Probleme in der Kindheit u. Folgen?!

sporadischer Gast 22 Deutschland W, 20

Hallo!

Gleich mal vorneweg: Ich war mir nicht sicher ob es sich hier um den richtigen Bereich für meinen Beitrag handelt, sollte dies nicht der Fall sein lässt sich ja bestimmt etwas daran ändern:)

Ich hab lange überlegt ob ich meine Gedanken hier mal aufschreiben sollte. Es fällt mir sehr schwer da ich leider auch nicht so genau weiss, was ich mir davon eigentlich erhoffe! Jedenfalls beschäftigt mich die ganze Sache doch sehr...
Es geht um meinen Freund und dessen Vergangenheit und die wohl daraus resultierende Gegenwart. (wasn Satz-.-)
Also: Mein Freund ist der Jüngste von 3 Brüdern. Mit seinen Brüdern hat er sich nie wirklich verstanden, d.h. sie haben als er noch jung war auf ihm rumgehakt und inzwischen hat er eigentlich gar kein Verhältnis mehr zu ihnen. Also mehr als hallo sagen ist da nicht (wohl von beiden Seiten.) Er hat mir erzählt dass wenn er seine Mutter damals wegen der Ärgereien seiner Geschwister angesprochen hat sie nur mit Dingen wie "Die sind doch gar nicht da" geantwortet hat , also sich nicht weiter darum gekümmert.
Zudem hat er bis er ca.13/14 war Nachts (fast jede Nacht) noch ins Bett gemacht. Soweit er sich erinnern kann gab es dort ebenfalls keine Reaktion seiner Eltern d.h. Bett abgezogen und gechwiegen. Die Brüder haben halt wieder mit irgendwelchen dummen Sprüchen um sich geschmissen. Speziell zu dieser "ins bett machen"-geschichte fällt mir noch ein dass er in dem Alter auch mit der Schule weggefahren ist für 2 Wochen und seine Eltern ihn ohne ein Wort einfach mitfahren lassen haben obwohl sie wussten dass es ihm dauernd passiert. Er hat sowieso immer geschwiegen und sich dann auf dieser Klassenfahrt (o. was es war) auch jede Nacht eingenässt bis der Lehrer irgendwann meinte das würde ja stinken er soll mal die Matratze wechseln. (Finde ich persönlich eine sehr unpädagogische Reaktion o.O) Reaktionen der Mitschüler kann man sich bestimmt denken. Zudem er auch in der Schule wohl extreme Probleme hatte irgendwelche Kontakte zu knüpfen. Er hatte also im Großen und Ganzen keine Freunde. Er wurde in der Schule fertig gemacht und auch in dem Sportverein in dem er spielte bzw. spielen musste da seine Brüder dies auch taten. Das ging dann auch so weit bis er vom Training abgehauen ist... Allerdings gab es auch da keine Reaktionen, weder von den Eltern noch vom Trainer. Und aufhören durfte er nicht.
In der Schule erklärten sie ihn für Jemanden mit einer ansteckenden Krankheit (da er schnell errötet) und meinten man dürfe ihm nicht zu Nahe kommen. Zu allem Unglück hatte er auch noch des Öfteren Herpes was die Sache auch nicht gerade erleichterte.
Naja und inzwischen hat er eine Psychose und muss Medikamente nehmen und es gab Zeiten in denen er sich selbst verletzt hat....

Was ich jetzt eigentlich so genau wissen will weiss ich auch nicht... ich frage mich einfach wieso das Verhältnis zwischen ihm und seinen Eltern so merkwürdig ist und war? Sad

Außerdem frage ich mich wieso er so lange noch ins Bett gemacht hat (und wieos da eigentlich auch keiner reagiert hat)?
Ist es möglich dass die Psychose mit seiner Kindheit in Verbindung steht??

Sehr "nichtssagende Fragen"...jedoch hoffe ich trotztdem dass es mir erlaubt ist meine Gedanken mal hier aufzuschreiben, vlt gibt es ja irgendwen der sich dazu äußert...

mfg Sanaschia

PS: hoffe nicht zu wirr geschrieben.

Forums-InsiderIn 368 --- W, 44

Hallo Sanaschia,

Quote:

Sehr "nichtssagende Fragen"

Im Gegenteil, Fragen die einen Lebensweg nachvollziehen möchten.

Du schilderst die Kindheit eines sensiblen, schüchternen Jungen, der an der letzten Stelle in der Geschwisterreihe stand. Das Nesthäkchen zu sein kann bedeuten, dass man ganz viel Beachtung bekommt, es kann aber auch sein, dass man keine Beachtung mehr bekommt, weil die Größeren schon alles abverlangt haben, die Eltern schlechthin überfordert sind mit ihrer Aufgabe, keine Kraft oder noch schlimmer, keine Lust mehr haben Rolling Eyes

Ich kann mich gut reindenken, mein Lebensgefährte (heute 41) hat eine ähnliche Erfahrung gemacht, er wurde als Kind in seiner Familie einfach nicht gesehen, nicht wahr-genommen (in seiner Sensibilität).

Bettnässen (ein Schrei nach Aufmerksamkeit), Herpes (ein viraler Infekt der in seelischen Stresssituationen körperlich schmerzlich sichtbar wird), Ritzen (der Versuch sich selbst zu spüren weil man sich nur diffus wahrnehmen kann), Erröten (Unsicherheit bezüglich des eigenen Standpunktes), das sind alles Symptome, dass er sich in seiner Familie nicht ernst und angenommen fühlte, nicht wahrgenommen.

Hast Du selbst eine Vorstellung davon, wieso seine Familie nicht reagiert hat ?

Viel wichtiger noch: wie gehst Du mit Deinem Freund um, nimmst Du ihn wahr ?

Wie Du siehst, es gibt Antworten. Und neue Fragen.

Mein Lebensgefährte errötet heute übrigens nicht mehr, wenn wir miteinander reden. Als wir uns kennenlernten, passierte es sehr häufig, mittlerweile habe ich festgestellt, dass es in Gesprächen mit Anderen ebenfalls kaum noch passiert. Wir sind seit drei Jahren zusammen.

Liebe Grüße
Cantadora44

sporadischer Gast 22 Deutschland W, 20

Hallo Cantadora,

vielen Dank für deinen Beitrag:)!

Zu der Sache mit dem Bettnässen. Ich hab des Öfteren schon gelesen dass das angeblich in den meisten Fällen keine psychischen Ursachen haben soll, wobei ich mir nicht vorstellen kann das er irgendeine Krankheit hatte und diese von selbst irgendwann "verschwand". Ich kenne mich mit diesem Thema nicht wirklich aus und würde daher auch denken dass es seelische Probleme waren... aber irgendwie verunsichert mich das schon.

Quote:

Hast Du selbst eine Vorstellung davon, wieso seine Familie nicht reagiert hat ?

Naja, ich konnte mir bisher nicht wirklich ein großes Bild von seiner Familie machen. Auf mich wirkt die Familie allgemein sehr zerrüttet d.h. Jeder lebt sozusagen für sich und es besteht kaum Interesse für die Anderen. Sein Vater ist noch berufstätig und war so weit ich das verstanden habe auch während der Kindheit meines Freundes nicht allzuoft zu Hause. Seine Eltern trinken scheinbar Beide recht oft Alkohol und unternehmen auch nichts großartig miteinander.
Ich weiss nicht ob die Mutter vielleicht mit der Erziehung von drei Kindern überfordert war oder woran es lag das nie reagiert wurde.

Quote:

Viel wichtiger noch: wie gehst Du mit Deinem Freund um, nimmst Du ihn wahr ?

Hmm ja ich glaube da liegt auch ein Problem. Ich nehme meinen Freund sehr ernst/wahr und interessiere mich für Ihn und sein Leben. Ich habe nur des Öfteren das Gefühl dass er selbst mit dieser Tatsache nicht so ganz klarkommt. z.B. reagiert er sehr verwundert manchmal sogar gereizt darauf wenn ich ihn lediglich frage wie denn sein Tag so war, was auf der Arbeit passiert ist etc. Es scheint für ihn unverständlich zu sein dass mich so etwas interessiert.
Er hat generell Probleme über sich/Gefühle o.ä. zu sprechen und manchmal stört es ihn sogar wenn ich ihn anschaue weil er sich dann gleich wieder kritisiert fühlt und denkt mir gefällt etwas an ihm nicht Sad

Hat dein Partner auch Probleme über sich zu sprechen? Wie reagiert er denn darauf "wahr genommen" zu werden?

mfg

Sanaschia

Forums-InsiderIn 368 --- W, 44

Hallo Sanaschia,

damit --->

Quote:

Auf mich wirkt die Familie allgemein sehr zerrüttet d.h. Jeder lebt sozusagen für sich und es besteht kaum Interesse für die Anderen.

hast Du schon ein Teil der Antwort, warum sich keiner um Deinen Freund gekümmert hat.

Quote:

z.B. reagiert er sehr verwundert manchmal sogar gereizt darauf wenn ich ihn lediglich frage wie denn sein Tag so war, was auf der Arbeit passiert ist etc. Es scheint für ihn unverständlich zu sein dass mich so etwas interessiert.

Ich kann ähnliches berichten über meinen LG. Als wir anfangs zusammen waren schaute er mich an als ob ich von einem anderen Stern käme, wenn ich ihn Abends fragte, wie es ihm geht, wie sein Tag war. Er kannte so was nicht und ich muss leider sagen, bis heute hat er sich auch nicht damit bekannt gemacht. Seine Antworten waren eher einsilbig und beschränkten sich meist darauf, dass „nichts Besonderes“ war. Manchmal hat er erst Tage oder Wochen später über ein Ereignis berichtet, das er ebenso gut am Abend hätte berichten können.

Quote:

Hat dein Partner auch Probleme über sich zu sprechen? Wie reagiert er denn darauf "wahr genommen" zu werden?

Ja, die hat er. Er spricht so gut wie nie über sich, kann auch nicht gut damit umgehen, wenn ich ihn längere Zeit mal schweigend anschaue, weil er dann vermutet, ich suche etwas an ihm. Dabei schau ich ihn einfach nur gerne an, er ist ein äußerst attraktiver Mann. Laughing

Ich habe mich mittlerweile damit arrangiert, dass er ein sehr introvertierter Mensch ist, der kaum was nach außen lässt. Er selbst äußerte allerdings kürzlich, als wir über dieses Thema sprachen, dass er meint, es wäre schon viel besser mit ihm geworden.

Ich sehe mittlerweile die positiven Seiten seiner Persönlichkeit, obwohl ich anfangs dachte, dass er offener werden muss: ich bin selbst eher temperamentvoll, sozusagen sein Pendant und mit meinem Temperament schieße ich (leider) auch manchmal übers Ziel hinaus, habe ihn deshalb in Diskussionen auch schon verletzt. Dies nimmt er ebenfalls mit Gleichmut hin, weist mich aber irgendwann später darauf hin, dass ich zu weit gegangen bin und sagt mir im gleichen Atemzug, dass er mich liebt. Laughing

Glaubst Du, Du kannst mit Deinem Freund zurechtkommen, so wie er ist ?

LG
Cantadora

sporadischer Gast 22 Deutschland W, 20

Huhu!

Quote:

Seine Antworten waren eher einsilbig und beschränkten sich meist darauf, dass „nichts Besonderes“ war.

Jaaa, das kenne ich nur zu gut. Das ihm Dinge die mich in diesem Augenblick wohl interessiert hätten Tage später einfallen ist des Öfteren der Fall. Oftmals aber merkt man an seiner Art dass ihn etwas bedrückt aber er kann irgendwie nicht darüber reden und wird manchmal etwas panisch.

Quote:

Glaubst Du, Du kannst mit Deinem Freund zurechtkommen, so wie er ist ?

Es gibt Zeiten in denen ich sehr gut mit der ganzen Situation klar komme. An anderen Tagen zweifel ich wieder und frage mich ob ich so wirklich glücklich werden kann. Ich habe meine Bedenken ob es auf die Dauer funktionieren kann wenn er nicht ein wenig mehr aus sich heraus kommt. Damit meine ich natürlich nicht dass er sich zum totalen Gegenteil "verwandeln" sollte. Mir ist klar, dass man mit solch einer Kindheit kein aufgeschlossener, extrovertierter Mensch werden kann... jedoch würde ich mir im Bezug auf mich als seine Freundin eben doch ein wenig mehr Aufgeschlossenheit wünschen und vorallem dass er keine Angst vor meinen Reaktionen auf bestimmte Tatsachen hat...

z.B. hat er mir immer erzählt er hätte vor mir schon zwei Freundinnen gehabt. Von meiner direkten Vorgängerin gab es ein Foto, Namen, ein wenig Hintergrundinfo's. Von der angeblich Ersten wusste er lediglich noch den Vornamen. Er behauptete mit ihr sein erstes Mal gehabt zu haben usw. Jedoch meinte er immer den Rest über sie vergessen zu haben, da sie die Beziehung mit ihm beendet hatte weil er so nervig gewesen sei. Nach einigen Monaten beichtete er mir dann dass diese Person nur erfunden sei und dass er Angst gehabt hätte "unreif" o.ä. zu wirken, da er in Wirklichkeit eben mit 22 das erste Mal mit einem Mädchen in Kontakt gekommen ist. Er hat also eine Freundin erfunden um auf eine gewisse Art "gut anzukommen". (Nat. nicht nur bei mir sondern generell bei anderen Menschen.) Mich hat das irgendwie geschockt. Ich habe mich oft gefragt ob ich nach Außen hin so wirke als ob ich auf solche Oberflächlichkeiten Wert lege. Es kann schon verletzend sein wenn man so angelogen wird... Ich habe zwar seine Not durchaus verstehen können...ich liebe ihn wirklich sehr, aber es ist definitiv nicht einfach damit umzugehen. Sad

Zudem beschäftigt mich eben sein Umfeld. Gut, die Kindheit ist Vergangenheit und man kann da nichts mehr ändern...aber in der Gegenwart schaut es eben auch nicht vielversprechender aus...
Er hat keine (eigenen) Freunde - nur Chatbekanntschaften und mich sowie eben meine Freunde.
Seine Eltern interessieren sich scheinbar immernoch nicht, obwohl er noch zu Hause lebt und das Verhältnis zu seinen Brüdern ist ebenfalls bei 0.
Im Job schauts auch nicht gerade rosig aus. Wahrscheinlich wird er gegen November wieder arbeitslos werden, was auch nicht förderlich für sein Selbstvertrauen ist. (Er war bis Ende Juni einige Monate ohne Arbeit.)

Hach jetzt habe ich so viel geschrieben... jetzt weiss ich auch nicht mehr... Irgendwie auch belastend die Einzige zu sein die sich um ihn sorgt.

lg

Sanaschia

Psychotherapie-Forum (Archiv 2002-2007)

Forum:

Mehr über PT:

Probleme in der Kindheit u. Folgen?!