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Kairo
sporadischer Gast


5
Wien W, 30
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Mon, 27.Jun.05, 9:18 Familienleben/Ver(w)irrungen |
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Liebe Forums-Teilnehmer,
ich habe eben dieses Forum entdeckt und möchte gerne versuchen, mein "Problem" oder was immer es ist, zum Ausdruck zu bringen. Ich stecke seit vorgestern durch eine blöde "besoffene Geschichte" in einer dicken Krise und habe das Gefühl da nicht mehr herauszukommen.
Meine Geschichte basiert auf viele kleine und große Umstände, die ich aber dennoch, kurz und bündig zusammenfassen kann. Ich bin in einer 7köpfigen Familie unter nicht sehr leichten Umständen aufgewachsen. Ich denke, wir waren eine absolut durchschnittliche Familie ... Dorfleben, nicht reich nicht arm, bemühte aber unfähige Eltern, schwere Eheprobleme meiner Eltern usw. Durch einer schwere Erkrankung meinerseits war ich immer das Nesthäkchen (was nicht immer mein Vorteil war). Der Zusammenhalt der Geschwister war immer sehr groß, irgendwann begann ich Familie nur durch die Geschwister zu definieren. Meine Zwillingsschwester hat sehr früh das Elternhaus verlassen, zog in die nächste Stadt und wurde somit, weil örtlich getrennt, zur Außenseiterin. Ich spielte ab dem Zeitpunkt Vermittlerin zwischen den Geschwistern und war, so glaube ich, ein paar Jahre sehr gut darin. Vor 5 Jahren bin ich meiner Zwillingsschwester gefolgt, habe mich in dieser Stadt verliebt, hab geheiratet und bin hier seßhaft geworden. ... wurde aber genauso zur Außenseiterin oder zur Abgekapselten von der restl. Familie wie meine Schwester Jahre zuvor. Ich bin ein Mensch, der moralische Werte sehr hochhält, harmoniebedürftig, für Gespräche offen, oft vermittelnd tätig usw. - leider auch gedanklich oft sehr unflexibel, starr und sturköpfig. Diese "Fronten-Positionierung" zwischen den drein Geschwistern im Elterndorf und uns zwei Schwester in der Stadt zermürbt mich sehr. Ich schwanke diesbezüglich sehr oft zwischen Gleichgültigkeit, Gekränktheit, Aufmüpfigkeit, Desinteresse usw. Manchmal habe ich das Gefühl, ich komme mit dieser Situation zurecht und verbalisiere das auch und manchmal regt mich diese Ungerechtigkeit total auf und verbalisiere das ebenfalls. Ich wirke daher in Bezug auf meiner Geschwister sehr oft unausgeglichen und instabil - oft bin ich für sie alle ein einziges Fragezeichen.
Vorgestern besuchten uns mein Bruder und dessen Freundin, meiner Zwillingsschwester war auch da. Wir haben (leider) sehr viel getrunken- und wie das so ist, wurde die Zunge locker. Irgendwann war es soweit, dass meine ganze Verletztheit und Gehäßigkeit diesbezüglich aus mir herausprudelte. Mein Bruder und seine Freundin, die beide immer sehr loyal sind und auch für jede Kritik offen, standen nur mehr mit offenem Mund da und waren völlig verblüfft. Sie sprachen von "unglaublich verworrener Wahrnehmung" usw. - letztendlich war sie sehr gekränkt und beleidigt. Als ich meinen Kater danach überstanden hat, kam mein schlechtes Gewissen, das bis heute anhält. Ich bereue jedes einzelne Wort - selbst mein Mann, der unglaublich tolerant ist, meinte, ich hätte bei weitem über die Stränge geschlagen .. so nach dem Motto "Im nüchternen Zustandt kriegt sie den Mund nicht auf und betrunken, wird sie gemein und verletztend". Ich hab mich mittlerweile bei allen Beteiligten entschuldigt, die meine Entschuldigung auch annahmen.
Letztendlich, nach all der Grübelei, bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass meine Geschwister nicht das Problem sind - das Problem bin ich. Ich bin diejenige die Gift sprüht und Situationen eskalieren lässt. Aber warum? Ich bin meiner Familie sehr zugetan und würde mir nichts mehr wünschen als ein harmonisches Beisammensein - aber statt dessen, mache ich jede halbwegs stabile Situation wieder instabil. Wie komm ich da wieder raus - wie mache ich es besser?
Ich weiß, Ratschläge und Tipps sind nicht einfach zu geben, aber vielleicht kann mir irgendjemand seine Ansicht mitteilen - ab und zu tut Reflektion sehr gut und ist wichtig.
Danke
Kairo
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Simply
Helferlein


133
NRW W, 39
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Mon, 27.Jun.05, 9:32 Re: Familienleben/Ver(w)irrungen |
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Ich finde es schon mal schön, das deine Entschuldigungen angenommen worden sind...
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_________________ LG, Simply
Tira mi su |
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lilu
[nicht mehr wegzudenken]
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1154
wien W, 32
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Mon, 27.Jun.05, 9:57 Re: Familienleben/Ver(w)irrungen |
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hi,
ich finde auch schön, das die entschuldigung angenommen wurde.
was ich sonst meine: was genau treibt/trieb dich zur vermittlerrolle?
wir sind auch 5 kinder. meine schwester meinte auch jahrelang die vermittlerrolle spielen zu müssen. das war von keinem verlangt. sie meinte, ihre rolle gut zu spielen - wenn nicht sogar dreh und angelpunkt der tollen gemeinschaft zu sein.
dann ging sie ein jahr ins ausland. und nix ist passiert. also nix schreckliches nur weil sie nicht vermitteln konnte. in ihrem empfinden ist das freilich etwas schmerzhaft. macht es doch auf gewisse weise klar, das ihre "rolle" eher überflüssig war. auf diese weise im ego verletzte leute, werfen ihre "opfer" dann gerne mal vor. andererseits: sie erkennt nun auch die angenehmen seiten, wie es ist, gemocht und akzeptiert zu werden, OHNE das sie da herum vermittelt.
wer sagt, das immer alles harmonisch sein muss? wo mensch - da gefühl - da manchmal turbulent. ich finde es besser, wenn ihr zueinander offen seid - auch wenns manchmal kracht - anstatt um jeden preis harmonisch.
vielleicht hat es mit kontrolle/kontrollverlust zu tun?
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_________________ Glück ist kein Recht sondern eine Einstellung |
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Kairo
sporadischer Gast


5
Wien W, 30
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Mon, 27.Jun.05, 10:17 Re: Familienleben/Ver(w)irrungen |
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Danke für eure Antworten - wie gesagt, ich freu mich sehr über Reflektion.
| Quote: | | Ich finde es schon mal schön, das deine Entschuldigungen angenommen worden sind... |
Ja - ich finde das auch sehr schön - es macht mir zwar in der Sicht das Leben nicht einfacher es zeugt aber wieder einmal dafür, dass alle anderen offensichtlich toleranter sind, als ich.
| Quote: | | was ich sonst meine: was genau treibt/trieb dich zur vermittlerrolle? |
Ich weiß nicht. Als meine Schwester damals als erste die "Runde" verlies, reagierte alle anderen mit Desinteresse. Niemand wollte mehr wissen wie es ihr geht, keiner erkundigte sich, rief an etc ... meine Schwester litt sehr darunter und weil ich offensichtlich die einzige war, der dieser Vorgang bewusst war, versuchte ich es besser zu machen.
Lilu - offensichtlich bin ich in deiner Geschichte genauso wie deine Schwester. Stichwort Dreh- und Angelpunkt - ich bin mir dessen bewusst (vor allem, wenn du das hier niederschreibst) und hab keine Ahnung wie ich da herauskomme. Ich hab schon des öfteren "losgelassen" , bin aber dann meist in meine Rolle zurückgekehrt, weil ich meinte, alles würde wieder aus dem Ruder kommen - ein Irrtum ??!!
| Quote: | | vielleicht hat es mit kontrolle/kontrollverlust zu tun? |
Guter Ansatzpunkt - trifft mich zwar momentan sehr hart, scheint aber ein wesentlicher Gesichtspunkt zu sein. Darüber muss ich mir ernsthaft Gedanken machen - danke!
Liebe Grüße
Kairo
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lilu
[nicht mehr wegzudenken]
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1154
wien W, 32
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Mon, 27.Jun.05, 10:56 Re: Familienleben/Ver(w)irrungen |
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hi,
als deine schwester reif genug war, in die stadt zu ziehen, war sie wohl auch reif genug - die beziehungen ihres lebens so weit zu handeln, das sie zu ihrer befriedigung laufen. ob sie das gut oder schlecht macht - ist ihre sache und ihr reifungsvermögen.
du hast dich berufen gefühlt, ihr diese aufgabe abzunehmen. vermutlich hat dir das auch einiges (wider)gegben - als nesthäkchen sowieso - zumindest die geschwisterfamilie zusammenzuhalten. es war für dich sicher eine aufgabe die sich für dich gelohnt hat und dir gute gefühle beschert hat - gefühle unersetzlich zu sein, aber auch das gefühl, die kontrolle zu haben das alles funktoniert (eine kontrolle die deine eltern wohl niemals hatten - und die vermutlich du selber mit deiner krankheit übernommen hast: den gemeinsamen strang an dem man ziehen kann, die struktur, das gemeinsame ziel das das chaos ordnet und zusammenhält)
eines tages wirst du erwachsen und brauchst die energien für deine aktuelle familie - nicht für die ursprungsfamilie. es ist schwer loszulassen, zu vertrauen das sie alle erwachsen sind und ihre beziehungen untereinander leben können - auch ohne deine kontrolle. ist ja auch ein schönes stückchen last das du dir aufgebürdet hast. es loslassen macht dir angst, bedeutungslos - unsichtbar zu werden, weil du ja DIE rolle deines bisherigen lebens abstreifst.
dein satz mit der toleranz - er könnte haargenauso von meiner schwester kommen.
was wäre so schlimm daran, wenn alles aus dem ruder kommt? bzw. wie genau sehen da deine unweigerlich darauf zusteuernden katastrophenszenarien aus - gegen die du permanent ankämpfst? spiels mal durch - und frag dich immer, was schlimm daran wäre. das ergebnis wird dich überraschen.
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_________________ Glück ist kein Recht sondern eine Einstellung |
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