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geronimos secret
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Post Sat, 29.Apr.06, 15:53      Und schuld sind ewig die Eltern... Reply with quoteBack to top

Hallo ihr Lieben,

ich möchte über ein Thema sprechen, das mich nun schon länger beschäftigt und bin gespannt auf eure Meinungen dazu.
Nicht nur aus eigenen Erfahrungen in der Psychotherapie, sondern auch hier im Forum fällt auf, dass Eltern immmer gern bemüht werden, um "Erkrankungen", "Probleme" oder "Defizite" zu erklären (oder auch zu rechtfertigen?). (Ausklammern möchte ich ausdrücklich diejenigen Fälle, in denen schwerwiegende Misshandlungen oder Gewalttätigkeit gegen die Kinder sattgefunden hat!)
Ich möchte ein Beispiel anführen: Wegen einer Eßstörung (die ich zum Glück nun schon 3 Jahre los bin) war ich in einer Klinik und hatte u.a. ein mal die Woche Gesprächstherapie mit einer Psychologin. Zu dieser Ziet hatte meine Familie mit schwerwiegenden existenzeillen Nöten zu kämpfen. (meine Eßstörung hatte ich schon davor!) ich liebe meine Eltern über alles und der zusammenhalt der Familie war gerade in dieser Situation stark und ich bin mir sicher ohne die liebe untereinander hätten wir das alles nie geschafft. Die Therapeutin hatte indes nichts besseres zu tun, mir in ewiger litanei mitzuteilen, ich solle mich abgrenzen! Question
Wie soll ich mich von meiner Familie abgrenzen? Soll man sich von den Problemen der Eltern abwenden? das ist genauso als würde man sagen: deine Mutter hat zwar Krebs, aber du musst dich distanzieren. Was ist das für eine Aufassung von Familie????
Dies ist nur ein Beispiel. Ich weiss von vielen Erfahrungsberichten, dass Psycholgen gerne Kinder gegen die Eltern regelrecht "aufhetzen". Schade, denn, um eine aktuelle Debatte aufzugreifen (Schirrmacher: Minimum): Familie kann leben retten.

In diesem Sinne
G.*
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katma
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Post Sat, 29.Apr.06, 16:40      Re: Und schuld sind ewig die Eltern... Reply with quoteBack to top

geronimos secret wrote:
Soll man sich von den Problemen der Eltern abwenden? das ist genauso als würde man sagen: deine Mutter hat zwar Krebs, aber du musst dich distanzieren. Was ist das für eine Aufassung von Familie????

distanzieren bedeutet ja nicht gleich ignorieren! es soll nur darauf hinweisen, sich die probleme anderer nicht völlig zueigen zu machen...klar fällt die abgenzung oftmals schwer...

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geronimos secret
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Post Sat, 29.Apr.06, 17:08      Re: Und schuld sind ewig die Eltern... Reply with quoteBack to top

Liebe Katma,
was bedeutet denn distanzieren? Ist es erstrebenswert sich zu distanzieren? Und: wie wärs zur Abwechslung mal mit etwas Mitgefühl? Im Übrigen WILL ich mich auch nicht distanzieren. Haben sich meine Eltern je von MIR dinstanziert??? Alles in allem ist die Diskussion um die sog. "Abnabelung" ein Symptom der "industrialisierten" oder auch "modernisierten" Welt, die zugleich einen pathologischen sowie pathogenen Zustand der Gesellschaft insgesamt anzeigt.
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UncleK
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Post Sat, 29.Apr.06, 17:40      Re: Und schuld sind ewig die Eltern... Reply with quoteBack to top

Hallo g.s.,

geronimos secret wrote:

was bedeutet denn distanzieren? Ist es erstrebenswert sich zu distanzieren?


es geht hier meines Erachtens um den Unterschied zwischen Mitgefühl und Mitleiden. Mitgefühl bedeutet: ich nehme das Leid des anderen wahr, ich bin mir bewußt, was sein Leiden bedeutet. Mitleid heißt: ich identifiziere mich (nahezu völlig) mit ihm und fange selbst an zu leiden. Dazwischen liegt die Distanz, die Deine Therapeutin meinte. Glaube ich jedenfalls.

Ja, es ist wichtig, diese Distanz zu wahren, so Du nicht durch das Leid des anderen beeinträchtigt werden willst. Mitleid kann Dich lähmen. Mitgefühl läßt Dir Handlungsspielraum, es raubt Dir nicht den Verstand. Du erkennst Möglichkeiten, die für den anderen das Leid mildern könnten. Indem Du diese Möglichkeiten in die Tat umsetzt, kannst Du das Leid des anderen mittragen, übernimmst es aber nicht für Dich.

Es ist bei nahestehenden Personen natürlich sehr schwierig, diese Distanz einzuhalten.
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katma
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Post Sat, 29.Apr.06, 17:43      Re: Und schuld sind ewig die Eltern... Reply with quoteBack to top

distanz ist ein begriff, dem eine gewisse kälte anhaftet - so wollte ich meinen ersten beitrag aber nicht verstanden haben! (auch wenn ich da wohl etwas unüberlegt drauflosgepostet hab..)
manchmal - nicht immer! - ist distanz durchaus angebracht...ob es erstrebenswert ist, hängt vom einzelfall ab.
mitgefühl schließt eine gewisse distanz (oder umgedreht) imho aber trotzdem nicht zwangsläufig aus...

Quote:
Ich weiss von vielen Erfahrungsberichten, dass Psycholgen gerne Kinder gegen die Eltern regelrecht "aufhetzen"

und genau dabei denk ich mir oft: sie haben es halt nicht anders gelernt...

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geronimos secret
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Post Sat, 29.Apr.06, 17:49      Re: Und schuld sind ewig die Eltern... Reply with quoteBack to top

@unclek
Wenn du jemanden liebst, leidest du nun mal mit, und zwar automatisch.
Diesen Mechanismus hat die Natur nicht umsonst in uns "installiert".Und: das hat etwas mit Empathie zu tun! Ohne Empathie sozialisiert sich der Mensch nicht. Empathie ist Grundvoraussetzung dafür, überhaupt ein soziales Wesen zu sein. Und die Familie ist der erste Ort, bei dem man das lernt.....
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baerin
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Post Sat, 29.Apr.06, 18:02      Re: Und schuld sind ewig die Eltern... Reply with quoteBack to top

huhu geronimus!!!! Very Happy hallo schön, wieder was von dir zu lesen! Very Happy

...vielleicht hatte deine psychologin damals auch nur nicht den richtigen einblick in deine familiengeschichte?

speziell bei essstörungen und störungen dergleichen art, wird schnell ein familiärer hintergrund gesucht... die probleme die ihr damals in der familie hattet, hätten ja gut (im zusammenspiel mit anderen faktoren) der grund für die essstörung sein können. da kann man einem psychologen sagen was man will - die basteln sich ihr bild und fertig. Rolling Eyes

und zur abnabelung... ich bin der meinung, daß es abnabelung schon immer irgendwie gegeben hat. nur heutzutage ist es aufgrund des wegfallens der großfamilienhaushalte (zumindestens in westlich orientierten ländern) einfach gang und gebe.
und dieses materialisierte denken, dieses EGO-denken heutzutage gibt sein übriges...
und außerdem ist ja nun auch nicht von der hand zu weisen, daß die psychologen teilweise überhaupt nichts zu tun hätten, wenn sie uns nicht sagen könnten, daß eine distanzierung von der familie von nöten ist... Wink Laughing Very Happy

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geronimos secret
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Post Sat, 29.Apr.06, 18:20      Re: Und schuld sind ewig die Eltern... Reply with quoteBack to top

Hi Baerin, schön, wieder von dir zu hören Wink
Kann dir da nur zustimmen...und eben das war ja mein Anliegen...aufzuzeigen, dass das EGO- denken immer mehr Überhand gewinnt und dass Zusammenhalt nichts mehr zählt.

P.S. Meiner damaligen Therapeutin habe ich von unserer "Leidensgeschichte" immer wieder erzählt. Einblick hatte sie da also durchaus...umso weniger konnte ich es verstehen. Wenn man so viel durch machen muss (und das mussten wir damals) klingt das wie Hohn in meinen Ohren zu sagen: kapsele dich ab! -Das ist doch abartig!

LG
Geronimaus Wink


Last edited by geronimos secret on Sat, 29.Apr.06, 18:47; edited 2 times in total
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Post Sat, 29.Apr.06, 18:22      Re: Und schuld sind ewig die Eltern... Reply with quoteBack to top

...leider biste da bei mir an der falschen adresse, weil gerade in meiner familie der zusammenhalt falsch definiert wird - und das im wahrsten sinne des wortes. aber ich bin ja alt genug um das bei meiner familie besser zu machen. wenigstens da hatte meine therapeutin recht... Laughing

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Mejte
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Post Sat, 29.Apr.06, 18:23      Re: Und schuld sind ewig die Eltern... Reply with quoteBack to top

Beruflich hatte ich sehr viel mit Menschen zu sprechen und ohne ein ausgeprägtes Gefühl für die psychischen Aspekte hätte das nie gut gehen können.

Aber der offiziell praktizierten Psychotherapie oder -Analyse habe ich mich erst hier in diesem Forum genähert und war eigentlich von vielem sehr angetan.

In den letzten Tagen jedoch habe ich in einem Thread, wo es eben um die alleinige Schuld der Eltern geht, eine abweichende Meinung geäußert.
Mir wurde auf sehr verletzende Weise klar gemacht, daß der überwiegende Teil der Threads in diesem Forum ohne diese etablierte "Wahrheit" keinen Bestand mehr hätte, und die Leute, die das behaupten, scheinen es selbst zu glauben.

Das heißt also - auf eine schon fragwürdige Behauptung wird eine zweite noch fragwürdigere draufgesetzt und mit allen Mitteln verteitigt.

Dieses zwanghafte Verhalten kann sich nur negativ auf die anderen Bereiche auswirken und ich frage mich ernsthaft, ob man unter diesen Umständen nicht lieber wie früher versuchen sollte, mit seinen Problemen allein fertig zu werden.
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UncleK
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Post Sat, 29.Apr.06, 19:30      Re: Und schuld sind ewig die Eltern... Reply with quoteBack to top

geronimos secret wrote:

Wenn du jemanden liebst, leidest du nun mal mit, und zwar automatisch.
Diesen Mechanismus hat die Natur nicht umsonst in uns "installiert".


Ja, Liebe macht es eben schwer, diese Distanz zu wahren. Aber es gibt auch den Verstand, den man als Gegenpol ansehen könnte.

Auf einer tiefen Ebene trägt das Mitleid zu Deinem Sozialverhalten bei. Der Verstand kann jedoch die nötige Distanz herstellen, daß Du als Wesen emotional "überleben" kannst - das möchte die Natur ja auch. Im Fall der krebskranken Mutter, kann er Dich davor bewahren, in ein Jammertal abzugleiten, lethargisch zu werden und stattdessen dafür sorgen, daß Du zum Pragmatismus übergehst, z.B. mit der kranken Mutter zum Arzt fährst, Dich über Therapiemöglichkeiten und Heilungschancen informierst, ihr Mut zusprichst etc. Damit wäre der Mutter besser gedient, als Dich ausschließlich neben sie zu setzen und zu weinen (obwohl das gelegentlich auch nötig sein würde).

geronimos secret wrote:

Und: das hat etwas mit Empathie zu tun!
Ohne Empathie sozialisiert sich der Mensch nicht. Empathie ist Grundvoraussetzung dafür, überhaupt ein soziales Wesen zu sein. Und die Familie ist der erste Ort, bei dem man das lernt.....


Hmmm... Und die Familie kann u. U. auch der Ort sein, an dem Ursachen für Eßstörungen entstehen, etwa wegen zu starker emotionaler Bindungen an Menschen, die Probleme haben, mit denen man sich identifiziert. Vielleicht hat Deine Therapeutin das vermutet und deshalb auf Ablösung beharrt? Nur ein Gedanke.

Grüße
UncleK

(EDIT: Ooopsi! Bärin ist mir zuvorgekommen. Shocked Wink )
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geronimos secret
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Post Sat, 29.Apr.06, 21:00      Re: Und schuld sind ewig die Eltern... Reply with quoteBack to top

Hi Unclek!

und nu, just for you:
"die Familie kann u. U. auch der Ort sein, an dem Ursachen für Eßstörungen entstehen, etwa wegen zu starker emotionaler Bindungen an Menschen, die Probleme haben, mit denen man sich identifiziert."

Genau das ist der Grund dafür, weshalb ich diesen Thread eröffnet hab!
So einfach ist es im Leben in Regel aber nicht!
Hat eigentlich schon mal jemand darüber nachgedacht, dass einige Dinge ihre Ursachen ganz wo anders haben könnten- so, wie es übrigens meistens der Fall ist???
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Gaumenfreuden
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Post Sat, 29.Apr.06, 21:24      Re: Und schuld sind ewig die Eltern... Reply with quoteBack to top

nunja, man tut seiner familie auch nicht unbedingt einen gefallen, wenn man an ihr kaputtgeht.
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mariechen123
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Post Sun, 30.Apr.06, 17:13      Re: Und schuld sind ewig die Eltern... Reply with quoteBack to top

hallo geronimos secret!

meiner meinung nach geht es bei diesem "distanzieren" darum, sich aus einer
abhängigkeit zu lösen. liebe ist nicht abhängigkeit, aber viele leute
verwechseln es.man kann sehr wohl mit der krebskranken mutter
mitfühlen, mitleiden, was auch immer, und sie lieben, aber trotzdem seine
eigene persönlichkeit bewahren--ohne abhängigkeit und ein sich-definieren
durch den anderen! so sehe ich das jedenfalls...

vlg mariechen
flower
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vallée
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Post Sun, 30.Apr.06, 18:35      Re: Und schuld sind ewig die Eltern... Reply with quoteBack to top

Wenn Eltern zu Fehlentwicklungen beigetragen haben oder ihnen nicht entgegen gewirkt haben, dann sind sie in meinen Augen "schuld". Ja, Eltern können auch nicht alles. Aber sie sollten u.a. genau diesen Punkt erkennen könne und dann Experten, vom Nachhilfelehrer bis hin zur TherapeutIn zu Rate ziehen.

In meinem Fall ist es so, das ich durchaus irgendwo Mitgefühl für meine Familie und ihre Probleme habe. Aber ich denke auch, die sind so vernagelt, verbort und unreflektiert, dass sie sich nicht ihre Probleme eingestehen wollen, wo jeder Außenstehende sagen würde, ja, du hast da ein ganz heftiges Problem.
Und dadurch bedingt legen sie ein Verhalten an den Tag das ihre Kindern, Stiefkindern und Pflegekindern geschadet hat. Und das werfe ich ihnen vor. Es ist keine Schande Probleme zu haben, aber die zu verschweigen, zu vertuschen und den Frust an Schwächeren den eigenen Kindern auszulassen, das ist ganz schlimm.

Die wenigsten Störungen sind ja angeboren oder organisch bedingt, sondern in Interaktion erworben. Und woher nun? Doch auch und hauptsächlich von den Eltern, der Familie.
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