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L_oiseau
neu an Bord!


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Wilder Süden W, 30
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Fri, 02.Sep.05, 22:07 Kontakt mit Eltern - ja oder nein? |
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Hallo,
ach ich weiß nicht mehr weiter!
Zu meinen Eltern hab ich seit ich ausgezogen bin nur hin und wieder Kontakt, und den teilweise auch eher bestenfalls auf der Basis "ich möchte mit irgendwem quatschen - meine Mutter ist gerade da" und schlimmstenfalls "ich hab Angst mich zu melden, aber gar kein Kontakt mehr, da würden meine Eltern zu sehr darunter leiden".
Die Vorgeschichte ist etwas kompliziert. Beide Elternteile stammen aus seltsamen bis kaputten Familien und irgendwie schwer geschädigt, sie sind aus dem Ausland nach Deutschland gezogen, haben sich hier kennengelernt, hier geheiratet und sind geblieben, schimpfen aber nach wie vor auf "die Deutschen". Als ich klein war, sind wir öfters umgezogen, so gleich mal jeweils ca. 200 km weiter, ich konnte Freundschaften dadurch nicht aufrechterhalten. Zwei, dreimal war der Umzug aus beruflichen Gründen väterlicherseitsn anscheinend nicht vermeidbar, der Rest war Hochkündigen (im Nachhinein betrachtet). Als ich 13 war, stand der 6. Umzug dieser Art bevor.
Da meine Eltern 68er Generation sind und die Fassade von antiautoritär, fair und locker aufrechterhalten (sorry für den Sarkasmus ), setzten wir uns damals zusammen und jeder sollte auf einen Zettel seine persönlichen Gründe für und gegen einen Umzug aufschreiben. Meine Mutter hatte nur Gründe auf der Pro-Seite (gute Gründe, aber auch Krams wie "ich lauf mir hier beim Pflasterstein die hochhackigen Schuhe kaputt"). Naja ich hatte nur Gegengründe, hatte mich auch in eine Klassenkameradin verliebt, auch wenn mir das nicht ganz klar war... von ihr weg wollte ich nicht und von dieser von Wäldern umgebenen schmucken Touristenstadt in eine Chemieindustrie-Betonstadt auch nicht. Das waren meine Argumente, wenn auch nicht wortwörtlich. Meine Mutter guckte über den Zettel und sagte lapidar, mein Verhältnis zu XXX sei abnormal, da wäre ein Umzug gut für mich, und der Kram mit der Natur und dem Wald würde sich bald mit der Pubertät ergeben und da wäre die neue Stadt besser für mich weil größer und besser weggehen können und so. Mein Vater hatte auf seinem Zettel ebensoviele wichtige Pro- wie Contra-Argumente, schritt aber nicht ein, als ich so entwertet wurde. Ergebnis nach der Frisierung durch meine Mutter: logisch, wir ziehen um!
Der Umzug fand statt. Das war nicht das erste Mal, dass ich so im Regen stehengelassen wurde und meine Gefühle bagatellisiert von meinen Eltern, aber da wurde es mir das erste Mal bewusst, dass ich nicht auf sie zählen kann. Ich gliederte mich nicht in die neue Klassengemeinschaft ein sondern kapselte mich ab (wozu auch? der nächste Umzug konnte jederzeit bevorstehen, mein Vater bewarb sich auch tatsächlich dann ein halbes Jahr später überall in der Republik). Die Quittung bekam ich 4 Wochen nach dem Umzug, ab da ging derbes Mobbing los in meiner neuen 8. Klasse, ein Jahr lang, und bis zum Abi bekam ich kein normales Verhältnis mit den Leuten geregelt... Es war ein Knast für mich.
Tja etwa 6 Wochen nach dem Umzug beschloss ich um 2 Uhr morgens, zur Abwechslung statt in meinem Schlafzimmer im Wohnzimmer meiner Freundin nachzuweinen. Dummerweise wachte da meine Mutter auf, weil sie aufs Klo musste, erwischte mich und quetschte mich aus, warum ich heule ("ich will dir doch nur helfen blablabla"). Als ich sagte, wegen XXX, rastete sie aus, "Ich will nicht, dass du lesbisch wirst", Weinkrampf und so, ich ab in mein Zimmer und vor dieser Emanzensprüche klopfenden Frau die Tür zugeknallt. Mir wurde bewusst, ich bin hier im Feindesland. Scheiße gings mir mies. Krawall-coming-out, über das ich keine Kontrolle hatte, und gleich die Missbilligung meiner Mutter draufgeknallt, dazu niemand, mit dem ich sprechen konnte (weil frisch umgezogen und Kontakte alle am Arm der Welt), und den Druck von den Schulkameraden noch dazu... hoffentlich merken die nix...
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L_oiseau
neu an Bord!


4
Wilder Süden W, 30
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Fri, 02.Sep.05, 22:23 Re: Kontakt mit Eltern - ja oder nein? |
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Sorry es geht noch weiter...
Nein, sie oder er sprach mich nie wieder auf diese Nacht an, nur andeutende Bemerkungen zu meiner besonderen Veranlagung, die ich aber nie kommentierte. Und klar, ich erzählte meinen Eltern auch nicht, dass ich Stress mit der Klasse hatte, mein Vertrauen war hinüber, und mein Vater steht eh immer geschlossen hinter seiner Frau.
In der Schule wurde ich nun niedergemacht, zuhause ging ich meinen Eltern nach Möglichkeit aus dem Weg, ich hatte Schiss, dass in der Umkleidekabine was auffällt wegen noch mehr Mobbing (mitten in der Pubertät sich zusammen mit zig anderen Mädels umziehen ist echt ne harte Probe). Als ich nach einem halben Jahr immer noch nicht wirklich glücklich wirkte und weiterhin verschlossen war (warum wohl?), kam meine Mutter auf die Idee, mich zu nötigen, ihr von meinen Sorgen zu erzählen. Kurzum, ich musste mich in die Küche setzen und durfte nicht raus, bis ich ihr den Grund für mein Traurigsein erzählte. Ich blieb 2 Stunden lang stur, danach wurde mir das Machtspiel zu blöd und ich erzählte ihr was von "die Wälder und die Natur fehlen mir". Daraufhin hysterischer Weinkrampf von ihr, dass das ein bescheuerter Grund zum Traurigsein war, aber Hauptsache ich kam frei und hatte mich ihr nicht anvertraut/entblößt...
So weit, so beknackt... ich war erleichtert zu sehen, dass nun ICH mal gewinnen konnte, nochmals offen drüber gesprochen wurde in unserer Familie natürlich nicht, was da abgegangen war an dem Tag... Es vergingen noch ein paar Monate, ich änderte mein Outfit von kindlich zu pubertär-provokant... Mein Vater guckte mir komisch hinterher, meinte auch einmal "Wow sexy!" Seine Blicke kamen mir eh lüstern vor und waren sehr beunruhigend, aber der Satz noch dazu... ich rannte in mein Zimmer und knallte die Tür zu und weinte. Dieser Vorfall wurde - alter Familienbrauch - von niemandem von uns weiter erwähnt. Mir fiel es schwer, nachts zur Ruhe zu kommen weil ich Todesangst hatte. (Okay von seinem Vater - meinem Opa - hatte ich zudem auch schon vorher gut was abgeräumt bekommen in der Hinsicht (im Sommerurlaub vergew... als ich ein 7jähriges Mädchen war dieses Arschloch). Wie gesagt, scheiß-Herkunftsfamilien.)
Ab dann nur noch schwarzer Schlabberlook, auch im Hochsommer langärmelig und so... kein großer Unterschied zu einer saudi-arabischen Frau. meine Eltern machten sich dann über mein "blödes Outfit" lustig aber das war mir egal!
Mit knappen 19 bin ich ausgezogen, zu meinem ersten Freund (der war anstrengend, zwar kein Arschloch aber selber sehr hilfebedürftig...). Ab dann hab ich mich etwas wohler gefühlt und mein Outfit auch normalisiert...
Tja jetzt bin ich 30, hab zwischenzeitlich längere Phasen gar keinen Kontakt mehr zu meinen Eltern gehabt... meine Mutter ist sehr kontrollsüchtig und versucht sich bis zum Gehtnichtmehr in meine Beziehungen etc. einzumischen, stellt sich nicht viel geschickter an als damals... und mein Vater... naja einerseits tut er mir leid, weil er völlig unter der Fuchtel meiner Mutter steckt, andererseits ist auch Hassliebe da wegen dem Hinterhergegucke früher... ob da noch mehr Verdrängtes dahinter war weiß ich nicht, spielt auch nicht so ne Rolle, diese Psychoschiene reicht schon...
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L_oiseau
neu an Bord!


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Wilder Süden W, 30
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Fri, 02.Sep.05, 22:33 Re: Kontakt mit Eltern - ja oder nein? |
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Und noch ein drittes mal...
Zwischenzeitlich hab ich meine Mutter zum Familientherapeuten schleifen können, meinen Vater nicht. Anlass war mein inakzeptabler damaliger Freund. Okay der war nicht der Hit (da hab ich die Elternscheiße einfach aufgefrischt), aber es ist doch letztendlich meine Sache, mit wem ich zusammen bin oder? Der von ihr gewünschte Effekt (ich soll endlich einsehen, dass ich nicht rund laufe) trat nicht ein, der von mir gewünschte Effekt (*wachrüttel* *schüttel* *wach aus deiner Trance auf*) auch nicht. Paar Tage nach der Therapie hat sie behauptet, sie wisse nicht mehr, was das besprochen wurde... Und die Therapeutin ist ja sooo scheiße weil sie "weist sie auf Sachen hin die wahr sind" (Kommentar mein Vater "Arme XXX" und Streicheln) nun denn...
Nachdem ich meinerseits mehrere Male den Kontakt abgebrochen hatte, haben sie ihrerseits vor drei Monaten den Kontakt zu mir abgebrochen ("Was? Noch eine andere Familientherapie versuchen? Nein das sehen wir nicht ein...") Kurzum es läuft ein Tochter-bei-Fuß-Schema ab, das ich aber schon länger nicht mehr bediene.
Tja, ich war eher erleichtert über den Kontaktabbruch. Bin dabei, mich weiterzuentwickeln, lese Alice Miller usw. Nun hat mir meine Mutter eine kurze E-mail gesandt, in der sie mir als Anlage irgendwas Humoristisches beigefügt hat und was Nichtssagendes geschrieben hat. Und ich weiß nicht, wie ich reagieren soll... vielleicht schreib ich ihr, dass ich vorerst weiterhin keinen Kontakt will, und dass eine einmonatige ich-lebe-noch-Kurzmail zu reichen hat?
Gruß
L'oiseau
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velma_kelly
Helferlein


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wien W, 28
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Sat, 03.Sep.05, 8:52 Re: Kontakt mit Eltern - ja oder nein? |
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Hallo L´oisseau!
Ich denke, du hast dir die Antwort auf deine Frage im letzten Absatz eh schon gegeben.
Ich finde es eine gute Idee mit dem „Ich lebe noch“ Mail einmal im Monat. Weil wie du schreibst, seit dem Kontaktabbruch geht es dir besser, du entwickelst dich, interessierst dich für neue Sachen usw.
Es wär nicht so gut, wenn du dir dein Leben, deine gewonnene Selbstsicherheit was du willst, jetzt von Deiner Mutter wieder kaputt machen lassen würdest. Auch wenn man sich das sehr oft wünschen würde (auch ich), dass die Eltern mal über ihren Tellerrand gucken würden und auch versuchen würden, andere Ansichten zu verstehen und nicht gleich zu überrennen, leider passiert das nur seeehr seeehr selten.
Du bist die, die in ihrem Leben viel verletzt wurde, deshalb finde ich es gut, wenn du Grenzen setzt und sagst, mit dem monatlichen Mail müssen sie auskommen. Du wurdest verletzt und allein du bist die, die entscheidet, wie weit du deine Eltern an dich heranläßt und wie engen Kontakt du haben willst.
So hart es klingt, aber damit müssen die halt dann leben. Man hat nur ein Leben und es ist zu schade, um es sich von Eltern oder sonst jemanden so vermiesen zu lassen.
Viele Grüße und Kopf hoch!
Velma
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Geri
Helferlein


124
RLP W, 23
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Sat, 03.Sep.05, 15:06 Re: Kontakt mit Eltern - ja oder nein? |
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Hallo L'oiseau,
ich denke auch, dass es im Moment das Beste wäre, erst mal keinen weiteren Kontakt zu deinen Eltern zu suchen. Die E-Mail ist absolut ok, aber ich kann mir vorstellen, dass dir ein persönliches Treffen noch nichts bringen würde. (im Gegenteil. es wird doch wohl eher wieder aus der Bahn werfen...) Du solltest dich erst mal um dein eigenes Leben kümmern. Wenn du damit zufrieden und vor allem glücklich bist und sich dann das Bedürfnis einstellt den Kontakt zu deinen Eltern wieder richtig herzustellen, kannst du dies immer noch nachholen. Außerdem glaube ich, dass es nie gut gehen wird, solange deine Eltern deine Liebe zu Frauen nicht akzeptieren können... Das ist ein Problem, was sie lösen müssen, sonst wird es immer schwierig bleiben.
Liebe Grüße,
Geri
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L_oiseau
neu an Bord!


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Wilder Süden W, 30
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Thu, 08.Sep.05, 20:40 Re: Kontakt mit Eltern - ja oder nein? |
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Hi Leute,
danke für eure Antworten. Ich werde ihnen jetzt eine Rückmail schreiben.
Übrigens, ich bin bi, nicht lesbisch, kam in meinen Postings nicht so raus.
Tschüss
L'oiseau
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velma_kelly
Helferlein


66
wien W, 28
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Sat, 10.Sep.05, 21:34 Re: Kontakt mit Eltern - ja oder nein? |
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Hi l´oisseau!
Macht das irgendeinen Unterschied, ob du lesbisch oder bi bist? Du musst Dein Leben leben, wie du es für richtig fühlst und findest, egal ob lesbisch, bi oder hetero.
Ich wünsch dir, dass du deinen Weg durchhälst und es schaffst für deine Eltern klare Grenzen zu setzen...
lg
velma
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