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Kastanie1210
neu an Bord!


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Hamburg W, 29
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Mon, 26.Jun.06, 15:22 Mein Partner hat Bindungsängste - Kindheitstrauma! |
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Mein Freund hat mit 10 seine Mutter verloren. Mit 12 kam eine neue Stiefmutter ins Haus, die er anfangs nur schwer angenommen hat, dann aber zu einer sehr wichtigen Person für ihn wurde: sie hielt die neue Familie zusammen und sie war Reibungsperson und damit Orientierungsperson beim Erwachsenwerden für ihn. Als er etwa 23 war trennten sich die Eltern, der Kontakt blieb aber eng. Mit 24 erkrankte auch sie, wie die leibliche Mutter, an Krebs und starb schließlich als er 26 war. Mit diesem zweiten Tod erzählen mir heute seine Geschwister, hat er sich sehr verändert; er hat nie "offiziell" getrauert, sondern hat sich in seine Werkstatt zurückgezogen, Autos restauriert, und angeblich ist er seitdem mehr selbstbezogen, oberflächlich und fast spielt er andauernd eine Rolle, die des Machers, Organisierers, erfolgreichen jungen Mannes. Nur ganz selten kann er wahre Momente zulassen, auch wenn das immer besser wird.
Seine Beziehungsgeschichte ist kurz erzählt, er hatte immer nur Wochenendbeziehungen oder welche vor Ort, die aber eher oberflächlich waren. Einmal hat er mit einer Freundin zusammengewohnt, was nach 6 Monaten auseinander ging, wovon er jedoch bereits 3 Monate aus seiner Wohnung ausgezogen war. Er sagt heute davon, dass sie in sein Reich eingedrungen ist, ihn erdrückt hat. Und das hängt auch noch immer als schlimmer Erfahrung nach ... Nach 1,5 Jahren haben sich die Frauen meist von ihm getrennt, weil sie nicht an ihn ran kamen. Sex war teils auch total tabu in den Partnerschaften, weil er keine Lust mehr hatte.
Nun komme ich ins Spiel Ich habe meinen Freund vor zwei Jahren kennen gelernt, damals war er 31 und seit einem Jahr allein. Ich selbst war 28. Als wir uns kennen lernten waren wir beide nicht auf Beziehung eingestellt, ich hatte eine Weltreise 6 Monate später gebucht, er hatte sich gerade selbständig gemacht und voll auf das neue Projekt fokussiert.
Die ersten Monate liefen also locker an, nach dem 4./5. Monat waren wir dann fest zusammen - auch wenn meine bevorstehende Weltreise seinerseits innerlich alles noch recht locker halten ließ. Während meiner 4monatigen Weltreise wurde aber alles enger und tiefer. Wir beide telefonierten viel, schickten uns emails, Bilder, etc. Als ich zurückkam und tatsächlich noch da war (!), war auch er endlich ganz für die Beziehung, er griff Vertrauen.
Seitdem ist nun über ein Jahr vergangen. Wir sind zusammen und glücklich, kommen uns näher und näher, je mehr er es schafft, sich fallen zu lassen - was mir allerdings manchmal zu langsam ist. Immer öfter habe ich den Gedanken: "Nun habe ich mich 2 Jahre nach Dir gerichtet, nach Deinem Tempo und Bedürfnissen, jetzt bin ich mal dran." Das macht es seit ein paar Monaten etwas gesprächsintensiv, denn ich merke, dass er letztendlich noch immer unglaubliche Bindungsängste hat. "Ich liebe Dich" zu sagen fällt ihm z.B. unheimlich schwer, vielleicht hat er es mir bisher 3 mal gesagt, beim ersten Mal weinte er aus lauter Angst, dass ich ihn dann verlassen könnte, bitterlich dabei ...
Ich wollte nach insgesamt 2 Jahren dieses Jahr gerne mit ihm zusammen ziehen, weil ich ihn liebe, weil ich unsere Beziehung voranbringen will und weil es mich praktisch schlichtweg nervt, andauernd die Sachen für eine Übernachtung zu packen. Doch er hat unglaubliche Ängste, auch wenn er sagt, dass er mich liebt, mit mir sein will. Er kann sie die komischen Gefühlte auch gar nicht näher erläutern, als nur zu sagen, dass da manchmal so ein komisches Gefühl in seinem Bauch ist, das ihn zweifeln lässt, ob das jetzt schon der richtige Step ist. Auch wenn er es nicht für die baldige Zukunft ausschleßt.
Dazu ist auch zu sagen: Er selbst sagt von sich, dass ihm jegliche emotionale Erdung fehlt, dass er nur kopfgesteuert agiert, er Kopf und Bauch kaum zusammen bringen kann. Alles was Herz ist, ist so tief vergraben. Wird er sich mit der Zeit "trauen" mehr zu geben?
Meine Frage ist nun: Wie verhalte ich mich?
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vallée
Forums-Gruftie


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Wolkenkuckucksheim W, 27
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Mon, 26.Jun.06, 15:50 Re: Mein Partner hat Bindungsängste - Kindheitstrauma! |
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Hallo Kastanie,
vorweg: Ich habe ähnliche Kindheitserfahrungen gemacht wie dein Freund, nur das es keine Stiefmutter gab, aber eine selbst mit Problemen beladene Pflegefamilie. Ich verstehe deine Sichtweise, kann aber auch ziemlich gut deinen Freund verstehen. Ich bin auch in einer Beziehung, aber wir sind erst nach 4 Jahren zusammen gezogen. Wir haben zwar in der selben Straße gewohnt, aber jedes Mal aufs neue hieß es für meinen Freund halt Sachen packen. Für mich war das normal. Erst seit dem ich hier lese und erfahre was andere an Näheansprüchen an ihre Partner stellen wird mir klar, ich hatte ein riesiges Glück mit ihm und seiner Geduld, seinem nicht drängen.
| Quote: | Dazu ist auch zu sagen: Er selbst sagt von sich, dass ihm jegliche emotionale Erdung fehlt, dass er nur kopfgesteuert agiert, er Kopf und Bauch kaum zusammen bringen kann. Alles was Herz ist, ist so tief vergraben. Wird er sich mit der Zeit "trauen" mehr zu geben?
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Ja es hat auch viel mit trauen zu tun, aber auch mit können. Nach 1,5 Jahren war ich kaum so weit zu sagen, das ist mein Lebensparter. Es war halt mein Freund, von dem ich mich jeden Tag hätte trennen können. Nach ca. 2 Jahren war ich so weit zu sagen, ok, ich kann mir wirklich vorstellen mit dem Menschen ein Leben aufzubauen, aber ich wusste nicht wie. Diese Nähe habe ich einfach nicht gekannt. Ich wusste nicht was mir fehlt und was ihm fehlt und weh tut.
Nach 4 Jahren sind wir dann halb aus pragmatischen Gründen zusammen gezogen. Was mir aus heutiger Sicht wichtig erscheint ist, dass das Aussprechen der Idee von mir kam. So hatte ich nie das Gefühl, ich mache es nur ihm zu liebe und will es eigentlich nicht wirklich.
Wir haben uns so eingerichtet, dass ich/wir sicher mehr Freiheiten haben als andere Paare. Ich brauche das einfach noch, sonst gehts mir schlecht und das lasse ich dann auch an ihm aus.
"Ich liebe dich" hm..das habe ich vielelicht 3-4 mal in 7 Jahren gesagt. Anders verpackt sage ich das schon öfters, aber diese 3 Worte hm...die sind nochmal ganz anders.
Kannst du dir das Vorstellen, das dein Freund das vielelicht ganz doll denkt und empfindet, dass er dich liebt, es aber einfach nicht sagen kann? So wie du vielleicht keine Klimmzüge oder 100 Liegestützen einfach so ohne Übung schaffst. Egal wie sehr du es willst, es geht nicht.
Und das ist mein Rat an dich. Versuche euren Weg mit ihm zu finden. Nur weil "man" dieses und jenes tut (nach so und so viel Zeit zusammen ziehen, Heiraten, Kinder kriegen) heißt das nicht, dass es auch immer richtig ist. Wichtig ist, was euch beiden gut tut. Und es wird auch dir nicht gut tun, wenn du ihn unter Druck setzt.
Die Beziehung geht auch dann stetig voran, wenn man nicht zusammen zieht.
Außerdem kann es schon interessant sein über eine Therapie nachzudenken, besonders wenn er vieleicht ein Psychosomatik-Problem hat. Aber auch das bringt nur was, wennn er es wirklich will.
So ich hoffe meine Erzählung hilft dir irgendwie.
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_________________ Human consciousness is the only seeing eye of the Deity.
- C.G. Jung |
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Kastanie1210
neu an Bord!


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Hamburg W, 29
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Mon, 26.Jun.06, 16:36 Re: Mein Partner hat Bindungsängste - Kindheitstrauma! |
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Hallo Valée, tausend Dank. Ja, Deine Erzählung hilft!!
Denn als selbst so emotional klarer Mensch, der mit viel Liebe aufgewachsen ist, kann ich mich manchmal so gar nicht in ihn hinein versetzen. Deshalb ist es schön, Deine Sicht der Dinge zu lesen. Auch das, was Du schreibst bezgl. "nicht nur sich nicht zu trauen, sondern vor allem nicht zu können" - was mir so fremd ist, weil mir alles so klar ist.
Sicher hast Du also recht, dass es bei ihm nicht nur um Angst, sondern schlicht um ein noch nicht so klar sagen KÖNNEN geht. Das passt auch zu seinen Worten ... Schön ist auch, Deine "Ich liebe Dich-Story" zu hören. Er sagt auch immer "Ich sage es Dir doch auf 1000 anderen Wegen, eben nur nicht direkt."
Ich hoffe Deine Geschichte hilft mir, wie Dein Freund, noch viel mehr Geduld zu haben. Und von dem was "man nun müsste" (aber auch ich gerne will), etwas Abstand zu nehmen, damit er sich klarer werden kann - und er den nächsten Schritt andeutet.
Danke Dir, wirklich!
Kastanie
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