Quälende Angst obwohl noch nie was passiert ist....

sporadischer Gast 20 paris W, 23

Hallo liebe Forumsteilnehmer,

ich leide unter ständig wiederkehrenden Angstzuständen, dass meinem Freund oder anderen lieben Menschen aus meinem Umfeld etwas passieren könnte. Wenn er sich mal längere Zeit (d.h. ein paar Stunden) nicht meldet male ich mir sofort aus, dass er nen Unfall hatte, jetzt irgendwo liegt, ich kann nichts tun und weiss auch nicht wie ich es erfahren könnte.
Ich kann nicht sagen, woher diese Ängste kommen. Ich bin nicht traumatisiert o.ä., ich war weder bei nem Unfall dabei noch habe ich bislang jemanden dadurch verloren. Aber seit über einem Jahr habe ich diese Anfälle. Ich kann mich dann gar nicht beruhigen oder ablenken, bis ich was von ihm höre. Kennt ihr das? Was kann man tun? Ich fühle mich eben total hilflos und der Situation ausgeliefert, weil ich das Gefühl habe, selbst nichts ändern zu können.

Vielen Dank für alle Tipps/Kommentare etc.

LG
T

Forums-Gruftie 581 Süddeutschland M, 40

Hallo tinelinchen,

ich kenne Ähnliches aus der Kindheit, wenn die Eltern abends weggingen.

Hast Du mal versucht zu ergründen, wann diese Ängste genau anfingen und was in dieser Zeit anders war als sonst?

Durch dieses Kaum-ertragen-können und nur Abwarten bis Du endlich Gewissheit hast, dass nichts passiert ist, schürst Du die Angst regelrecht, machst es fürs nächste Mal dadurch schlimmer.

Vermutlich wäre es geschickter, die Ungewissheit für eine zunächst mal kurze Zeit zu akzeptieren, sich mit etwas anderem währenddessen zu beschäftigen, eben nicht nur über die unwahrscheinlichsten Möglichkeiten nachzudenken und sich in die Angst hereinzusteigern, sondern sich zu sagen: OK, ob etwas passiert ist erfahre ich in ein paar Stunden, bis dahin mache ich....!
Im Laufe der Zeit dürfte die Angst dann kleiner werden, weil Du ihr nicht nachgibst.

Ich nehme an, dass auch andere Verlustängste (z.B. vor Trennung etc.) ein Thema für Dich sind.
Bist oder warst Du wegen solchen Geschichten schon mal in therapeutischer Behandlung?

LG Hans-Jörg

sporadischer Gast 20 paris W, 23

Hallo Hans-Jörg,

vielen Dank für die schnelle Antwort.

Quote:

Durch dieses Kaum-ertragen-können und nur Abwarten bis Du endlich Gewissheit hast, dass nichts passiert ist, schürst Du die Angst regelrecht, machst es fürs nächste Mal dadurch schlimmer.

Vermutlich wäre es geschickter, die Ungewissheit für eine zunächst mal kurze Zeit zu akzeptieren, sich mit etwas anderem währenddessen zu beschäftigen, eben nicht nur über die unwahrscheinlichsten Möglichkeiten nachzudenken und sich in die Angst hereinzusteigern, sondern sich zu sagen: OK, ob etwas passiert ist erfahre ich in ein paar Stunden, bis dahin mache ich....!
Im Laufe der Zeit dürfte die Angst dann kleiner werden, weil Du ihr nicht nachgibst.

Ja, natürlich hast Du recht, man kommt in so einen Teufelskreis aus immer wiederkehrender Angst, aber ganau das mit dem Ablenken funktioniert eben nicht!! Die Vorstellung noch Stunden mit der Angst dasitzen zu müssen und sozusagen abzuwartn, ob ich was höre schaffe ich eben nicht. Die Ungewissheit belastet mich dann so sehr, dass ich nichts anderes machen kann bzw. trotzdem ständig die gleichen Gedanken habe. Ich fühle mich dem total ausgeliefert.

Quote:

Ich nehme an, dass auch andere Verlustängste (z.B. vor Trennung etc.) ein Thema für Dich sind.
Bist oder warst Du wegen solchen Geschichten schon mal in therapeutischer Behandlung?

Ja, Du hast recht, das sind durchaus Themen für mich. Ich war noch nicht in therapeutischer Behandlung, weil ich in letzter Zeit oft umgezogen bin und auch grade fertig mit dem Studium bin und noch nicht weiss, wo ich jetzt anfange zu arbeiten, ich war also nie lange genug an einem Ort, um die Wartezeit auf einen Platz und dann für eine Therapie zu haben. Ich habe aber grad angefangen, ein Ratgeber-Buch zu lesen. Meinst Du eine Therapie wäre sinnvoll?

LG
Tine

Forums-Gruftie 581 Süddeutschland M, 40

Hallo Tine,

es kommt wohl darauf an, wie stark Du unter Deinen Problemen leidest.
Einerseits hört es sich für mich schon recht arg an, andererseits frage ich aber, wie ging es beim Studieren (Arbeiten), da warst Du doch von den Leuten getrennt und konntest Dich trotzdem offensichtlich auf anderes konzentrieren?

Wenn Du alleine nicht weiterkommst, halte ich eine Therapie schon für sinnvoll.
Ich empfehle Dir, Dich um einen Therapie-Platz zu bemühen und in der Wartezeit es selber zu versuchen mit den Tipps aus dem Ratgeberbuch etc..

Meine Idee wäre, wenn sich diese Abwesenheitsangst hauptsächlich auf Deinen Freund bezieht, kleine Zeiten absichtlich herbeizuführen, indem Du z.B. eine halbe Stunde aus dem Haus gehst oder ihn wegschickst und Dich in der Zeit gezielt dazu zwingst, anderes zu machen und möglichst wenig daran zu denken. Wenn es einigermaßen klappt, die Zeiten langsam zu verlängern.

Eine andere Idee - gleich in die Vollen zu gehen: Du malst Dir absichtlich das Allerschlimmste, was passieren kann bildlich, ruhig auch akustisch, aus. So grausam, wie es eben geht bis ins kleinste Detail genau! Wie er an einem Unfallort liegt, die Notärzte vergeblich versuchen ihn zuretten, später die Polizei kommt, Dich zu benachrichtigen - das ganze Elend halt! So schlimm Deine Gefühle auch dabei sein werden, nicht abbrechen, stelle Dir immer wieder erneut das Ärgste vor - und nach einiger Zeit wird diese Vorstellung für Dich "erträglicher" werden, ob man's nun glaubt oder nicht! Wenn Du so etwas öfter machst, desensibilisierst Du Dich damit und im Laufe der Zeit werden Deine Ängste kleiner!

Grüße Dich
Hans-Jörg

Helferlein 55 NRW W, 21

hallo tinelinchen!!
Ich habe ganz genau das selbe wie du!
Ich habe tierisch Angst das jemand geliebtes sterben könnte! Vorallem bei meinem Freund ist es schlimm! Und ich mache mir auch direkt sorgen wenn er sich mal nicht meldet. Dann kann ich da auch x mal hintereinander anrufen.

Wenn du willst kannst mir ja mal schreiben

sporadischer Gast 20 paris W, 23

Hallo,

vielen Dank für Eure Antworten.

@Hans-Jörg: Ja, ich habe diese Angst nicht immer. Wenn ich gerade meinen Freund gesehen habe oder mit ihm gesprochen habe, dann geht es schon. Bis vor kurzem wohnte er auch noch im selben Ort wie ich, ist dann aber schon weggezogen, weil er auch fertig mit dem Studium ist und schon seine Wohnung räumen musste.
Als er noch hier im gleichen Ort war, ging es, weil ich mir immer einreden konnte, dass ich ja direkt hier ihm zu Hilfe kommen könnte und es auch vermutlich sofort erfahren würde, wenn was passiert. In der Zeit ging es eigentlich mit der Angst. Jetzt sind wir z.Z. 500 km getrennt und da ist es richtig schlimm geworden, da ich jetzt immer denke, dass ich da ja nichts machen kann, wenn ihm jetzt was passiert und ich auch nicht wüsste wie ich es erfahren könnte (Polizei würde ja nicht mich direkt benachrichtigen).

Ich finde es ja total nett, dass Du mir die zwei Tipps gegeben hast, aber leider sind die so nicht anwendbar... zur Zeit haben wir sowieso nur Telefonkontakt, d.h. ich kann ihn nicht wegschicken für ne Zeit. Der zweite Tipp ist schon eher möglich, aber ich mach mir Sorgen, dass man da noch mehr in den Angststrudel reinkommt.
Trotzdem vielen Dank!! Wie hast Du denn die Ängste wegen Deiner Eltern überwunden? Oder kam das automatisch als Du älter warst?

@mädchen1984

Schön (trotz allem) zu hören, dass ich nicht alleine bin mit solchen Gefühlen!! Wie hilfst Du Dir denn? Weiss Dein Freund von der Angst? Seit wann hast Du solche Gefühle?

Würde mich freuen, mich mit Dir darüber auszutauschen, kannst auch gerne ne PM schreiben.

LG und danke an Euch
Tine

Forums-Gruftie 581 Süddeutschland M, 40

Hi Tine,

ich war mit 15 Jahren ein halbes Jahr in stationärer Behandlung wegen anderer Probleme.
Danach hatte ich dann diese Ängste nicht mehr - war ja lang genug weg von meinen Eltern.

Den ersten Tipp kannst Du natürlich auch anwenden, indem Du, wenn das Bedürfnis kommt, anzurufen, Dich zu vergewissern, ob noch alles in Ordnung ist, den Anruf erst eine Zeit lang herauszögerst und Dich derweil eben mit etwas anderem beschäftigst, Dich ablenkst. Aber Du darfst Dich in dieser Zeit nicht in die Angst hineinsteigern, sondern solltest versuchen nicht daran zu denken oder besser noch die Angst zwar akzeptieren, aber nicht "erleben".

Nimm Dir doch eine bestimmte Uhrzeit vor, ab wann Du erst anrufst und gestalte Dir den Tag vorher trotzdem schön. Das ist wichtig, damit es ein positives Erlebnis trotz der Abwesenheit Deines Freundes wird! So wird die Angst mit der Zeit kleiner.

Wenn Du immer nur nachdenkst, was alles passiert sein könnte, wird sie schlimmer - es sei denn, Du übertreibst es dermaßen wie es bei Tipp 2 gefordert wird - dem andere Extrem. Hierbei sollst Du das Hineinsteigern und Grübeln sogar total übertreiben, dass Dein Unterbewusstsein irgendwann einsieht, die Angsthormone auszuschütten bringt rein gar nichts.

Was empfiehlt denn Dein Ratgeberbuch?

Ich denke schon, dass die Zunahme der Angst mit der räumlichen Trennung von Deinem Freund zu tun hat.
Bist Du mit dieser Situation zufrieden?
Vermutlich hat Dir das von Anfang an gar nicht gefallen, oder?

LG Hans-Jörg

sporadischer Gast 20 paris W, 23

Hallo Hans-Jörg,

danke für die Vorschläge. Mein Problem ist auch, dass diese Ängste nicht immer gleich stark sind, d.h. es gibt Tage, da wache ich schon morgens auf und weiss, dass ich den Rest des Tages Angst haben werde und manchmal bin ich ganz locker und versteh gar nicht wieso das alles immer so ist.
Mein Ratgeberbuch empfiehlt vor allem, ein Sorgentagebuch zu schreiben, also genau aufzuschreiben, wann man wegen was Angst hatte und sich auch das schlimmstmögliche "Ergebnis" aufzuschreiben. Es gibt auch noch andere Tipps, aber soweit bin ich noch nicht gekommen Smile

... Was meinst Du dazu? Findest Du eigentlich, ich sollte das meinem Freund sagen. Ich hab ihm nämlich noch nicht so richtig von erzählt. Er weiss zwar (und sagt auch immer), dass ich ein sensibler Mensch wäre, der sich um alles zu viele unbegründete Sorgen macht, aber dass ich z.T. unter richtigen Panikzuständen leide, weiss er nicht. Ich weiss auch nicht, ob es so viel bringt, das zu erzählen.

Ich denke auch, dass die Zunahme der Angst mit der räumlichen Trennung zu tun hat. Ich bin mit der Situation natürlich nicht zufrieden, vor allem, weil wir echt ne schöne Zeit hier hatten und jetzt noch alles so unsicher ist, z.b. wo ich arbeiten werde. Er hat schon was und ich versuch auch, möglichst was in der gleichen Stadt zu finden, in der er jetzt arbeitet.... aber ich weiss eben nicht, ob das klappt.

LG
T

Forums-Gruftie 581 Süddeutschland M, 40

Hallo Tine,

Ich finde die Idee mit dem Sorgentagebuch gar nicht so schlecht. Gerade, weil Du schreibst die Stärke der Angst würde nicht nur vom Auslöser abhängen. Ich tippe ja als erstes mal aufs Wetter als weiteren wichtigen Einflussfaktor. Achte doch mal darauf, ob da ein Zusammenhang bestehen könnte und auch auf andere "Muster". Dabei kann ein solches Aufschreiben natürlich hilfreich sein. Am besten, wenn Du ebenfalls einiges von der Situation drumherum notierst, was hast Du gemacht an dem Tag, hat es geregnet, hattest Du noch weitere Probleme, Ärger, Stress etc.? So kannst Du vielleicht einige Gemeinsamkeiten erkennen, der einen oder anderen Sache fortan ausweichen und wieder anderes, wie z.B. das Wetter, als Teilbegründung für die Angst sehen: "Ach ja, heute ist schon wieder Niederdruck - klar, dass mich wieder alles ängstigt!", um so ein bisschen mehr Gelassenheit zu bekommen.

Ich meine schon, dass Du Deinem Freund von der ganzen Panik erzählen solltest, allerdings würde ich auch nicht erwarten, dass sich alleine dadurch viel ändert. Bin ja selber eher für Offenheit - auch was solche Gefühle betrifft - in einer Beziehung. Man kann natürlich auch einige gute Gründe dagegen finden.

Ich würde wohl ebenso versuchen, wieder in die Nähe meiner Partnerin zu ziehen, andererseits birgt das "Klammern" halt so einige Gefahren in sich. Zu viel Nähe, kaum eigenen Freiraum haben, ist nicht für jeden gut erträglich und die Abhängigkeit wird größer. Aber 500 km Abstand müssen es ja nun wirklich nicht gleich sein.
Nur wenn Du diese Ängste erst los wirst, wenn Du wieder zu ihm ziehst, hast Du das eigentliche Problem (die Angst) natürlich nicht gelöst, sondern meidest nur die Auslöser und bei der nächsten Gelegenheit geht es vermutlich nicht weniger schlimm weiter.

LG Hans-Jörg

sporadischer Gast 20 paris W, 23

Hallo Hans-Jörg

danke für die Antwort und sorry, dass ich mich erst jetzt wieder melde.
Deine Tipps sind gut, aber leider klappt das in der Praxis nicht so. Habe angefangen, das "Angst-Tagebuch" zu führen, aber ich muss sagen, dass ich dadurch eher noch mehr Angst bekomme. Der Ratgeber sagt zwar, das sei am Anfang normal, aber mir gefällt es nicht.
Heute ist es wieder total übel, mein Freund ist unterwegs, weil er in seine neue Wohnung zieht und fährt heute sozusagen quer durch Deutschland und ich mach mir solche Sorgen.... Sad

Wir sehen uns "erst" wieder in 10 Tagen und ich hab Angst, dass das zu viel Zeit ist, dass in der Zeit ja sooo viel passieren könnte.... Sad

Sorry, dass das alles nicht so positiv ist, aber so gehts mir eben grade...

LG
T

Forums-Gruftie 581 Süddeutschland M, 40

Hi Tine,

Du darfst natürlich nicht erwarten, dass mit dem Aufschreiben ins „Angst-Tagebuch“, Deine Probleme gelöst sind, das soll hauptsächlich eine Hilfe sein, sie genauer zu erkennen.
Ob nun das Tagebuch oder einer der anderen Tipps, es ist schon eine Menge Arbeit – Angst zu ertragen – bis Du einen Schritt weiterkommst.

Übers Telefon erfährst Du ja eher, ob alles in Ordnung ist, nicht erst in 10 Tagen.
Vielleicht magst Du doch mal das kurzzeitige zusätzliche Herauszögern des Vergewisserns in Verbindung mit positiven Gedanken und Erlebnissen ausprobieren.

Den schnellsten Erfolg erlangst Du übrigens über den härtesten Weg (z.B. die ganzen 10 Tage lang gar nicht zu telefonieren oder Dir anderswie Gewissheit zu verschaffen und die schlimmen Befürchtungen anzufachen anstatt sie zu verdrängen). Ist natürlich das Qualvollste!

Wie auch immer - ich hoffe, Du bekommst es möglichst bald auf die Reihe!
LG Hans-Jörg

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