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Bartleby
sporadischer Gast
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M


Post Sun, 26.Oct.03, 12:34      Schnelldurchlauf Reply with quoteBack to top

Schnelldurchlauf

Nicht weit von hier, in der nächsten Stadt, gleich hinterm Bahnhof, lebt ein Mensch, eine Frau.
Sie sehnt sich nach anderen Menschen, ist auf der Suche nach solchen, die sie so annehmen, wie sie ist, und malt eindrucksvolle Bilder darüber.
Ich weiß, wo sie wohnt. Ich kenne ihre Telefonnummer. Ich würde sie gerne anrufen.
Wenn ich meinem Gefühl folge, dann gibt es nichts auf der Welt, was ich lieber täte, als ein Mensch zu sein, der sie und ihre Bilder so annimmt, wie sie ist.
Ich werde den Rest meines Lebens damit verbringen, mir -wie ein AA- jeden Tag mein Mantra aufzusagen: Ich darf sie nicht anrufen. Ich darf keinen Kontakt zu ihr aufnehmen. Ich darf nicht darüber reden.
Das hier, falls sie es liest, ist so etwas wie Körperverletzung.
Wenn sie ein Recht auf Unversehrtheit hat, habe ich die Pflicht zu schweigen.

Es ist wohl das Beste für sie,
wenn sie mich als einen von denen sieht, die ein Nein nicht akzeptieren können.
Ich bin ein Mann, der nicht aufhört, einer Frau nachzulaufen, die nichts von ihm wissen will.
Und wenn ich es schaffe, mein Mantra zu befolgen, dann
bin ich ein Mann, der nicht aufhört, einer Frau nachzutrauern, die nichts von ihm wissen will.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich das bin oder nicht.
Ist auch egal.

Was mich wütend macht.
Was mich wütend macht,
wütend auf mich selbst,
ist, dass ich beim letzten Mal, als ich mit ihr redete, nicht in der Lage war, nichts zu sagen, was ihr wehtut.
Aber es wird immer so sein.
Es wird immer das eine Mal geben, und wenn ich einmal nicht in der Lage bin, dann wird dieses eine Mal zum letzten Mal.
Was mich wütend macht,
wütend auf die Welt, auf die anderen Menschen, auf Euch,
ist, dass mir niemand hilft,
dass mir niemand erklärt, was los ist.
Was mich wütend macht,
wütend auf sie,
ist, dass sie mir keine Chance einräumt, weil sie solche wie mich für Narren hält.
Aber es ist Unsinn, auf sie wütend sein zu wollen.
Und sie hat mir Chancen eingeräumt. Und ich hab mich als Narr erwiesen.

Wahnsinn liegt in der Richtung,
sich vorzustellen,
dass wir miteinander zu kommunizieren versuchen.
Ich kann mit ihr reden. Gar nicht schwer.
Brauche bloß anzurufen. Und die Chance, das wir uns normal unterhalten, ist gar nicht mal schlecht.
WAHNSINN: Vielleicht ist Anrufen das, was richtig ist. Vielleicht ist das gelegentliche Erreichen der Normalität ihr sehr viel wert.
Unsinn, sie kann jederzeit bei mir anrufen, wenn sie will.
WAHNSINN: Ich sehe ihre Bilder und meine, einen schwachen Abglanz dessen zu spüren, was sie fühlt.
Einen Kreis, der sich in meinem Kopf dreht.
Einen Kreis aus Für und Wider, Schwarz und Weiß, Gut und Böse.
So wie der Kreis, der sich in ihrem Kopf dreht.
Nur eben, dass der Kreis in meinem Kopf einen leichten Schwindel verursacht, während der Kreis in ihre Kopf sie in den Abgrund reißt.
WAHNSINN: Zu denken, dass ich nachfühlen kann.
Zu denken, dass sie weiß, dass sie mich mit ihren Bildern erreichen kann.
Zu denken, dass Kommunikation möglich ist.
Nicht zu Ende denken!
Denn das würde heißen, dass das, was sie in ihren Bildern zu sagen versucht,
und das, was ich in meiner trauernden Einsamkeit mir einbilde darin zu sehen,
miteinander zu tun hat.
Dass es Sinn macht, nach Symbolen zu suchen.
Dass es Sinn macht, sich auf den Wahnsinn einzulassen.
Weil Kommunikation möglich ist.

Es ist möglich, mit ihr zu reden, andere schaffen das.
Manches Mal, da habe ich es selbst gekonnt.
Ich würde so gerne den Kampf aufnehmen.
Kämpfen gegen das, was ihr das Leben schwer macht.
Muss statt dessen
kämpfen gegen das, was ich so gerne würde.

Kämpfe dagegen, auf sie zuzugehen!
Kämpfe auch dagegen, auf andere Menschen zuzugehen!
Kämpfe dagegen, mit anderen Menschen über Probleme zu reden!
Kämpfe dagegen, Kontakt zu denen aufzunehmen, die erklären könnten!
Würde alles nur noch schlimmer machen. Wo es keine Erklärung gibt.
Kämpfe dagegen, mit Menschen zu reden, die Hoffnung geben wollen!
Die mir einreden, dass ich, wenn ich den Mut dazu habe, Hoffnung haben darf.
Die mir einreden, dass die Zeit Wunden schließt.
Die mir von Freunden und Verliebtsein erzählen.

Ein Teil von mir glaubt, und wird immer daran glauben,
dass wir miteinander reden können.
Dass es einen Weg gibt.
Dass ein Teil von Dir glaubt, und immer daran glauben wird,
dass wir miteinander reden können.
Dass es einen Weg gibt.
Schrecklich, dass es gerade diese Teile sind, die uns daran hindern.
Dass Du nur mit Leuten reden darfst, die nicht verstehen, die nicht fühlen.

Das hier sollte ein Abschied sein.
Ein Abschied für immer.
Ich verstehe, dass ich die Pflicht habe, mich für immer von Dir zu verabschieden.
"Leb wohl" sollte die Überschrift sein.

Es ist ihr möglich, ein normales Leben zu führen.
Wenn sie unterwegs nicht solchen Arschlöchern wie mir begegnet.
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Elfenträne
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Post Sun, 26.Oct.03, 13:06      Re: Schnelldurchlauf Reply with quoteBack to top

Hat mich sehr berührt.

Wünsche Dir viel Kraft.

Elfenträne.

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"Sie versuchte, sich durch ihren Körper hindurch zu sehen." (Milan Kundera)
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lea-ann
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Post Sun, 26.Oct.03, 13:35      Re: Schnelldurchlauf Reply with quoteBack to top

Ich wünsch dir die Kraft die du für die zeit brauchst.

Klingt gut was du/ihr da macht. da schöpfst du/ihr sicher viel kraft.


MfG
EM

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