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Wintersonne
sporadischer Gast


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Norddeutschland W, 34
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Mon, 26.Jun.06, 18:13 "Du erwartest zuviel." |
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Hallo zusammen,
habe mich gerade in sehr vielen Themensträngen festgelesen und bin froh hier gelandet zu sein. Wie wunderbar hier miteinander umgegangen wird und wie differnziert die Antworten sind, schön ist das.
Wo fange ich an? Ich habe schier einen Berg von Problemen vor mir, von dem es mir auch nur sehr schwer gelingt ihn in handhabbare Häppchen einzuteilen und das obwohl ich mich coachen lasse und (wieder) in Therapie bin (Gesprächstherapie). Ich habe das Gefühl davon nur einen Bruchteil vom Kopf ins Herz umsetzen zu können, und nicht das Gefühl, dass sich durch die (seit 1 J) Therapie viel ändert.
Ich habe aber schon ewig das Gefühl, dass es bei mir stagniert, dass alle anderen sich um mich herum weiterentwickeln, nur ich in den alten Problemen hänge. Ich überlege auch die Therapie abzubrechen. Mir geht es oft mieß und ich weiß dann wirklich nicht mehr wohin noch damit außer zu Freunden, die ich gerne räumlich wie gefühlsmäßig näher wüßte.
Ich finde es sehr sehr schwierig immer wieder bei 0 anfangen zu müssen, weil mir - vor kurzem - auch dann deutlich gesagt wird, dass ich zu "needy" wirken würde. Ja, verdammt, und selbst wenn es so ist; ich brauche (und wünsche) mir nunmal Freunde, die mehr sind als Sonnenscheinfreunde! Näh bedeutet für mich auch - aber natürlich nicht nur - Sorgen zu teilen und zuzuhören. Ich weiß, dass da ein Gegenüber oft nicht aktiv "helfen" kann, mir genügt dass mir jemand zuhören kann.
"Du erwartest zuviel" höre ich immer wieder, gerade bin ich dabei mich deshalb von einer der wenigen Freundschaften verabschieden zu müssen, die ich dachte hier aufgebaut zu haben, wo ich seit 2 J wohne. Es macht mich traurig, dass immer derjenige recht hat, der weniger Nähe will. Loslassen - wie geht das?
Oder wo erkenne ich nur "unverhältnismäßig viel Nähe" als gut genug für mich an? Wer definiert das?
Gerade weil ich seit 1,5 J keine Beziehung und zu wenige enge Freunde habe, erscheint es mir doppelt schwer neu anzufangen. ("Mit der muß ja irgendwas nicht stimmen" und "wenn du Freunde hättest, wäre es einfacher" sagen manche.) Ich möchte aber dennoch authentisch sein dürfen, ich habe keine Lust anderen einen ach-so-großen-Freundeskreis vorzuspielen.
"Du erwartest zuviel." sage ich mir oft - beruflich bin ich nach 6 J nach meinem Diplom nun kurz davor ein unbezahltes Praktikum zu machen - nach 2 Anläufen gescheiterter Selbständigkeit kurz vor der Privatinsolvenz. Ich, die ich immer wußte was ich will, muß nun einsehen, das mein Talent offenbar doch nicht groß genug ist, davon zu leben.
"Du erwartest zuviel." an all die Ärzte und Mediziner und meine Ausdauer, die sich schon an meinem großen Thema die Zähne ausgebissen haben, mit dem ich es immer noch nicht geschafft habe es zu akzeptieren, was bei mir auf Knopfdruck, auf Themennennung die Tränen fliessen läßt: mein Haarausfall seit ich 17/18 bin (wohl erblich) - eine Zeitlang konnte ich mich gar nicht im Spiegel sehen oder die Haare waschen ohne Heulkrampf. Inzwischen sieht man es deutlich, ich könnte aber nie eine Perücke tragen oder ein Haarteil, ganz davon abgesehen, habe ich kein Geld dafür. Waschen ohne Heulkrampf geht zwar meistens inzwischen seit ein paar Jahren. Aber reden tue ich darüber mit so gut wie niemandem.
Und insgesamt schäme ich mich immer mehr noch dafür, DASS ich so sehr darunter leide. Es ist mir peinlich.
Und es ist so schwer Selbstbewußtsein aufzubauen, wenn ich meine Erwartungen nicht herunterschrauben kann und mich dazu zum teil auch noch selber sabotiere.
Vielleicht als Einstieg nur die Frage: Was kann man TUN, was tut ihr aktiv , um eure Erwartungen an euch selbst erfüllbar zu halten bzw. und vor allem runterzuschrauben?
fragt sich ebenso neugierig wie gerade traurig
die Wintersonne
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Toughy
[nicht mehr wegzudenken]
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1312
Dtld W, 29
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Mon, 26.Jun.06, 23:21 Re: "Du erwartest zuviel." |
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Liebe Wintersonne,
teilst Du generell den Eindruck, dass Deine Erwartungen zu hoch sind und willst sie deshalb herunterschrauben? Oder willst Du Deine Erwartungen an Deine Freunde minimieren, um überhaupt noch etwas von ihnen zu bekommen, ohne frustriert zu sein, dass es nicht mehr ist?
Vielleicht ist es ratsam, zwischen Erwartungen an andere (Nähe, Rückhalt) und an sich selbst (persönlicher Erfolg) zu unterscheiden? Ich weiß es nicht, aber mir kommt gerade der Gedanke, dass Deine Erwartungen an Dich selbst evtl. übersteigert sind. Und manchmal ist es nun einmal so, dass man die Erwartungen an sich selbst auch auf andere überträgt. Wenn Du dann mit Dir "überfordert" bist, ist es vielleicht nicht ganz abwegig, dass Deine Freunde es auch sind?
Aber mal der Reihe nach:
| Wintersonne wrote: | | (Gesprächstherapie). Ich habe das Gefühl davon nur einen Bruchteil vom Kopf ins Herz umsetzen zu können, und nicht das Gefühl, dass sich durch die (seit 1 J) Therapie viel ändert. |
Ich habe kürzlich selber etwas zu hören bekommen, das evtl. auch auf Dich zutreffen könnte: Veränderung ist erst der zweite Schritt, und es ist kein Wunder, dass ich nicht vorwärts komme, wenn ich den ersten Schritt überspringen will. Der erste Schritt heißt: Annehmen.
Deinen Haarausfall zumindest scheinst Du nun gar nicht (mehr) als Problem für Dich anzunehmen. Denn Du schreibst ja:
| Wintersonne wrote: | | Und insgesamt schäme ich mich immer mehr noch dafür, DASS ich so sehr darunter leide. Es ist mir peinlich. |
Mag sein, dass Du die Frage gar nicht beantworten kannst, aber wäre es denkbar, dass z.B. Dein Ringen um beruflichen Erfolg eine Konsequenz aus Deinem Haarausfall ist? Thema Selbstwert halt, Bestätigung in Deinem Wert. Was meinst Du dazu?
Ähnlich könnte meine Vermutung bzgl. Deines Nähe-Bedürfnisses lauten. Allerdings kann ich ja nun gar nicht einschätzen, wie Deine Freundschaften gestaltet sind. Du meintest, Schönwetter-Freunde bräuchtest Du nicht. Das kann ich durchaus verstehen. Nur könnten Deine Freunde denn vielleicht den Eindruck haben, dass es bei Dir ausschließlich regnet? Habt Ihr auch Spaß miteinander, lacht Ihr zusammen, gebt Ihr auch mal der entspannten "Oberflächlichkeit" Raum? Wenn Kontakte nämlich überwiegend "schwer" sind, können sie mit der Zeit tatsächlich recht anstrengend werden.
Ansonsten gilt sicherlich auch hier, dass Du Dein Bedürfnis nach Nähe annimmst. Allerdings erscheint mir das anhand Deiner Zeilen nicht gerade als Problem.
Nun zu Deiner Frage an uns Antwortende:
| Wintersonne wrote: | | Was kann man TUN, was tut ihr aktiv , um eure Erwartungen an euch selbst erfüllbar zu halten bzw. und vor allem runterzuschrauben? |
Ich finde das ganz schwierig, aber aktuell bin ich dabei, einen liebevolleren Umgang mit mir selbst zu üben. D.h. ich schraube die Erwartungen an mich nicht unbedingt runter, erlaube mir aber zunehmend, nicht alles auf einmal und sofort packen zu müssen. Mag sein, das trifft auf Dich so nicht zu, aber meine Strategie besteht eben zunächst einmal darin, mich für Fehl- und Rückschläge oder Stagnation ("Warum ist es denn immer noch nicht gut?!!") nicht mehr zu verteufeln. Annehmen eben.
Liebe Grüße,
Toughy
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_________________ Es ist wichtig, jemanden dort abzuholen, wo er gerade ist. Aber manchmal ist es auch wichtig, jemanden dort zu lassen, wo er gerade sein will. |
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Wintersonne
sporadischer Gast


5
Norddeutschland W, 34
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Tue, 27.Jun.06, 11:28 Re: "Du erwartest zuviel." |
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Liebe Toughy,
ganz herlichen Dank, ich möchte schauen was ich beantworten kann:
| Toughy wrote: | | Vielleicht ist es ratsam, zwischen Erwartungen an andere (Nähe, Rückhalt) und an sich selbst (persönlicher Erfolg) zu unterscheiden? |
Das stimmt, beide werden von mir als "zu hoch" empfunden. Damit geht es mir nicht gut. Beruflich stecke ich ganz dick in der Krise und habe keinen finanziellen Bewegungsspielraum mehr. Das was ich wirklich will, weiß ich seit Jahren und ich war immer so stolz darauf, das zu wissen und studieren zu dürfen und auch kurz danach stürzte ich mich mit meinem damaligen Freund in die Selbständigkeit. Wir waren keine Überflieger, aber es lief. Und je weniger es seit vier fünf Jahren läuft, umso mehr verkrampfe ich, werde ich bewegungsunfähig voranzugehen. gegen diese Blockade anzugehen kostet mich mehr Kraft als alles andere. Letztes Jahr hatte ich kurze Zeit meinen Traumjob, was ich sehr genossen habe, doch der war befristet. Danach war ich kurz angestellt und bin in der Probezeit wieder gekündigt worden. Ich habe soviel genebenjobbt in den letzten Jahren, dass selbst Erfolge im Callcenter (wo man immer was kriegt) ausblieben und ich zuletzt auch da nach einer Woche den Job verlor.
| Toughy wrote: | Ich weiß es nicht, aber mir kommt gerade der Gedanke, dass Deine Erwartungen an Dich selbst evtl. übersteigert sind. Und manchmal ist es nun einmal so, dass man die Erwartungen an sich selbst auch auf andere überträgt. Wenn Du dann mit Dir "überfordert" bist, ist es vielleicht nicht ganz abwegig, dass Deine Freunde es auch sind?  |
Ja, das ist mir bewußt. Jetzt ist es bei mir scheinbar anders *lach* - okay, immerhin halte ich mich da für besonders *hüstel* - Nur: wie ändere ich das? Ich glaube das hängt bei mir mit einer bestimmten Denk/Erlebensstruktur zusammen, die ich einfach mal in einem neuen Thread anbiete. (kann dann bis nächste Woche warten)
| Toughy wrote: | Ich habe kürzlich selber etwas zu hören bekommen, das evtl. auch auf Dich zutreffen könnte: Veränderung ist erst der zweite Schritt, und es ist kein Wunder, dass ich nicht vorwärts komme, wenn ich den ersten Schritt überspringen will. Der erste Schritt heißt: Annehmen.
Deinen Haarausfall zumindest scheinst Du nun gar nicht (mehr) als Problem für Dich anzunehmen. |
Annehmen. Sehr interessanter Aspekt, das mit der ersten Stufe. Danke! Ja, fällt mir schwer. Ich bin - oder genauer war - ein sehr aktiver Mensch, will die Fäden in der Hand halten. Meistens hat das dann auch alles geklappt wie ich wollte. Beschäftige mich gerade mit EFT (Klopfakkupressur) und merke, dass mich da auch schnell wieder die Motivation verläßt dranzubleiben.
| Wintersonne wrote: | | Und insgesamt schäme ich mich immer mehr noch dafür, DASS ich so sehr darunter leide. Es ist mir peinlich. |
Damit meine ich, dass ich mich für mein Leiden darunter schäme. Ich überdecke das eigentliche Gefühl noch mit einem hinderlichen Metagefühl. Ich weiss ja: von Haarausfall stirbt man nicht, die Bewegungsfähigkeit ist nicht eingeschränkt etc. Und doch erlebe ich mich als eingeschränkt: beim Flirten und Menschenkennenlernen, weil ich nicht dazu stehen kann, meinen Kopf für unattraktiv halte, meistens.
Kennt das noch jemand, dieses doppeln? Dazu scheine ich ein großes Talent zu haben? *ähem*
(Teil 1)
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Wintersonne
sporadischer Gast


5
Norddeutschland W, 34
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Tue, 27.Jun.06, 11:31 Re: "Du erwartest zuviel." |
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(Teil 2)
| Toughy wrote: | | Mag sein, dass Du die Frage gar nicht beantworten kannst, aber wäre es denkbar, dass z.B. Dein Ringen um beruflichen Erfolg eine Konsequenz aus Deinem Haarausfall ist? Thema Selbstwert halt, Bestätigung in Deinem Wert. Was meinst Du dazu? |
Ja, auch das ist mir bewußt. Ich möchte diese blöde Verknüpfung loswerden! Aber wie? Meine Therapeutin sagt, dass "Selbstwert" das eigentliche Thema sei - deshalb rede ich mit ihr selten über den Haarausfall an sich, ja auch mit anderen so gut wie nie, das macht viele absolut hilflos - und doch möchte ich das mal, darüber reden! Mir scheint, das hält nur keiner aus, weil Angst davor.
| Toughy wrote: | | Schönwetter-Freunde (...) Habt Ihr auch Spaß miteinander, lacht Ihr zusammen, gebt Ihr auch mal der entspannten "Oberflächlichkeit" Raum? Wenn Kontakte nämlich überwiegend "schwer" sind, können sie mit der Zeit tatsächlich recht anstrengend werden. |
In letzter Zeit war es wohl für sie überwiegend "schwer". Ich bin jemand, bei mir müssen Probleme "raus" - ich schätze es sehr, wenn mir jemand zuhören kann. (Umgekehrt steige ich aber auch supergerne auf Albernheiten ein, gehe gerne tanzen, ziehe durch Kneipen etc.) Dass da wer anders oft nix tun kann ist mir klar, sage ich ausdrücklich und meine es auch. Offene Ohren sind mir da was sehr wertvolles. Auch da frage ich mich: suche ich mir bloß die nicht zu mir passenden Freunde (aber was habe ich davon?) - und die Menschen, die das sind, sind alles andere als oberflächlich - oder ticke ICH irgendwie falsch, dass meine Problemtoleranzgrenze zu niedrig ist? Ich habe, auch wenn ich selber so meine Themen habe, stets gern ein offenes Ohr für andere. Habe auch schon mehrfach angesprochen, dass ich keine Schonzeit brauche.
| Toughy wrote: | | Ansonsten gilt sicherlich auch hier, dass Du Dein Bedürfnis nach Nähe annimmst. Allerdings erscheint mir das anhand Deiner Zeilen nicht gerade als Problem. |
Doch auch. Das ist ja das irrwitzige. Hier scheint mir erlebe ich, dass eben das "annehmen" und dazu stehen AUCH negative Konsequenzen nach sich zieht: wer will schon mit "bedürftigen" Freundschaft schließen? Ich möchte einfach nicht glauben, dass ich in den letzten zwei Jahren immer nur an Menschen getroffen bin, die genau umgekehrt diesbezüglich eine extrem niedrige Toleranzschwelle haben.
Ich lerne gerne aus solchen Begegnungen, die Frage "Was hat das mit mir zu tun?" bringt mich da schon weiter, mich sehnt einfach nur mal wieder nach wenigstens einem Lebensbereich wo es stimmig ist.
Ich habe schon viel zu lange das Gefühl bei mir stimmt und funktioniert gar nix: kein Job, kein Geld, keine Beziehung, zu wenig Freunde, zu wenige Haare und zu wenig Selbstwertgefühl - mir ist völlig bewußt, dass das total unattraktiv wirken muß und auch das Bewußtsein hilft mir kein bischen. Ich brauche einfach mal jemand, der mich in den Arm nimmt und sagt: Alle wird gut!
Vielen Dank bis dahin sagt
die Wintersonne
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