Wie ändert ihr Einstellung zu negativen Erfahrungen?

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JackTheStripper
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Wie ändert ihr Einstellung zu negativen Erfahrungen?

Beitrag So., 03.11.2013, 16:04

Hallo Leute,


Wie ändert ihr eure Einstellung zu negativen Kindheitserfahrungen?




Ich habe als Kind und als Jugendlicher eine schwierige Zeit gehabt. Diese Zeit war geprägt durch Gewalt, Einsamkeit und Psychoterror. Heute geht es mir wieder sehr gut, was aber jahrelange Therapie und Medikation vorausgesetzt hat (nur so nebenbei: es ist sehr wohl möglich, ein glückliches Leben nach einem unglücklichen zu führen!).

Aber die Erfahrungen, die ich damals gemacht habe, kann ich natürlich nicht vergessen. Und gelegentlich kommen diese schwierigen Gefühle wieder hoch, die schmerzen und mir Energie rauben. Aber ich kann einerseits meine Einstellung zu ihnen ändern und andererseits gegenteilige, also positive Erfahrungen sammeln.


Wie stellt ihr das an? Wie ändert ihr eure Einstellung zu einer Zeit, in der ihr Schlimmes erlebt habt? Wie geht ihr generell mit negativen Erinnerungen und Gefühlen aus einer früheren Zeit um?


Ich bspw. schreibe viel Tagebuch, rede mit Freundin, Freunden und Therapeutin und versuche, gedanklich den Knoten zu entwirren. Dann versuche ich Schritt für Schritt positive Erfahrungen zu machen. Ich habe etwa Angst vor Nächten, weil ich mich da unsicher und schutzlos fühle. Ich weiß heute, woher das kommt. Deswegen gehe ich abends ein wenig spazieren. Oder ich gehe einmal in der woche ins Theater am Abend. So bekomme ich langsam das Gefühl, doch nicht schwach oder schutzlos zu sein und dass es schöne Dinge in der Nacht gibt.


Jetzt möchte ich von euch wissen, wie ihr das Ganze angeht. Habt ihr auch einige Lösungsvorschläge? Wenn ja, wie gut funktionieren die? Gibt es Dinge, die man lieber unterlassen sollte?


Danke im Voraus!

Liebe Grüße
JackTheStripper

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Jenny Doe
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Beitrag So., 03.11.2013, 16:50

@ JackTheStripper,

interessantes Thema. Bin gespannt auf die Diskussion hier und die Antworten anderer.
Wie ändert ihr eure Einstellung zu einer Zeit, in der ihr Schlimmes erlebt habt?
Ändern kann ich meine Einstellung zu dem, was ich erlebt habe nicht. Es war negativ, und das wird es für mich auch immer bleiben.
Aber: Ich sehe heute nicht mehr nur die negativen Folgen, sondern auch die Positiven. Ich sehe heute auch, dass mich die negativen Erfahrungen zu dem gemacht haben, was ich heute bin. Sie haben mich stark gemacht. Ich habe durch negative Erfahrungen eigene Ressourcen entdeckt, die vielleicht ohne diese Erfahrungen unentdeckt geblieben wären, bzw. Ressourcen entwickelt, die ich ohne die Erfahrungen nie entwickelt hätte. Ich habe durch sie Problembewältigungsstrategien gelernt, die mir heute in anderen schwierigen Situationen nützlich sind. Sie haben Kreativität entstehen lassen. Ich weiß nicht, ob ich ohne sie die Fähigkeit zum Schreiben und Malen entwickelt hätte. Beides habe ich als Verarbeitungsmöglichkeit erlernt. Ich verspüre heute in schwierigen Situationen eine gewisse Gelassenheit, weil ich weiß, dass es morgen vorbei ist und morgen nur noch eine Erinnerung ist.

Ich habe mich oft gefragt: Wer wäre ich heute, wenn z.B. meine Kindheit anders verlaufen wäre? Wer wäre ich heute, wenn ich behutsam aufgewachsen wäre? Hätte ich dann auch diese Stärken entwickeln können?
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).

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Solage
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Beitrag So., 03.11.2013, 19:20

@JackTheStripper

Mir haben die positiven Erfahrungen die ich nach meiner Kindheit gemacht habe geholfen.
Ich bin bald von Zuhause ausgezogen und habe dann mein eigenes Leben gelebt. Ähnlich wie Jenny habe ich gute Ressourcen und auch Frustrationstoleranz entwickelt. Außerdem bin ich eher eine Kämpferin. Ich stehe immer wieder auf. Das war in meiner Kindheit auch notwendig. Da war ich sehr auf mich alleine gestellt und habe demütigende Erfahrungen machen müssen.
Je älter ich werde, desto mehr verblassen auch die Erinnerungen. Ich liefere mich ihnen nicht mehr aus. Kann teilweise keine Gefühle mehr damit in Verbindung bringen. Schlimm sind aber nach wie vor die Begegnungen mit meiner Mutter, da reagiere ich immer noch überempfindlich. Nach solchen Treffen geht es mir eine gewissen Zeit schlechter. Sie ist aber auch eine sehr anstrengende Person. Ich gehe ihr möglichst aus dem Weg.

Dass Du versuchst mehr positive Erfahrungen zu machen finde ich sehr gut. Denn meine positiven Erlebnisse haben mittlerweile die negativen von damals teilweise überlagert. Ich habe auch gute Sozialkontakte aufbauen können. Deshalb möchte ich mich auch in meiner Therapie nicht zu intensiv auf diese negativen Erinnerungen einlassen, mich nicht zu sehr von ihnen bestimmen lassen. Auch Ängste sind weniger geworden. Vielleicht heilt die Zeit doch auch die Wunden. Was war ist gewesen und kann ich nicht mehr ändern.
Manchmal kommt aber noch eine Traurigkeit deswegen hoch, dann tue ich mir auch selbst leid. Das hört aber schnell wieder auf.
Wenn Du Angst vor der Nacht hast und dann entdeckst, dass es auch schöne Dinge in der Nacht gibt, kann es ja sein, dass die schönen Dinge so in Dir abgespeichert werden, dass Du Dich nicht mehr so fürchten musst.
Wenn dieser Ausgleich funktioniert, dann ist es wunderbar.

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Hiob
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Beitrag Mo., 04.11.2013, 21:43

Hai Jack.

Ich hab irgendwann mal ne Sonnenblume bei mir im Garten angekuckt.
Der Stil war auf etwa 5cm völlig vertrocknet, richtig braun. Keine Ahnung warum. Trotzdem wuchs die Pflanze darüber weiter und bildete eine schöne große Blüte. Hätte man dieses Stückchen rausgeschnitten, wäre die Pflanze gestorben...sie wär nicht weiter gewachsen. Alle darüber gewachsenen Teile, einige Blätter, die Hauptblüte und die sich später bildenden kleinen Seitenblüten waren nur da, weil es das kurze verdörrte Stückchen gab. Sie waren auch nur so ausgebildet, wie sie waren, weil die jeweils vorherigen gewachsenen Teile genau so gewachsen sind, wie sie sind. (Der Abgleich mit einer Soll-Sonnenblume ist m.E. typisch für unser Denken...er ist gleichzeitig irgendwie schwachsinnig.)

Vielleicht ist das zu blumig, aber für mich war die Sache damit klar.
Die Ausgangsfrage verschwindet dabei. Toll finde ich solche Abschnitte trotzdem nicht, aber irgendwie ist es anders. Ich würde mir die Frage nach der "schlechten Zeit" nicht aus dem gleichen Bewußtsein stellen, wenn es sie nicht gegeben hätte. Ich wäre einfach jemand anderes. Vielleicht würde ich mir dann heute mit verbundenem Fuß...in einer Badewanne sitzend, die Frage stellen, warum Ameisen nicht blau sind.

Viele Grüße
Hiob

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JackTheStripper
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Beitrag Mi., 06.11.2013, 08:29

Hallo Leute,

Vielen Dank für eure Kommentare!

Ich teile deine Aussagen Hiob. Es ist auch für mich so, dass ich mich als einzigartig oder individuell fühle, gerade weil ich eine Zeit durchgemacht habe, die sich viele nicht vorstellen können. Heute bin ich stärker als die meisten, gleichzeitig auch sensibler und feinfühliger. Das heißt, ich bin ein präziser Beobachter menschlicher Innenwelten geworden.

Es gibt viele Methoden, sich den alten Geistern zu stellen. Nach einem Besuch meiner Eltern geht es mir ebenfalls für kurze Zeit nicht gut. Ich bin dann aufgekratzt und erschöpft. Ich weiß das bereits im Voraus - und genau deswegen ist es nur halb so wild, da ich es einschätzen kann und Zeit habe, mir bereits Tage davor Bewältigungsstrategien zu überlegen.

Was mir in der letzten Zeit sehr geholfen hat, war eine Auflistung all der Dinge, an denen ich noch arbeiten möchte und denen, die ich geschafft habe. Auf der einen Seite Geduld und Verzeihen lernen, auf der anderen Selbstvertrauen und Lebensziele erarbeitet. Diese nüchterne Auflistung macht es für mich einfacher, mich selbst einzuordnen. Ich kenne meine Schwächen und meine Stärken. Generell ist Schreiben sehr hilfreich für mich.

Ich schreibe Gedichte und Kurzgeschichten, aber auch Tagebuch. Gepaart mit meiner Gitarre und den Büchern, die ich gerne lese, fühle ich mich mittlerweile sehr ausgeglichen. Außerdem liebe ich es, mich künstlerisch auszudrücken. Das gibt mir ein gutes Gefühl.

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Hiob
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Beitrag Mi., 06.11.2013, 17:09

*nicke*
Du könntest mal versuchen, diese vorgefertigten Denkbausteine wie "Stärken und Schwächen" oder "an mir arbeiten" ebenso zu hinterfragen. Indem du diese Worte verwendest, verwendest du in deinem eigenen Denken Dinge, denen jeweils bestimmte Eigenschaften zugeordnet sind. Himmel=blau, weit, oben, unendlich...oder Tanja= grob, faul, unzuverlässig usw. Du denkst praktisch in deiner Sprache. Deshalb nur der Vorschlag, dich auch vom Vokabular der Psychologen zu lösen und eigene Vokabeln verwenden. Die Zuordnung auflösen. Manchmal löst das bereits etwas auf von deinen Problemen oder Sachzwängen, weil du einfach nicht mit den Vorgefertigten Denk-Bausteinen arbeitest. Immer, wenn du dich in einem Dilemma, also einer scheinbar ausweglosen Situation befindest, muss weit vorher eine Art Dogma vorhanden gewesen sein. Löst man das Dogma, verschwindet "weiter hinten" die Ausweglosigkeit, einfach, weil es viel mehr Möglichkeiten gibt.

Ich finds beispielsweise heute lustig, wenn jemand sagt, er müsse an sich arbeiten. Ich stelle mir dann vor, ich geb ihm meine Kettensäge und schaue zu, was er dann macht. Vielleicht wird er ja ein Eichhörnchen?

Viele Grüße zum Mittwoch
Hiob (alternativlos)

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JackTheStripper
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Beitrag Sa., 09.11.2013, 12:01

Hiob hat geschrieben:*nicke*
Ich finds beispielsweise heute lustig, wenn jemand sagt, er müsse an sich arbeiten. Ich stelle mir dann vor, ich geb ihm meine Kettensäge und schaue zu, was er dann macht. Vielleicht wird er ja ein Eichhörnchen?
Du hast vollkommen Recht, wenn du meinst, "an sich arbeiten" klinge "lustig" im Zusammenhang mit seelischen Problemen. Doch das ist nur ein Teil der ganzen Wahrheit. Tatsächlich ist es so, dass der Prozess des psychischen Gesundens mit Schweiß, Anstrengung, Verzweiflung verbunden ist. "Arbeiten" passt also doch sehr gut.

Zu deinen etymologischen Hinweisen: Welches Wort hat keine vorgegeben Bedeutung? De Saussure würde schmunzeln.

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bunnymammi
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Beitrag Sa., 09.11.2013, 12:13

Mir geht es ähnlich wie Jack. Geprägte Kindheit, viel Seelenschmerz und Ausweglosigkeit.

Ich bin eine Kämpferin,wie Solange es von sich schreibt. Ich bin im Herzen einruhige liebevoller Mensch. Wenn man mich um etwas bittet, dann lege ich sofort los. Wenn man mich reizt, mir zu nahe kommt oder versucht mich auf die Palme zu bringen, fange ich an zu fighten. Ich höre nicht auf bis ich völlig erschöpft und vergiftet mit Adrenalin bin.

Meine MUtter ist tot, ich träume dennoch täglich von ihr. Und den Verbrechen die sie begangen hat.

Wenn meine Mutter mich beschimpft hat,ich würde sie nciht kenne, sie grundsätzlich falsch einschätzen, dann hatte sie selbst schuld, denn sie hat mir nie gezeigt, wer sie wirklich gewesen ist.
Meine Mutter hat mein Leben so geprägt,daß ich niemals inder Lage seinwerde, die Verletzungen zu heilen.Manch sind vernarbt, manche noch immer nciht verheilt. Das Leid, das ich erahren habe, ist mir erst als erwachsene Frau und selber Mutter bewußt geworden. Und es erschüttert mich zu lesen,wie andere neben mir von sich und ihren Traumata erzählen. Ein absoluter Wahnsinn.

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Faith_
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Beitrag Sa., 09.11.2013, 13:26

Ich glaube, GANZ kann man die Einstellung nicht ändern, man kann nur im Hier und Jetzt bleiben und versuchen die Erinnerungen so gut wie es geht, zu verarbeiten. Auch loslassen ist ein großes Thema- das geht auch sehr schwer bei traumatischen Erfahrungen.

Das wichtigste ist, denke ich, mit seinem "inneren Kind" Versöhnung zu schliessen- bedeutet sich den Bedürfnissen, die du als Kind hattest, bewusst zu werden und sie anzunehmen. Wenn die Eltern deine Bedürfnisse nicht annehmen konnten, ignorierten oder zerstörten- ist es auch jetzt im Erwachsenenalter wichtig, dass du deine kindlichen Bedürfnisse vergegenwärtigst und sie annimmst.
WIE das geht? ich denke, du bist eh aufm richtigen Weg.
Wenn du meinst, du fühlst dich gut, deine Gefühle künstlerisch auszuleben, wird es dir auch irgendwann leichter fallen, damit Frieden zu schliessen.
Auch mir hilft Kunst (Musik , Gedichte z.B.) sehr gut, um mich all meinen Gefühlen bewusst zu werden und versuchen sie loszulassen.

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JackTheStripper
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Beitrag Do., 14.11.2013, 07:42

@Faith_: Die Bedeutung des "Inneren Kindes" würde ich persönlich nicht als so gewichtig einstufen. Ich selber habe über längere Zeit an der Kommunikation mit dem kleinen Ich in mir gearbeitet. Aber das hat letztlich dazu geführt, dass ich völlig an diesem Ansatz hängen geblieben bin und gar nicht gemerkt habe, dass ich erwachsen und stark bin. Das Kind darf genauso ein Stück weit in der Vergangenheit bleiben, wo es zum Großteil hingehört. Heute ist alles anders als damals. Was denkst du?

@bunnymammi: Sei nicht so deprimiert, du bist Mutter und ich höre heraus, dass du zu deinem Kind nicht so sein möchtest, wie deine Mutter es zu dir gewesen ist. Und das ist die wichtigste Entscheidung überhaupt. Deine Einstellung kannst du sehr wohl ganz stark ändern, vor allem zum Positiven. Das bedeutet ja nicht, dich zu verleugnen, sondern dich zu entwickeln und alte Muster, Gefühle, Erfahrungen und Gedanken hinter dir zu lassen.

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