wir sie über die wahre Therapie (Placebo) fortan hinwegtäuschen.
Wir haben heute morgen damit begonnen und vorerst wegen angeblich schlechtem Blutbild die Chemo ausfallen lassen.
Soeben gab Ihre Venenpumpe Luftalarm.
Wir sprachen miteinander - meine Frau sagte:
„Ich will wieder gesund werden!“
Sie vertraut mir absolut, und ich fühle mich wie ein Verräter, was ich in der Tat auch bin, denn ich war und bin, ihre Erkrankung betreffend, nicht ehrlich zu ihr.
Tue ich Unrechtes ?
Mfg
Ramius
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_________________ "und die See bringt die Hoffnung, wie der Schlaf die Träume bringt" |
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Nerea
Helferlein


33
Ibiza (Spain) W, 40
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Tue, 21.Jun.05, 1:27 Re: Wahrheit oder Hoffnung |
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Ramius,ich habe es Dir schonmal erzählt.Ich sag es Dir nochmal:
Deine Frau wird wissen,das Du sie betrügst.Betrügen im Sinne von "belügen" oder auch,wenn Du so willst "Tatsachen beschönigen" oder schlimmer noch "verschweigen".
Sie erzählt Dir einen das sie weiterleben will/möchte/muss, um Dir nicht weh zu tun.Du erzählst ihr das sie auf dem Weg zur Besserung sei, um ihr nicht weh zu tun.Und beide wisst ihr,das der eine dem anderen was vorlügt.
Ich kann Dir keinen guten Rat geben was Du da jetzt anstellen sollst.Ob Du ihr die Wahrheit sagen solltest,die sie sowieso schon kennt,oder ob Du weiterhin so tust als seist Du guter Hoffnung.Ich,in ihrer Situation,würde bestätigt wissen wollen wo der Hase im Pfeffer liegt.Ich würde es ihr sagen.Muss ja nicht unbedingt mit der Brechstange vorgetragen werden..aber Offenheit find ich da schon wichtig.
Es würde ihr auch Gelegenheit geben sich auf das unvermeidliche Ende vorzubereiten.Noch Dinge zu machen,die schon immer getan werden wollten (im Rahmen des derzeit Möglichen),.............sich "adäquat" zu verabschieden,und..nicht zuletzt..sich "adäquat" verabschieden zu lassen.
Von Dir,von Euren Kindern...
Ich wünsch Deiner Frau alles,alles Gute und Dir viel Kraft.
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_________________ "Der Weg des geringsten Widerstandes ist nur am Anfang gepflastert." |
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Scarlett!
sporadischer Gast


20
W, 35
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Tue, 21.Jun.05, 2:15 Re: Wahrheit oder Hoffnung |
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Hallo Ramius.
eine schrecklich traurige Geschichte die uns alle irgendwann mal treffen könnte.
Vor allem brauchst Du jetzt viel Kraft.
Du wirst derjenige sein der zurückbleibt und immer derjenige hat es am schwersten.
Ich denke mal in dem Zustand in dem sich Deine Frau befindet, weiss sie sehr wohl wie es um sie steht. Und auch ich denke so wie Nerea das Ihr Euch gegenseitig was vormacht. Aber nun ist ja mal jeder Mensch anders. Ich persönlich bin immer froh wenn ich die Wahrheit erfahre, auch wenn diese nicht unbedingt das ist was ich hören möchte. Aber ich möchte den Tatsachen ins Auge sehen. Leider kann ich Dir nicht sagen welcher Typ Deine Frau ist. Das musst Du am besten entscheiden können. Wir können Dir hier nun alle viele Tips geben, aber da wirst Du soviele unterschiedliche Meinungen hören und stehst dann genau da wo Du nun auch bist.
Mach das was Dein Gefühl Dir sagt und Du wirst sehen das es dann die für Dich richtige Entscheidung war.
Wünsche Dir alles erdenklich Gute
Scarlett!
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lui
Forums-InsiderIn


235
Deutschland W, 57
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Tue, 21.Jun.05, 7:18 Re: Wahrheit oder Hoffnung |
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Hallo Ramius,
Ihr beide habt es zur Zeit sehr schwer, und das wird zumindest für Dich auch eine ganze Weile so bleiben, wenn Deine Frau nicht mehr da sein wird. Ich wünsche Euch alle Kraft und alle Liebe, die Ihr jetzt braucht.
Aus meiner Erfahrung heraus kann ich nur den Worten von Nerea zustimmen. Es ist sehr oft so, dass der Sterbende selber seinen Zustand genau einschätzen kann, aber er spricht nicht mit seinen Angehörigen darüber, um ihnen nicht weh zu tun.
Ich denke, Du kannst ganz vorsichtige Gespräche versuchen zu beginnen, damit Deine Frau weiß, dass Du offen bist. Am besten hörst Du ganz genau auf ihre Singnale, auf ihre Worte und versuchst ganz vorsichtig daran anzuknüpfen. Und ich denke, wenn sie Deine Offenheit spürt, dann ist es ihr auch möglich mit Dir zu reden.
Ich bin ziemlich sicher, dass sie die Wahrheit kennt. Aber ich habe es auch schon oft erlebt, dass jemand, der die Wahrheit kennt, auch nicht in jedem Moment n der Lage war, sie zu tragen, und immer wieder von einer Hoffnung gesprochen hat.
Es ist ein sehr schwerer Weg, aber Deine Frau hat DICH und für Dich kann es jetzt gar nichts besseres geben, als für sie da zu sein, sie zu begleiten.
Alles Liebe für Euch beide, und möget Ihr einen Weg finden, miteinander ehrlich zu reden.
lui
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AnkeF
sporadischer Gast


28
Oberhausen/NRW W, 42
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Tue, 21.Jun.05, 8:41 Angst |
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Hallo Ramius,
da ich ebenfalls die Ansicht von Nerea teile, traue ich mich, eine Frage zu stellen (oder auch mehrere), ohne nochmals zu betonen, wie betroffen mich Deine Geschichte und der gemeinsame Leidensweg, den ihr geht, macht:
Was heißt in diesem Fall kurz? Hast Du diesen Zeitraum konkret abgesteckt bekommen? Wann wäre für Dich der Punkt gekommen, an dem Du bereit wärest, ihr "die Wahrheit" zu sagen? Denn es wird irgendwann der Punkt kommen, an dem sie nicht mehr aufnahmebereit sein wird und dann ggf. nicht mehr erfährt, dass Du wider besseres Wissen gehandelt hast. Wäre das für Dein weiteres Leben OK? Würde es Dein Gewissen MEHR belasten, dass sie bestätigt bekommt, dass Du "gelogen" hast, als ihr - nach so viel in Dir selbst eingeschlossenem Schmerz - bis zum Schluss einen Teil der Wahrheit vorenthalten zu haben? Du hast Kinder, die Du einbeziehen könntest. Tust Du das, oder willst Du das lieber nicht?
Ich halte Dich für einen bemerkenswert klar denkenden Menschen. Dir ist bewusst, dass Du mit der Entscheidung, die Du bald treffen musst, bis zu Deinem eigenen Lebensende wirst leben müssen. Das macht es nicht einfacher, nicht wahr? Weißt Du, ich würde dem Menschen, den ich liebe, eine Bitte darum, die Wahrheit erfahren zu wollen, nicht bis zuletzt abschlagen, wobei ich bereits schon viel früher als Du "eingeknickt" wäre unter dem eigenen Leidensdruck, den Du bisher standhaft erträgst aus Angst, Deine Frau könnte die Wahrheit nicht verkraften. Als mein Schwiegervater 2 Tage vor seinem Tod seine eigene Schwester erstaunt fragte, ob sie da sei, weil er jetzt sterben müsste, und sie ihm antwortete "aber nein!", da hätte ich am liebsten mit ihr geschimpft (ich war nicht dabei, sonst hätte ich das wahrscheinlich auch getan). Ich hätte anders reagiert. Ich hätte ihn nach seinen Ängsten gefragt und ihn wenigstens so kurz vor seinem Abschied die Gelegenheit gegeben, mit uns um die verlorenen gemeinsame Zeit zu trauern und uns zu versichern, dass wir im Herzen immer zusammen bleiben werden, auch wenn keiner von uns weiß, ob wir uns an einem anderen Ort später einmal wieder sehen werden. Diese Chance haben wir nicht gehabt. Das tut mir heute noch leid...
Viele ratlose Grüße
Anke
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_________________ Kopf hoch, auch wenn der Hals mal dreckig ist! |
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aniou
neu an Bord!


4
Berlin M, 21
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Tue, 21.Jun.05, 9:34 Re: Wahrheit oder Hoffnung |
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Die Frage ist, was dir wichtiger ist. Denn du hast genau zwischen folgenden Dingen die Wahl:
1. Du sagst ihr die Wahrheit. Dann hast du ein "reines" Gewissen und musst dir nie wieder vorwerfen, sie angelogen zu haben. Allerdings weiss sie dann, dass sie am sterben ist und je länger sich dieser Prozess in die Länge zieht, desto unerträglicher wird er für sie, bis sie sich das Ende herbeisehnt.
2. Du sagst es ihr nicht. Du verschweigst ihr einfach weiterhin die Wahrheit. Dann wirst du damit leben müssen, sie angelogen zu haben, hast allerdings auch die Gewissheit, ihr die letzte Zeit, die sie noch im Leben hat so angenehm wie möglich gestaltet zu haben.
Gut, ich weiss nicht, wie stark sie geistig ist und wie sehr es sie aus der Bahn werfen würde zu wissen, dass sie stirbt.
Und irgendwie is es schwer für mich, mich so wie ich gerne würde, angemessen auszudrücken.
Wäre ich an ihrer stelle, würde ich nichtmal, dass du es mir sagst, wenn ich es selber mit absoluter Sicherheit wüsste. Ich würde wollen, dass du es ignorierst, mir Hoffnung machst, mir einen Strohhalm gibst, an den ich mich klammern kann und mich auf andere Gedanken bringst, damit ich nicht Minute für Minute daran denken muss, zu sterben bis ich beinahe schon fühlen kann, wie mit jedem Atemzug ein Stück leben aus mir fliesst.
Ich würde wollen, dass du mich davon abhältst, Angst vor dem Tod zu haben. Ich würde nich jämmerlich auf meinen Tod warten wollen sondern das bisschen Leben, was mir noch geblieben ist auch leben wollen.
Im Endeffekt ist die Frage eigentlich bloß: Würde sie wollen, dass du es ihr sagst? Und wie würde sie damit umgehen? Ist dir im Zweifelsfall das Wissen, sie nicht angelogen zu haben wichtiger als das Wissen, ihr ihre noch verbliebene Zeit so angenehm wie möglich gestaltet zu haben?
Tut es nicht manchmal viel besser, ein unabwendbares Schicksal so lang es geht zu ignorieren anstatt es auf sich zukommen zu sehen und daran zu verzweifeln?
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Toughy
[nicht mehr wegzudenken]
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1312
Dtld W, 29
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Tue, 21.Jun.05, 9:55 Re: Wahrheit oder Hoffnung |
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Hallo Ramius,
den inneren Konflikt kann ich gut nachvollziehen. Dennoch würde ich ihn an Deiner Stelle wie bspw. Nerea lösen wollen. Natürlich kennst Du Deine Frau besser als wir und wirst das letzten Endes selbst entscheiden müssen.
Wie sind denn ihre derzeitigen Lebensumstände? Ist sie im Krankenhaus oder zu Hause?
Wenn ich ehrlich bin, würde ich an der Stelle Deiner Frau gern selbst entscheiden, wie ich die mir verbleibende Lebenszeit gestalten möchte. Manchmal will man Unausgesprochenes noch aussprechen, Gedanken in Worte fassen oder lieb gewonnene Plätze aufsuchen...
Vielleicht hat sie einen letzten Willen, den sie noch bekunden wollen würde. Ja, auch Abschied nehmen.
Im Moment schiebt sie, falls sie wirklich nicht weiß, dass sie nicht mehr genesen wird, alles in die Zukunft auf. Eine Zukunft, die es vermutlich nicht geben wird
Wie gesagt, ich kenne Deine Frau nicht und weiß nicht, wie sie zum Tod steht. Sicher wird sie sich darüber schon Gedanken gemacht haben - und sich damit allein fühlen?
Das würde ich ganz traurig und schlimm finden.
Noch habt Ihr Gelegenheit, Euch voneinander zu verabschieden, vielleicht auch die eine oder andere Anekdote aus Eurem gemeinsamen Leben zu erzählen. Ihr könnt Euch noch zauberhafte Momente schaffen...
Und auch wenn es an Quälerei grenzt, sich darüber auszutauschen: Vielleicht hat sie Vorstellungen davon, wie sie von dieser Welt gehen möchte.
Ramius, in Deinen Augen wird sie Deinen Abschiedsschmerz vermutlich schon ablesen können. Aber Ihr seid beide allein
Ihr beide geht diesen Weg, aber jeder für sich. Wäre ich in dieser Situation - ich würde diesen Weg gemeinsam bis zum Ende gehen wollen bzw. zumindest darüber mitentscheiden wollen.
Ich wünsche Dir alles Gute und viel Kraft!
Toughy
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_________________ Es ist wichtig, jemanden dort abzuholen, wo er gerade ist. Aber manchmal ist es auch wichtig, jemanden dort zu lassen, wo er gerade sein will. |
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Ramius
sporadischer Gast


10
Vilnius M, 53
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Tue, 21.Jun.05, 10:03 Re: Wahrheit oder Hoffnung |
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"Würde sie wollen, dass du es ihr sagst?"
Definitiv nein, ich kenne sie seit 38 Jahren, und weiß wie kein 2.ter, dass meine Frau bestimmte Dinge nicht wissen will, ja, mit äußerster Vehemenz es regelrecht ablehnt sie zur Kenntnis zu nehmen.
Sie ist eine sehr charakterstarke Frau, mit einer schier unglaublichen Kraft zur Verdrängung - leider oder Gott sei Dank ???
Vielleicht bekomme ich hier noch mehr Meinungen zu lesen, es würde mir ungemein helfen.
für Anke: Soeben habe ich unsere Kinder (22 + 25 J.) über die Situation informiert - sie haben um Bedenkzeit gebeten.
Allen die mir bisher geantwortet haben danke ich für ihre Stellungnahmen.
MfG
Ramius
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_________________ "und die See bringt die Hoffnung, wie der Schlaf die Träume bringt" |
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Shanti
sporadischer Gast


26
Austria W, 37
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Tue, 21.Jun.05, 10:50 Re: Wahrheit oder Hoffnung |
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| Ramius wrote: | "Würde sie wollen, dass du es ihr sagst?"
Definitiv nein, ich kenne sie seit 38 Jahren, und weiß wie kein 2.ter, dass meine Frau bestimmte Dinge nicht wissen will, ja, mit äußerster Vehemenz es regelrecht ablehnt sie zur Kenntnis zu nehmen.
Sie ist eine sehr charakterstarke Frau, mit einer schier unglaublichen Kraft zur Verdrängung - leider oder Gott sei Dank ???
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Hallo Ramius, ich bin überzeugt, dass deine Frau sehr wohl genau weiß, wie es um sie steht. Nur will sie es für sich nicht wahrhaben und auch dir und den Kindern keinen Kummer bereiten.
Für sie ist es wahrscheinlich leichter so zu tun, als ob sie wieder gesund werden würde. Denn der Anblick von verzweifelten Familienangehörigen ist auch für einen Kranken nicht schön und leicht zu ertragen. Außerdem schöpft man auch selbst Kraft, wenn man sich positive Gedanken macht und das wird in ihrer Situation auch bitter notwendig sein.
Wenn sie von nun an immer Placebo erhält, kann es ihr auch nicht lange verborgen bleiben, selbst wenn sie bis dato wirklich noch gedacht hat, sie wird wieder gesund.
Es ist leider sehr schwer dir zu raten was du tun sollst. Nur belüge deine Frau nicht in einer Form, die ihr eventuell weh tut.
Einerseits sagst du sie ist sehr charakterstark, andererseits steckt sie lieber den Kopf in den Sand. Wenn sie an ihre Gesundung glauben will, soll sie und lass sie. Vielleicht geht es ihr ja wirklich besser, wenn sie das Gefühl hat, sie gibt auch euch Hoffnung, selbst wenn sie ahnt/weiß das bittere Ende steht bevor.
Ramirus ich wünsche dir und deiner Frau alle Kraft der Welt und die nötige Stärke, um die schwere Situation gemeinsam zu meistern.
Alles Gute und Liebe
Shanti
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Nerea
Helferlein


33
Ibiza (Spain) W, 40
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Tue, 21.Jun.05, 17:22 Re: Wahrheit oder Hoffnung |
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Ramius,ich glaube es ist circa ein Jahr her das Du mir über die Diagnose bezüglich der Krebserkrankung Deiner Frau berichtet hattest.Ich erinner mich noch gut....Damals ging es Deiner Frau bis auf ein paar Kleinigkeiten nicht wirklich schlecht,nicht wahr?Und dann ging's ,nach Bekanntgabe der Diagnose,rapide abwärts,bis hin zu Morphingaben und zeitweiligem "Abwesend-sein".
Und jetzt frag ich Dich,Ramius,mit allem gebührendem Respekt deinem Leid und natürlich dem deiner Frau gegenüber:Glaubst Du wirklich,angesichts dieses rasanten "Abstiegs",das deine Frau tatsächlich jenseits von Gut und Böse auf eine Gesundung hofft?Vor allem bei der "medizinischen Vorbildung" die in eurer Familie vorherrscht?Glaubst Du sie frönt der "Vogel-Strauss-Politik" im Angesicht der nicht mehr,selbst für sie,zu leugnenden Vorzeichen...?
Glaub ich nicht...
Sag es ihr.Sag ihr zumindest das die Chancen schlecht stehen.Das Du aber dein bestmöglichstes versuchst ihr zumindest schmerzfrei über die Runden zu helfen (insoweit es geht).Bring's ihr bröckchenweise bei.Gib ihr die Möglichkeit gewisse Dinge zu regeln,die es noch (für sie) zu regeln gilt.
Und vor allem sieh zu das ihr Euch verabschieden könnt,wer weiss wieviel Zeit noch bleibt.Unterrichte Deine Kinder von dem unausweichlichen Ende.
Bestell Haus und Hof,Ramius.
"Ein jegliches hat seine Zeit,
und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde:
geboren werden hat seine Zeit,
sterben hat seine Zeit;.."
(Kohelet /3.Kapitel)
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_________________ "Der Weg des geringsten Widerstandes ist nur am Anfang gepflastert." |
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Naomi
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2093
Wien W, 42
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Tue, 21.Jun.05, 19:22 Re: Wahrheit oder Hoffnung |
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hallo ramius,
das ist ein sehr heikles thema, bei dem im grunde niemand von uns genau weiß, wie er/sie reagieren würde, wenn ihm/ihr gesagt würde, er/sie habe in kurzer zeit zu sterben. deswegen ist es auch ziemlich schwer für unbedingte offenheit zu plädieren, auch wenn man selbst z.b. immer eher für offenheit ist.
ich lese zwei wichtige dinge aus deinen postings heraus:
1)deine frau will es nicht wissen, möglicherweise um die restlich verbleibende zeit noch möglichst genießen zu können (denn wer sagt denn, dass die verbleibende zeit nur dann genossen werden kann, wenn man´s definitiv weiß). daher würde ich eher dafür plädieren, ihr - schlicht aus gründen der barmherzigkeit - die hoffnung nicht zu nehmen. spüren wird sie ja ohnedies einiges. und vielleicht hat sie ja von sich aus irgendwann den wunsch, es wissen zu wollen, und dann musst du ihr es ohnedies sagen. vielleicht wird sie sich ja auch gedanken machen, wenn die chemo immer wieder abgesagt wird.
2) die spezialistInnen auf der onkologie plädieren dafür, es ihr nicht zu sagen, vielleicht aufgrund der persönlichkeit deiner frau, das weiß ich aber nicht. ich denke, diese leute haben gründe, wenn sie dazu raten, haben sie doch tagtäglich mit krebskranken menschen zu tun.
aus meiner sicht ist es durchaus erlaubt, in so einer situation zu "lügen", wenn man annehmen kann, dass sich das mit ihrem wunsch deckt.
ich habe vor kurzem erlebt, dass ein an leukämie erkrankter mann die chemo überhaupt abgelehnt hat, und auch keine medikamente nehmen wollte, und hat alle glauben gemacht, dass seine "diät", die ihm ein alternativmediziner empfohlen hatte, ihm helfen würde, und er war trotzdem permanent voller hoffnung obwohl offensichtlich war, dass es ihm immer schlechter ging. vermutlich hat er wohl geahnt, was auf ihn zukommen wird, aber er hat es völlig verdrängt. natürlich machte er auf diese weise seiner umgebung auch hoffnung, die nicht gerechtfertigt war, aber ich denke, seine frau wird´s wohl gewusst haben. es war nicht vernünftig, aber es war sein wille, das so zu machen, weil er andere ratschläge einfach von sich schob.
ich finde einem menschen, der vielleicht bald sterben wird, soll man seinen willen lassen. d.h. für mich aber auch, wenn deine frau die chemotherapie weiter haben wollte, würde ich sie ihr auch lassen.
ich glaube, in so einer situation ist es nicht mehr angebracht, einen menschen zu irgendwas "erziehen" zu wollen, sprich der wahrheit ins gesicht sehen zu müssen, auch wenn´s noch so vernünftig erscheinen mag.
hast du die möglichkeit psychologische begleitung aufgrund der krebserkrankung deiner frau in anspruch zu nehmen? denn es ist ja für dich eine sehr belastende zeit.
frag mal in der ambulanz.
alles gute in dieser schweren zeit
lg, naomi
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_________________ I beg your pardon, I never promised you a rose garden. |
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Ramius
sporadischer Gast


10
Vilnius M, 53
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Wed, 22.Jun.05, 9:08 Re: Wahrheit oder Hoffnung |
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Vielen Dank für Eure Zuwendung und Mühe, die ihr in Euren Antworten geleistet habt, auch für die kritischen Beiträge - es war mir hilfreich Eure Gedankengänge nachzuvollziehen.
Ich weiß, was das Richtige ist:
So gut wie irgendmöglich Leid zu lindern und alle die Maßnahmen realisieren, die ihr gut tun.
Die Frage nach Unrecht stellt sich für mich nicht mehr.
MfG
Ramius
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_________________ "und die See bringt die Hoffnung, wie der Schlaf die Träume bringt" |
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AnkeF
sporadischer Gast


28
Oberhausen/NRW W, 42
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Wed, 22.Jun.05, 9:32 Das Richtige tun |
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Es freut mich zu lesen, dass Du das Richtige tun kannst und willst.
Viel Stärke spricht aus Deinen Zeilen. Wenn sie Dich gelegentlich verlassen sollte, diese Stärke, hast Du hoffentlich...nein: bestimmt(!) in Deinen Kindern Menschen zur Seite, die Dich auffangen werden, so wie Du sie zu tragen bereit bist, wenn ihnen die Kraft ausginge.
Ihr seid eine tolle Familie, und ich bin froh, einen Teil davon kennengelernt zu haben (wenn auch nur virtuell und nur in eher bescheidenem Umfang).
Alles Gute
Anke
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_________________ Kopf hoch, auch wenn der Hals mal dreckig ist! |
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Mitz
Helferlein


47
Deutschland W, 40
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Thu, 23.Jun.05, 7:54 Re: Wahrheit oder Hoffnung |
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| Ramius wrote: | Ich weiß, was das Richtige ist:
So gut wie irgendmöglich Leid zu lindern und alle die Maßnahmen realisieren, die ihr gut tun.
Die Frage nach Unrecht stellt sich für mich nicht mehr.
MfG
Ramius |
Hallo Ramius,
ich denke, das ist eine sehr weise Entscheidung. Es nützt ja auch nichts, wenn man Dinge tut, die ihr vielleicht schaden, weil sie es nicht will, und noch mehr Leid über Euch beide kommt.
Ich finde, man sollte in dieser Situation doch die wenigen schönen Dinge des Lebens hervorheben und das schlechte bei Seite schieben.
Und ich denke auch, dass Deine Frau sehr wohl weiß, wie sehr Du mit Dir hatterst und es Dir auf ewig danken wird, dass Du sie in dieser schweren Zeit nicht alleine lässt.
Ich denke auch, dass Deine Frau auch Dir nicht etwas vorjammern möchte, da sie genau sieht und weiß, wie sehr auch Du unter der ganzen Sache leidest. Auch sie wird sich zusammenreißen und ihre Gedanken verdrängen, um Dich nicht noch mehr zusätzlich zu belasten.
Ramius, Eure Liebe ist sehr stark. Ich ziehe meinen Hut vor dieser Kraft der Liebe.
Alles Liebe.
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lilu
[nicht mehr wegzudenken]
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1154
wien W, 32
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Fri, 24.Jun.05, 22:16 Re: Wahrheit oder Hoffnung |
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ich glaube hoffnung und wahrheit sind nicht zwei seiten derselben medaillie. das was ihr beide habt, ist für mich wahrheit. hoffnung ist doch die wahrste wahrheit.
es gibt leute, die die sogenannte "wahrheit" wie sie geläufig benutzt wird als fakten der realen welt - ad absurdum geführt haben, durch hoffnung.
vor 18 jahren versammelte sich meine familie am sterbebett meiner mutter um der wahrheit ins gesicht zu sehen. sie wird heuer 49 und ärzte verstehen nicht wie das gehen konnte.
hoffnung ist nicht die schlechteste alternative. auch für dich nicht. du hast ein recht mit ihr intensiv und aufrichtig zu hoffen, denn die wahrheit kennst in wirklichkeit auch du nicht - und vor verletzung schützt das festhalten an der wahrheit auch nicht.
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_________________ Glück ist kein Recht sondern eine Einstellung |
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