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Sanguine
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Post Mon, 08.Aug.05, 20:10      Familiäre Probleme aus der Vergangenheit - unlösbar? Reply with quoteBack to top

Hi ihr,

ich weiß eigentlich gar nicht, wo ich anfangen soll. Es geht um meine Familie und die Probleme, die jahrelang entstanden sind und irgendwie nie richtig gelöst wurden. Inzwischen frage ich mich, was für einen Sinn das alles noch hat.

Ich versuche mal die Situation zu erklären:

1. Ich habe zwei ältere Geschwister (Bruder und Schwester), beide sind ausgezogen, kommen aber noch regelmäßig nach Hause. Ich werde auch in Kürze endlich ausziehen.

2. Früher waren wir eine ganz normale Familie. Ab 13 habe ich mich regelmäßig mit meinem Vater lautstark in die Haare bekommen, was darin endete, dass wir uns gegenseitig übelst beschimpften und er ab und zu gewalttätig auf mich losging (meine Mutter ist fast immer eingeschritten, aber vergessen kann ich das trotzdem nicht).

3. Mit meinem Bruder habe ich mich ab der Pubertät auch fast immer gestritten. Ich bin meistens explodiert, da er der Beherrschtere von beiden ist, Anlass kam mal von einer, mal von der anderen Seite. Wieder üble Beschimpfungen, selten mal leichtere Gewalt von beiden Seiten (ich Ohrfeigen, er Arme verdrehen und sowas).

4. Meine Mama hat immer unter der Situation gelitten. Sie ist der Ruhepol in der Familie. Mir tuts heute noch leid, was sie ertragen musste (mich als Schuldige inbegriffen).

5. Meine Schwester hat selten Probleme mit meinen Eltern. Ich habe mich öfter mit ihr gestritten, ab und zu hat sie sich auch in Streits von mir und meinem Bruder eingemischt, meistens zugunsten meines Bruders.
War früher manchmal eifersüchtig auf sie, da bei ihr immer alles zu klappen schien Sad .

6. Phasenweise ging es immer gut in der Familie. Bis jemand wieder ausgerastet ist. Manchmal kamen Entschuldigungen zustande (auch von mir), die langsam (so kommt´s mir vor) keiner mehr glaubt, da es bis heute kracht, auch wenn das Gewaltsame seit letztem Jahr verschwunden ist.

Zwar lebt jeder inzwischen sozusagen sein eigenes Leben (ich verbringe die meiste Zeit mit meinem Freund und bei Freunden), aber sobald es um einen längeren Zeitraum geht, ist die Atmosphäre wieder vergiftet.

Ich versuche gerade, mein Leben wieder neu zu ordnen, aber werde der Gedanke an den ganzen Krach und vor allem die Frage: Wird das nie enden? machen das schwer.

Manchmal denke ich mir, vielleicht entspannt sich die Lage, wenn wir älter sind, aber das dachte ich schon vor 5 Jahren Rolling Eyes .

Meine Frage ist: Hat jemand ähnliche Erfahrungen? Was kann man tun, wenn man nicht mehr an die Familie gebunden ist, aber tief in der Seele immer noch an die Vergangenheit gebunden ist?

Den Kontakt abbrechen möchte ich nicht; dazu mag ich meine Mama und meine Schwester zu sehr.
Die Uhr zurückdrehen kann ich nicht, auch wenn ich es gern möchte.

Liebe Grüße, Sanguine (die mal wieder von der Suchfunktion erschlagen war und deswegen hofft, dass das Thema nicht off-topic ist)

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Post Mon, 08.Aug.05, 22:14      Re: Familiäre Probleme aus der Vergangenheit - unlösbar Reply with quoteBack to top

Hi Sanguine,

es ist schwierig, darauf was zu schreiben. Aber ich versuche mal, dir ein paar Ansätze zu geben.

Die Ursachen für die Probleme sind nicht zu ergründen durch das, was du aufschreibst.
Aber die sind bei der Konstellation, Eltern und drei Kinder, auch sehr schwer rauszukriegen, das ist ein ziemlich verwurschteltes Bündel.
Du schreibst, dass du den Kontakt nicht abbrechen möchtest. Klar.

Aber du bist in einer Situation, dass du raus musst. Nicht nur der Probleme wegen, sondern auch, weil du in einem Alter bist, wo du raus willst, und selbstständig sein.
Und du schreibst ja, dass du bald ausziehst.
Wenn du das gemacht hast, und in irgendeiner Form ja wohl dein eigenes Ding durchziehst, wird sich vieles automatisch ergeben.
Du wirst einen gewissen Abstand gewinnen, für dich neue Erfahrungen machen. Und das ist auch vorrangig, denn du musst lernen, dein eigenes Leben zu leben. Das ist was, das einem niemand beibringen kann.

Du musst dafür zuerst mal von dir selbst ausgehen.
Ein Loslösungsprozess von der Familie ist völlig normal.
Und auch schwierig, wenn die Lage nicht so problematisch ist.

Du solltest versuchen, den größeren Abstand, der sich ergeben wird, wenn du ausgezogen bist, als eine Chance zu sehen, dass sich was bessert mit der Familie. Du hast dann vor allem mal die Chance, an deinem Leben was zu machen.
Es ist ja normal so, dass Kinder gehen.
Es bedeutet immer, loslassen zu müssen, und das muss gelernt werden.
Das Verhältnis zu Mutter und Schwester musst du ja nicht aufgeben.

Dass sich Geschwister fetzen, gerade in der Pubertät, ist völlig normal, finde ich. Auf Gewalttätigkeiten muss das nun allerdings nicht unbedingt rauslaufen.
Und die Gewalt durch den Vater ist eine Sache für sich.
Sie sollte ein Grund mehr sein, dass du Abstand gewinnst.
Inwieweit du versuchst, das auf andere Art aufzuarbeiten, musst du entscheiden. Also, ob du bspw. eine Therapie machen solltest, weil dich das so stark belastet, dass du was dran tun musst.

Geh mal davon aus, dass, wenn du weggezogen bist, die familiäre Lage nur besser werden kann.
Die Uhr zurückdrehen kann niemand, aber sie tickt weiter, das Leben geht weiter, also schau nach vorn. Das mit der Erinnerung und dem Paradies ist ein hübsches Motto. Und es hat was an sich, dass im Laufe der Jahre die negativen Erinnerungen sich verwischen, und eher die positiven bleiben. Ist jedenfalls meiner Erfahrung nach so.

Aber sieh mal zu, dass du dein Leben in die Hand nimmst und dir ein paar Brocken Paradies selber schaffst.
Nur, planen lässt sich das halt nicht. Du kannst bspw. deinen Berufswegs planen. Und einiges andere auch. Aber Beziehungen zu Menschen, da ergibt sich vieles eben einfach so.

In meiner Familie ging es übrigens nie gewalttätig zu. Aber ich bin das älteste Kind von fünf, und auskennen tu ich mich insofern schon.
Wink

LG
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Post Tue, 09.Aug.05, 9:13      Re: Familiäre Probleme aus der Vergangenheit - unlösbar? Reply with quoteBack to top

Hi du,

vielen Dank für deine Antwort Smile . Ich weiß, dass es schwierig ist, auf den Thread etwas zu schreiben, deswegen find ich es toll, dass du es trotzdem versucht hast.

Quote:
Wenn du das gemacht hast, und in irgendeiner Form ja wohl dein eigenes Ding durchziehst, wird sich vieles automatisch ergeben.
Du wirst einen gewissen Abstand gewinnen, für dich neue Erfahrungen machen. Und das ist auch vorrangig, denn du musst lernen, dein eigenes Leben zu leben. Das ist was, das einem niemand beibringen kann.


Ich werde in Kürze studieren, werde dann aber wohl oder übel weiter finanziell an meinen Eltern hängen. Ich hoffe wirklich, dass es so sein wird, wie du sagst.

Mich hält niemand davon ab zu gehen (im Gegenteil: mein Vater wollte mich phasenweise auch fast rausschmeißen Sad ); ich möchte es auch.
Ich hab schon 2 Ansätze dazu gemacht, einer ist gescheitert. Das ist es, was mir Angst macht.

Anfang des Jahres war ich 2 Monate im Ausland, kam voller Energie zurück. Nur 2 Wochen später war wieder der ganze Krach und ich hab mich mehr und mehr verkrochen.

Einen Monat später bin ich für ein Studium weit weg gezogen, das leider nichts für mich war - wieder zurück nach Hause, Haussegen hängt schief, das letzte, was mir mein Vater an den Kopf geworfen hat, bevor ich nicht mehr mit ihm geredet habe: Was du sagst, ist mir egal. Kümmer dich endlich mal um deine Zukunft und häng hier nicht rum. Und das nach 1 Monat Praktikum von mir und an dem Tag, als ich den Zulassungsbescheid bekommen habe (nach dem er nicht gefragt hat)...

Quote:
Du solltest versuchen, den größeren Abstand, der sich ergeben wird, wenn du ausgezogen bist, als eine Chance zu sehen, dass sich was bessert mit der Familie. Du hast dann vor allem mal die Chance, an deinem Leben was zu machen.


Was ist, wenn es diesmal wieder nicht funktioniert? Wenn wieder einer explodiert, wenn ich nur zu Besuch bin? Wenn ich zum Beispiel längere Zeit bei meinem Freund war, habe ich meistens super Laune. Wieder zurück zu Hause, ändert sich das manchmal schlagartig. Ich hasse mich dafür, aber dann werde ich in meinem Enthusiasmus oft wieder ganz zurückgeworfen und muss mühsam wieder bei Null anfangen.

Quote:
Aber sieh mal zu, dass du dein Leben in die Hand nimmst und dir ein paar Brocken Paradies selber schaffst.


Ich werde es versuchen. Wahrscheinlich habe ich einfach nur Angst.

Lg, Sanguine

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Post Tue, 09.Aug.05, 11:16      Re: Familiäre Probleme aus der Vergangenheit - unlösbar Reply with quoteBack to top

Hallo Sanguine,

meine damalige Situation ist mit Deiner vergleichbar. Ich erzähle einfach mal ein bisschen, wie es bei mir war, als ich ausgezogen bin. Vielleicht hilft's Dir ein wenig.

Ich bin damals etwa 500 km von meinen Eltern weggezogen, um endlich aus ihrem Dunstkreis herauszukommen. Es war klar, dass sie unmöglich von mir erwarten konnten, dass ich jedes Wochenende bei meinen Eltern aufkreuze, und genauso wenig war damit zu rechnen, dass sie mich regelmäßig besuchen würden. Die Entfernung war pure Berechnung, weil es mir so leichter fiel, mich von den Erwartungen meiner Eltern abzugrenzen und mein eigenes Leben zu führen (trotz der finanziellen Abhängigkeit von meinen Eltern).
Aber das nur am Rande...

Jedenfalls war es bei mir so, dass der geographische Abstand keinen inneren Abstand zur Folge hatte. Im Gegenteil. Mit Abstand betrachtet kam mir meine familiäre Situation noch besch**** vor. Ich hab klarer gesehen, aber das hat mich emotional unheimlich mitgenommen. Besonders dann, wenn ich meine Eltern besuchte, waren mir die Dynamiken, die sich dort abspielten, viel bewusster.
Das ging so weit, dass ich bei Besuchen schon nach ein paar Stunden wie augelutscht war, weil ich mich permanent zusammen gerissen habe, um keinen Streit ausbrechen zu lassen. Ich hab mir brav auf die Füße treten lassen - und bin schließlich irgendwann (spätestens nach 2 Tagen) einfach explodiert; der innere Druck wurde zu stark.
Das Ergebnis war also: Statt hin und wieder gab's in aller Regelmäßigkeit heftigen Zoff.

Ich muss dazu sagen, dass ich vor meinem Auszug nicht in psychotherapeutischer Behandlung war. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, ist das bei Dir anders?
Jedenfalls ging es irgendwann nicht mehr anders, und ich habe eine Therapie begonnen.

Seither ist es wesentlich besser geworden, weil ich mich inzwischen auch anders abgrenzen kann als mit räumlicher Entfernung. Ich stelle meine Füße nicht mehr so lange als Abtreter zur Verfügung bis ich vor Schmerz wirklich nicht mehr anders kann als lauthals aufzuschreien Wink

Ich bin gelassener geworden, weil ich durch meine Verhaltensänderung klarmachen konnte: Ich bin hier zu Besuch und nicht mehr zu Hause; und wenn es mir zu bunt wird (meine Eltern haben massive Probleme miteinander, und es ist anstrengend, das ständig mitzubekommen), fahr ich eben wieder.
Ich verstehe mich heute als Gast - und meine Eltern haben das irgendwann auch akzeptiert. Inzwischen ist das Verhältnis zwischen mir und meinen Eltern sehr gut; an den letzten Streit kann ich mich schon gar nicht mehr erinnern...

Du hast geschrieben, dass Du wahrscheinlich Angst hast. Doch Du hast nicht geschrieben, wovor genau Du Angst hast. Magst Du das mal näher erläutern?

Viele Grüße,
Toughy

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Post Tue, 09.Aug.05, 12:17      Re: Familiäre Probleme aus der Vergangenheit - unlösbar? Reply with quoteBack to top

Hi Toughy,

danke für deine Antwort. Es macht mir Mut, dass du inzwischen ein gutes Verhältnis mit deinen Eltern hast. Darf ich fragen, was früher bei euch für Probleme waren? Bist nur du explodiert oder auch deine Eltern?

Quote:
Jedenfalls war es bei mir so, dass der geographische Abstand keinen inneren Abstand zur Folge hatte. Im Gegenteil. Mit Abstand betrachtet kam mir meine familiäre Situation noch besch**** vor. Ich hab klarer gesehen, aber das hat mich emotional unheimlich mitgenommen. Besonders dann, wenn ich meine Eltern besuchte, waren mir die Dynamiken, die sich dort abspielten, viel bewusster.


Das kommt mir bekannt vor. Als ich mich letztes Jahr mehr und mehr abgeseilt habe, da ich das Abi hinter mir hatte und mit meinem Freund zusammenkam, dachte ich immer mehr nach und das war nicht gut für mich. Mein Auszug Anfang des Jahres hatte ähnliche Folgen: Ich war zwar weg, aber umso deutlicher kam mir vor Augen, vor was ich eigentlich geflohen bin.
Mein Wunsch ist, mein eigenes Leben aufzubauen, in das ich nur Vergangenheit mitnehme, die ich schön finde.

Ich habe Angst, dass das nie funktionieren wird, dass jeder Besuch daheim mich sozusagen wieder in die Vergangenheit zieht, durch Streits, blöde Stimmung, etc.
Werde dieses Jahr auch nicht mit meiner Familie Weihnachten feiern, so hart das klingt, aber die letzten 2 Jahre endeten über kurz oder lang in einer Katastrophe, da mich das "Heile-Welt-Szenario" depressiv gemacht hat. Dazu kommen Schuldgefühle gegenüber meiner Mama, für die ich gern eine heile Familie hätte, aber es nicht kann Sad .

Quote:
Ich muss dazu sagen, dass ich vor meinem Auszug nicht in psychotherapeutischer Behandlung war. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, ist das bei Dir anders?
Jedenfalls ging es irgendwann nicht mehr anders, und ich habe eine Therapie begonnen.


Ich bin nicht in Therapie. Mir hat bis jetzt immer der letzte Funken Mut gefehlt, dann auch immer, dass ich nie lange genug an einem Ort war und die letzten anderthalb Jahre nie sicher war, wohin es mich verschlägt. Wie und wann hast du es geschafft, eine Therapie zu beginnen?

Lg, Sanguine

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Post Tue, 09.Aug.05, 12:20      Re: Familiäre Probleme aus der Vergangenheit - unlösbar? Reply with quoteBack to top

Sanguine wrote:

... werde dann aber wohl oder übel weiter finanziell an meinen Eltern hängen.

Das tun andere auch. Vielleicht nicht schlecht, wenn du zumindest jobbst, wie ja viele Studierende das tun.
Du entlässt dich damit selbst, nach und nach, in Unabhängigkeit.

Quote:

Ich hab schon 2 Ansätze dazu gemacht, einer ist gescheitert. Das ist es, was mir Angst macht.

Wenn du ein Studium beginnst, dir eine Wohnung suchst, änderst du sehr viel in deinem Leben. Du wirst neue Leute kennenlernen und dich verändern. Das ist eine gute Basis dafür, dass der Absprung diesmal klappt.
Übrigens, wenn der eine Ansatz gescheitert ist, ist es der andere ja wohl nicht. Also, 50 % Erfolgsquote, oder? Wink

Quote:

Anfang des Jahres war ich 2 Monate im Ausland, kam voller Energie zurück. Nur 2 Wochen später war wieder der ganze Krach und ich hab mich mehr und mehr verkrochen.

Frag dich mal was - wäre der Krach auch gewesen, wenn du nicht mehr zu Haus gewohnt hättest?

Quote:

Einen Monat später bin ich für ein Studium weit weg gezogen, das leider nichts für mich war -

Kommt vor, war bei mir auch so. Klar, dir wird gesagt, bzw. suggeriert, du bist nur was, wenn du unmittelbar nach der Schule, oder ggf. mit einem natürlich berufsnützlichen Praktikum dazwischen, deine 8 Semester durchziehst, und wenn du das nicht schaffst, hast du gleich versagt.
Ist aber meiner Ansicht nach nicht so.
Dass du suchst, und eben auch mal fehl-suchst, ist normal.

Quote:

Was ist, wenn es diesmal wieder nicht funktioniert?

Frag dich mal andersrum -
warum denn sollte es nicht funktionieren?
Du bist dann nicht mehr zu Haus. Da fällt viel von dem Stress weg, den du beschrieben hast.

Ich weiß, dass das schwer fällt, aber, lass es mal auf dich zukommen.
Konzentriere dich auf das, was du organisieren musst.
Sieh mal nach vorn, schalte die Familie weg, denn damit tust du der nichts Böses. Im Gegenteil, die Lage kann nach und nach besser werden.

Ich bin erst selbständig geworden, als ich des Studiums wegen weit weg zog. Ich musste lernen, mich selbst durchzubeißen. So widerliche Sachen wie Ämterlauferei zB Wink oder kurzfristig eine neue Bude organisieren, wenn es mit der alten nicht mehr ging.

Ich schreib dir - weil ich es selbst oft NICHT so gemacht hab -
verbeiß dich nicht in Vergangenes, sondern kümmer dich um deinen Lebens- und Berufsweg.
So wie die Lage zu Haus ist -
kann es doch nur besser werden, oder?

Lieben Gruß dir
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Post Tue, 09.Aug.05, 20:59      Re: Familiäre Probleme aus der Vergangenheit - unlösbar Reply with quoteBack to top

Hallo Sanguine,

da hatte ich mich also getäuscht wegen Deiner Therapie-Erfahrung. Ich hatte das wohl aus Deinen Beiträgen so geschlossen, aus der Art, wie Du bei anderen mitdenkst. Wenn Du also keine Erfahrungen hast, dann beste Voraussetzungen... Wink

Sanguine wrote:
Darf ich fragen, was früher bei euch für Probleme waren? Bist nur du explodiert oder auch deine Eltern?

In erster Linie waren es früher meine Eltern, die explodierten; mein Vater ist zudem völlig unwillkürlich in die Luft gegangen. Gewalt (nicht nur körperlich, sondern auch psychisch) war an der Tagesordnung. Zudem wurde ich emotional missbraucht.

Meine Ausraster bzw. deren Gründe wandelten sich. Zunächst kamen sie daher, dass ich so viel schluckte, um die Stimmung zu Hause nicht noch zusätzlich anzuheizen, bis der ganze Druck sich irgendwann Luft verschafft hat. Später war ich rebellisch(er) und habe mir kaum noch etwas gefallen lassen. Ich war darin sehr ungeübt und wenig diplomatisch Neutral
Allerdings ist das auch kaum verwunderlich, denn ich hab "Diplomatie", ruhiges Reden über Probleme, Konflikte oder Differenzen nicht vorgelebt bekommen.

Quote:
Ich war zwar weg, aber umso deutlicher kam mir vor Augen, vor was ich eigentlich geflohen bin.
Mein Wunsch ist, mein eigenes Leben aufzubauen, in das ich nur Vergangenheit mitnehme, die ich schön finde.

Ja, ich wollte auch eigentlich alles hinter mir lassen, aber manches im Leben verfolgt uns eben. Das ist häufig sehr unangenehm und schmerzlich. Allerdings hat es auch etwas "Gutes" (Das muss wie Hohn klingen), wenn uns unsere unschöne Vergangenheit einholt und sich nicht verdrängen lässt: Wir können aufarbeiten, neue Formen des Umgangs mit uns selbst und anderen lernen und auf diese Weise dafür sorgen, dass wir uns mit unseren zu Hause gelernten Verhaltensmustern nicht immer wieder ein Bein stellen. Wir bekommen auf diese Weise die Chance, unsere Zukunft bewusster zu gestalten, statt auch in der Zukunft immer wieder (unbewusst) unserer Vergangenheit ausgeliefert zu sein.

Quote:
Ich habe Angst, dass das nie funktionieren wird, dass jeder Besuch daheim mich sozusagen wieder in die Vergangenheit zieht, durch Streits, blöde Stimmung, etc.

Das kann ich verstehen. Aber jede Änderung auf Deiner Seite zieht eine Änderung bei Deinen Eltern nach sich. Vielleicht entspannt sich die Lage allein schon durch Deinen Auszug (was ja auch eine Änderung ist); möglich wäre es.

Darf ich fragen, was für Streitereien es sind? Vielleicht erkennst Du auch selbst bestimmte, immer wiederkehrende Themen. Die könntest Du Dir dann mal näher anschauen.

Quote:
Dazu kommen Schuldgefühle gegenüber meiner Mama, für die ich gern eine heile Familie hätte, aber es nicht kann Sad .

Finde ich toll, dass der Entschluss, Weihnachten nicht bei Deinen Eltern zu verbringen, für Dich so feststeht - trotz Deiner Schuldgefühle. Es ist gut, dass Du Dich und Deine Befindlichkeiten achtest/ernst nimmst! Ohne Schuldgefühle wäre es natürlich schöner, aber das wird auch noch kommen. Denn Du musst keine Schuldgefühle haben, wenn es keine "heile Familie" gibt, so sehr Deine Mutter sie sich auch wünscht. Du bist "nur" ein Mitglied dieser Familie; daher liegt es nicht allein an Dir, wie sich das Familienleben gestaltet.

Quote:
Wie und wann hast du es geschafft, eine Therapie zu beginnen?

Nun ja, "geschafft" ist irgendwie der falsche Ausdruck, denn ich bin durch eine Reihe zusätzlicher Probleme in eine tiefe Depression gerutscht. Etwa ein halbes Jahr nach meinem Auszug (unmittelbar nach dem Abi übrigens) war klar, dass eine Therapie der einzig vernünftige Weg für mich sein kann.

Wenn Du eine Therapie machen möchtest, kann ich Dich dazu nur ermuntern. Aber es ist sehr verständlich, dass Du erst einmal irgendwo verankert sein möchtest, um das in Angriff zu nehmen.
Man muss aber nicht so wie ich abwarten, ob es überhaupt akut wird Wink

Liebe Grüße,
Toughy

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Post Tue, 09.Aug.05, 21:50      Re: Familiäre Probleme aus der Vergangenheit - unlösbar? Reply with quoteBack to top

Hi Toughy,

Danke für das Kompliment Embarassed . Ich bin sehr froh, dass es das Forum gibt. Mir ging es letztes Jahr nicht nur wegen dem Krach zuhause sehr mies; ich habe mich gefragt, was für einen Sinn mein Leben überhaupt hat. Ohne meinen Freund, gute Freunde und das Forum wäre ich da nicht mehr rausgekommen.

Quote:
Später war ich rebellisch(er) und habe mir kaum noch etwas gefallen lassen. Ich war darin sehr ungeübt und wenig diplomatisch
Allerdings ist das auch kaum verwunderlich, denn ich hab "Diplomatie", ruhiges Reden über Probleme, Konflikte oder Differenzen nicht vorgelebt bekommen.


Darin erkenne ich mich voll und ganz wieder. Anfangs habe ich noch geschluckt, habe, bis ich 16 war, niemandem etwas davon erzählt und immer eine fröhliche Maske aufgehabt. Später haben ein paar Sticheleien genügt, ich war auf 180. Inzwischen gelingt es mir ab und zu, diplomatisch bei meinen Eltern zu sein.

Quote:
Allerdings hat es auch etwas "Gutes" (Das muss wie Hohn klingen), wenn uns unsere unschöne Vergangenheit einholt und sich nicht verdrängen lässt: Wir können aufarbeiten, neue Formen des Umgangs mit uns selbst und anderen lernen und auf diese Weise dafür sorgen, dass wir uns mit unseren zu Hause gelernten Verhaltensmustern nicht immer wieder ein Bein stellen. Wir bekommen auf diese Weise die Chance, unsere Zukunft bewusster zu gestalten, statt auch in der Zukunft immer wieder (unbewusst) unserer Vergangenheit ausgeliefert zu sein.


Das klingt nicht wie Hohn, ich verstehe dich sogar. In meiner Beziehung zu meinem Freund ist mir Respekt extrem wichtig; wir streiten uns auch nur sehr selten, weil wir vorher ansprechen, wenn Probleme entstehen. Dafür bin ich auch sehr dankbar und nehme das nicht als selbstverständlich hin. Ich dachte lange Zeit, jemand wie ich sei kaum beziehungsfähig, wo er mir zum Glück das Gegenteil bewiesen hat bussi . Wie sieht das bei dir aus?

Quote:
Darf ich fragen, was für Streitereien es sind? Vielleicht erkennst Du auch selbst bestimmte, immer wiederkehrende Themen. Die könntest Du Dir dann mal näher anschauen.


Ehrlich gesagt ist das für mich schwer. Ich weiß nicht genau, mit was es angefangen hat. Die jetzigen Streits entstehen meistens, wenn einer schlechte Laune hat. Anlässe sind unterschiedlich, oft wegen Kleinigkeiten, aber nicht nur. Die Situation ist über die Jahre so verfahren, dass ich das nicht mehr ganz entwirren kann.

Ich weiß nur, dass ich mich oft nicht ernstgenommen fühle bei Problemen oder zu Unrecht angefahren. Die Themen erstrecken sich dann dementsprechend auch von meiner Zukunft, allgemein mir und meinen Geschwistern und banalen Sachen wie meinem chaotischen Zimmer hin. Die Vorwürfe sind meistens dieselben, mit der Zeit wurden sie oft gemeiner, weil wir so langsam aber sicher alle Grenzen überschritten haben.

Ich verstehe nicht, wie es zu so Situationen wie bei dir und bei mir kommen kann. Mein Vater hatte selbst Krach mit seinem Vater, warum dann jetzt dasselbe? Auch davor habe ich große Angst, dass ich wegen all dem in ein paar Jahren als Mutter voll versage und meine Kinder über mich genauso denken wie ich über meinen Vater und meinen Bruder sad2
.

Hey, ich finde es toll, dass du eine Therapie begonnen hast. Es macht mir selbst Mut, dass ich seit einigen Monaten ein paar Leute auch persönlich kenne, die in Therapie sind und offen darüber reden. Ich hoffe, dass ich das nach dem Auszug bewerkstelligen kann.

Lg, Sanguine

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Post Thu, 11.Aug.05, 8:41      Re: Familiäre Probleme aus der Vergangenheit - unlösbar Reply with quoteBack to top

Hallo Sanguine,

hast Du ein paar Probleme, Komplimente anzunehmen? Wink

Sanguine wrote:
Mir ging es letztes Jahr nicht nur wegen dem Krach zuhause sehr mies; ich habe mich gefragt, was für einen Sinn mein Leben überhaupt hat. Ohne meinen Freund, gute Freunde und das Forum wäre ich da nicht mehr rausgekommen.

Schön, dass Du es geschafft hast! grinsend
Dass man hin und wieder Sinnkrisen im Leben hat, ist eigentlich nicht ungewöhnlich. Mich irritiert es eher, wenn sich jemand nie Gedanken darüber macht und so locker und lässig vor sich hinlebt, ohne zu wissen, in welche Richtung es gehen soll. Ich glaub schon, dass solche Menschen es tendenziell leichter haben. Aber ich denke ebenso, dass sie vom Leben nie so richtig erfüllt sein können. Mir ist eine gewisse, aber nicht zu extreme Sinuskurve (wie beim Herzschlag) lieber als die Null-Linie. Zumindest hilft mir der Gedanke, wenn ich mal wieder in einem Tal sitze...

Quote:
Inzwischen gelingt es mir ab und zu, diplomatisch bei meinen Eltern zu sein.

Schätze das nicht zu gering, denn das ist wirklich etwas, worauf Du sehr stolz sein kannst! Dir gelingt es, aus dem zermürbenden "Spiel" von Angriff und Gegenangriff zeitweise auszusteigen und dennoch im Kontakt mit dem/den (vermeintlichen) "Angreifer/n" zu bleiben.

Quote:
In meiner Beziehung zu meinem Freund ist mir Respekt extrem wichtig; wir streiten uns auch nur sehr selten, weil wir vorher ansprechen, wenn Probleme entstehen.

Dafür habt Ihr meinen Respekt! Und ich find's klasse, dass es Dir so gut gelingt, in Deiner Beziehung nicht alles zu schlucken. Andererseits kann es immer mal passieren, dass es ein Gewitter gibt. Wie gehst Du damit um?

Quote:
Ich dachte lange Zeit, jemand wie ich sei kaum beziehungsfähig (...) Wie sieht das bei dir aus?

Grundsätzlich würde ich kaum jemandem die Fähigkeit, eine Beziehung zu führen, absprechen. Ob man den Mut dazu hat, ist für mich die zentralere Frage. Denn da werden ganz andere, sensiblere Befindlichkeiten angesprochen als bei Freundschaften o.ä.
Das Ende meiner letzten Beziehung war herber Schlag, und ich bin nicht sicher, welche Auswirkungen das noch auf meine Fähigkeit, Vertrauen aufzubauen, haben wird Neutral
Allerdings habe ich seither (auch mit Hilfe des Forums) wieder viel dazu gelernt, besonders hinsichtlich der Beziehung zu mir selbst und wie wichtig es für mich ist, in einer Beziehung klare Grenzen zu setzen... Wie gut ich das beim nächsten Mal umsetzen kann, wird sich zeigen.

Quote:
Ich weiß nur, dass ich mich oft nicht ernstgenommen fühle bei Problemen oder zu Unrecht angefahren. (...) Die Vorwürfe sind meistens dieselben, mit der Zeit wurden sie oft gemeiner, weil wir so langsam aber sicher alle Grenzen überschritten haben.

Könnte es sein, dass es laut und heftig wird, weil Du Dich nicht ernst-, d.h. nicht richtig wahrgenommen fühlst? Und bei Deinen Eltern ist es evtl. ähnlich? Ich hab meine Eltern z.B. auch nicht wirklich ernstgenommen, wenn sie mich wegen irgendwas angefahren haben; bzgl. meiner Zukunftsplanung z.B. kam es mir immer so vor, als würden mir meine Eltern nichts zutrauen. Das hat mich enorm verletzt, und dementsprechend hab ich reagiert. Ihre Sorgen, ob sie mich gut genug aufs Leben vorbereitet haben und mir gute Eltern waren, habe ich überhaupt nicht erkannt.

Quote:
Ich verstehe nicht, wie es zu so Situationen wie bei dir und bei mir kommen kann. Mein Vater hatte selbst Krach mit seinem Vater, warum dann jetzt dasselbe?

Weil er es so gelernt hat und keine alternativen Handlungs- und Kommunikationsweisen kennen gelernt hat? Wahrscheinlich empfindet er es so, als würde er es besser als sein eigener Vater machen. Das heißt nur leider noch nicht, dass er es "gut" macht Neutral
Zumindest war es bei meinem Vater so...

Quote:
Auch davor habe ich große Angst, dass ich wegen all dem in ein paar Jahren als Mutter voll versage und meine Kinder über mich genauso denken wie ich über meinen Vater und meinen Bruder

Nein, Du bist nicht Dein Vater oder Dein Bruder. Und Du erkennst doch ganz viel, reflektierst und lernst gemeinsam mit Deinem Freund, wie man besser miteinander umgehen kann. Und bislang unbewusste Muster werden Dir auch noch in einer Therapie zunehmend bewusst werden, so dass selbst unsichtbare Fallstricke sichtbar werden und weggeräumt werden können. Hab ein bisschen mehr Vertrauen zu Dir! Smile

Liebe Grüße,
Toughy

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