Große Sehnsucht bekämpfen oder leben?

Forums-Gruftie 505 am See W, 45

Guten Morgen, ich hatte etwas Probleme, den passenden Titel zu meinem Anliegen zu wählen.

In meiner Therapie die nun schon ein paar Jahre vorbei ist, habe ich erkannt, dass ich schon als Kind viel Verantwortung übernommen habe. Zum einen für meine Geschwister, zum anderen für das Wohlbefinden meiner Mutter (Mama hat wieder Magenschmerzen wegen Euch…).

Auch in meinen Beziehungen habe ich die Beziehungsarbeit geleistet. Habe mir auch dort die Verantwortung „überstülpen lassen“, für das Wohlergehen der Partner zuständig zu sein. Leider musste ich die Erfahrung machen, wenn ich etwas Schwäche zeigte, bzw. auch mal „hilfebedürftig“ (z. B. weil ich ein Kind bekommen habe), dass ich dann verlassen wurde.

In der Therapie stellte sich auch heraus, dass ein großer Wunsch bei mir besteht, auch mal „versorgt“ zu werden. Dieser Wunsch hat sich regelrecht zu einer großen Sehnsucht verwandelt. Das aber sicher schon seit Jahren, nur unbewusst halt. Nach und nach entwickelt sie sich zu einer Qual. Diese unerfüllte Sehnsucht setzt in mir so viele Emotionen frei: Trauer, Wut, Verlassenheitsgefühle.... Sie blockiert mich in so vielem in meinem Leben, weil der Schmerz mich oft richtig lahmlegt.

Der Hauptgrund, weshalb ich nun hier schreibe ist der:

Ist diese Sehnsucht krank?

Ich weiß nicht, ob ich mich mit solch einer Sehnsucht wieder in eine Beziehung wagen darf. Würde das bedeuten, dass ich meinem Partner die Verantwortung für mein Wohlergehen übergebe? Das was ich nun meinen Expartnern vorwerfe. Würde ich damit das selbe tun? Ich will ja niemandem alles von mir aufbürden, ich bin auch ein sehr aktiver und kreativer Mensch, meist aber nur, wenn ich mich geborgen fühle.

Muß ich warten, bis diese Sehnsucht irgendwann nicht mehr so groß ist, wird das überhaupt jemals passieren. Irgendwie habe ich das Gefühl, das die Sehnsucht immer schlimmer wird...

Soweit erstmal, ich freue mich über Gedankenanregungen von Euch.

Danke und Gruß
hope62

Forums-Gruftie 944 BRD W, 24

Hallo hope,

das ist ein interessantes Thema, auch für mich selbst. Ich bin gespannt, was du für Antworten bekommen wirst.

Ich kann dir im Moment eigentlich nur sagen, was meine Thera dazu vermutlich sagen würde: Dass du versuchen könntest, die Erfüllung deiner Sehnsucht auf verschiedene Leute aufzuteilen. Sie dir von Freunden, Familie und auch deinem Partner zu "holen". Das erfordert natürlich Initiative von dir und Vertrauen darin, dass die anderen ihre Grenzen wahren ...

Ich selbst stehe diesem Rat übrigens mit etwas zwiespältigen Gefühlen gegenüber, aber ich lass ihn mal hier stehen, vielleicht kannst du damit etwas anfangen. grinsend

Ich wünsch dir was,

thorn

Forums-Gruftie 505 am See W, 45

Liebe thorn, danke für Deine Antwort.

Quote:

Ich kann dir im Moment eigentlich nur sagen, was meine Thera dazu vermutlich sagen würde: Dass du versuchen könntest, die Erfüllung deiner Sehnsucht auf verschiedene Leute aufzuteilen. Sie dir von Freunden, Familie und auch deinem Partner zu "holen".

Da fängt das Problem ja schon an. Familie fällt da raus und Partner auch, weil ich keinen habe.

Mit Freunden kann man einiges teilen und man kann dort auch etwas geben und bekommen. Aber das reicht mir nicht zum leben.

Es geht darum, zu wissen, dass da jemand an meiner Seite ist, mit dem ich gemeinsam kämpfen kann. Und ich denke auch, dass ich oft die Sehnsucht habe, auch mal "bemuttert" zu werden. Und wenn mir der Gedanke kommt, dann denke ich, dass darfst Du nicht, das paßt nicht in eine erwachsene Beziehung. Dabei scheint das Quatsch zu sein. Als ich meinen zweiten Mann mal zu einem Theragespräch begleitet habe, sagte seine Thera zu ihm:" Herr....., ich kann verstehen, dass Sie bemuttert werden möchten. Sie bekamen das von Ihrer Frau und in gewisser Hinsicht auch von mir. Das ist auch ok. Aber auch ihre Frau braucht das mal. Sogar ich (damit meinte sie natürlich nicht von ihm)."

Jeder Mensch scheint das irgendwie zu brauchen, oder? Das gefühl zu haben, dass da jemand da ist, wenn es einem mal schlecht geht, oder man einfach nicht die Kraft für alles hat.

Das möchte ich in einer Partnerschaft leben. Wenn ich überlege, dann ist es genau das, was mir als Kind fehlte. Genau das ist es, was meine Mutter garnicht geben kann/konnte.

Mir würde das aber ein Sicherheits- und Geborgenheitsgefühl geben.

Forums-InsiderIn 456 Deutschland W, 38

liebe hope.

ja, ich denke, dass es etwas sehr natürliches ist, dass man dieses bedürfnis in einer partnerschaft erleben/ausleben kann. ja eigentlich sogar erleben muss. das gehört - finde ich - wechselseitig dazu. halten und gehalten werden.

ich habe damit auch so meine schwierigkeiten, bei mir ist es mehr das geben, das mir schwierigkeiten bereitet (e) - weil ich mich selbst oft so bedürftig fühl(t)e Rolling Eyes

habe in der thera gelernt, besser damit umgehen zu können, dass mein partner auch mal schwach und bedürftig ist und ich mal die starke bin, die ihn auch trösten kann... früher war es meistens umgekehrt und das überfordert wohl jeden partner, weil er/sie eben NICHT die mutter ist... aber gegenseitig sich das zu geben, was jeder mensch ab und zu mal braucht, ist etwas ganz schönes und natürliches... zumindest sieht das mein analytiker so und ich gucke mir manches gern von ihm ab grinsend

caroline

Forums-Gruftie 505 am See W, 45

Quote:

ich habe damit auch so meine schwierigkeiten, bei mir ist es mehr das geben, das mir schwierigkeiten bereitet (e) - weil ich mich selbst oft so bedürftig fühl(t)e Rolling Eyes

Ich kann das kaum nachvollziehen, aber da müssen Deine Defizite sicher noch größer sein als meine. hug

. Ich denke mal, zumindest meinem zweiten Mann ging es auch so. Er tut mir einerseits sehr leid, weil ich gut verstehen kann, was er an mir suchte und hatte. Aber ich bin auchsehr sauer auf ihn, dass er mich immer "hängen ließ". Embarassed

Quote:

aber gegenseitig sich das zu geben, was jeder mensch ab und zu mal braucht, ist etwas ganz schönes und natürliches... zumindest sieht das mein analytiker so und ich gucke mir manches gern von ihm ab grinsend

Das ist doch sehr tröstlich für mich zu lesen. Ich wollte und würde ja einem Partner garnicht alles "aufhalsen", ich bin sehr selbständig und kann mich auch oft selber aufraffen, Dinge wieder ins Lot zu bringen.

Aber einfach das Gefühl, da ist jemand, wenn es drauf ankommt. Das erleichtert das Leben doch ungemein.

Forums-InsiderIn 456 Deutschland W, 38

es war aber auch für meinen partner ein lernprozess. da gibt/gab es etwas in ihm, was diese situation auch genossen/gebraucht hat... also, dass er der geber, der retter, der starke war... er hat auch lernen müssen, das schwäche zeigen, o.k. ist.

das ist vielleicht bei dir anders, vielleicht hättest du seinen halt auch gerne angenommen und er konnte nicht oder war noch nicht so weit.

aber oft haben diejenigen, die zumeist "geben" auch ein gewisses bedürfnis danach... und müssen genauso, wie die, die nehmen, nehmen, nehmen, lernen, dass schwäche zeigen, sie nicht schwächt.

Forums-Gruftie 505 am See W, 45

Liebe Caroline,

Quote:

aber oft haben diejenigen, die zumeist "geben" auch ein gewisses bedürfnis danach... und müssen genauso, wie die, die nehmen, nehmen, nehmen, lernen, dass schwäche zeigen, sie nicht schwächt.

Das Problem habe ich garnicht. Ich habe ja sogar die Erfahrungen machen müssen, dass Schwäche zeigen von mir, den Rückzug meiner Männer bewirkt hat. Ich glaube, die mir an nahestehendsten Menschen konnten damit nicht umgehen, waren damit überfordert. Da kam was auf sie zu, mit dem sie garnicht umgehen konnten.

Aber irgendwie verständlich, wenn man bedenkt, dass sie evtl. total bedürftig waren/sind. Da kann bei manchem die Kraft fehlen, oder?

Forums-InsiderIn 456 Deutschland W, 38

hallo hope,

ja, ich glaube das ist es wohl. ich konnte auch erst in dem masse, wie es mir besser ging, erkennen und zulassen, dass auch mein partner seine bedürftigen seiten hat. hatte vorher große angst, das überhaupt wahrzunehmen, weil ja dann für mich niemand mehr da zu sein schien...
(ich schreibe jetzt natürlich aus der völlig entgegengesetzen sicht zu deiner situation)

aber ich bin sicher, dass es diese männer gibt, die es ganz natürlich finden, nicht nur zu nehmen, sondern auch zu geben. grinsend

reife männer Wink

LG
caroline

Forums-InsiderIn 354 Deutschland W, 33

Quote:

aber ich bin sicher, dass es diese männer gibt, die es ganz natürlich finden, nicht nur zu nehmen, sondern auch zu geben

.

Solange es nicht Männer sind, die ebenfalls psych. Probleme haben. Sonst kann das nämlich nach hinten los gehen, wenn beide gleichermaßen "bedürftig" sind.

Ansonten finde ich die Einstellung von hope auch normal. Jeder, der eine Beziehung eingeht, bringt doch den Wunsch mit, Unterstützung zu erfahren,gerade in schwierigen Situationen. Ist doch normal. Für die meisten Frauen ist dieser Beistand sicherlich sogar wichtiger als alles andere.

Karola

Forums-Gruftie 505 am See W, 45

Quote:

Solange es nicht Männer sind, die ebenfalls psych. Probleme haben. Sonst kann das nämlich nach hinten los gehen, wenn beide gleichermaßen "bedürftig" sind.

Diese Konstellation hatte ich ja zuletzt. Das hat mich selber ja erst wachgerüttelt, da habe ich so richtig gemerkt, was mir fehlt.

Ich vermutet mal einfach, wenn ich als Kind mehr Zuwendungen erhalten hätte, hätte ich viel früher gemerkt, dass diese Beziehungen für mich nicht gut sind. So hatten sie aber etwas "normales" für mich.

Und wohl wäre dann diese Sehnsucht nicht so groß wie jetzt? Ist sie also doch "krank"? Mensch, dass ist wirr für mich!!!

Seit einiger Zeit reagiere ich sehr allergisch auf Menschen, insbesondere Männer, bei denen ich eine starke Bedürftigkeit spüre.

Helferlein 123 Erde M, 28

Hallo hope62,

in ähnlichen Situationen, wenn ich erkenne, warum ich so und so denke, handle, fühle oder etwas derartiges getan habe, dann versöhnt mich das mit meinem Schicksal und gibt mir die Kraft, mich wieder neuen Herausforderungen zu stellen. Ich habe dann nicht das Verlangen das Verlorene nachzuholen. Es genügt mir, mir einfach nur einmal vorzustellen, wie es wäre, wenn mein Wunschtraum in Erfüllung ginge, und oft lässt das Verlangen dann schnell nach.

Einen guten und würdigen Partner zu finden ist eine der schwersten Aufgaben im Leben, oder? Man und Frau haben dabei sicherlich keinen Anspruch auf eine Vollpension, aber seine Wünsche artikulieren sollte man schon. Ich glaube, wenn Du Deinem Freund Deine Wünsche mitteilst, und er sie Dir erfüllt, dann bist Du an der richtigen Adresse. Hab Vertrauen!

pluto

Forums-Gruftie 505 am See W, 45

Hallo Plutarch,
leider gibt es da im Moment niemanden mehr, an den ich meine Wünsche richten könnte.

Aber danke für Deine Antwort.

hope62

Helferlein 123 Erde M, 28

Hi Hope,

da will ich Dir mal mit guten Worten antworten, die mir gesagt wurden.
Keep smiling, for a whole new world awaits you when you greet the day with one!

Moderatorin 2129 NRW W, 30

Hallo liebe Hope,

betrachte einmal versuchsweise nicht nur dein Leben sondern auch dich als Person in eine Hope als Kind und eine erwachsene Hope.

Das Mädchen in dir ist traurig, sucht Liebe und Halt. Die Sehnsucht danach ist nie so erfüllt worden wie du es brauchtest, brauchst.

Zum "Ausgleich" hat die erwachsene Hope (bereits als Kind!) Strategien entwickelt, das "nicht zu brauchen", zB hast du umsorgt, gegeben und so keinen Raum für deine Bedürfnisse zugelassen.

Irgendwann kreuzten sich nun erwachsene Hope und kindliche Hope und die Erwachsene konnte sehen - "Hey, ich BRAUCHE aber Zuwendung! Und eigentlich habe ich sie schon immer gebraucht!".

Ich halte diese Sehnsucht nicht für krank, sondern als endlich gelungene Kommunikation zwischen erwachsener und kindlicher Hope. Du darfst diese Sehnsucht fühlen, du darfst für dich sorgen und schauen, ob du Menschen in deinem Leben findest, die dir diese erfüllen können.

Gleichzeitig hast du Angst vor Abhängigkeit, hm? Wenn nun endlich diese Sehnsucht erfüllt würde, wäre es dann wirklich eine Sucht?
Ich denke nicht, Hope. Denn die erwachsene Hope sorgt dafür, dass du nicht "nur Kind" wärest, auch weiterhin kannst du stark sein, wenn du es musst.

Aber gib dir die Chance, endlich einmal loslassen zu können. Lehn dich an, nimm an.

Alles Liebe,

Irrlicht

Forums-Gruftie 505 am See W, 45

Liebes irrlicht, das hast Du wieder ganz lieb und treffend geschrieben.

Und das hier:

Quote:

Irgendwann kreuzten sich nun erwachsene Hope und kindliche Hope

ist wirklich geschehen. Leider in einem traumatischen Ereignis. Dann habe ich krankhaft versucht, diese Sehnsucht von dem Menschen erfüllt zu bekommen, der dazu garnicht in der Lage war. Ich habe mir selber damit viel Schaden zugefügt.

Quote:

Gleichzeitig hast du Angst vor Abhängigkeit, hm? Wenn nun endlich diese Sehnsucht erfüllt würde, wäre es dann wirklich eine Sucht?

Nein, nur wenn ich wie oben erwähnt, an der falschen Stelle kämpfe und kein Ende finde...

Quote:

Ich denke nicht, Hope. Denn die erwachsene Hope sorgt dafür, dass du nicht "nur Kind" wärest, auch weiterhin kannst du stark sein, wenn du es musst.

Das auf Fälle. Very Happy

Quote:

Aber gib dir die Chance, endlich einmal loslassen zu können. Lehn dich an, nimm an.

Wo denn? Immer nur bei mir selber. Davon habe ich so die Schn**** voll.
Das quält mich, aber wohl auch die unerfüllten Wünsche? Habe ich mehr daran zu knabbern? *Grübel*

Danke hope62

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