| Author |
Message |
Kassandra24
neu an Bord!


2
Hessen W, 48
|
Sun, 20.Nov.05, 14:02 Er verzeiht seinen Eltern alles |
 |
Hallo, ich hab dieses Forum per Zufall gefunden.
Ein, mir sehr nahestehender Bekannter von mir hat ein sehr merkwürdiges Verhältnis zu seinen Eltern. Vielleicht kann hier jemand mir erklären, warum das so ist.
Also, die Geschichte, soweit ich sie aus Erzählungen kenne.
Die Eltern meines Bekannten wares selbstständig und hatten sehr wenig Zeit für ihn, als er ein Kind war. Er wurde mehr oder weniger von seiner Großmutter und seiner älteren Schwester großgezogen.
Mir ist auch bekannt, dass in dieser Familie Prügel als Erziehungsmethode als ganz normal angesehen werden. Es gab also öfter mal Prügel. Auch mit Gegenständen.
Als mein Bekannter 19 war, hat sein Vater (er hatte grade Konkurs gemacht) ihn zur Selbstständigkeit gedrängt.
Dabei hat sein Vater ihm von Anfang an eine falsche finanzielle Situation vorgegauckelt.
Da mein Bekanter zu dieser Zeit Wehrdienst gemacht hat, hat sein Vater die Firma geführt. Hierbei kam es zu ganz gewaltigen Unregelmäßigkeiten.
Als sich ein, durch die Unregelmäßigkeiten bedingter, Konkurs nicht mehr aufhalten ließ, hat sein Vater alle diesbezüglichen Dokumente (Rechnungen, Mahnbescheide usw.) unterschlagen. Mein Bekannter hat erst davon erfahren, als er schon per Haftbefehl gesucht wurde.
Das Ende der Sache war, dass mein Bekannter, damals 20 Jahre alt, mit über 100000 EUR Schulden dastand. Für die er alleine aufkommen muss. Und er gibt sich auch noch selbst die Schuld (Folge: Depressionen) an dem Konkurs.
Obwohl er selbst über sehr wenig Geld verfügt (Lohnpfändung) kam er in den folgenden Jahren immer wieder für Kosten (Arztrechnungen, Heizkosten usw.) seiner Eltern auf, da diese sich weigerten und weigern Sozialhilfe zu beantragen.
Als seine Mutter ein kleine Erbschaft gemacht hat, hat sie ihm von dem Geld keinen Cent abgegeben, obwohl er da grade geheiratet hatte und eigentlich jeden EUR hätte gebrauchen können.
Seine Mutter behandelt seine Frau nicht wirklich gut. Sie gibt ihr stehts das Gefühl ein Störenfried zu sein. Außerdem kann sie machen, was sie will. Schwiemu kann es (verbal) besser. Wird also von seiner Mutter grundsätzlich als Versagerin hingestellt.
Als sich ein Baby angekündigt hat, hat seine Mutter sich, trotz mehrfacher Bitten der Ehefrau, geweigert vorhandene und angebotene Babysachen vor der Geburt heraus zugeben.
Als seine Frau dann die benötigten Sachen, unmittelbar vor der Geburt, anderweitig besorgt hat, war seine Mutter extrem beleidigt.
Sie ist noch nicht einmal davor zurück geschreckt, am Tag der Geburt eine riesen Szene zu machen.
All das verzeiht er.
Nicht nur, dass er nicht hinter seiner Frau steht, wenn seine Mutter ihr das Leben schwer macht bzw. seinen Vater wegen der Veruntreuung zur Rechenschaft zieht.
Nein, er nimmt seine Eltern noch in Schutz. Das geht sogar so weit, dass er mit seiner Frau zu streiten anfängt.
Hinzu kommt noch, dass er Versprechen, die er die er seiner Frau gegeben hat nicht einhält, wenn seine Eltern "Dienstleistungen" von ihm fordern. Dann wird alles stehen und liegen gelassen und zu Mama und Papa gefahren. Egal ob ein gemeinsamer Ausflug, eine Reparatur im Haus oder ähnliches geplant war.
Wieso verhält er sich so?
Meiner Meinung nach, geht das weit über eine normale Eltern-Kind-Beziehung raus.
Eigentlich sollte doch die Ehefrau wichtiger sein als Mama und Papa.
Und ich hätte meine Eltern ohnehin nicht mehr angekuckt, wenn sie mich vorsätzlich in derart finanzielle Schwierigkeiten gebracht hätten.
Freu mich auf jede Antwort.
Grüße
Kassandra
|
|
|
|
 |
| Werbung |
|
Hiob
Forums-Gruftie


607
Berge M, 32
|
Mon, 21.Nov.05, 11:23 Re: Er verzeiht seinen Eltern alles |
 |
| Quote: | Wieso verhält er sich so?
Meiner Meinung nach, geht das weit über eine normale Eltern-Kind-Beziehung raus.
Eigentlich sollte doch die Ehefrau wichtiger sein als Mama und Papa. |
Hallo Kassandra.
Es stimmt schon, jeder „normale“ Mensch, hätte solche Rabeneltern weggeschickt und den Kontakt völlig abgebrochen und würde sich auf seine neue Familie konzentrieren. Doch das ist die Sicht von uns Außenstehenden. Der/die Betroffene selbst, ist wahrscheinlich so sehr in gegenseitige gefühlsmäßige Abhängigkeiten u.a. verwickelt, dass er lieber diese furchtbare zerstörerische Beziehung aufrecht erhält, als ganz alleine dazustehn. Das “ganz alleine dastehn“ ist wiederum nicht aus unserer Sicht zu beurteilen, sondern nur aus seiner.
Denkbar währe beispielsweise, dass er innerlich unheimliche Angst hat, seine Eltern zu verlieren, an ihnen klammert und immernoch hofft, dass sie eines Tages sich entschuldigen und ihm die Liebe und Aufmerksamkeit geben, die er nie bekam und immernoch dringend braucht, auch in seinem Alter. Damit ist es aber nicht unbedingt schon getan, es können noch andere Dinge vorliegen, das soll hier nur als kleine Verbildlichung dienen. Aus unserer Sicht ist das also nicht leicht zu verstehn und auch nicht fühlbar. Die Vorstellung einer normalen Eltern-Kind-Beziehung existiert m.E. nur in unseren (außenstehenden) Köpfen. In Wirklichkeit ist das von außen sichtbare Bild manchmal mehr oder weniger eine Maske und das von innen aufgebaute Gerüst (der Beziehung) eigentlich das Ergebnis aus dem was erlebt und wie es erlebt wurde und soll beispielsweise bestimmten Zwecken dienen...z.B. ihm überhaupt das Leben noch ermöglichen.
Die innere Beziehung zu den Eltern kann buchstäblich vom Himmel zu einer überbetonierten Hölle reichen. Das äußere Bild bezieht sich jedoch nur auf einen Teil...die Maske. Ich wäre deshalb vorsichtig mit meiner Einschätzung.
Vielleicht fällt es dir leichter, ihn zu verstehn, wenn du an Menschen denkst, die auf schwerste Weise von ihren Eltern misshandelt oder sexuell missbraucht wurden...oftmals stellen sie sich heute noch schützend vor die Täter (Eltern) und wiederholen gebetsmühlenartig das „eigentlich doch ganz schöne“ Bild von den Eltern. Warum? Um nicht an die damaligen Schmerzen heranzukommen. Man spürt manchmal, wo die Schwelle ist, und hat bewußt und unbewusst das dringende Bedürfnis, altes (wie damals) wegzuschließen. Das Außmaß der drohenden und erlebten Schmerzen kann durchaus an die „Hölle“ (unter der Betonplatte) heranreichen...m.E. entstanden solche Begriffe wie „Hölle“ auch ursprünglich in ähnlichem Zusammenhang. Mit dem „doch ganz netten Bild“ von seinen Eltern kann er ein Leben aufrechter halten, was zumindest lebbar ist und erhält sich die Chance, dass alles doch noch besser werden könnte. Ob und vor allem wie man ihn von außen mit seiner Beziehung und der „Realität“ konfrontiert, das ist schwierig und hier bestimmt eher unter Zuhilfenahme eines Fachmanns zu versuchen.
Ich würde ihn deshalb nicht belächeln oder für dumm oder als 50-jähriges Muttersöhnchen hinstellen, das sind Mechanismen, die in abgeschwächter Form fast alle betreffen, nur eben hier so dramatisch sichtbar werden, dass man den Eindruck bekommt, ihm müsse wirklich geholfen werden. Finde schön, dass du dir da Gedanken machst. Aber vermutlich ist hier eine Psychotherapie notwendig, um mit den Schmerzen klarzukommen, die sich öffnen (könnten).
Viele Grüße
Hiob
|
|
|
|
 |
Kassandra24
neu an Bord!


2
Hessen W, 48
|
Mon, 21.Nov.05, 12:34 Re: Er verzeiht seinen Eltern alles |
 |
Hallo Hiob,
vielen Dank für deine Antwort.
Ich denke, du liegst mit deiner Einschätzung, dass er sich so verhält,weil er immer noch auf Anerkennung wartet, ziemlich richtig.
Mir ist beim Lesen deines Beitrages eingefallen, dass er so etwas so gelegentlich gesagt hat ("ich wünsche mir, dass mein Vater mir mal sagt, dass er es okay findet, was ich tue").
Ich mache mir nur sehr viel Gedanken über seine Ehe. Er hat eine ganz tolle Frau, die echt zu ihm steht. Nur weiß ich nicht, wie lange sie es sich gefallen läßt, dass sie immer hinter seinen Eltern zurückstehen muss. Besonders auch deshalb, da sie nicht unbedingt mit offenen Armen in der Familie aufgenommen wurde.
Ich hoffe, er merkt rechtzeitig, dass er etwas unternehmen und sich helfen lassen muss.
Ich wünsche ihm nämlich wirklich, dass seine kleine Familie bestand hat.
Grüße
Kassandra
|
|
|
|
 |
|
|
|